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Im Zentrum des Hurrikans

Robert Muller, der Optimist im Hause der Vereinten Nationen, hat kürzlich eine Sammlung autobiographischer Essays herausgegeben, die etwas von der inneren Arbeitsweise dieser verleumdeten und oft mißverstandenen Weltorganisation wiedergeben. In Most of All, They Taught Me Happiness1 (Vor allem lehrten sie mich Glücklichsein) schreibt er über seine Zusammenarbeit mit Dag Hammarskjöld und über seine beispiellose Vertrautheit mit U Thant, woraus der Leser ersehen kann, daß er kein ausdrucksloser grauer Bürokrat ist, der einen weiteren diplomatischen Bericht verfaßt. Norman Cousins bringt das Charakteristische dieses außergewöhnlichen Mannes zum Ausdruck, indem er ihn die "großartige Anomalie" der UNO nannte.

Muller schreibt über seine Kindheit in Elsaß-Lothringen während der Kriegsjahre, in denen Bruder gegen Bruder kämpfte, und über seine Gebete, daß die Gründung einer starken Vereinigung der Nationen Frieden bringen möge. Er schreibt davon, wie er Generalsekretär Waldheim bei seinem ersten Besuch in China begleitete und von seinem persönlichen Auf und Ab in einer Welt internationaler Intrige, Diplomatie und Kriege. Und dennoch gibt es Glück mitten im Zentrum des Hurrikans, wie das Thema dieses Buches lautet. Der Franzose und Katholik Muller erreicht den Höhepunkt der UN-Hierarchie in der treuen Freundschaft mit dem Buddhisten U Thant aus Burma. Die schönsten Essays beschreiben ihre gegenseitigen Beziehungen: U Thant lehrte Muller vor allem Glücklichsein. Er wandelte sich, als er den gleichmütigen Burmesen beobachtete, wie er mit den heftigen Krisen im Amt eines Generalsekretärs fertig wurde. Nachdem Muller immer wieder darum gebeten hatte, sprach U Thant zu ihm über die buddhistischen Vorstellungen von Dharma (Pflicht) und Vipassana (Achtsamkeit).

Als er einmal von einer Gruppe Buddhisten gedrängt wurde, über die Diskrepanz zwischen der Arbeit bei den Vereinten Nationen und seiner buddhistischen Philosophie zu sprechen, erwiderte U Thant, daß er keine bessere Formulierung des buddhistischen Denkens kenne, als die Charta der Vereinten Nationen. Da er bei der Arbeit als Generalsekretär gleichzeitig seine Religion verwirklichen konnte, hob U Thant das Format der internationalen Diplomatie auf die Ebene des bewußten sittlichen Denkens.

Während seiner Ausbildung an U Thants Seite wurde Muller zum Koordinator der 32 spezialisierten Geschäftsbereiche und Weltprogramme der UNO. Er begann Vorlesungen zu halten über so verschiedene Themen wie Astrophysik ("A Copernican View of World Cooperation" / Eine Kopernikanische Betrachtung der weltweiten Zusammenarbeit), und der Einfluß Albert Schweitzers auf die Vereinten Nationen ("Towards a Contemporary Cosmology" / Einer zeitgenössischen Kosmologie entgegen). Muller ist seiner Ausbildung nach Volkswirtschaftler, doch in seinen Artikeln ist ein Feingefühl für die menschliche Lage in den verschiedensten Bereichen zu spüren. Leider tun nur wenige seiner Kollegen es ihm gleich. So weitreichend waren seine Interessen, daß Norman Cousins, als er den unglücklichen Versuch machte, das World Magazine zu gründen, versuchte, Muller, der der leitende Herausgeber sein sollte, der UNO abspenstig zu machen. "Ich biete Ihnen eine Zeitschrift an, in der Sie Ihre Gedanken zum Ausdruck bringen können."

Doch Muller lehnte das Angebot ab und erklärte Cousins auch, warum er es nicht annehmen könne:

Ich muß in dem zerbrechlichen Tempel der menschlichen Hoffnung bleiben, wo sich eines der größten Abenteuer entfaltet, das von dem Menschengeschlecht je unternommen wurde: Die Geburt einer weltumfassenden Gesellschaft. Es ist der Weg zum völligen Verständnis der menschlichen Stellung auf diesem Planeten und im Universum. ... Ich bin ein Helfer unter vielen ungenannten Helfern.

- Seite 153

Eine Anekdote über seine Voraussicht, die man sich gern erzählt: Im Jahre 1951 teilte Teilhard de Chardin, der einer von Mullers Ratgebern war, sein Appartement in Manhatten mit einem von Mullers Vorgesetzten bei der UNO. Schon vor zwanzig Jahren hatte er die UNO gedrängt, sich unverzüglich Gedanken über eine weltweite Energiekrise zu machen: "Eines Tages werden die Menschen verstehen, daß die Sonne, und nur die Sonne, ... unsere große und reine Energiequelle ist. Unter den Zivilisationen im Universum ist die Erde eine ganz primitive, seitdem sie die Energie ihres eigenen Planeten benutzt. ... Man muß einen Überblick über lange Zeiträume haben, einen Weitblick über Hunderttausende von Jahren, und man muß das Denken unserer politischen Führer anregen, in Begriffen der Sonnenenergie zu denken." Natürlich sind nicht alle Essays in diesem Buch derart aufschlußreich. Doch wenn auch einige Abhandlungen Mullers erhabenes Ziel "der Weitergabe der Weisheit in der ewigen Kette des Lebens, die Generation mit Generation verbindet", nicht erreichen, so strahlen die Höhen darin, die er erreicht, doch eine einzigartige Verzauberung aus.

Es gelingt Muller in unübertroffener Weise, seine Rezepte zum Glücklichsein mitzuteilen, auch wenn er die New Yorker nicht davon überzeugen wird, daß das UN Gebäude in ihrer Mitte, das Bethlehem eines neuen Ordens für Menschlichkeit ist. Er hat Erfolg, weil seine Liebe für eine Weltbruderschaft ansteckend ist. In seiner Sicht ist die Bedeutung der UNO die Synthese allen menschlichen Wissens. Nicht ein einziger Aspekt dieses Planeten ist den Wissenschaftlern, den Regierungen, den Berufsvereinigungen, den internationalen Vertretungen und den privaten Verbänden entgangen. Muller findet es ehrfurchtgebietend, daß ein internationaler Büroangestellter einen "kopernikanischen Querschnitt" dieses Planeten bekommen kann, vom äußersten Raum bis zur Mikrobiologie und bis zum Atom - von der entferntesten Vergangenheit bis zur noch ferneren Zukunft -, während er am Schreibtisch der UNO sitzt.

Die Essays enthalten eine Befürwortung dessen, was er als die heute größte Notwendigkeit ansieht - den Glauben an die menschliche Gesellschaft, die Überzeugung, daß wir weiterhin "das wunderbare menschliche Abenteuer" nach allen Seiten hin ausdehnen können: materiell, geistig, moralisch und spirituell. Er findet es nicht unvereinbar, daß eine derartige Ideologie von einem, wie es scheint, aussichtslosen Platz ausgeht, dem Zentrum für zwischenstaatliche Zusammenarbeit. Er behauptet, daß gerade bei der UNO alle Träume, Erfahrungen, Werte und Bestrebungen der Menschheit ihren Ausdruck finden. Gerade dort sucht die Menschheit in zunehmendem Maße nach einer Möglichkeit, die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse zu befriedigen. Vielleicht schon morgen, so hofft er, wird die UNO der Platz für das geistige Streben sein, von dem Dag Hammarskjöld und U Thant glaubten, daß es auf lange Sicht die einzige Antwort auf die schwer lösbaren Probleme der Menschen geben könne.

Fußnoten

1. Vorwort von Norman Cousins; Doubleday & Co., N. Y., 1978; 212 Seiten, $ 7.95. Robert Muller ist zur Zeit UNO-Sekretär beim Wirtschafts- und Sozialrat, und für die Nord-Süd Dialoge über Neue Internationale Wirtschaftsfragen zuständig. Dr. med. Lawrence B. Brilliant, leitender Direktor der SEVA Stiftung, gehört zum Lehrkörper der Schule für Volksgesundheit an der Universität von Michigan. Er und seine Frau Girija Brilliant, haben zur Ausrottung der Pocken in Indien sehr viel beigetragen. Die SEVA Stiftung unterstützt eine Kampagne gegen die Blindheit in Nepal. [back]