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Ideen, Ideale und praktische Lösungen

Die Menschheit insgesamt ist nicht sehr tolerant gegenüber dem, wovon ich glaube, daß es eine fundamentale Wahrheit in der Natur ist, daß nämlich alle Probleme, Leiden und Unwissenheit nur durch Lösungen gelindert werden können, die auf den edelsten Idealen aufgebaut sind. Wenn wir mit dem größten aller Ideale - einer Bruderschaft aller Menschen, die jedwede Tugend und noch mehr enthält - konfrontiert werden, können wir sehr ungehalten sein, "denn die Weltprobleme", würden wir sagen, "können nicht allein durch Ideale gelöst werden; wir brauchen praktische Lösungen." Ja, natürlich brauchen wir praktische Lösungen, um diese oder jene Bedürfnisse zu decken. Unglücklicherweise fallen die praktischen Lösungen aber nicht aus der Luft. Zuerst müssen Ideen da sein - und wohin kommen wir durch solche Ideen, wenn sie nicht richtig motiviert oder inspiriert sind? Und was inspiriert uns denn, wenn nicht Ideale? 

Ideale sind etwas, womit wir alle uns identifizieren können, denn sie stellen unsere edelsten Gedanken und Gefühle dar. Rein und unverdorben durch unsere Persönlichkeit sind sie mit allem verknüpft, was gut und recht ist. Sie sind nicht greifbar und befinden sich an der Peripherie unseres Denkens, immer am Horizont dessen, was wir begreifen und erreichen können und entziehen sich daher stets einer Definition. Nichtsdestoweniger sind Ideale Realitäten, die sich durch Gedanken und Handlungen manifestieren. 

Während die Ideale mit der Himmelswelt der menschlichen Konstitution in Einklang stehen können, kommen die Ideen als Nebenprodukte aus dem Denken und sind demnach Ausdrücke dieser manifestierten Welt. Jede praktische Erfindung wird zuerst auf der Ebene der Ideen geboren und erschaffen. Dieses Schema - von Idealen zu Ideen, zur praktischen Erfindung - kann in allen Ausdrucksformen als ein Muster wahrgenommen werden. Ein Künstler zum Beispiel, stellt sich in seinem Inneren das vor, was er gestalten möchte. Zuerst sieht er das Bild nur flüchtig, aber es weckt seine schöpferischen Vorstellungen. Das, so könnte man sagen, ist das Ideal, das Schöne und Reine vor den Augen unseres Herzens. Danach muß der Künstler seine Umgebung in geeigneter Weise gestalten, damit er seine Vision zum Ausdruck bringen und sie verwirklichen kann. Die Ideen beginnen sich zu einem harmonischen Ganzen aus Form, Kontur und Größe, Farbe, Modus, Material und Linie zu materialisieren, und erst wenn diese Ideen geformt worden sind, ist die Stufe erreicht, auf der die praktische Arbeit beginnen kann. 

Die Bedürfnisse unseres heutigen Zusammenlebens liegen talsächlich auf einer sehr praktischen Ebene, und man könnte meinen, daß der Ruf an unsere Ideale in einer solchen Arena hoffnungslos und naiv wäre. Ich sehe jedoch keinen anderen Weg, uns selbst von Haß, Habsucht und all den anderen Untugenden, die in unserer selbstsüchtigen Natur liegen, zu befreien, außer durch rechtes Denken, das auf hohen Idealen beruht, die in rechtes Handeln umgesetzt werden. Niemand kann die Gesellschaft, in der er lebt, ignorieren und erwarten, daß die Zeit allein, ohne unsere Anstrengungen, ihre Übel heilen werde. Jeder hat das Recht und die Pflicht, zu versuchen, die Probleme zu verstehen, die er um sich herum wahrnimmt, um jenen zu helfen, die sich im Bereich seiner Bemühungen befinden. Wenn unsere Mittel einfach und bescheiden sind, so ist das kein Grund, entmutigt zu sein. Dies ist gerade das Paradox beim Idealismus: während unsere Sorge für die Menschheit und unser Streben nach Verbesserung ihres allgemeinen Wohlergehens kein unmittelbares Ende der Aggressionen bewirken können, die fast überall in der Welt oder gerade um den nächsten Häuserblock herum anzutreffen sind, wird doch die wahre Natur und die Qualität eines wirklich altruistischen Empfindens eine Wirkung auf die Menschen in unserer Umgebung ausüben. Und wenn diese ihrerseits dieses Empfinden auf andere ausstrahlen, dann werden eventuell wir alle einsehen, wie wertvoll und notwendig es ist, unsere Ideale in die Praxis umzusetzen. Dann wird vielleicht in Jahrtausenden die gesamte Menschheit wie Brüder miteinander leben.