Informationen über Theosophie in anderen Sprachen:     ENGLISH    ESPAÑOL    ITALIANO    NEDERLANDS    РУССКИЙ    SVENSKA  

Das Universum – genannt Mensch

 Wenn wir den Menschen betrachten, so können wir sehen, wie vielfältig er ist. Er ist keine einfache "Sache", sondern voll unergründlicher Tiefen und Gegensätze. Der Himmel ist in ihm, aber auch die Hölle: Falschheit, Ehrgeiz, Treulosigkeit, Unlauterkeit - alle diese Dinge gehören zum Menschen. Es gibt aber auch die großen heroischen Taten, die erhabenen Visionen der Propheten, und die zahlreichen Selbstaufopferungen ergebener Menschen - viel herrlicher als ein nächtlicher Sternenhimmel -, auch diese Dinge sind der Mensch! 

Es ist alles wahr und zeigt uns, wie groß der Bereich der menschlichen Natur ist. Der Mensch kann aus dem Stoff seiner Imagination Götter schaffen; doch könnte er das, wenn Gott nicht ein Teil von ihm wäre, ein Faktor in seinem Wesen? Die menschliche Imagination kann die Grenzen des menschlichen Wesens nicht überschreiten. Wenn wir uns eine vollkommene Menschheit vorstellen können, in der jeder einzelne Mensch mit gottgleicher Weisheit und von universalem Mitleid erfüllt ist, dann sind wir dazu nur deshalb imstande, weil alle diese Möglichkeiten in uns potentiell vorhanden sind. Die Tatsache, daß wir uns Wesen vorstellen können, deren Weisheit und Mitgefühl vollkommen ist, ist der Beweis, daß die Samen einer solchen Vollkommenheit in unserer eigenen Natur liegen. 

Aus dem menschlichen Bewußtsein sind unsterbliche Worte und Taten hervorgegangen, und aus diesem Grunde hat der Mensch eine gewisse Unsterblichkeit. Er hat aber auch einen sterblichen Teil, der die sterblichen Dinge hervorbringt. Die großen heiligen Schriften reflektieren die eine Seite, die Zeitungen die andere. Hier stehen Frau Soundsos soziale Aktivitäten, Herrn Xs' kleine Vergehen; und dort ist die Weisheit eines Buddha zu finden. Die Zeitungsartikel verursachen keine Wellen im Zeitgeschehen, jene großen Schriften aber erleuchten die Welt über zweitausendfünfhundert Jahre. Aus dem Menschen kommen die Vergänglichkeiten, die vorübergehen und vergessen werden; aus dem Menschen kommt aber auch das Erhabene, das unsterblich ist und fortdauert. Daher gibt es einen Teil von uns, der stirbt und vergeht; und einen Teil, der nie aufhört zu sein. 

Das ist die menschliche Natur: halb unvergänglich, halb vergänglich. Solange wir nicht beweisen können, daß wir keine Menschen sind, haben wir beides in uns, wodurch wir die alarmierende Wahrheit beweisen können: irgendwo in unserem Wesen ist ein Genius, der größer ist als der Shakespeares. In uns sind die höchsten Eigenschaften, welche jemals die Menschheitsgeschichte erleuchtet haben, aber auch die Möglichkeiten für grenzenlose Gemeinheit. Würde man einen zutiefst gefallenen Menschen finden, der äußerst grausam ist, und könnte man beweisen, daß er nie und nimmer ein Mensch war, so wäre er ein Beweis dafür, daß die Möglichkeit von allem Bösen in der menschlichen Natur vorhanden ist. In den meisten von uns ist diese Seite zurückgedämmt. In einigen ist es ein Kampf auf Leben oder Tod; und bei einigen sind diese Eigenschaften umgewandelt worden und bilden keine Gefahr mehr. Doch in allen Fällen sind die niederen Eigenschaften ein Teil des Erbgutes des inkarnierten Menschen. 

Es gibt aber auch die Buddhas und Christusse, sie waren gleichfalls Menschen. Sie verbanden sich mit dem Göttlichsten in ihnen, und wie uns die Legenden über sie versichern, kämpften sie gegen die Versuchungen unter dem heiligen Baum oder in der Wildnis. Da sie einen weit in der Zukunft liegenden Evolutionszustand darstellen, sind die Legenden über ihr Leben teilweise ein Sinnbild für die menschliche Seele. Wären sie bereits als Vollkommene erschaffen worden, gefeit gegen alle Schwächen, dann wären sie nicht unsere großen Vorbilder und Helfer; sie wären Beispiele für eine sehr große Ungerechtigkeit, welche die einen nahezu vollkommen macht, während andere, ohne deren eigene Schuld dazu verurteilt, die gesamte Last des Bösen in der menschlichen Natur zu tragen. 

Die einzig richtige Betrachtung ist, daß in der Natur dieser großen Weisen der Welt, die es gegeben hat, manchmal alles Böse, das in der menschlichen Natur liegt, potentiell vorhanden war. Ihre Größe bestand jedoch darin, daß sie dagegen gekämpft und es bezwungen haben. Der Unterschied zwischen ihnen und uns liegt darin, daß sie die höchsten Höhen in ihrem Innersten gefunden haben, und sich ihren Weg zu jenem höchsten Gipfel erkämpften - während wir damit zufrieden sind, hier unten zu verweilen. Diese Höhen sind jedoch ebenfalls in uns, und mit der Zeit können auch wir sie erreichen. 

Es gibt eine Theorie über das Leben, halb richtig und halb falsch, mit der Browning zu seiner Zeit viel Aufsehen hervorgerufen hatte: daß alle diese höchsten Möglichkeiten bereits in uns liegen, aber daß wir das, was wir wollen, niemals hier unten verwirklichen können; daß nur der Tod uns Zugang in eine andere Welt oder in einen Himmel gestatten wird, wo der edelste Teil von uns sich frei und unbegrenzt entfalten kann. Die Seele dessen, der hier John Smith war, eingehüllt und verdeckt durch seinen John Smithery, kann sich dort frei zu etwas entfalten - Christusgleich -, nicht eigentlich sich verändernd, sondern nur dieses Niedere, Verhüllende abwerfen. Die Idee war, zu versuchen, die Evolution in die alten christlichen Dogmen einzupflanzen, und dem Menschen zu zeigen, daß er in Wirklichkeit in einem spirituellen Sinne ein evolvierendes Wesen ist. 

Diese Theorie ist insofern falsch: Die Christusse und Buddhas, die Menschen, deren höchste Kräfte aktiv geworden sind, waren in dieser Welt erschienen, geboren, wie wir geboren wurden, hatten Fleisch angenommen wie wir, und starben, wie wir sterben. Sie waren Blüten an diesem Menschenbaum, und sie entwickelten sich weiter, wie die Naturwissenschaft und der gesunde Menschenverstand es uns in dieser Welt nur annehmen ließen. Browning sah, daß der Gerechtigkeit und der Evolution etwas fehlte, das die Lehren zu jener Zeit nicht vermitteln konnten, und aus seiner edlen Natur heraus suchte er es zu vervollständigen. Er erfaßte jedoch nicht die Bedeutung und die Vielfalt der Aufgabe, die die Weltenlehrer haben. Hätte es nur einen gegeben, so könnten wir eine besondere Theorie für seine Bedeutung finden und sagen, er war eben ganz verschieden von uns. Das wäre aber nur möglich, wenn man die Geschichte in die Anekdote aus einem kleinen Winkel der Erde beschränken könnte. Unser Horizont hat sich jedoch erweitert, und wir sehen, daß in alten Zeiten Gottmenschen aus China, Indien, Persien und dem alten Mexico hervorgegangen sind. Von ihnen kamen die gleiche Art der Worte und die gleichen Handlungen, und über ihnen schien dasselbe übermenschliche Licht, das auch den Nazarener umgab. Ihre Leben beweisen wozu menschlicher Stoff umgewandelt werden kann, und ihre Worte sind alle darauf gerichtet, uns zu zeigen wie es gemacht wird. 

Wie aber wurden sie zu dem, was sie waren? Die Reinkarnationslehre liefert die einzige plausible Erklärung. Zwischen einem John Smith und einem Buddha ist ein so großer Abstand wie zwischen dem Sirius und San Diego. Jedoch keine Kluft ist unüberbrückbar. Beide, John Smith und Buddha liegen innerhalb des unermeßlichen Universums - genannt Mensch, und jeder Schritt auf dem Weg zwischen ihnen muß zurückgelegt werden. Vom Stern zur Stadt braucht das Licht viele Jahrhunderte; vom unbedeutenden Menschen bis zu jener göttlichen Menschheit braucht es viele, viele Leben. Gibt es irgendeinen anderen Weg?