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Der Zauber des Märchenlandes

Wie unergründlich ist der menschliche Geist! Zahllose Metaphern [bildliche Ausdrücke] sind von phantasievollen Schriftstellern verwendet worden, Metaphern, die andere Dimensionen von Zeit, Raum und Form mit unserem nüchternen Alltagsbewußtsein verbinden und damit mehr Freiheit schenken, uns in unsere eigenen unerforschten Tiefen vorzuwagen. So ist der Zauber des Feenlandes, dieses gefährlichen Reiches, das dem Herzen unserer Kindheit so nahe ist, wie auch jener nebelhaften Zeit der vorgeschichtlichen Vergangenheit des Menschen, als die Formlosigkeit zur Form wurde und unausgesprochene Gedanken schließlich ihren Ausdruck fanden.

Der Planet war noch unberührt, von einer undefinierbaren Schönheit voll freundlicher und reiner Hoffnung auf Erfüllung, aber ebenso gefährlich und ungewiß, voller Verlockungen und Versuchungen; Gifte und scharfe Dornen waren oft versteckt. Für alles im Leben gab es auch das Gegenteil. Und war nicht der Selbsterhaltungstrieb fest mit dem tieferen Wissen über die Schöpfung als Ganzes verbunden, so daß für alle Zeiten die Verantwortung des Menschen als Mitschöpfer geprägt war, wodurch der Gedanke der selbstlosen Hingabe und des Opfers entstand?

Die Gefahren, denen man auf dem Planeten begegnete, waren damals wirklich "phantastische" Tatsachen, von der Art, wie sie später zu Mythen und Märchen verarbeitet wurden. Riesen, menschenfressende Ungeheuer und Drachen gab es als greifbare Formen und auch als Gedankengebilde, die unter der oberflächlichen Moral des menschlichen Bewußtseins liegen. Der Mensch hatte ein inneres Wissen, daß es immer seine eigenen elementaren negativen Eigenschaften sind, die es zu überwinden gilt und denen er klug entgegentreten und sie herausfordern muß, unter welcher Verkleidung auch immer sie sich zeigen mögen. Gleichzeitig gehörten die wundersam wirkenden Kräfte zu verschiedenen Ebenen des transformierenden Prinzips der Natur und schlossen Wachstum und Veränderung ein. Der Mensch fand in seinem neugeborenen Bewußtseinszustand - dem Produkt der schöpferischen Gegensätze -, daß er, wenn er sich nach den Gesetzen der Natur richtete, auch ein "Magier" werden konnte.

J. R. R. Tolkiens Gedicht "Errantry" (Irrfahrt) ist die Geschichte eines fahrendes Ritters, der ziellos umherstreift und dabei seinen Auftrag vergißt - die Suche nach seiner eigenen Seele. Ihn begeistern vielmehr die äußeren Wirkungen der Verwandlungskraft der Natur, und er macht einem "Schmetterling", dem Symbol des gestaltverändernden Wechsels, den Hof. Als sein Werben zurückgewiesen wird, gelangt er auf Umwegen zum Ziel:

lange studierte er Zauberei,

die Zaubermittel und ihre Anwendung.

Er spann ein Gewebe dünn wie Luft,

um sie einzufangen; um ihr zu folgen,

machte er sich Flügel aus Käferleder

und Federflügel aus Schwalbenhaar.

Er fing sie, in seiner Verwirrung

mit einem Faden aus Spinnengewebe;

er machte ihr weiche Gezelte

aus Lilien und ein Brautbett

aus Blumen und aus Disteldaunen ...

Aber ach! Nur zu bald entdeckt unser fahrender Ritter, daß "erfolgreiche Vermählung" nur durch natürliche Werbung aus natürlichem Anlaß erreicht wird. Sein Liebesabenteuer als Zauberer ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die folgenden Zeilen aus dem Gedicht fassen den Rest der Geschichte kurz zusammen:

Er zog in den Krieg und raubte

und plünderte jenseits der See ...

und ging und bekämpfte die Libellen

des Paradieses und vernichtete sie. ...

Dann ging er schließlich die einzige Straße

und kehrte um und kam nach Hause,

zerzaust, und da kam die Erinnerung

an seine Botschaft und auch an seinen Auftrag!

Bei aller Verwegenheit und allem falschen Glanz

hatte er sie vergessen. ...

Diese lyrischen Reime über eine nicht gelernte Lektion, über eine nicht verwirklichte Möglichkeit, berichten vom nicht vollendeten Kreislauf der Menschheit, der fortwährend im Gedächtnis behalten werden muß, an dem gearbeitet und der erfolgreich vollendet werden muß. Es ist die Geschichte unserer rassischen Kindheit und die des einzelnen Menschen, und deshalb lieben wir sie von Herzen, und das sollten wir auch, denn wenn wir auch reif und erwachsen werden, so sollten wir doch weder unsere Kindheit noch unsere Phantasie aufgeben. Wir sollten lieber ihre jüngeren, frischeren Farben in unser oft abgestumpftes, nüchternes Erwachsenen-Denken einfügen und die reicheren, lebendigeren Farbtöne echter Eindrücke bewahren.

Wir müssen jedoch stets achtgeben, daß Vernunft und intuitive Phantasie nicht weit auseinandergehen, denn es ist die Vernunft, die der Phantasie hilft, sowohl den Auftrag als auch die Botschaft im Gedächtnis zu behalten. Wir erinnern uns, daß eine der griechischen Titanen Mnemosyne (Gedächtnis) war, die später die Mutter der neun Musen wurde, deren Vater Zeus war. Es war ihre Inspiration, den menschlichen Geist in der Phantasie der Imagination nicht nur zu den rassischen Anfängen zurückzuversetzen, sondern zum lebendigen Universum, sogar über die Götter hinaus, von wo die Werte makellos und ungetrübt herkommen.

Es ist die Aufgabe des Gedächtnisses, unsere persönliche Vergangenheit und auch die unserer Rasse zu betrachten, die Fehler zu verstehen, damit sie nicht wiederholt werden. Die Erinnerung an den Auftrag liegt hinter uns und auch vor uns - weit entfernt von allen unseren Fehlern -, und es ist dieses Suchen oder dieser Auftrag, der uns gleichzeitig aus der Vergangenheit vorwärtstreibt, während er uns zur Zukunft hinzieht. Mit Mnemosyne entdecken wir die Quelle wieder: den Urquell, wo sich alle Wege treffen. Es liegt in der menschlichen Möglichkeit, das zu erreichen, was Tolkien "eucatastrophe" nannte, die gute Katastrophe, die Geschichte mit dem glücklichen Ende.

Und das Ende all unseres Forschens

Wird sein, dort anzukommen, von wo wir ausgingen

Und wir werden den Ort zum ersten Mal kennen.

- T. S. Eliot, "Little Gidding"