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Aus unserem eigenen Mittelpunkt heraus

(Interview)

[Am 1. April 1979 wurde Joseph Campbell in San Francisco von Michael Toms, dem Präsidenten der Stiftung NEW DIMENSIONS über "Voices and Visions" (Stimmen und Visionen) interviewt. Campbell ist der Verfasser von The Hero with a Thousand Faces (Der Held mit den tausend Gesichtern) und The Masks of God (Die Masken Gottes), einer Serie über die Mythologien der Welt, sowie anderen Werken. "Voices and Visions" ist ein Radioprogramm, das wöchentlich ausgestrahlt wird, und neue Ansichten über Gesundheit, Erziehung, Psychologie, Philosophie und die Künste bringt. Wir bringen hier eine Auslese aus diesem Gespräch, mit freundlicher Genehmigung von Joseph Campbell. - Der Herausgeber]

 

 

 

Michael Toms: Manche Leute sagen, wir leben in einem Zeitalter des Überganges, und daß die heutige Zeit die des Überganges sei. Die gesamte Geschichte hindurch haben jedoch die Menschen davon gesprochen, daß sie in einer solchen Ära leben würden; und ich hätte nun gern Ihre Meinung darüber gehört, ob diese Ansicht schon von allem Anfang an bestanden hat?

Joseph Campbell: Es gibt Zeiten in der Geschichte, in denen Umwandlungen auf bestimmten Gebieten stattfinden, und die ganz besonders radikal sind. Unsere Zeit ist bestimmt eine solche. Die Weltkultur war seit etwa 3000 Jahren v. Chr. vor allem eine Agrar-Kultur, vermischt mit städtischem Leben. Dieser Sachverhalt fixierte sich schon in der Frühzeit und blieb so, bis die industrielle Revolution kam. Wir sehen, wie diese früheren Kulturen sich unter dem Druck dieses wirklich ungeheuren neuen Einflusses auflösten. Die meisten frühen Zivilisationen lebten verhältnismäßig abgesondert; ihr Horizont war abgegrenzt. Innerhalb dieses Gesichtskreises machten die Menschen im wesentlichen dieselben Erfahrungen. Heute sind diese Erfahrungen nicht mehr so klar vorhanden, und Menschen, die völlig verschieden sind, stoßen aufeinander. Alles aus der Vergangenheit, wie z. B. die Vorstellung, wie ein Mensch aus dieser oder jener Kultur gewesen sein könnte, ist jetzt veraltet. Die Umwandlung, die heute vor sich geht, betrifft in Wirklichkeit das volle Verständnis der Menschheit dafür, was es bedeutet, ein kultivierter und mit der ganzen Welt verbundener Mensch zu sein. Das ist etwas ganz Neues, und daher müssen wir alle unsere kleinen, provinziellen Auffassungen hinter uns lassen. Sie können gut sein und die Grundlage für unser Leben in diesem Augenblick bilden; aber wir müssen immer bereit sein, sie aufzugeben und die neuen Erfahrungen, die auf uns zukommen, aufzunehmen und zu verwerten.

 

M. T.: Eine dieser neuen Erfahrungen ist die Vorstellung, man könne über den Planeten hinaus in den Weltraum vordringen. Gab es das schon einmal in unserer Vergangenheit, daß wir Menschen Kontakt mit anderen Wesen hatten?

J. C.: Darüber habe ich ein wenig nachgedacht. Nach unserer eigenen Mythologie über die Erschaffung des Menschen stellen wir uns vor, der Lebensatem sei von außerhalb gekommen: Gott blies der Erde Leben ein. Andererseits gibt es aber auch Weltanschauungen, in denen gelehrt wird, daß der Mensch ein Produkt der Erde war, ein Kind der Erde, eine Erfüllung der Erde. Wir sind von der Erde, und die Erde hat ihren Menschen hervorgebracht, so daß wir gewissermaßen das Denken, das Sehen, das Hören und die Liebe der Erde sind, als ob wir ein Organ dieses Planeten wären. Nun, ich glaube, die Vorstellung, daß jede Inspiration von außerhalb zu uns kam, läßt uns nach Wesen Ausschau halten, die von anderen Planeten kamen - und wenn die Leute davon sprechen, daß die Kulturen dieses Planeten vor langer Zeit von Besuchern gegründet wurden, die von weither kamen, so ist damit gemeint: "Wir haben es nicht in uns, auf irgendeine Weise muß es zu uns gekommen sein." Ich glaube, das ist eines der Phantasiegebilde, dessen wir uns entledigen müssen. Wir sind die Kinder der Erde, die Augen der Erde, der Geist der Erde, das Aroma der Erde; und deshalb müssen wir gerade hier unsere Rettung und unsere Veränderungen finden, und wir müssen auch erkennen, was wir schon erreicht haben.

 

M. T.: Joseph, ich möchte über Alchimie sprechen und die Beziehung zwischen der Alchimie des Roger Bacon im 13. Jahrhundert und der Alchimie des 20. Jahrhunderts etwas tiefer erforschen.

J. C.: In den Schriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert betonen die Alchimisten, daß das Gold, an dem sie interessiert sind, nicht das Handels- oder Marktgold ist, sondern vielmehr das Gold der spirituellen Erfüllung, der geistigen Verwirklichung; und die symbolische Darstellung des Ausgangsstoffes, aus dem das Gold entstehen soll, ist mit dem christlichen Bild vom Alten Adam und dem Neuen Adam vergleichbar. So ist also der Hauptgedanke in der Alchimie in Wirklichkeit die psychologische oder geistige Umwandlung, Erfüllung und Erleuchtung. Solche mythischen Themen werden immer in Bildern wiedergegeben. Manchmal nehmen diese Bilder dann eine konkrete Form an, d. h. man deutet das Bild nicht als Hinweis auf eine geistige Umwandlung, sondern macht es zu einem historischen Ereignis oder zu einer konkreten, materiellen Tatsache. Darin liegt der Doppelsinn des Ganzen. Gewiß, es gab Alchimisten, die versuchten physikalisches Gold zu gewinnen; aber wenn man die Texte aufmerksam liest, dann findet man, daß die Umwandlungen in der Retorte immer mit visionären Vorstellungen verbunden sind.

Wenn ich versuche das Ganze zu verstehen, dann vergleiche ich es gern mit der Malerei: Der Künstler hat einen neutralen Rahmen, er ist nicht ausgefüllt, er ist eine Art Leere, die der Künstler mit Farben, mit dem Erzeugnis seiner eigenen, schöpferischen Phantasie ausfüllt, wobei es für ihn wichtig ist, daß diese oder jene Farbe an genau dieser oder jener Stelle ist. Er macht nicht immer ein genaues Abbild, wie eine Kamera bei einer Fotografie; etwas von seinem eigenen Geist kommt dort zum Vorschein und kehrt wieder zu ihm zurück; es teilt seinem Denken etwas von dem mit, was sein innerer Geist tut. Der Alchimist benützt Metalle und verschiedene chemische Substanzen auf ganz einfache Weise, ähnlich wie der Maler die Farbe benützt. Seine Retorte, die hermetische Retorte, versiegelt von Hermes, dem Gott, der uns das Wissen vom ewigen Leben gibt, ist sozusagen die Leinwand. Indem er bestimmte Substanzen hineingibt und beobachtet, wie sie Rauch aufsteigen lassen oder sich verändern, belebt er seine Imagination, wodurch er Energien oder Kräfte aus seinem noch unbewußten Inneren in den Bereich seines Bewußtseins bringt. Die Alchimie wurde nicht zirka fünfhundert Jahre lang ausgeübt, um einfach Gold zu gewinnen. Es wurden dadurch Erkenntnisse gewonnen - was der eigentliche Zweck war -, Erkenntnisse, wie man Gold aus Primärmaterie gewinnt, wie man das Gold des neuen menschlichen Wesens aus dem örtlich vorhandenen, wenigen Anfangsstoff unserer verschiedenen, getrennten Zivilisationen gewinnt. Dafür gibt es eine Entsprechung: Das Gold ist in der Weltsubstanz enthalten; man muß es nicht durch einen Erlöser von außerhalb hereinbringen.

Die Mythologie ist im wesentlichen ein Analogiesystem: So, wie das Gold aus der unedlen Materie kommt, so kommt das ewige Leben aus dem sterblichen Leben, Christus von Adam usw. Diese Entsprechungen können noch weiter fortgeführt werden, und dann beginnen die Symbole etwas darüber auszusagen. Sie sagen uns, wie das Gold des eigenen Geistes entwickelt wird.

 

M. T.: Robert Bacon lebte im 13. Jahrhundert; auch die Magna Charta und die Artuslegenden entstanden im selben Jahrhundert. Vieles aus diesem Jahrhundert haben wir auch heute noch.

J. C.: Die Zeit von 1150-1250, als in Frankreich die ersten großen Kathedralen gebaut wurden, war auch die Zeit der Artusromane und der Troubadoure. Meiner Meinung nach ist das die Saatzeit unserer nachgotischen Welt, die mit der Periode der homerischen Epen vergleichbar ist. In jener Zeit entstanden die Anfänge der Formulierungen der westeuropäischen spirituellen Möglichkeiten. Die Artusromane sind für das spätere Europa das Gegenstück der homerischen Epen. Charakteristisch an ihnen ist der Glaube und das Vertrauen in die Kraft des einzelnen Menschen, seinen eigenen Weg zu finden. In "Die Suche nach dem heiligen Graal", einer Abwandlung der Gralssage, in der Galahad der Held ist, war vorgeschlagen worden, das Gelübde abzulegen und sich zu verpflichten, nach dem Gral zu suchen; da stand Sir Gawain, ein Neffe des Königs Artur, auf und sagte: "Ich schlage vor zu geloben, daß wir auf diese Suche gehen." Dann geht es im Text weiter: "Sie dachten, es sei eine Schande, in einer Gruppe zu gehen." Jeder betrat den Wald an der Stelle, die er gewählt hatte und an der es am dunkelsten war und es weder Weg noch Steg gab. Das ist außergewöhnlich für Europa. Wenn man einem markierten Weg oder Pfad folgt, so ist das auch ein Weg für andere; aber der Europäer weiß, daß es für jeden Menschen individuelle Möglichkeiten gibt, die einmalig sind, und sein Lebensweg ist etwas, das er selbst finden muß. Belehrung kann in Form von allgemeiner Unterweisung gegeben werden, aber dann muß sie in einer Form ausgedrückt werden, daß jeder Mensch den Drang seiner eigenen Bestimmung verspürt.

 

M. T.: Vielleicht empfanden das jene Europäer am stärksten, die Amerika besiedelten.

J. C.: Es war Europa, das diese Erde in einen Planeten umwandelte. Es beginnt mit den Konquistadoren, die nach Amerika herüber kamen. Natürlich findet man überall in der Geschichte Rücksichtslosigkeit; man kann nicht nur ein einziges Volk deswegen tadeln. Es ist etwas Seltsames mit unseren verschiedenen Mythologien - von denen jede an einen bestimmten Horizont gebunden ist -, die Liebe ist nämlich für die eigene Gruppe vorbehalten, und Verachtung, Haß und Grausamkeit für die Fremdgruppe. Jetzt, wo die Horizonte durchbrochen sind und wir uns als einen Planeten sehen, wenn wir zum Beispiel das Bild von Dingen vom Mond betrachten, jetzt entsteht die Frage: Was sollen wir mit unseren Aggressionen anfangen? Wie können sie von Liebe absorbiert, und von grober Materie in Gold umgewandelt werden?

 

M. T.: Daher ist die Aufforderung heute und für die Zukunft: Versucht es und baut Brücken, auch wenn es schwierig ist, sie zu bauen.

J. C.: Ja, Brücken bauen; aber ich glaube, die größte Aufforderung bedeutet Erziehung, innere Erziehung, damit der einzelne Mensch sich mehr für die Menschheit als für eine Sondergruppe einsetzt. Es gibt einen wunderbaren Ausspruch oder vielmehr eine Frage Schopenhauers, die ich gern anführen möchte: "Wie kommt es, daß ein einzelner, ein Mensch, so an der Gefahr und an der Not eines anderen teilhaben kann, daß er diesem, ohne an seinen eigenen Schutz zu denken, spontan zu Hilfe eilt, sogar unter Einsatz seines eigenen Lebens?" Schopenhauer antwortet, daß das eine metaphysische Erkenntnis ist, die hier ihre Kraft zeigt, nämlich, daß du und der andere eins sind; und daß das Gefühl des Sonderseins nur ein Ergebnis der Art und Weise ist, wie wir die Dinge in Raum und Zeit erleben.

 

M. T.: Also müssen wir das Verstandesdenken beinahe ausschalten, um diesen Zusammenhang zu erfassen.

J. J.: Darauf kommt es an. Alles Mitleid, jede Zuneigung, sind sie rational (mit dem Verstand zu erfassen)? Das Rationale betont immer die Gegensätze von ich und du: Ich sehe dich, du siehst mich. Der andere Teil aber sagt: O nein - ich meine jene spirituellen Bewegungen, die aus dem Herzen kommen, die sind gänzlich irrational. Liebe ist irrational.

 

M. T.: Ich weiß, daß Jung Ihre Arbeit, Ihr Leben, beeinflußt hat; ich würde gern etwas darüber hören.

J. C.: Nun, ursprünglich interessierte ich mich für Mythologie, und als ich 1928 in Deutschland promovierte, entdeckte ich die Arbeiten von Freud und Jung. Das eröffnete mir psychologische Einblicke in ein Gebiet, das ich vorher nicht gekannt hatte. Plötzlich wurde mir bewußt, warum das Thema mich interessierte, denn eine Menge neuer Geheimnisse und Wunder tauchte auf. Man könnte sagen, diese beiden Männer begannen mit mir zu sprechen und informierten mich über bestimmte Aspekte meines eigenen Themas. Ein Aspekt war das Geheimnis der Psychologie, und die anderen waren die historischen und ethnographischen Betrachtungen. Als ich anfangs der vierziger Jahre The Hero With A Thousand Faces (Der Held mit den tausend Gesichtern) schrieb, beeinflußten diese beiden Männer mich etwa gleicherweise. Doch in den folgenden Jahren erschloß sich mir Jung immer mehr. Ich bin der Meinung, Freud sagt uns, was die Mythen für Neurotiker bedeuten, Jung gibt uns einen Fingerzeig, wie man die Mythen in ihrer eigenen Ausdrucksweise zu uns sprechen lassen kann, ohne sie in ein Schema zu zwingen. Jung hat durchaus nicht das letzte Wort zu diesem Thema. Ich glaube nicht, daß es überhaupt ein letztes Wort dazu gibt. Er erschloß mir jedoch neue Ansichten und Perspektiven. Es gibt aber noch einen anderen Menschen, der mein Leben beeinflußte: Heinrich Zimmer, ein großer Ontologe (Ontologie = Lehre vom Seienden) und ein Genie in der Deutung von Symbolen; meiner Ansicht nach ergänzt er Jung. Während Zimmers letzten Lebensjahren waren sie eng befreundet.

 

M. T.: Jungs Psychologie scheint etwas offener zu sein als andere traditionelle Formen.

J. J.: Ich selbst bin kein Anhänger Jungs, obwohl er mir, was die Deutung von Mythen anbelangt, die besten Hinweise gibt, die ich finden konnte. Ich bin aber vielmehr an der geschichtlichen Ausbreitung und Verwandtschaft interessiert, als Jung; viel, viel mehr. Zimmer war mein letzter Guru, man könnte sagen derjenige, der mir den Mut gab, Mythen nach dem zu deuten, was ich von ihren allgemeinen Symbolen wußte.

 

M. T.: Sie haben den nächsten Punkt berührt, indem sie Heinrich Zimmer als einen Ihrer Gurus erwähnten, d. h. das Eindringen anderer kultureller Überlieferungen in unsere eigene Kultur, und das Auftreten von Gurus oder Lehrern mit anderen Überlieferungen oder anderen Religionsformen. Was halten Sie von dieser Entwicklung, von dieser Kulturverschiebung? Man hört das Wort "Synthese", oder Ost und West kommen zusammen. Wie sehen Sie die Zukunft? Werden wir das Beste vom Osten mit dem Besten vom Westen verschmelzen und etwas Neues schaffen, oder werden wir mit den alten Formen weiterleben?

J. C.: Ich glaube nicht, daß es eine allgemeine Verschmelzung von Ost und West geben kann, aber an verschiedenen Stellen kann es zu bestimmten Verschmelzungen kommen. Was einerseits der Westen vom Osten aufnimmt, und was andererseits der Osten vom Westen übernimmt, ist von Region zu Region ganz unterschiedlich. Die Chinesen werden nicht dasselbe wollen, was die Inder möchten - nicht nur möchten, sondern auch in Form von geistiger Nahrung vom Westen brauchen. Der Westen hat auch geistige Nahrung anzubieten, und zwar eine Menge, und nicht nur technische Dinge. Ich kann nicht sagen, was in Japan oder in Indien oder in China vor sich geht, weil ich es als westlicher Mensch von außen betrachte. Ich kann etwas über das sagen, was aus dem Osten nach dem Westen kommt, besonders was Religion und Mythologie anbetrifft. Unsere westlichen Systeme sind seit langem, besonders seit dem vierten Jahrhundert und der Zeit des Theodosius, zu Institutionen erstarrt. Unsere Mythologien sind erstarrt, und Erlösung erlangt man, indem man in einer Institution Mitglied wird. Diese Menschen aus dem Osten, Inder, Japaner, Tibeter, kommen und erzählen uns, daß das echte Geheimnis in uns selbst ist. Wir haben das auch in unserer eigenen Überlieferung: "Das Königreich Gottes (des Himmels) ist in euch." Das ist aber nicht das, was die Kirche verkündet. Sie sagt vielmehr, Gott ist im Tabernakel, in der Kirche oder in etwas Ähnlichem. Was der Osten bringt, ist die Realisation des inneren Weges; wenn man meditierend dasitzt, mit gesenktem Blick, so bedeutet das, man ist nach innen gegangen und kommt nicht gerade zu einer Seele, die sich von Gott gelöst hat, man kommt vielmehr zu dem göttlichen Mysterium, das sich genau dort in uns selbst befindet. Das war einmal in der christlichen Überlieferung. Wir finden es im Thomas-Evangelium, das 1945 bei den Grabungen in der ägyptischen Wüste gefunden worden war, aber abgelehnt wurde. Genau das sagt die alte indische Chândogya-Upanishad: Tat twam asi - "Das bist du." Das göttliche Mysterium, das du erforschen willst, ist die wahre Quelle deines eigenen Lebens, es ist das Sein deines Seins, und du wirst es im Inneren finden.

 

M. T.: Wir sehen, wie die Gurus Schüler um sich versammeln, und wie Menschen ihren Lebensstil, die Art sich zu kleiden usw. grundlegend ändern, wenn sie einem Meister oder Guru folgen. Wie steht es damit?

J. C.: Es gibt zwei Antworten auf die Guru-Frage, die ganz natürlich sind. Wenn jemand zum Vorbild für uns wird, dann neigt man ganz von selbst dazu, ihn nachzuahmen. Kleine Jungen ahmen ihren Vater nach, das ist die spontane Identifizierung, wodurch sich etwas in uns entwickelt. Man könnte sagen, das ist die erste Phase. Die zweite Phase ist: unser Selbst zu finden. Das Tragen orientalischer Kleidung z. B., oder sogar die Annahme orientalischer Namen ist meines Erachtens nicht richtig. Es versetzt uns außerhalb. Man hat die Kleidung mit der Botschaft verwechselt. Nicht jeder, der sagt: "Herr, Herr ..." wird das Himmelreich erlangen. Nicht jeder, der einen Turban trägt, ist ein befreiter Geist. Das alles ist nur eine Möglichkeit, wieder gefangen zu werden, denn dann verwechselt man eine bestimmte Einstellung oder Art der Lebensbetrachtung mit Leben für die Wirklichkeit. Nahrungsvorschriften und dergleichen haben nichts mit dem geistigen Leben zu tun. Deshalb muß man die Botschaft aus dem Osten annehmen, sie seinen eigenen Umständen, der eigenen Lebensrichtung anpassen und darf sich nicht ablenken lassen. Das Tragen eines orientalischen Kleides ist das erste Anzeichen, daß man vom Weg abgewichen ist und dem Pfad eines anderen folgt.

Es ist wichtig zu wissen, daß der Guru im Westen ein fremdes geistiges Prinzip vertritt, das heißt, daß man dann nicht seinem eigenen Weg folgt, sondern einem vorgegebenen, der dem westlichen Denken völlig entgegengesetzt ist. Unser geistiges Wesen besteht in dem individuellen Suchen, in der individuellen Verwirklichung, der Echtheit in unserem Leben aus unserem eigenen Mittelpunkt heraus.

 

 

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