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Falscher und echter Okkultismus

Es gibt keinen Zweifel: Alles Okkulte ist "in." Ganz allmählich ist es zu uns gekommen und hat sich so fest in unserer heutigen Welt verankert, daß wir es kaum noch bemerken. Vieles davon kann als Spielerei angesehen werden und ist kaum ernst zu nehmen. Wahrscheinlich geben wir uns alle ihm ab und zu ein wenig hin. Tarockkarten werden fast so viel wie Bridgekarten verkauft, und wenn man danach urteilen will, wie oft das chinesische Buch der Wandlungen I Ging in Buchläden und an Zeitungsständen zu finden ist, dann müssen sehr viele Leute das darin beschriebene geheime Wissen für ihre Zukunftspläne zu Rate ziehen. Tierkreiszeichen verzieren die alltäglichsten Dinge, angefangen bei den Stoffen bis zum Schreibpapier; und viele Menschen können es nicht lassen, auf ihr Horoskop, das auf den letzten Seiten der Zeitungen und Illustrierten neben den Kochrezepten steht, wenigstens einen Blick zu werfen. Wir wissen alle, daß es nichts als dummes Zeug ist, aber wir schauen trotzdem hin.

Das alles sind jedoch harmlose Dinge, Kinderspiele, verglichen mit dem zunehmenden Interesse an wirklicher Zauberei und Teufelsanbetung, wenn wir den Berichten, die einige führende Zeitschriften kürzlich veröffentlicht haben, Glauben schenken können; ganz zu schweigen von den scheußlichen Verbrechen, zu denen einige dieser Praktiken angeblich geführt haben. Für empfindsame Leute ist es nicht ratsam, alle diese entsetzlichen Einzelheiten auch nur zu lesen, denn sogar für phantasielose Menschen lauert hier ein Bild des spirituell Bösen, das unausweichlich mit sexueller Perversion verbunden ist. Nicht daß etwa irgend etwas davon neu wäre, denn wenn die zerfallenen Ruinen Babylons und des alten Rom sprechen könnten, würden wir aus diesen längst vergangenen Zeiten das schwache Echo dieser jüngsten Liebhabereien des technisch so fortschrittlichen Jahrzehnts der siebziger Jahre widerhallen hören.

Aus vielen Artikeln, die darüber geschrieben wurden, ist ein Zeichen der Beunruhigung herauszuhören. Es sind nicht nur die Neugierigen, die Außenseiter, oder die offensichtlich Gottlosen, die an diesen Dingen teilnehmen, sondern auch die Jungen und vermutlich Unschuldigen, die Durchschnittsbürger und sogar die Gesetzten und Nüchternen. Wenn die Hausfrau aus der Vorstadt und der Geschäftsmann - Symbole der Ehrbarkeit - ein Doppelleben führen und "schwarze Messen" besuchen, wenn sie sich Praktiken hingeben, deren Beschreibung allein schon genügt, daß die meisten Menschen sich abwenden, schlittern wir da nicht langsam dem Untergang entgegen? Das sogenannte Okkulte ist nicht mehr nur ein recht interessantes, wenn auch gruseliges Spiel, denn es nimmt Ausmaße an, die auf das sittliche Verhalten äußerst destruktiv wirken.

Das sind natürlich alles Übertreibungen und glücklicherweise ist die Anzahl derer, die darin verstrickt sind, recht klein. Dennoch ist das "Okkulte" Mode, und als Begriff wird es immer zweideutiger und wird möglicherweise bald nur noch mit Abscheu betrachtet werden. Es läßt sich nicht leugnen, daß es nach Ansicht der heutigen Welt die gesamte Stufenleiter der psychischen Phänomene umfaßt, angefangen vom Salonkunststück, das vom Amateur ausgeführt wird, bis zu den kürzlich verübten gemeinen Verbrechen, die bedenklich nach Zauberei riechen. Und dennoch sollte man sich überlegen, ob das alles nicht nur ein einseitiges Bild des Okkulten als Begriff ist. Die Bedeutung des Wortes ist einfach: Dinge, die verborgen sind, folglich das, was jenseits des Bereiches des gewöhnlichen Wissens liegt; Kenntnisse, die nur dem Eingeweihten offenbar sind; Gesetze, die die verborgene Seite der Natur betreffen. Was man allgemein als das Okkulte ansieht, würde anscheinend in diese breitgefaßte Definition hineinpassen, denn es vermittelt den Eindruck, daß es zu den Herrschaftsbereichen der Natur führt, die sich jenseits unseres physischen und auch des mentalen Begriffsvermögens befinden. Dem unkritischen Betrachter vermittelt es das Gefühl einer "anderen Welt." Bei genauerer Untersuchung bemerken wir, daß es sich kaum weiter als einen Schritt von unserer materiellen Sphäre entfernt und uns nur narrt und verwirrt, wie vertraute Gegenstände, die man im Zwielicht der Dämmerung sieht. Außerdem werden die meisten dieser Erscheinungen, die außerirdischen Kräften zugeschrieben werden, in Wirklichkeit von Menschen manipuliert und könnten ohne ihr Dazutun nicht entstehen.

Wir können nur zu dem Schluß kommen, daß wir es hier mit Psychismus zu tun haben, einem Bereich der Täuschung und des Schemenhaften, was Pseudo-Okkultismus genannt werden sollte. Es mag jenen, die nur neugierig sind, einen Nervenkitzel verschaffen, oder die Leichtgläubigen mögen meinen, sie hätten Kontakt mit der jenseitigen Welt aufgenommen; aber wer ernsthaft sucht, kann an alledem überhaupt nichts finden. Andererseits ist echter Okkultismus Wissen um die Geheimnisse des Lebens und über den Ursprung, den Zweck und das geistige Gefüge aller sichtbaren Dinge, ganz gleich ob sie unendlich klein oder grenzenlos sind. Das alles kann aber von jedem beliebigen menschlichen Wesen, wenn es nach diesen Dingen strebt, erkannt werden.

Daß uns Geheimnisse des Lebens umgeben, kann niemand leugnen, denn sobald wir aufhören, nur in rein materiellen Begriffen zu denken, stoßen wir überall darauf. Mit der physikalischen Seite der Natur sind wir vertraut. Wir erforschen sie von frühester Kindheit an und wissen instinktiv, daß sie Gesetzen unterworfen ist. Schon in der Volksschule werden uns die meisten sichtbaren Erscheinungen der Natur erklärt. Wir lernen, daß viele in physikalischen oder chemischen Formeln ausgedrückt werden können und daß es nur wenig gibt, was nicht durch den gesunden Menschenverstand oder durch Mathematik erklärt werden kann. Doch, obwohl wir wissen, wie die Dinge zusammenhängen, ist für uns dadurch noch lange nicht das Warum erklärt. In dem Augenblick, wo wir uns fragen, wie alles entstand, wohin es führt und warum es überhaupt da ist, überschreiten wir die Grenze zwischen dem Stofflichen und seinem inneren 'geheimen' Leben.

Wahrscheinlich sind in der Vergangenheit noch nie so ausgedehnte Studien über biologische Vorgänge gemacht worden. Die Wissenschaft mit all ihren differenzierten Kenntnissen kann jedoch nicht erklären, was uns leben läßt, geschweige denn, was beim Tod wirklich geschieht, abgesehen von den augenfälligen biologischen Vorgängen. Leben und Tod sind immer noch ein völliges Geheimnis. Wenn wir nachts zum sternenerleuchteten Himmel emporsehen, so glauben wir nicht mehr wie im Mittelalter, daß die Sterne Löcher in der Himmelskuppel sind, die nur zu unserer Bequemlichkeit gemacht wurden, damit wir ein wenig Licht haben, nachdem die Sonne zur Ruhe gegangen ist! Ungeheure Fortschritte sind besonders im letzten Jahrhundert in der Astronomie gemacht worden und unsere Fernrohre tasten immer tiefer in das Universum vor. Wir wissen heute, daß auch Sterne geboren werden, so wie menschliche Wesen, und daß sie genauso ihre Lebensspanne haben, die aber für unsere Vorstellung unmeßbar ist, und dann "verlöschen." Doch der Zweck ihres majestätischen Daseins ist uns noch verborgener als unser eigenes Geschick.

Das größte Rätsel für den Menschen ist jedoch der Mensch selbst. Die Zivilisation brachte es mit sich, daß wir uns von der Natur entfremdeten und nun glauben, vollkommen von ihr getrennt zu sein. Wenn wir uns vorstellen würden, daß wir ein Teil dieser großen Einheit sind, dann könnten wir erkennen, daß alles, was 'außerhalb' von uns ist, sein Gegenstück in uns selbst hat, wobei die verborgene Seite der Natur mit eingeschlossen ist. Wenn wir darüber nachdenken, was wir wirklich sind, dann können wir auch die Wahrheit erkennen über das, was uns umgibt, denn im Herzen allen Seins ist Bewußtsein, und das kann nur ergründet werden, wenn man eins wird mit ihm, und sei es nur für den Bruchteil eines Augenblicks.

Die Geheimnisse des Lebens sind nicht vor uns verborgen; wir sind es, die sie nicht erkennen, weil wir durch den Schleier unserer falschen Vorstellungen getäuscht werden; einem Schleier, der aus ichbezogenen Gefühlen und rein verstandesmäßigen Argumenten gewoben ist. Wir alle sind Hauptdarsteller, jeder auf seiner privaten Bühne, deren Hintergrund oft auch die Grenze unseres Interessenbereiches ist. Meist nimmt uns die Darbietung der Rolle, die wir spielen - ganz gleich in welche Stellung uns unser besonderer Lebensweg geführt hat - so gefangen, daß wir uns vollständig damit identifizieren. Doch ob wir glücklich sind oder leiden, selten trennen wir uns von unserer Rolle lange genug, um den wirklichen Menschen im Schauspieler zu betrachten. Es ist das wahre Selbst in uns, das eine ungetrübte Wahrnehmungsfähigkeit hat und durch unseren Schleier schauen kann. Freuden und Leiden oder quälende Langeweile eines eintönigen Lebens, die unsere Persönlichkeit, der Schauspieler, so peinigend wirklich empfindet, sind nur Auftritte in einem Spiel, das wir für uns selbst geschrieben haben, damit wir daraus lernen können.

Von Anbeginn der Menschheit war das Wissen um die letzten Wahrheiten des Seins vorhanden und bildete die Grundlage aller großen Religionen. Für die profane Menge ist dieses Wissen immer in zahllose Hüllen in Form von Ritualen und Glaubenssätzen gekleidet worden. Wörtlich genommen ergaben sie eine anschauliche Darstellung, die dem jeweiligen Grad ihres Verständnisses angepaßt war - und gleichzeitig boten sie eine gesunde Grundlage sittlichen Verhaltens. Doch jene, die "Ohren hatten, zu hören und Augen, zu sehen", konnten hinter dieser Verkleidung die Grundzüge der Wahrheit entdecken. Zu allen Zeiten gab es jedoch eine kleine Gruppe von Menschen, die vom Verlangen getrieben wurden, größeres Wissen zu erlangen, um der Menschheit helfen zu können. Durch ihre selbstlose Tätigkeit hatten sie ihr Bewußtsein so verfeinert, daß sie für Augenblicke eins werden konnten mit der Wahrheit und diese dadurch erkennen konnten. Um aber soweit kommen zu können, lautet die Lehre, muß man die letzten Spuren der Sinnestäuschung der niederen Persönlichkeit abstreifen. Das ist vom menschlichen Standpunkt aus ein sehr großes Opfer, da es kaum irgend etwas gibt, was wir mehr schätzen als unser Ich. Dieser Vorgang der inneren Erkenntnis, die Vereinigung mit der letzten Wirklichkeit, wird Initiation genannt.

Viel ist darüber spekuliert worden; einiges ist richtig, vieles jedoch erdichtet oder falsch. Die Art der Information, die so erreicht wurde, konnte nur denjenigen etwas bedeuten, die rein genug waren, um damit etwas anfangen zu können. Menschen, die noch ausschließlich für sich selbst lebten, hätten damit nur Schaden angerichtet. Daher wurde das Wissen sorgfältig gehütet. Ab und zu sickerte natürlich auch einiges davon durch, was von Unwissenden und Gewissenlosen falsch ausgelegt und verdreht wurde. Daraus entstanden dann Pseudo-Okkultismus und die niedersten Formen der Magie (denen wir heute so vielfach gegenüberstehen).

Man könnte nun meinen, die Erkenntnis der reinen Wahrheit sei nur auf eine kleine Anzahl von Menschen beschränkt, die weit genug fortgeschritten sind, um den Vorgang der Initiation zu erfahren. Sie steht aber jedem offen, der willens ist, die Bedingungen zu erfüllen. Doch niemand kann diese Art von Bewußtsein, das ihn zu einem geeigneten Gefäß für größeres Wissen werden läßt, von einem Tag zum anderen erreichen. Eine höhere Bewußtseinsstufe kann auch nicht künstlich und mit schnellen Schritten erreicht werden. Jeder Zentimeter des Weges, diesem Ziel entgegen, muß mit unseren eigenen Füßen gegangen werden, und der Fortschritt wird nach dem täglichen Opfer unserer niederen Persönlichkeit und ihrer Ergebenheit bemessen. Große Einweihungen sind das Endergebnis von vielen vorhergegangenen kleineren. Und diese wiederum sind die Erfahrungen jedes menschlichen Wesens, das ein bewußtes Leben führt, anstatt in einem Traumzustand dahinzutreiben. Jedesmal, wenn wir einen Teil unseres beschränkten Standpunktes zugunsten eines weiteren, uneigennützigeren, aufgeben; jedesmal, wenn wir aus einer der Schlachten des Lebens hervorgehen, indem wir auf unser eigenes Interesse zum Wohle anderer verzichteten, sind wir eine Stufe höher gestiegen.

Doch genau wie bei den großen Prüfungen kommt die Erleuchtung erst dann, wenn der Kampf gewonnen wurde: Wir standen einem Teil unseres Ichs gegenüber, erkannten es als das, was es war, und der Schleier der Illusion wurde wieder ein Stück gehoben, so daß wir einen weiteren Schimmer der Wahrheit erblicken konnten, der bis dahin unserem Bewußtsein verborgen war. Unsere Siege oder Niederlagen mögen niemandem als uns selbst bekannt werden, und das Ergebnis wird denen, die den täuschenden Schimmer der pseudo-okkulten Welt des Zwielichtes vorziehen, zu unauffällig und nicht wirkungsvoll genug erscheinen. Doch wer einmal einen Blick auf den Glanz des echten Lichtes geworfen hat, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick, dem wird es niemals wieder möglich sein, im Streben nach geistiger Erleuchtung innezuhalten.