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Wie Freunde und Mitarbeiter sie kannten

"Durch schweres Leiden, jahrelange Krankheit und unaufhörliche Anstrengung erschöpft ... verschied sie am 8. Mai 1891 in London, Avenue Road 19, friedvoll in ihrem Lieblingslehn-Stuhl." Die lange und mit besonderen Erschwernissen verbundene Inkarnation von H. P. B. fand ihr Ende - und wie vorauszusehen, trafen aus allen Himmelsrichtungen von ihren vielen Freunden und Mitarbeitern eine Menge Achtungsbezeugungen für die große Theosophin ein. Einige wurden erstmals in der Monatszeitschrift Lucifer veröffentlicht und dann später, im selben Jahr, in Buchform unter dem Titel H. P. B. - In Memory of Helena Petrovna Blavatsky by some of her Pupils (Zum Andenken an Helena Petrovna Blavatsky von einigen ihrer Schüler) herausgegeben. Es ist ein großes und bewegendes Erlebnis, wenn man dieses Buch liest, enthält es doch tiefempfundene Äußerungen der Menschen, die in den erhabensten Lehren unterwiesen worden sind und den Lehrer verehrten.

Eine ganz kleine Auswahl von Ausschnitten aus diesen Huldigungen wird im folgenden wiedergegeben.

- L. Merkel

 

 

 

William Q. Judge:

H. P. B. besaß das Herz eines Löwen, und für die Arbeit, die für sie vorgezeichnet war, hatte sie die Kraft des Löwen. Laßt uns als ihre Freunde, Gefährten und Schüler uns selbst stärken, indem wir die vor uns liegenden Pläne im Angedenken an ihre Ergebenheit und in dem Bewußtsein ausführen, daß hinter ihrer Aufgabe jene Älteren Brüder standen und noch stehen, die über dem Gerassel und dem Lärm unseres Kampfes stets das Ziel sehen und die in Reih und Glied angetretenen Streitkräfte zur Rettung der "großen Waise - Menschheit" anleiten.

 

Annie Besant:

Andererseits war sie in den wichtigeren Angelegenheiten des Gesetzes die Unnachgiebigkeit selbst, und wäre es nicht ein solches Unrecht gewesen, in das sich die Schreiberlinge mit den gegen sie (H. P. B.) geschleuderten Gemeinheiten selbst gesetzt haben, so hätte ich oft über den ungeheueren absurden Kontrast lachen können, der zwischen der betrügerischen Scharlatanin und Verworfenen, wie diese sie bezeichneten, und der H. P. B., mit der ich lebte, bestand. Sie besaß Ehrgefühl und Feingefühl wie ein "hochedler, vollkommener Ritter"; fleckenlose Aufrichtigkeit wie ein Diamant; und Reinheit, die viel von der Offenheit eines Kindes hatte; dazu die Strenge, mit der sie diese Reinheit Angriffen gegenüber unversehrt halten konnte. Abgesehen von allen Fragen moralischer Obliegenheiten, war H. P. B. als Person eine viel zu stolze Frau, um eine Lüge zu erzählen.

 

Herbert Burroughs:

Wenn jene, die so töricht sind, von ihr zu behaupten, sie würde die Menschen beeinflussen, nur erkennen könnten, wie sehr sie uns einschärfte, daß wir absolut die Pflicht hätten, alle Dinge zu prüfen und nur an dem Guten festzuhalten!

Einmal hinzugehen bedeutete, wieder hinzugehen, und so kam es, daß ich nach einigen Besuchen anfing, klarer zu sehen. Ich erhielt Lichtblicke von einer erhabenen Sittlichkeit, einer selbstaufopfernden Hingabe, einer logisch zusammenhängenden Lebensphilosophie und einer klaren und festumrissenen Wissenschaft vom Menschen und seiner Beziehung zu einem spirituellen Universum. Das war es, was mich anzog - nicht Phänomene, denn ich sah keine. Zum ersten Mal in meiner geistigen Entwicklung hatte ich einen Lehrer gefunden, der die losen Fäden meiner Gedanken aufnehmen konnte und sie befriedigend miteinander verwob; und die sichere Sachkenntnis, das umfassende Wissen und die liebevolle Geduld dieses Lehrers gewannen mir Stunde um Stunde mehr Achtung ab. Mir wurde sehr schnell klar, daß die sogenannte Scharlatanin und Gaunerin eine edle Seele war, die jeden Tag in selbstloser Arbeit opferte, deren ganzes Leben so rein und einfach wie das eines Kindes war, und die keine Sorge und Mühe scheute, wenn diese die große Sache, der ihre ganze Energie geweiht war, vorwärts bringen konnten. Bis zu einem bestimmten Punkt war sie offen wie der Tag, die Inkarnation der Freundlichkeit - schweigsam wie das Grab, wenn es nötig war. Sie war die personifizierte Strenge beim geringsten Zeichen von Treulosigkeit gegenüber dem Werk, das ihr alles bedeutete. Dankbar, so dankbar für jede liebevolle Aufmerksamkeit, sorglos, so sorglos gegenüber allem, was sie selbst betraf, band sie uns an sich, nicht einfach wie ein weiser Lehrer, sondern wie ein liebender Freund. Einmal war ich durch lange körperliche und geistige Überanstrengung zusammengebrochen, und die Räder meines Lebens liefen so schwer, daß sie beinahe anhielten. Während dieser Zeit war ihre Fürsorge unermüdlich, und ein besonderer Beweis, den sie dafür gab - zu persönlich, um hier erwähnt zu werden - würde vielleicht nur einem von einer Million eingefallen sein.

 

Francesca Arundale:

Während sie bei uns lebte, war es ihre Gewohnheit, den ersten Teil des Tages dem Schreiben zu widmen. Gewöhnlich begann sie um sieben Uhr, oft auch früher, und es war sehr selten, daß ich, wenn ich etwa um acht Uhr morgens in ihr Zimmer trat, sie nicht schon an ihrem Schreibtisch fand, an dem sie, mit einer kleinen Unterbrechung zum Mittagessen, bis etwa drei oder vier Uhr nachmittags arbeitete. Dann begann die Empfangszeit, und vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend kam ein Besucher nach dem andern. Die alte Dame, die in ihrem Lehnstuhl im kleinen Salon saß, der für den Zustrom der Gäste kaum ausreichte, war der Mittelpunkt eines wißbegierigen Kreises. Viele, vom Ruhm ihrer großen Kräfte angezogen, kamen natürlich aus purer Neugier. Zu jener Zeit hatte die Psychical Research Society ihren berühmten Bericht noch nicht herausgegeben, und einige ihrer Mitglieder waren häufig anwesend, um nach den Zeichen und Wundern zu forschen, die sie so gern sehen wollten.1 ...

Doch die Forscher von der Psychischen Gesellschaft und die Jäger nach Phänomenen und die Leute, die nur neugierig waren und kamen, um dabei zu sein, waren nur ein Teil der großen Menge. Viele ernsthafte Menschen, die sich mit wissenschaftlichen oder philosophischen Studien beschäftigten, kamen immer wieder, angezogen von der Kraft eines Intellekts, dessen umfassende Stärke sich darin zeigte, wie sie die vielen vorgebrachten Themen behandelte.

Aus Cambridge kamen würdevolle Professoren und verbrachten gelegentlich einen Nachmittag in ihrer Gesellschaft, und auch jetzt kann ich die massige Gestalt im losen Kleid in dem großen Lehnstuhl vor mir sehen, den Tabakbeutel neben sich, wie sie tiefe und gelehrte Fragen über Theorien der Kosmogonie und über die Gesetze beantwortet, die die Materie beherrschen, während sie nebenbei die kleinen Zigaretten dreht, die sie ständig selbst rauchte und ihren Gästen anbot.

 

William Kingsland:

Wer die Lektion der trügerischen Erscheinungsform dessen, was die Menschen Leben nennen, kennenlernen will, ob es sich auf das Diesseits oder das Jenseits bezieht, muß seine Inspiration aus einer tieferen Quelle schöpfen als der, die in der äußeren Welt der Formen verfügbar ist. Der geborene Mystiker benötigt jedoch oft eine lange Periode des Wartens und Suchens, bevor diese Quelle gefunden wird. Viele Jahre werden damit verbracht, um zuerst ein System und dann das nächste zu erproben und wieder zu verwerfen, und vielleicht scheint es sogar, als sei das Leben nur ein hoffnungsloses Problem. Und vielleicht gerade dann, wenn alles am dunkelsten und hoffnungslosesten erschien, wenn man sogar der Meinung war, daß es das Beste sei, die Suche aufzugeben und den Standpunkt einzunehmen: "Wir wissen nichts und wir können nichts wissen", gerade dann geschah es, daß das Licht dämmerte, der Lehrer gesandt, das Wort gesprochen wurde, das die verlorene Erinnerung an jene verborgene Quelle der Wahrheit, nach der wir suchten, zurückrief; und wiedereinmal haben wir die große Aufgabe an jenem Punkt aufgenommen, an dem wir sie in einem früheren Leben abgebrochen haben, jene Aufgabe, die zu erfüllen wir uns selbst vorgenommen haben.

Und so tat sie mehr, als uns nur ein neues philosophisches System zu lehren. Sie knüpfte die Fäden unseres Lebens zusammen, jene Fäden, die in die Vergangenheit zurück und vorwärts in die Zukunft laufen, die wir aber nicht finden konnten, weil wir nicht fähig dazu waren. Sie zeigte uns das Muster, an dem wir gewebt hatten, und den Zweck unserer Arbeit. ...

Es ist unvermeidlich, daß der Ausdruck Theosophie mit bestimmten Lehren in Zusammenhang gebracht werden mußte. Damit die Botschaft der Welt gebracht werden konnte, mußte sie in einer bestimmten und systematischen Form angeboten werden. Doch dadurch wird sie exoterisch, und nichts, was exoterisch ist, kann von Dauer sein, denn es gehört zur Welt der Form. Sie leitete uns an, unter die Oberfläche zu sehen, hinter die Erscheinungsform, und das Prinzip zur wirklichen treibenden Kraft unseres Lebens und Verhaltens zu machen. Für sie bedeutete der Ausdruck Theosophie unendlich viel mehr, als der Welt in irgendeinem Schlüssel zur Theosophie oder in einer Geheimlehre dargelegt werden konnte. In den von ihr veröffentlichten Werken kommt sie in der Stimme der Stille diesem Begriff am nächsten. Doch selbst dieses Buch vermittelt nur unvollkommen das, was sie - wäre die Welt aufnahmefähig gewesen - in dem Ausdruck Theosophie lehren und einschließen wollte.

Der Grundgedanke ihrer Lehren, der Grundton ihres Lebens war - Selbstaufopferung. ...

Und so wies uns H. P. B. oft auf solche Männer und Frauen hin, die wahre Theosophen waren, obwohl sie außerhalb der Theosophischen Bewegung standen und scheinbar sogar ihre Gegner waren. Überall in der Welt entstand die Ansicht, ein Theosoph sei jemand, der an Reinkarnation und Karma oder an eine andere bestimmte Lehre glaubt. Doch von der großen Gründerin der Theosophischen Gesellschaft wurde dieser Ausdruck niemals so einschränkend gebraucht. Sie lehrte diese Lehren, damit die Menschen sich von allen doktrinären Formen loslösen und "Alaya's Selbst" erreichen sollten. Es gibt keine ältere Lehre als die vom göttlichen Mitleid, von der universalen Bruderschaft. Sie ist die Essenz aller Lehren von allen Buddhas und Christussen, die die Welt je gekannt hat. Sie steht über allen Lehren, Glaubensbekenntnissen und Glaubensformeln. Sie ist die Essenz in allen Religionen. Doch der Mensch überhört immer wieder, daß es nur ein Prinzip gibt, das allein die Welt retten kann. Statt dessen nimmt er Zuflucht zu den egoistischen Wünschen seiner niederen Natur.

Individualismus ist der Grundgedanke der modernen Zivilisation; Wettbewerb und Überleben des Tauglichsten ist die praktische Basis unserer Moralität. Unsere modernen Philosophen und wissenschaftlichen Lehrer tun alles, was nur möglich ist, um den Menschen auf die Stufe eines Tieres herabzuwürdigen; um zu beweisen, daß seine Herkunft, seine Abstammung und seine Genialität der animalischen Schöpfung zuzuordnen ist und durch rücksichtslose Gesetze einer blinden Kraft und toten Materie geformt ist. Ist es da verwunderlich, daß jemand, der so glühend an die göttliche Natur des Menschen und an das göttliche Gesetz der Liebe glaubte, sich mit zorniger Verachtung gegen die Lehren der Religion und der Wissenschaft wandte, die die Menschheit derart degradierten.

Und sie bezahlte dafür die unvermeidliche Strafe.

 

Henry S. Olcott:

Ich half H. P. B. bei dem ersten ihrer wunderbaren Werke, Isis, und sah, wie jede Seite des Manuskripts geschrieben oder redigiert wurde und auch jeden Fahnenabzug. Die Herstellung dieses Buches mit seinen zahllosen Zitaten und seiner ungewöhnlichen Gelehrsamkeit war für mich Wunder genug, mich ein für allemal davon zu überzeugen, daß sie psychische Gaben höchster Ordnung besaß. Aber es gab noch weit mehr Beweise als das. Sehr oft, wenn wir beide allein bis weit in die Nacht hinein an unseren Schreibtischen arbeiteten, wollte sie ihre Beschreibungen der okkulten Kräfte im Menschen und in der Natur durch improvisierte experimentelle Phänomene veranschaulichen. Jetzt, wo ich zurückblicke, kann ich erkennen, daß diese Phänomene anscheinend mit der besonderen Absicht gewählt worden waren, mich in der psychischen Wissenschaft zu unterrichten, so wie die Laboratoriumsversuche von Tyndall, Faraday oder Crookes geplant wurden, um den Schüler nach und nach durch das Lehrprogramm der Physik oder Chemie zu führen. Da gab es keine Coulombs mit ihrem Schmutz, keine drittklassigen Parties, bei denen jemand zum Narren gehalten wurde, niemand erwartete wertvolle Geschenke oder glaubte, Yogakräfte und Spezialtips für eine Wegabkürzung nach Nirvana erhalten zu können; sie erbat nur meine literarische Hilfe für ihr Buch und wollte die okkulten Gesetze, die in der jeweiligen Erörterung vorkamen, meinem Verständnis näher bringen, deshalb bewies sie experimentell die wissenschaftliche Grundlage, auf der sie basierten. ...

Ist es deshalb verwunderlich, daß ich, der mehr als alle anderen in der Theosophischen Gesellschaft mit diesen gültigen Beweisen begünstigt worden bin, dem von ihr die Realitäten der transzendentalen Chemie und Physik und die wunderbaren dynamischen Kräfte des menschlichen Geistes, Willens und der Seele gezeigt wurden, der von ihr auf den herrlichen Pfad der Wahrheit geführt worden war, den ich seitdem immer freudvoll weiterbeschritten habe, mir, dem es persönlich ermöglicht wurde, die östlichen Lehrer zu sehen, kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen - ist es da ein Wunder, daß ich sie als einen Freund geliebt, sie als einen Lehrer hochgeschätzt habe und ihr Andendenken allezeit heilig halte?

Fußnoten

1. Während des Sommers 1884 war H. P. B. der Gast der Arundales in ihrem Haus in Elgin Crescent, Notting Hill, London. [back]