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Bruder Sonne, Vater Sonne – 1. Teil

Haben Se sich schon einmal über den strahlenden Himmelskörper, unsere Sonne, deren Energien die ganze Welt ernähren, Gedanken gemacht? Ist diese Sonne der Kern einer Zelle im Gefüge des universalen Lebens? Ist sie ein Atom? Ein Molekül? Oder ganz anders gesehen, ist sie unser Vater, unser älterer Bruder - oder beides? Durch die Wissenschaft erhalten wir eine ungefähre Vorstellung von der Herrlichkeit und Macht dieses leuchtenden Gestirns, das jeden Tag an unserem Himmel im Osten 'aufgeht', die stille Nacht vertreibt und alle Geschöpfe und Dinge wärmt und erhält. Doch in einem verborgenen Winkel unseres Bewußtseins haben wir das Gefühl, ja die Gewißheit, daß in Wirklichkeit alles noch viel wunderbarer ist als das, was wir sehen.

Wir fühlen uns mit diesem lebensprühenden Globus verwandt, dessen strahlenden Energien die Welt und uns auf so manche und geheimnisvolle Weise erwärmen und ernähren. Was für eine unvorstellbar mächtige Energiequelle ist er, auch wenn man nur die sichtbare Ebene berücksichtigt! Wenn die Sonne, die wir sehen, nur das äußere Gewand einer großen Wesenheit ist, wie viele annehmen, wie unbegreiflich erhaben muß erst die Sonnenwesenheit in ihren unsichtbaren Aspekten sein. Wie viele Milliarden Jahre hat sie schon im Mittelpunkt unserer Sonnenwelt gestanden und ihre vielfachen Energien verschwenderisch in jede Richtung ausgesandt.

Diese Dinge können von vielen Gesichtspunkten aus betrachtet werden: Wenn die Sonne eine Wesenheit ist, und wenn der Mensch und die Erde ebenfalls Wesen sind, dann müssen auch alle anderen Einheiten, ob groß oder klein, ebenfalls 'lebendig' sein und die ihnen vom Schicksal zugedachte Rolle spielen, die sie sich selbst ausgesucht hatten. Die Gesamtheit der Lebewesen bildet das Universum. So gesehen muß aber das Ganze viel mehr sein als alle Teile zusammen - eine Wesenheit für sich, in der die geringeren Wesen leben und sich bewegen. Durch die "Notwendigkeit" (Karma) gezwungen, werden die Wesen dieser Welt in den ungeheuren Bereichen des Raumes geboren und wiedergeboren, wobei jedes dazu beiträgt, ein größeres System zu bilden, und jedes Wesen enthält wieder eine Unmenge kleinerer lebender Wesenheiten, die sich vom geringsten Atom oder der Elementarkraft, die in der sommerlichen Glut wirbelnd in Erscheinung tritt, bis zu Shakespeares Cherubim und Seraphim "mit hellen Augen" erstrecken, deren gottgleiche Harmonie und Weisheit vielleicht die sogenannten Naturgesetze sind.

Nahezu alle Religionen setzen die Existenz von Höchsten Wesen verschiedenster Art voraus, wobei, wenige ausgenommen, alle klar erkannt haben, daß eine große Anzahl göttlicher und halbgöttlicher Vermittler notwendig sind, die Gott auf der einen und den Menschen auf der anderen Seite miteinander verbinden. Der Herr mag sehr wohl den Fall des Sperlings bemerken, aber es ist schwer, sich vorzustellen, daß er selbst der Veranlasser des Sturzes ist. Genauso wenig können wir sagen, daß kosmische Elektrizität eine Teigknetmaschine in Bewegung setzt, ohne daß diese vorher zum Gebrauch bereitgemacht wird, oder Strom erzeugt, der dann durch eine Reihe Transformatoren und Drähte geleitet wird, um einen Motor in Bewegung zu setzen, der wiederum die Schaufeln der Maschine dreht. Gewiß, eine universale Energie setzt das Rührwerk in Tätigkeit, aber nur, wenn viele dazwischenliegende Instrumente, die in genialer Weise zu dem Zweck erfunden wurden, diese Energie herabtransformieren und sie konzentrisch einsetzen. Der alte und der moderne pantheistische und polytheistische Glaube wurzeln in dieser Grundidee.

Diese Gedanken mögen für viele Menschen, die in der westlichen Tradition erzogen wurden, seltsam klingen. Um die Gründe dafür zu verstehen, ist es notwendig, kurz abzuschweifen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und noch viele Jahrzehnte in diesem Jahrhundert haben moderne Forscher die Vergangenheit gewohnheitsmäßig so dargestellt, als sei sie nur ein Vorspiel für die heutige Zeit gewesen. Die Wissenschaft des Altertums, so behaupten sie, würde von primitiven Anfängen ausgehen, die durch Tabus und Aberglauben überschattet wurden. Das gleiche würde sich auf die archaischen Religionen beziehen. Und während der Jahrhunderte, so führten sie weiter aus, habe die Menschheit sich nach und nach aus dieser dunklen Vergangenheit in die Mittagshelle der Gegenwart emporgearbeitet, in der man nun die Sonne und ihre Familie umlaufender Gestirne, zusammen mit der Geschichte von dem sich entwickelnden Leben auf Erden, endlich in der wahren Perspektive sieht, befreit von der Abhängigkeit von gottgleichen Vermittlern - einem Universum, das irgendwie erschaffen wurde und sich nun durch das blinde Aufeinanderwirken von physikalisch-chemischen Kräften und Gesetzen selbst erhält.

Es ist besonders interessant, daß die alte Welt, bevor das Christentum im Westen erschien, in ihrem kosmologischen und religiösen Denken sich meist nach Sonne und Mond richtete. Die anthropomorphischen Ideen der christlichen Bewegung haben jedoch diese solaren und kosmischen Aspekte ignoriert und dafür die Rolle der Erde besonders herausgestellt. Die Sterne, die den nächtlichen Himmel schmücken, wurden einfach als Lichter betrachtet, die sich um die Erde bewegen und dort zur Erbauung des Menschen und zum Ruhme Gottes angebracht worden sind. In der Frühzeit der Wiederbelebung der modernen Wissenschaft wurde diese dichterische Darstellung beseitigt, und wir kehrten wieder zu den heliozentrischen Ideen der früheren Zeitalter zurück. Mittlerweile ist jedoch ein großer Teil unseres Erbes aus der heidnischen Welt zerstört worden, so daß die modernen Denker und Forscher sich nun von dem berauschen ließen, was sie als einmalig an ihren Entdeckungen ansahen, und von den Gedankengängen, die als Erklärung dienen sollten; wohingegen die gesamten Forschungen dieses und des letzten Jahrhunderts allmählich den Beweis dafür erbringen, daß unsere Vorfahren in früheren Zivilisationen ein sehr klares Bild von unserer Sonnenwelt und ihren Planeten besaßen; von den Konstellationen der Gestirne, die sich in ihren majestätischen Kreisläufen bewegen; von der Kugelgestalt und den Dimensionen der Erde sowie von der gegenseitigen Beeinflussung, die zwischen ihr und dem Mond vorhanden ist.

Beim Menschen der Altsteinzeit wurden Knochenstücke gefunden, auf denen genaue Mondkalender eingraviert waren. Diese in verschiedenen Teilen Westeuropas gefundenen prähistorischen Überreste wurden von Professor Thom "Megalithisches Mondobservatorium" genannt. Bauwerke wie Stonehenge, Glastonbury und andere verkörpern ebenfalls ein verblüffendes astronomisches Wissen - in der Anordnung der Steine und anderer Markierungen ... und den Zwischenräumen sind Sonnen- und Mondzyklen verborgen. Die höchste Leistung des Altertums war vielleicht die Große Pyramide, die in ihrer Anlage, ihrer Konstruktion, ihren Abmessungen und Gängen eine Fülle geometrischen, irdischen, astronomischen und symbolischen Wissens offenbart. Wahrscheinlich enthält sie auch eine reiche Fundgrube okkulter Weisheit, die nur noch nicht enträtselt wurde.

Nun, alle diese archaischen Bauwerke sind 'stumm', weil wir keine Literatur jener Zeit besitzen, die erläutert oder erklärt, was ihre Erbauer im Sinn hatten, als sie sie errichteten; und dennoch sprechen sie klar und deutlich von einer Zeit, in der man offensichtlich sehr viel über den Kosmos wußte. Sie bleiben ein unvergängliches Zeugnis aus Zeiten, die vor dem Eisernen Zeitalter lagen, oder dem, was die Hindus als Kali-Yuga bezeichnen, das mit dem Tode von Krishna vor rund 3102 Jahren v. Chr. begonnen haben soll. Es ist, als sei über jene Zeit ein Vorhang zugezogen worden, der uns die beachtenswerten Errungenschaften von Zivilisationen verbirgt, die wahrscheinlich vor vielen tausend Jahren ihre Blütezeit erlebt hatten. Von dieser ältesten Periode, die nach der Überlieferung den Schluß einer Epoche und den Anfang unserer gegenwärtigen Rasse bildete, ist wenig bekannt. Könnte es vielleicht das legendäre Atlantis gewesen sein? Wahrscheinlich lagen dazwischen Eiszeitalter, und dann folgten Überflutungen, verursacht durch schmelzende Gletscher, die tausende Fuß dick waren und große Teile des Kontinents überlagerten. Weiterhin muß das allmähliche - und auch durch Katastrophen eingetretene - Versinken von Landmassen (woran man sich mythologisch in der ganzen Welt erinnert) dazu beigetragen haben zu verbergen, was vorher war. Dabei darf auch nicht der dem Menschen angeborene Hang zum Zerstören vergessen werden, der zuweilen - wenn erst einmal entfesselt - in verschiedenen Teilen der Welt Zeugen früherer Leistungen menschlicher Kulturen Stein um Stein auslöschte.

Aber aus den klassischen und vorklassischen Zeiten sind uns eine Anzahl bedeutsamer Aufzeichnungen überliefert worden. Einige, wie die Veden und das Surya-Siddhanta (Indien), das Gilgamesh-Epos (Sumer) und viele andere, tauchen aus dem Nebel der Prähistorie auf wie gewaltige Monolithen, die von der Zeit und den Elementen angegriffen sind. Es sind jedoch einige Fragmente erhalten geblieben, die die Geschichte der Sonne, der Erde und der Menschenrassen beschreiben. Die gleiche Geschichte wird auch, gedrängt in die Form von symbolischen, in Stein gemeißelten Schriftzeichen, auf den geheimnisvollen Überresten, wie dem Sonnentor (Peru) oder der Mayastele, erzählt. Der moderne Skeptizismus, der durch die Linsen des Neodarwinismus in die Vergangenheit blickt, ignoriert jedoch gewöhnlich diese mythologischen Berichte über das Entstehen der Welt und des Menschen und betrachtet sie als Phantasien, die wir von unseren primitiven Vorfahren übernommen haben. Wie hätte es möglich sein können, daß der Mensch vor vielen tausend Jahren von jetzt versunkenen Kontinenten in unsere gegenwärtigen Länder ausgewandert ist? Länder, von denen Teile sich erst 'kürzlich' erhoben haben? Das würde bedeuten, daß seine frühen Kulturen vor Hunderten von Jahrtausenden Jahren schon bestanden.

Wurde die Menschheit von göttlichen Lehrern, von 'Eingeweihten-Königen' gelehrt? Im jetzigen Zeitalter werden solche Ideen als unsinnig hingestellt. Doch da sind diese großen Bauwerke, die erstaunliche wissenschaftliche und andere Kenntnisse verkörpern. Und es gibt auch die überall verbreiteten archaischen Legenden. Wenn diese Legenden eigenen Vorstellungen entsprangen, so müßte es so viele verschiedene mythologische Erklärungen geben, wie es Mythenerzähler gab. Statt dessen finden wir völlig übereinstimmende Geschichten von Göttern, die die Menschen darüber belehrten, wie die Welten aus den Tiefen des Urzustandes ausgeatmet wurden. Frühere Rassen, auf jetzt verschwundenen Kontinenten, werden beschrieben, und ihre Kriege mit den Ahnen unserer gegenwärtigen Menschheit sind in epischen Erzählungen dargestellt. Götter, Halbgötter, Helden, Menschen, Tiere, das Pflanzenleben, die Mineralien - alle sind in die archaische Entwicklung eingeschlossen. Darüber hinaus sind noch die Energien der Elemente besonders hervorgehoben. Sie wurden verschiedentlich Feen, Satyre, Dschinnen, Kobolde, Trolle, Elfen usw. genannt; und später erhielten sie auch die Namen Sylphen, Undinen, Gnomen und Salamander.

Diese Abschweifung war notwendig, um das Universum der alten Zeiten bildlich darzustellen: Diese sogenannten Heiden hatten jedenfalls die glorreiche Vorstellung von einem lebendigen Kosmos mit unendlichen Abstufungen von Wesen. Wenn wir daher in den erhaltengebliebenen Fragmenten ihrer Philosophie, Religion und Dichtkunst von dem Sonnengott lesen, der über den Himmel wandert, von dem mit "lebendigen Saphiren" funkelnden Nachthimmel (wie Milton es ebenfalls schilderte), dann müssen wir wissen, daß diese Beschreibungen nicht Primitivität oder abergläubische Phantasie anzeigen; meistens sind sie anthropomorphisiert (es werden ihnen menschliche Gestalten zugeschrieben), trotzdem sind sie von ihrem Gesichtspunkt aus genaue Schilderungen des Kosmos. Wir sollten uns nicht selbst zum Narren halten; diese alten Philosophen, Lehrer und auch die Wissenschaftler waren so intelligent wie unsere heutigen führenden Denker. Sie betrachteten jedoch das Universum mit anderen Augen; sie begannen mit anderen Voraussetzungen; und wenn ihre Schlüsse auch oft mit dem modernen Materialismus nicht übereinstimmen, so stimmen sie doch zum größten Teil mit wissenschaftlichen Tatsachen überein.

Ein anderes Hindernis besteht noch, wenn wir enthüllen wollen, woran sie wirklich glaubten. Unter den frühen Religionen bestand die unumstößliche Regel, daß es zwei Arten der Weisheit gibt, eine enthüllte und eine verborgene. Es war ein strafwürdiges Verbrechen, offen von den Geheimnissen des Heiligtums zu sprechen. Es wird gesagt, daß im Heiligtum "die Mysterien des Himmelreichs" offen dargelegt wurden, während diese Ideen in der Öffentlichkeit symbolisch behandelt, nur angedeutet, werden durften. Sie fürchteten, das Wissen könnte mißbraucht werden. Wir mögen damit vielleicht nicht übereinstimmen, doch bevor wir voreilig urteilen, sollten wir uns erst einmal gründlich umsehen, wie es heute ist. Als Fazit dieser unbeugsamen Haltung müssen wir beim Lesen dieser ganz alten Schriften aufpassen, wenn wir die darin gegebenen Hinweise begreifen wollen. Wir müssen eventuelle Lücken überbrücken, die oft absichtlich offengelassen wurden, und auch daran denken, daß die Berichte, die den Aufbau und den Ursprung der Natur beschreiben, so wie wir sie heute kennen, aus den eben dargelegten Gründen, und auch weil so wenige den Ansturm der dazwischenliegenden Jahrhunderte überlebten, bestenfalls fragmentarisch sind.

Es gibt noch viele andere Umstände, die die Berichte aus der Vergangenheit nahezu zerstört haben oder es erschweren, das, was wir haben, richtig zu deuten. Doch genug der Rede, wir wollen nun mit der Diskussion über die Sonne und ihre zweifache Rolle als Vater des Lebens und als älterer Bruder der vielfältigen Wesen in ihrem System fortfahren. Vor dreißig oder vierzig Jahren erklärten die meisten Enzyklopädien, daß die Erde bis zur Zeit von Kopernikus, Keppler und bis zur Geburt der modernen Wissenschaft allgemein als der Mittelpunkt des Universums galt. Diese Vorstellung ist richtig, wenn wir nur die Anschauung des mittelalterlichen Europa in Betracht ziehen; aber es gibt genügend Beweise für eine heliozentrische Auffassung, die schon lange vorher in der griechisch-römischen Ära und noch früher auch im Nahen und Fernen Osten bestand.

Aristoteles spricht in seinem De Caelo (II, 12) von den Pythagoräern, die lehrten, daß "es falsch ist, der Erde diese zentrale Stellung einzuräumen", und daß am Mittelpunkt "Feuer sei, und die Erde einer der Sterne ist, die durch ihre kreisförmige Bewegung um den Mittelpunkt die Nacht und den Tag verursachen."

In einem Schreiben an Gelon, den König von Syrakus, erläutert Archimedes (287-212 v. Chr.) die Meinung seines älteren Zeitgenossen Aristarchos: "Seine Hypothesen sind, daß sich die Fixsterne und die Sonne nicht bewegen und daß die Erde sich an der Peripherie eines Kreises um die Sonne dreht, die sich in der Mitte der Umlaufbahn befindet" (The Sand Reckoner).

Plutarch (46-120 n. Chr.) beschreibt die Anschauungen von Kleanthes, der ebenfalls ein Zeitgenosse von Aristarchos war, der

... dachte, es sei die Pflicht der Griechen, Aristarchos von Samos wegen Gottlosigkeit anzuklagen, weil er den Herd des Universums (die Erde) in Bewegung setzt, ... annimmt, der Himmel bleibe unbewegt und die Erde kreise auf einer schiefen Bahn in östlicher Richtung und drehe sich gleichzeitig um ihre eigene Achse.1

Aus alledem ist klar ersichtlich, unter welchen Behinderungen Philosophen und Wissenschaftler arbeiteten. Mit den Worten von Will Durant, "vielleicht bewog Abscheu vor dem Schierlingsbecher den Aristarchos, sowohl der Galileo als auch der Kopernikus der Antike zu sein." (Life of Greece, Seite 634 / Das Leben Griechenlands, Seite 733) Selbst die großen hellenistischen Wissenschaftler wie Hipparchos, der gegen das System argumentierte, das die Sonne in den Mittelpunkt stellt, befolgten vielleicht nur die Vorschriften, die in den Mysterien über diese Dinge erlassen worden waren.

Wenn wir uns nun noch anderen Zivilisationen zuwenden, so finden wir, daß Plutarch in seinen Platonic Questions (VIII, 2) schrieb, daß Seleukos, der Babylonier, im zweiten Jahrhundert v. Chr. das heliozentrische System verteidigte. Es wird berichtet, daß die Spanier, als sie Peru eroberten, herausfanden, daß die Sonne in der Neuen Welt immer als der Mittelpunkt unserer Sonnenwelt angesehen wurde. (Welch ein Verbrechen, die Bücher der Mayas und der Azteken zu verbrennen!) H. P. Blavatsky schreibt, daß Konfuzius (600 v. Chr.) und seine Schule "die Kugelgestalt der Erde und auch das heliozentrische System" lehrten (The Secret Doctrine, I, 441 / Die Geheimlehre, I, 476).

Im indischen Vishnu-Purana (II. Kapitel VIII) finden wir das folgende:

Von der Sonne, die sich immer an ein und demselben Platz befindet, gibt es weder ein Untergehen noch ein Aufgehen, denn was Aufgang und Untergang genannt wird, sind nur das Sehen und Nichtsehen der Sonne.

Der bekannte Sanskritgelehrte Fitzedward Hall erklärt, "der in diesem Abschnitt gelehrte Heliozentrizismus ist bemerkenswert."

Noch im vierten Jahrhundert n. Chr. sagte der römische Kaiser Julian in seiner "Feierlichen Rede an den Souverän Sonne":

Denn die Planeten tanzen um ihn als ihren König, verwandtschaftlich mit ihm verbunden, in bestimmten Abständen in vollkommener Harmonie hin und her, machen an bestimmten Punkten halt und verfolgen ihren Kreislauf, wie jene ihre sichtbaren Bewegungen nennen, die im Studium der Planetenbahnen bewandert sind...

Ich glaube, aus diesen Hinweisen ist klar ersichtlich, daß die Alten vom rein astronomischen Gesichtspunkt aus, was den wahren Platz der Sonne und ihre Funktion anbetrifft, keineswegs unwissend waren. Sehr wahrscheinlich waren es nur ihre Geheimhaltungsversprechen, die die Wissenschaftler jener Tage daran hinderten, deutlicher über diese Dinge zu sprechen. Nebenbei bemerkt, sie wußten auch eine ganze Menge über den Mond und die Planeten, über ihre Kreisläufe, Durchgänge, Verfinsterungen etc. und über die Kugelgestalt und die Dimensionen der Erde.

In der alten Literatur gibt es eine Fülle Material über die Geburt von Welten, besonders in den Überlieferungen der Hindus und der Hebräer - ein Thema, das auch in modernen theosophischen Schriften ausführlicher behandelt wird. Es liegt in ihrer Verwandtschaft mit den Planeten, daß Surya (Sonnengott) zuweilen als älterer Bruder betrachtet wurde; denn obwohl die Planeten, wie gesagt wird, mit der Sonne ins Dasein traten, ist jeder Planet eine Wesenheit für sich und folgt seiner Bestimmung als ein sich entwickelndes Wesen. Von der Erde, dem Mars und den anderen Mitgliedern der Sonnenfamilie wird gesagt, daß ihre Lebenszeit viel kürzer sei als die ihres älteren Bruders, die eine Reihe von planetarischen Wiederverkörperungen überdauert. Ein Planet lebt sein Leben, stirbt und wird nach einer gewissen Zeit wiedergeboren und in der Gestalt eines Kometen für kurze Zeit zu seinem Bruder Sonne hingezogen. Wenn er der gewaltigen Anziehungskraft der Sonnenvitalität widersteht, kondensiert und verdichtet er sich nach und nach und folgt schließlich als Planet einem regelmäßigen Kreislauf um die Sonne, wie unser eigener Planet.

Der bedeutendste Unterschied zwischen den archaischen Lehren über die Geburt von Universen, Sonnen und Planeten und den von der modernen Wissenschaft vorgebrachten Lehren ist der, daß die moderne Wissenschaft annimmt, durch thermodynamische und andere Kräfte bewegte Materie erzeuge von sich aus schließlich einen Himmelskörper, wie z. B. die Sonne mit ihrer Planetenfamilie. Eine solche Behauptung wäre für viele alte Denker unvorstellbar gewesen. Deren grundlegende Voraussetzung war für gewöhnlich, daß der Kosmos auf allen Stufen seiner Entfaltung vollständig vom Wirken göttlicher Wesen durchpulst wird. Mechanische Kräfte und Gesetze existieren, das ist sicher, aber sie sind in allen Fällen die Auswirkungen überschattenden intelligenten Lebens. Gesetze an und für sich können nicht wirken ohne intelligente gesetzgebende höhere Energien, die diese Gesetze wirken lassen. Gesetze können kein Fahrzeug bewegen, nicht den Verkehr regeln, ... oder einen Menschen oder ein Universum aufbauen und unterhalten; und es ist nur unsere gegenwärtige wissenschaftliche Denkweise (die eine Reaktion auf den christlichen Anthropomorphismus ist), die uns dazu führt, so zu denken. Diese Geleise unseres gegenwärtigen Denkens machen es für uns schwer, richtig zu beurteilen, was uns die Alten über die Kosmogenesis zu sagen hatten.

Wir wollen hier nicht länger über die Beziehung zwischen dem Begriff von Gottheiten auf der einen Seite und der Idee von einem vom Gesetz beherrschten Universum auf der anderen diskutieren. Es sei nur gesagt, daß fast alle frühen Schulen über religiöse Philosophie im Osten und Westen keinen Widerspruch zwischen beiden sahen. Dieser Punkt ist wichtig, denn einer der Gründe, warum sich die moderne Wissenschaft von der Metaphysik abwandte, war der, daß sie keinen Weg sah, das Gesetz mit den launenhaften Handlungen der Gottheit in Einklang zu bringen. Die Anschauung der Alten war indessen, daß das Vorhandensein der Götter das Wirken von Ursache und Wirkung garantiere. Sie lehrten, daß die Götter die Diener des Gesetzes sind, denn ihr erhabenes Wesen ist die Harmonie im Gefüge der Natur, und wenn diese gestört wird, ganz gleich auf welcher Ebene, ist es die "Lebensart" der Götter, die sie wieder herstellt. Weil die moderne Wissenschaft die Intelligenz und das Bewußtsein zu bloßen Nebenprodukten der Materie gemacht hat, ist sie gezwungen, ein Universum zu begründen, das sich selbst aufgebaut hat und dabei Materie, Energien und Gesetze benutzte, die nirgendwoher kamen.

Die Alten betrachteten die Sonne als unseren älteren Bruder, und zwar deshalb, weil diese erhabene Wesenheit einmal in lange vergangenen Äonen in ihrer Entwicklung eine Stufe, die der menschlichen entspricht, durchlaufen haben muß. Mit anderen Worten, wie Dr. de Purucker es ausdrückt,2 die göttliche Kraft hinter jenem leuchtenden Globus, der den Mittelpunkt unserer Welt bildet, war einst wie ein Mensch. Andererseits ist es aber auch die erhabene Bestimmung des Menschen, in einer weit entfernten Zeit, wenn er von innen heraus solche gottgleichen Kräfte entwickelt hat, eine Sonne zu werden. Außerdem ist unser "Souverän Sonne", wie Kaiser Julian sich ausdrückt, der ältere Bruder jener planetarischen Gefährten, die sich mit mathematischer Genauigkeit um sie bewegen. Sie werden von ihrem leuchtenden Zentrum angezogen und von ihren mächtigen Kräften genährt und folgen dennoch ihrer eigenen besonderen Bestimmung und tragen ihre besondere Melodie zur Musik der Sphären bei.

 

 

(Fortsetzung folgt)

Fußnoten

1. On the Apparent Face in the Orb of the Moon, VI. [back]

2. Dialogues of G. de Purucker, II, Seite 344. [back]