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„Sternenvolk“ auf dem Planeten Erde

Obwohl wir hier im Westen jetzt allgemein anerkennen, daß unsere gesamte Erdenwelt mit ihren umfangreichen Kontinenten und noch größeren Meeren im Vergleich zur Milchstraße so klein wie ein Atom erscheint, war eine so bescheidene Ansicht nicht immer selbstverständlich. Jahrhundertelang verkündete die Kirche mit unerschütterlicher Autorität, daß die Erde der Mittelpunkt des Weltalls sei und die ungeheure Weite von Erde und Himmel einzig und allein zum Nutzen und zur Erbauung der Menschheit geschaffen wurde.

Glücklicherweise war nicht jedermann von den kirchlichen Erklärungen überzeugt. In seinem Meisterwerk De Revolutionibus Orbium Coelestium lehnte Nikolaus Kopernikus diese recht ungöttliche, menschliche Vorstellung ab. Obgleich er bereits 1530 das Buch im wesentlichen vollendet hatte, war das politische und religiöse Klima damals so erstickend, daß er es erst 1543, dem Jahr seines Todes, veröffentlichte. Dieses Buch übte auf die westliche Kultur einen derart großen Einfluß aus, daß es Kopernikus nicht nur als einen der Begründer der modernen Astrologie auswies, sondern auch eine Türe zur Erforschung der Natur öffnete, durch die später andere, unvoreingenommene Geister wie Kepler und Newton eintreten und die Dunkelheit des menschlichen Dogmatismus vertreiben konnten.

Heute sind wir natürlich stolz darauf, daß wir wissenschaftlich viel zu sehr fortgeschritten sind, um die Weltanschauung unserer mittelalterlichen Vorfahren ernst zu nehmen. Haben wir aber vielleicht nicht nur einfach unsere selbstgefälligen Mutmaßungen in eine etwas subtilere, aber genauso dogmatische Form umgewandelt? Wie der Astronom Carl Sagan in seinem Buch The Cosmic Connection1 / Die kosmischen Verbindungen ausführt, ist es noch nicht lange her, daß mehr als eine Handvoll Astronomen offen dazu bereit war, anzunehmen, daß weitaus die Mehrzahl der Sterne Planeten haben, die sie umkreisen. Dadurch wurde die weit größere Frage, ob andere Sonnensysteme von lebenden, sich entwickelnden und insbesondere intelligenten Wesen bewohnt werden, als ausgezeichneter Stoff für utopische Romane betrachtet, aber nicht als die wahre Wissenschaft. Dr. Sagan und andere, die wie er denken, sind dabei, diese voreingenommene Haltung in der allgemeinen Wissenschaft durchgreifend zu ändern. In der Tat scheinen nun die Forscher auf allen Gebieten zu versuchen, sich über die Atmosphäre des Negativismus - der Neigung zu unbegründeter Ablehnung - zu erheben, die sie so lange behindert hatte. So glaubten zum Beispiel die Astronomen jahrzehntelang, daß es nur wenige Sonnensysteme gebe, weil für ihre Existenz wenig Beweismaterial vorhanden war. Neue Studien unterstützen nun jedoch den Gedanken, daß es eine Vielfalt von Sonnensystemen gibt. Die gegenwärtigen astronomischen Theorien ähneln tatsächlich mehr der früheren Nebularhypothese über die Bildung von Sonnensystemen. Nach diesem alten Glauben wurde angenommen, daß Sterne und Planeten sich langsam verdichten und daß aus den sehr dünnen 'Wolken' von Materie langsam die relativ festen Globen, die wir heute sehen, entstehen. Obgleich sich die moderne Auffassung auf die rein materiellen Aspekte dieser Idee begrenzt, halten sowohl die gegenwärtigen als auch die alten Ansichten daran fest, daß die Planetensysteme eher die Regel als die Ausnahme im Universum sind.

Die moderne Biologie hat ebenfalls viel dazu beigetragen, die wissenschaftliche Perspektive zu erweitern. Sie lehrt, daß, wo immer die erforderlichen Chemikalien annähernd in der richtigen Proportion vorhanden sind und unter entsprechendem Druck und Temperatur stehen, sich schließlich Aminosäuren, die sogenannten Bausteine des Lebens, bilden. Es wird angenommen, daß sich daraus fast immer einige Arten einfacher, sich fortpflanzender Organismen bilden. Außerdem behauptet diese Theorie, daß Myriaden von Lebewesen sich durch Anpassung weiterentwickeln, was mit dem Prozeß der 'natürlichen Auslese' beginnt. Da außerdem die modernen Anhänger der darwinistischen Entwicklungslehre an keine spezielle theologische Erschaffung der Menschheit glauben, nehmen sie an, daß vielleicht Tausende, wenn nicht gar Millionen möglicherweise lebentragende Planeten lange genug existierten, um Wesen hervorzubringen, deren Intelligenz gleich oder größer als die unsere ist.

Diese Theorie ist jedoch nicht ohne Widersprüche. So besteht sie zum Beispiel formell darauf, daß keinerlei Materie, die die Körper lebender Organismen bildet, irgendwie selbst lebendig ist. Das Leben wird vielmehr mit Begriffen gewisser physikalischer Prozesse - wie Essen, Wachsen, Zeugung und anderem - definiert. Daher das Paradox dieser Denkweise: Das Leben wird als eine Art übergeordnete Existenz betrachtet, die spontan aus etwas hervorgeht, das selbst nicht die geringste Spur dieser Eigenschaft besitzt. Außerdem wird angenommen, daß, obwohl auf sehr vielen Planeten die Bedingungen für das Vorhandensein von Leben günstig sind, es nur auf einem winzig kleinen Teil einer Planetengruppe lebende Organismen gibt. So wird das Leben zur seltenen Ausnahme in einem überwiegend leblosen Universum.

Die Ansicht der Alten ging von gänzlich anderen Voraussetzungen aus und führte deshalb auch in andere Denkrichtungen. Das Leben wurde nicht als etwas Ungewöhnliches angesehen, man glaubte früher vielmehr, das Leben sei die universale Regel im Kosmos und 'Materie' oder Substanz, gleich welchen Grades oder von welcher Qualität, sei nur eine Manifestation des Lebens an sich. Mit anderen Worten, es wurde angenommen, daß das Universum mit Leben in Form von Bewußtseinszentren erfüllt ist, also von "lebenden Atomen", die verschiedene Tätigkeitsbereiche haben. Diese Ideen waren im Altertum so allgemein verbreitet, daß viele Autoren annehmen konnten, jeder ernsthaft Studierende werde ihre Schriften gewiß mit diesem Hintergrund der Betrachtung studieren. Wenn wir zum Beispiel diesen Zusammenhang benutzen, um die manchmal obskuren "atomistischen" Lehren des griechischen Philosophen Demokrit zu erklären, so können wir sogleich entdecken, daß er das, was wir physische Atome nennen, als stofflichen Schleier von verdichtetem Bewußtsein ansah, der ein spirituelles Zentrum des Seins umgibt. Außerdem enthalten seine Schriften stillschweigend den Gedanken, daß auch wir 'Atome' sind; Bewußtseinszentren von relativ so großer Macht und Vielfalt, daß wir in uns praktisch ein Milchstraßensystem dieser winzigen atomaren Wesenheiten enthalten und daß wir wiederum sternengleiche Atome innerhalb einer entsprechend viel größeren Wesenheit sind.

Aus dieser Perspektive ist der Gesamtumriß des Evolutionsweges für alle Mitglieder jeder Hierarchie der gleiche. Jedes Atomzentrum, gleich welchen Grades, vom elementalen bis zum supergalaktischen, liegt ursprünglich latent, scheinbar "in der Dunkelheit verborgen." In Wirklichkeit ist "die Dunkelheit" oder "die Leere" nur ein Symbol für Zustände, die wir als manifestierte Wesen in keiner Weise begreifen können. Allmählich erwachen die Zentren zu manifestiertem Leben und entfalten aus sich dünne Schleier aus Materie. Im Laufe von Äonen werden diese Hüllen immer fester, immer dichter und begrenzter. In den späteren Stadien dieses Prozesses beginnt ein großes Drama, da einige dieser Zentren sich schneller zu verhältnismäßiger Freiheit und selbstbewußter Verantwortlichkeit entwickeln. Ganz gleich, um welchen Globus oder welchen Tätigkeitsbereich es sich handelt, jedes neu in diesen Zustand eingetretene Wesen sah man entwicklungsmäßig auf einem Niveau, das den frühesten Menschenrassen analog war. Da von diesem Prozeß gesagt wird, daß er auf all den verschiedenen planetarischen und Sonnengloben zyklisch vorkommt, ergab sich ganz natürlich die Idee, daß sich viele, viele Menschheiten in all den Galaxien entwickeln.

Doch die Überlegungen der Alten machten hier nicht halt. Sie nahmen an, daß schließlich ein Mittelpunkt der Manifestation erreicht wird. Danach kehrt sich der Prozeß um. Aus den immer dichter und dichter gewordenen Schleiern, die sich um die Zentren bildeten, beginnt die Materie ätherischer zu werden und in den Geist zurückzukehren. Oder, wie es die mittelalterlichen Alchimisten ausdrückten: Die unedle, bleierne, personifizierte Materie muß in das Gold wohltätiger spiritueller Individualität umgewandelt werden. Man glaubte, daß diejenigen, die diese Anstrengung machen, mit diesem großen, erhabenen Rückfluß aufsteigen würden, um sich zurück in Geist zu verwandeln.

Vom Standpunkt eines manifestierten Wesens ist das Ende dieses Zyklus erreicht, wenn sich scheinbar alles wieder in das auflöst, was wir nur wieder "die Leere" nennen können, weil es für uns jetzt vollkommen unerkennbar ist. Man glaubte, daß diese Ebbe und Flut des materiellen Seins sich in Ewigkeit wiederholt - wobei sich das weniger Vollkommene beständig erhebt, indem es den Bereich seines Bewußtseins ausdehnt und in größere und wahre Harmonie mit allem, was ist, hineinwächst.

Diese zeitlosen Vorstellungen stehen in großem Gegensatz zu den verhältnismäßig materialistischen Behauptungen der heutigen Wissenschaft über das außerirdische Leben. Es wäre jedoch töricht zu behaupten, daß unsere wissenschaftlichen Theorien deshalb wertlos sind, denn sie sagen uns klar und deutlich, daß wir tatsächlich Kinder des Kosmos sind. Dr. Sagan benutzt für das Menschenreich tatsächlich den Namen 'Sternenvolk' und bezieht sich dabei auf die moderne astronomische Vorstellung, daß die gleiche Materie, die unseren Körper aufbaut, einmal dazu beitrug, den Körper eines Sternes zu bilden. Somit ist die jetzige Einstellung der Menschheit des Westens ein riesiger Fortschritt gegenüber der Reichweite und Fähigkeit der Gedankenwelt der für gewöhnlich akzeptierten mittelalterlichen Orthodoxie. Wahrscheinlich geht der Prozeß weiter. Vielleicht wird sich eine neue und umfassendere Philosophie entwickeln, wenn die Menschen beginnen, die übersehenen Folgerungen zu erkennen, die sich aus den vorsichtig gezogenen Schlüssen der heutigen Wissenschaft ergeben. Wer weiß, wenn sich der Kreislauf der zirkulierenden Gedankenströme schließt, werden diese sehr alten Ideen und Ideale vielleicht als immer neu, immer lebendig und wachsend angesehen werden.

Fußnoten

1. Doubleday, New York, 1973, $ 7.95. [back]