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Das Meer der Theosophie

XI – Karma

Karma ist ein ungewohntes Wort für westliche Ohren. Es ist die von Theosophen des neunzehnten Jahrhunderts übernommene Bezeichnung für eines der wichtigsten Naturgesetze. Seine unaufhörliche Funktion erstreckt sich sowohl auf die Planeten und Planetensysteme wie auch auf Rassen, Nationen, Familien und Einzelwesen. Es ist die Zwillingslehre zur Reinkarnation. Beide Gesetze sind so unauflöslich miteinander verwoben, dass sie getrennt voneinander kaum richtig betrachtet werden können. Kein Punkt oder Wesen des Universums ist von der Wirkung Karmas ausgenommen. Alles steht unter seinem Einfluss. Es bestraft Fehler und führt dennoch wohlwollend mittels Schulung, Ruhe und Belohnung zu den fernen Höhen der Vollkommenheit. Es umschließt unser physisches und unser moralisches Wesen und ist ein in seiner Wirkungsbreite so umfassendes Gesetz, dass man seine Bedeutung in den westlichen Sprachen nur durch weitläufige Umschreibungen und ausführliche Erklärungen auszudrücken vermag. Aus diesem Grund wurde für seine Bezeichnung das Sanskritwort Karma übernommen.

Auf das moralische Leben des Menschen angewandt ist Karma das Gesetz der ethischen Verursachung, Gerechtigkeit, Belohnung und Bestrafung; es ist die Ursache von Geburt und Wiedergeburt, andererseits aber auch das Mittel, der Reinkarnation zu entfliehen. Von einem anderen Standpunkt aus betrachtet ist es einfach die aus der Ursache hervorgehende Wirkung, Aktion und Reaktion, die genaue Wirkung jedes Gedankens und jeder Handlung. Es ist die Handlung und das Ergebnis der Handlung, denn die wörtliche Bedeutung ist Tätigkeit. Die Theosophie betrachtet das Universum als ein intelligentes Ganzes. Deshalb ist jede Bewegung im Universum eine Tätigkeit des Ganzen, die zu Wirkungen führt, die selbst wieder zu Ursachen weiterer Wirkungen werden. Aufgrund dieser weitgefassten Betrachtungsweise sagten die alten Hindus, jedes Wesen, bis hinauf zu Brahmā, stände unter der Herrschaft Karmas.

Karma ist kein Wesen, sondern ein Gesetz, das universale Gesetz der Harmonie, das unfehlbar alle Störungen wieder ins Gleichgewicht bringt. Damit steht diese Theorie im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Gottesbegriff, der aus dem jüdischen System entstanden ist und annimmt, der Allmächtige stehe als denkendes Wesen außerhalb des Kosmos, baue ihn auf, fände seine Schöpfung disharmonisch, unproportioniert, fehlerhaft und verworren, so dass er dasjenige niederreißen, zerstören oder bestrafen müsse, was er schuf. Diese Auffassung hat tausende Menschen dazu gebracht, in Furcht vor Gott zu leben, in Übereinstimmung mit seinen angeblichen Geboten, mit dem selbstsüchtigen Ziel, Lohn zu empfangen und dem Zorn Gottes zu entrinnen; oder sie hat sie in die Finsternis gestürzt, die sich aus der Verneinung allen spirituellen Lebens ergibt. Da es aber jedem Menschen schmerzlich bewusst und klar ist, dass in und um uns eine ständige Zerstörung vor sich geht, ein steter Kampf, nicht nur zwischen den Menschen, sondern überall im ganzen Sonnensystem, wodurch Leid in allen Richtungen verursacht wird, fordert die Vernunft eine Lösung dieses Rätsels. Die Armen, die keinen Ausweg und keine Hoffnung sehen, rufen laut nach einem Gott, der keine Antwort gibt. Dann entsteht in ihnen der Neid, wenn sie den Komfort und die Möglichkeiten der Reichen betrachten. Sie sehen die reichen Verschwender, die wohlhabenden Toren, die sich ungestraft amüsieren. Wenn sie sich nun an einen Religionslehrer wenden und fragen, was das für eine Gerechtigkeit sei, die ein solches Elend zulasse, an Menschen, die nichts taten, um dessentwillen sie verdient hätten, mittellos geboren zu werden, ohne Bildungsmöglichkeiten, ohne Begabung zur Überwindung sozialer, rassischer oder sonstiger umstandsbedingter Hindernisse, dann erhalten sie zur Antwort: „Das ist der Wille Gottes.“ Eltern bringen geliebte Kinder zur Welt, die frühzeitig vom Tode geholt werden, gerade als alles verheißungsvoll schien. Sie haben auch keine Antwort auf die Frage: „Warum muss mich das treffen?“, sondern sie erhalten nur den gleichen unvernünftigen Hinweis auf einen unerreichbaren Gott, dessen Willkür ihr Leid bewirkte. So werden gute und schlechte Menschen gleichermaßen auf allen Lebenswegen unentwegt heimgesucht von Verlust, Verletzung, Verfolgung, Mangel an Gelegenheit, natureigenen Kräften, welche das Glück des Menschen zerstören, Tod, Rückschlägen, Enttäuschungen. Aber nirgends gibt es eine befriedigende Antwort oder Hilfe, außer in den uralten Lehren, dass jeder Mensch der Verursacher und Gestalter seines eigenen Schicksals ist, dass nur er allein die Ursachen für sein eigenes Glück oder Unglück hervorbringt. In einem Leben sät er und im nächsten erntet er. So führt ihn für immer und ewig das karmische Gesetz.

Karma ist ein wohltätiges, gänzlich barmherziges Gesetz, unbeugsam gerecht; denn wahre Barmherzigkeit ist nicht Gunst, sondern absolute Gerechtigkeit:

„Die Schrift hat, Brüder, recht:
Des Menschen Sein als Folge
geht auf früheres Sein zurück;
vergang’ner Sünd’ entsprießen Sorg’ und Leid,
Vergang’ner Guttat Glück …
Dies ist des Karmas Lehre.“

Wie wird das jetzige Leben durch vergangene richtige und falsche Handlungen beeinflusst und geschieht das immer durch Bestrafung? Ist Karma nur ein anderer Name für Fatum, ein bereits festgelegtes und geschriebenes Schicksal, dem wir nicht entrinnen können und das uns deshalb leichtsinnig macht im Handeln oder Denken, weil das Schicksal doch nicht geändert werden kann? Es ist kein Fatalismus! Alles, was in einem früheren Körper geschehen ist, hat Folgen, die das Ego in der neuen Geburt als Freude oder Leid erleben muss, denn es ist, wie Paulus sagt: „Täuscht euch nicht: Gott lässt keinen Spott mit sich treiben; was der Mensch sät, wird er ernten“ [Gal 6,7]. Die Wirkung liegt schon in der Ursache, und Karma bringt sie lediglich in jenem Körper, Gehirn und Denkvermögen zur Manifestation, welche durch die Wiederverkörperung zur Verfügung gestellt wurden. Und so wie die von einem Menschen erzeugte Ursache in einer definierten Beziehung zu ihm steht, als das Zentrum, aus dem sie hervorging, so erfährt jeder die Ergebnisse seiner eigenen Handlungen. Wir scheinen manchmal die Wirkungen ausschließlich durch Handlungen anderer Menschen zu erfahren. Es handelt sich aber um das Resultat unserer eigenen Handlungen und Gedanken in diesem oder einem früheren Leben. Wir führen unsere Handlungen immer im Umgang mit anderen Menschen aus. Und die Handlungen haben mit den Gedanken, die ihnen zugrunde liegen, stets eine Verbindung zu anderen Personen und uns selbst.

Keine Handlung wird ausgeführt, der nicht ein Gedanke zugrunde liegt, sei es während der Ausführungs- oder der Vorbereitungszeit. Diese Gedanken wohnen in dem Teil des Menschen, der von uns Manas – Denkprinzip – genannt worden ist. Sie verbleiben dort als subtile, aber machtvolle Verbindungen, die mit magnetischen Fäden das ganze Sonnensystem umspannen. Durch sie werden die verschiedenen Wirkungen hervorgebracht. Die auf den vorhergehenden Seiten dargestellte Theorie – dass das ganze System, zu dem dieser Erdglobus gehört, lebendig und auf jeder Ebene bewusst ist, obgleich sich nur beim Menschen Selbstbewusstsein zeigt – kommt hier zur Anwendung und erklärt, wie ein Gedanke, der in diesem Leben einer Handlung zugrunde liegt, in diesem oder in einem kommenden Erdenleben Resultate hervorbringen kann. Die erstaunlichen neuen hypnotischen Experimente zeigen, dass der geringste, selbst noch so weit zurückliegende Eindruck im Leben eines Menschen wieder zum Leben erweckt werden kann, was beweist, dass dieser Eindruck nicht verloren, sondern nur latent war. Nehmen wir zum Beispiel den Fall eines Kindes, das bucklig zur Welt kam, von gedrungener Gestalt, der Kopf zwischen die Schultern gesunken, die Arme lang und die Beine kurz. Woher kommt das? Es ist sein Karma aus Gedanken und Handlungen in einem früheren Leben. Es hat einen missgestalteten Menschen so ausdauernd und heftig verspottet, verfolgt oder verletzt, dass sich das deformierte Bild seines Opfers dem unsterblichen Denkvermögen einprägte, denn die Intensität seiner Gedanken entspricht proportional der Intensität und Tiefe des Bildes. Der Vorgang entspricht genau der Belichtung einer lichtempfindlichen fotografischen Platte, wo je nach Dauer der Belichtung die Wirkung auf der Platte schwach oder stark ist. So trägt also dieser Denker und Täter – das Ego – bei der nächsten Inkarnation dieses Bild mit sich, und wenn die Familie, zu der er hingezogen wird, ähnliche physische Tendenzen in ihrem Evolutionsstrom aufweist, bewirkt dieses Gedankenbild, dass der sich neu bildende Astralkörper vermittels elektrischer und magnetischer Osmose über die Mutter des Kindes eine verunstaltete Form annimmt. Da alle Wesen auf der ganzen Erde unlöslich miteinander verbunden sind, entspricht das missgestaltete Kind ebenso dem Karma der Eltern als Folge von ähnlichen Gedanken und Handlungen in früheren Leben. Hier zeigt sich Gerechtigkeit in einer Exaktheit, wie sie keine andere Theorie bieten kann.

Da aber verkrüppelte Menschen – und wir verwenden das Beispiel nur zum Zweck der Betrachtung – oft eine fröhliche Veranlagung, einen ausgezeichneten Intellekt, ein gutes Urteilsvermögen und jede gute moralische Eigenschaft besitzen, so führt gerade ein solches Beispiel zu der Schlussfolgerung, dass Karma für jeden individuellen Fall verschiedenartig sein muss und offenbar in mehr als nur einem Teil unserer Natur tätig ist, mit der Möglichkeit, dass es in einem Teil unserer Natur angenehme und in einem anderen Teil unangenehme Wirkungen zeitigen kann.

Karma ist von dreierlei Art:

Erstens – Karma, das bis jetzt in unserem Leben noch nicht zur Auswirkung kam, weil andere karmische Ursachen noch auf uns wirken. Das ist einem den Physikern wohlbekannten Gesetz zuzuschreiben, nach dem sich zwei entgegengesetzte Kräfte neutralisieren; eine Kraft kann so stark sein, dass sie vorübergehend die Wirkung der anderen Kraft aufhebt. Dieses Gesetz wirkt in den unsichtbaren mentalen und karmischen Daseinsebenen oder Sphären ebenso wie auf der physischen. Die Kraft einer bestimmten Gruppe von physischen, mentalen und psychischen Eigenschaften mit ihren Tendenzen kann die Wirkung von Ursachen, mit denen wir verknüpft sind, gänzlich hemmen, weil das ganze Wesen jedes Menschen zur Ausführung dieses Gesetzes benötigt wird. Deshalb sind die Schwachen und Mittelmäßigen nur ein schwacher Brennpunkt für Karma, und bei ihnen ist das allgemeine Ergebnis eines Lebens begrenzt, obgleich sie alles als sehr schwer empfinden mögen. Ein Mensch aber mit einem umfassenden und tiefgründigen Charakter und viel Kraft wird die Wirkung einer größeren Menge von Karma verspüren als ein schwächerer Mensch.

Zweitens – Karma, das wir mit unseren Gedanken und Handlungen jetzt erzeugen oder speichern. Dieses wird sich dann in der Zukunft auswirken, sobald das inkarnierende Ego in einem künftigen Leben den entsprechenden Körper und das geeignete Denken und die passende Umgebung angenommen haben wird oder wenn hinderliches Karma beseitigt ist.

Das bezieht sich auf das gegenwärtige und auf das nächste Leben. Denn es kann jemand in diesem Leben einen Punkt erreichen, wo sich alle wirksam gewesenen Ursachen erschöpft haben, so dass jetzt neues Karma oder noch nicht verbrauchtes Karma zu wirken beginnen muss.

Hierzu zählen jene Fälle, in denen Menschen plötzlich eine Schicksalswende oder eine Veränderung zum Besseren erfahren, entweder in den Umständen oder im Charakter. Das ist auch für unsere gegenwärtige Lebensführung von sehr großer Bedeutung. Während sich altes Karma auswirken muss und nicht aufgehalten werden kann, ist es unter den gegenwärtigen Umständen, ganz gleich wie sie sind, unbedingt weise für den Menschen, so zu denken und zu handeln, dass er keine üblen oder hinderlichen Ursachen für die nächste Wiedergeburt oder für die späteren Jahre dieses Lebens erzeugt. Auflehnung ist nutzlos, denn das große Gesetz wirkt sich aus, ob wir jubeln oder weinen. Der große französische Ingenieur De Lesseps ist ein gutes Beispiel für diese Klasse von Karma. Nachdem er für viele Jahre zu Ruhm und Erfolg hoch aufgestiegen war, geriet er plötzlich wegen des Panamaskandals in Schande. Mag er nun schuldig oder unschuldig gewesen sein, er musste die Schande tragen, dass sein Name mit einem nationalen Unternehmen verbunden wurde, das von Bestechung und Korruption besudelt war, in die hohe Beamte verwickelt waren. Das war die Auswirkung alter karmischer Ursachen gerade in dem Augenblick, in dem jene, die seine vorherigen Jahren beherrscht hatten, erschöpft waren. Napoleon I. ist ein weiterer Fall, er stieg zu hohen Ehren empor, stürzte dann plötzlich und starb im Exil und in Ungnade. Viele andere Fälle werden dem nachdenklichen Leser einfallen.

Drittens – jenes Karma, das angefangen hat, Ergebnisse hervorzubringen. Es ist jetzt in diesem Leben das Wirken von Ursachen auf uns, die wir in früheren Leben gemeinsam mit anderen Egos erzeugt haben. Dieses Karma ist wirksam, weil es am besten zu dem gegenwärtigen Familientypus, zu dem individuellen Körper, zu dem Astralkörper und den Rassentendenzen der gegenwärtigen Inkarnation passt. Es bringt sich deutlich zum Ausdruck, während anderes, noch nicht erschöpftes Karma wartet, bis seine Zeit gereift ist.

Diese drei Klassen von Karma beherrschen Menschen, Tiere, Welten und Evolutionsperioden. Jede Wirkung fließt aus einer vorausgegangenen Ursache hervor, und da alle Wesen immer wiedergeboren werden, erfahren sie auch ständig die Wirkungen ihrer Gedanken und Handlungen (die selbst Ursachen sind) einer früheren Inkarnation. Daher ist jeder für jedes Wort und für jeden Gedanken verantwortlich, wie es im Matthäus-Evangelium heißt; keiner kann entrinnen, weder durch Gebet, noch durch Gunst oder Gewalt, noch durch irgendeinen anderen Vermittler.

Da die karmischen Ursachen in drei Klassen einteilbar sind, müssen sie verschiedene Wirkungsfelder haben. Beim Menschen wirken sie in seiner mentalen und intellektuellen Natur; in seiner psychischen oder seelischen Natur; und in seinem Körper und seinen Lebensumständen. Die spirituelle Natur des Menschen wird von Karma niemals berührt oder beeinflusst.

Eine Sorte von Karma kann gleichzeitig in gleichem Maß in allen drei genannten Bereichen unserer Natur tätig sein, es kann aber auch eine Mischung der Ursachen sein, einige auf einer Ebene und einige auf einer anderen. Nehmen wir den Fall einer missgestalteten Person, die ein ausgezeichnetes Denkvermögen besitzt und eine Unzulänglichkeit in ihrer seelischen Natur. Hier wirkt strafendes oder unangenehmes Karma in ihrem Körper, während in ihrer mentalen und intellektuellen Natur gutes Karma erfahren wird, da aber das Karma oder die Ursachen psychisch von indifferenter Art ist, ergeben sich hier nur indifferente Wirkungen. Bei einem anderen Menschen zeigen sich wieder andere Kombinationen. Er hat einen guten Körper und günstige Bedingungen, aber sein Charakter ist vielleicht mürrisch, übellaunig, reizbar, rachsüchtig, krankhaft und sich selbst und anderen widerlich. Hier ist ein gutes physisches Karma und sehr übles mentales, intellektuelles und psychisches Karma am Werk. Allen Lesern werden Fälle bekannt sein, wo Menschen von hoher Abstammung, die jede Möglichkeit und Macht besitzen, dennoch schwachsinnig sind oder plötzlich geisteskrank werden.

So wie alle diese Phasen des karmischen Gesetzes den individuellen Menschen beeinflussen, so beherrschen sie auch in ähnlicher Weise die Rassen, Nationen und Familien. Jede Rasse hat als Ganzheit ihr Karma. Ist es gut, dann schreitet die Rasse vorwärts. Wenn es schlecht ist, geht alles dem Ende zu – die Rasse stirbt aus –, obwohl die betroffenen Seelen ihr Karma in anderen Rassen und Körpern wieder aufnehmen. Die Völker können ihrem nationalen Karma nicht entfliehen. Jede Nation, die Übles getan hat, muss früher oder später dafür leiden. Das Karma des neunzehnten Jahrhunderts im Westen ist das Karma Israels, denn selbst ein Laie kann erkennen, dass der mosaische Einfluss in den europäischen und amerikanischen Nationen am stärksten ist. Die alten Azteken und andere alte Völker Amerikas starben aus, weil ihr eigenes Karma – das Resultat ihres eigenen nationalen Verhaltens in der fernen Vergangenheit – auf sie zurückfiel und sie vernichtete. Bei den Nationen zeigt sich diese bedrückende Wirkung Karmas in Hungersnöten, Kriegen, Naturkatastrophen und in der Sterilität der Frauen des Volkes. Letztere Wirkung tritt gegen Ende ein und fegt alle Überreste der Nation hinweg. Und das Individuum in der Rasse oder Nation wird durch diese große Lehre gewarnt, dass – wenn es im Denken oder Handeln in Gleichgültigkeit verfällt und sich so dem allgemeinen Durchschnittskarma seiner Rasse oder Nation angleicht – jenes nationale oder Rassenkarma ihn schließlich im allgemeinen Schicksal davontragen wird. Deshalb riefen die alten Lehrer: „Kommt hervor und trennt euch.“

Zusammen mit der Reinkarnation erklärt diese Karmalehre das Elend und das Leid der Welt, und es bleibt kein Raum, die Natur der Ungerechtigkeit anzuklagen.

Das Elend einer jeden Nation oder einer jeden Rasse ist das direkte Resultat der Gedanken und Handlungen der Egos, die diese Nation oder Rasse bilden. In der fernen Vergangenheit taten sie Böses und leiden jetzt. Sie verletzten die Gesetze der Harmonie. Die unveränderliche Regel verlangt die Wiederherstellung der Harmonie, wenn diese gestört wurde. Daher leiden diese Egos, indem sie das Gleichgewicht des okkulten Kosmos kompensieren und wiederherstellen. Die ganze Menge der Egos muss in der Rasse oder Nation so lange inkarnieren und reinkarnieren, bis sie die erzeugten Ursachen gänzlich aufgearbeitet haben. Obwohl die Nation als physisches Gebilde zeitweilig verschwinden mag, verlassen die zu ihr gehörenden Egos jedoch die Erde nicht, sondern kommen als die Erbauer einer neuen Nation zurück, in der sie mit der Aufgabe fortfahren müssen und je nach ihrem Karma Bestrafung oder Belohnung erhalten. Für dieses Gesetz sind die alten Ägypter ein Beispiel. Sie erreichten gewiss eine hohe Entwicklungsstufe, aber ebenso gewiss wurden sie als Nation ausgelöscht. Aber die Seelen – die alten Egos – leben weiter und erfüllen jetzt ihr selbst geschaffenes Schicksal als eine andere Nation in unserer Zeit. Vielleicht sind sie die neue amerikanische Nation oder die Juden, deren Schicksal es ist, in der Welt umherzuziehen und von seiten anderer vieles erleiden zu müssen. Dieser Vorgang ist vollkommen gerecht. Nehmen wir zum Beispiel die Vereinigten Staaten und die Indianer. Letztere wurden von dieser Nation schändlichst behandelt. Die Indianer-Egos werden in dem neuen Eroberervolk geboren und als Mitglieder dieser großen Familie werden sie selbst die Werkzeuge sein, die die entsprechenden Resultate für die Handlungen zeitigen, die ihnen angetan wurden, als sie noch als Indianer inkarnierten. So geschah es zuvor und ebenso wird es wieder geschehen.

Individuelles Unglück in einem beliebigen Leben wird wie folgt erklärt:

(a) Es ist die Strafe für das in früheren Leben verübte Böse; oder (b) es ist eine Schulung, die das Ego auf sich nimmt, um Mängel zu beseitigen oder Festigung und Mitgefühl zu gewinnen. Wenn Mängel beseitigt werden, gleicht das der Beseitigung eines Hindernisses aus einem Bewässerungskanal, wodurch dann das Wasser weiterfließt. Glück wird auf gleiche Weise erklärt: Es ist das Resultat von früheren guten Leben.

Die wissenschaftliche und sich selbst aufdrängende Grundlage für rechte Ethik wird nur in dieser und in keiner anderen Lehre gefunden. Wenn nämlich die rechte Ethik nur um ihrer selbst willen ausgeübt werden soll, werden die Menschen die Gründe dafür nicht einsehen, und dann werden sie niemals in der Lage sein einzusehen, warum sie recht handeln sollen. Wenn Ethik aber nur aus Furcht befolgt werden soll, wird der Mensch entwürdigt und wird sie gewiss umgehen. Wenn die Gunst des Allmächtigen, die nicht auf Gesetz oder Gerechtigkeit gegründet ist, als Anlass dient, dann haben wir genau das, was heute vorherrscht – einen Kodex, den Jesus dem Westen gab, zu dem sich die Nationen bekennen, den sie aber nicht praktizieren, mit Ausnahme weniger, die unter allen Umständen tugendhaft sein würden.

Zu diesem Thema haben die Adepten Folgendes geschrieben, das in der Geheimlehre gefunden werden kann:

„Auch wären die Wege Karmas nicht unerforschlich, wenn die Menschen in Einigkeit und Harmonie handeln würden, statt in Uneinigkeit und Streit. Denn unsere Unkenntnis dieser Wege – die ein Teil der Menschheit als dunkle und verworrene Wege der Vorsehung bezeichnet, während ein anderer darin das Wirken des blinden Fatalismus und ein dritter bloßen Zufall sieht, weder von Göttern noch von Dämonen gelenkt – würden sicher verschwinden, wenn wir sie ihrer richtigen Ursache zuordnen könnten. Mit rechtem Wissen oder zumindest mit dem festen Vertrauen, dass unsere Nachbarn uns ebensowenig schädigen wollen, wie wir sie, würden sich zwei Drittel der Übel der Welt in Luft auflösen. Wenn kein Mensch seinem Bruder schaden würde, hätte Karma-Nemesis weder einen Anlass zum Eingreifen noch die Waffen dazu … Wir schnitzen diese zahlreichen Windungen täglich mit eigenen Händen in unser Schicksal, während wir uns einbilden, wir folgten der Hauptstraße der Ehrbarkeit und Pflicht und klagen dann über die verworrenen und unverständlichen selbstgeschaffenen Wege. Wir stehen verwirrt vor dem selbstgeschaffenen Mysterium und den Rätseln des Lebens, die wir nicht lösen wollen und klagen die große Sphinx an, sie verschlinge uns. Es gibt aber in Wirklichkeit weder ein Unglück noch einen missratenen Tag noch ein Missgeschick, das nicht auf unsere eigenen Taten in diesem oder in einem früheren Leben zurückgeführt werden könnte. … Die Kenntnis von Karma gibt die Überzeugung, dass, wenn –

‘die Tugend in Not ist und das Laster triumphiert,
die Menschen zu Atheisten werden’,

das nur deshalb der Fall ist, weil die Menschheit stets die Augen vor der großen Wahrheit verschloss, dass der Mensch sein eigener Erlöser und sein eigener Verderber ist, dass er weder die Himmel noch die Götter noch das Schicksal oder die Vorsehung wegen der anscheinend unter der Menschheit herrschenden Ungerechtigkeit anzuklagen braucht. Er möge sich vielmehr jenes Fragments griechischer Weisheit erinnern, das den Menschen warnt, Jenes anzuklagen, das

‘Gerecht, geheimnisvoll zwar, aber ohne Irrtum uns auf
unmarkierten Wegen von Schuld und Sühne führt …’

– und das sind nun die Wege und Hauptstraßen, auf denen sich die großen europäischen Völker vorwärts bewegen. Die westlichen Arier, jedes Volk und jeder Stamm, hatten gleich ihren östlichen Brüdern der fünften Rasse ihr Goldenes und ihr Eisernes Zeitalter, ihre Periode verhältnismäßiger Unverantwortlichkeit oder das Satya-Zeitalter der Reinheit, während jetzt verschiedene von ihnen ihr Eisernes Zeitalter, das Kali-Yuga erreicht haben, ein Zeitalter schwarz mit Horror. Dieser Zustand wird solange andauern … bis wir anfangen von innen her zu handeln, statt immer nur den von außen kommenden Impulsen zu folgen … Bis dahin sind die einzigen Linderungsmittel Vereinigung und Harmonie – eine Bruderschaft in actu und Altruismus nicht nur als ein Lippenbekenntnis“.