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Bereitsein ist alles

Und die Pforte ist eng, und der Weg ist schmal,

der zum Leben führet;

und wenige sind ihrer, die ihn finden.

- Matthäus 7:14

 

 

 

Wir leben in einem Zeitalter der Herausforderung, des inneren Erwachens. Der große Kessel ist voller erregender Ideen, aber wir dürfen es uns nicht erlauben, die Tatsache zu übersehen, daß dort, wo viel Licht ist, auch viele Schatten sind. Dualität ist überall gegenwärtig. Die Bereitschaft, eine neue Dimension in der Lebensführung zu finden, hat etwas mit sich gebracht, was in den letzten Jahrzehnten als eine "Bewußtseinsexplosion" bezeichnet wurde. Zahllose Gruppen und Organisationen bieten spirituelle Hilfe an; einige echte, andere enthalten nur so viel Wahrheit, daß sie den Unvorsichtigen anziehen. Einige dieser ominösen Programme, die einen leichten Weg zur Erleuchtung versprechen, befassen sich mit Methoden der Verstandes- und Bewußtseinserweiterung, mit psychischen Experimenten, verkaufen ihre Therapien an die Massen und dergleichen mehr. Tausende von ernsten Suchern werden ausgenützt und gefährliche Reaktionen treten auf, unter anderem körperliche Schäden, Geistesgestörtsein und emotionelle Störungen aller Art, die Jahre benötigen können, in einigen Fällen mehrere Leben, um wieder beseitigt zu werden. Wie Kinder, die mit dem Feuer spielen, werden wir durch unsere Unkenntnis gebrannt.

Die Wahrheit zu suchen, ohne sich intuitiv wachsam an die Richtlinien für unsere Handlungen zu halten, ist so, als wenn man mit Explosivstoffen umgehen würde, ohne vorher die möglichen Gefahren und die notwendigen Maßnahmen zum eigenen Schutz zu kennen. Diese Richtlinien basieren auf den grundlegenden Gesetzen, die im gesamten Universum wirksam sind. Sie sind zeitlos, denn sie sind ein Teil der ewigen Weisheit, die zu jeder Zeit existiert hat, um unseren Weg auf der schwierigen Reise der Selbstüberwindung zu erleuchten.

Früher oder später muß die Erkenntnis kommen, daß Bestrebungen selbstzerstörend sein können, wenn sie darauf gerichtet sind, in unserer Natur eine Änderung allein durch übermäßige Konzentration auf die mentale oder psychische Entwicklung herbeizuführen oder wenn etwas von außen erzwungen werden soll, was durch natürliche Entfaltung von innen heraus zustande kommen sollte. Vor allem ist die richtige Orientierung wichtig. Aus dem Herzen entwickeln sich die edlen Instinkte des Mitleids und der Selbstlosigkeit. Der Verstand hat in seiner dualen Eigenschaft die Macht, unser Denkvermögen zu verdunkeln oder zu bereichern, je nachdem welche Einflüsse durch ihn wirksam werden.

Alles in der Natur arbeitet in dieser Weise: alle Ursachen haben ihre entsprechenden Wirkungen, je nach dem Motiv und der Art der Handlung. Je mehr wir in die subtilen Aspekte unserer Konstitution eindringen, desto mehr kommen wir mit Kräften in Berührung, die weit stärker sind als alles, was wir in der physischen Welt kennen. Der Mensch als Ganzes besteht aus einem empfindlichen Gleichgewicht physischer, psychischer, mentaler, emotioneller und intuitiver Elemente, wobei jedes Element mit jedem anderen in einem bedeutungsvollen und wunderbaren Netz verwoben ist. Wenn diese Harmonie gestört wird, treten ernste Probleme auf. Deshalb weist die alte Tradition eindeutig darauf hin, daß man mit Okkultismus nicht spielen darf.

Alle großen Heiligen Schriften der Welt geben Anweisungen, daß man sich das Recht, den spirituellen Weg zu betreten, Schritt für Schritt durch persönliche Anstrengungen erwerben muß. Jeder andere Weg ist, als wollte man die Bergspitzen erklimmen, bevor man sich darauf vorbereitet hat, das "Vorgebirge der Moral, des Lernens und der Selbstbemeisterung zu erringen." Erst verdienen, dann wünschen. Das ist eine Regel, die heute genauso Gültigkeit besitzt wie eh und je. Eine Bibelstelle drückt diesen Gedanken im wesentlichen so aus:

Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan!

- Matthäus 7:7

Dieser Vers kann auf verschiedene Weise gedeutet werden, aber im wesentlichen enthält er den Schlüssel für alle Stufen des inneren Erwachens, von der niedrigsten bis zur allerhöchsten. Bittet von Herzen, in demütigem Geiste, sucht aus selbstlosen Motiven, und wenn ihr durch die Schulungen, die das Leben bringt, innerlich stark seid, klopfet an, und die Tür wird euch aufgetan.

Es ist nicht zufällig, daß die heiligen Texte in der ganzen Welt betonen, daß das Motiv für unsere Handlungen wichtig ist, weil das der entscheidende Faktor in der von uns selbst gelenkten Evolution ist. Jesus sagte zu seinen Schülern, daß, wer immer seine Worte hört und sie in die Tat umsetzt, der kann mit einem weisen Mann verglichen werden, der sein Haus auf einen Felsen baute, der dem Regen und den Fluten und den Winden widerstand. Mit anderen Worten, wer das Gelernte in selbstlose Handlungen umsetzt, wer gibt, wie ihm gegeben wurde, der schafft in sich selbst eine feste Grundlage, einen sicheren Hort spiritueller Werte, die ihm die Weisheit geben werden, dem Wind und dem Regen der Prüfung zu widerstehen. Doch "jeder, der diese Worte hört und sie nicht befolgt, soll mit einem Narren verglichen werden, der sein Haus auf Sand baute." Wer die Wahrheit für sich allein sammelt, hat wenig Urteilsvermögen, auf das er sich verlassen kann, um die Herausforderungen des Lebens zu meistern.

An dieser Stelle sei auf die Warnungen hingewiesen, die überall zu finden sind, die aber im Matthäus-Evangelium, Kapitel 7 eindeutig klar zum Ausdruck kommen: "Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." Wenn sie falsche Versprechungen machen, einen Preis für die Wahrheit verlangen, sich lautstark als Guru anpreisen, zu persönlichem Fortschritt oder zu Nachgiebigkeit gegen sich selbst ermutigen - können wir da sagen, daß dies die "Früchte" eines weisen und aufrichtigen Propheten sind? Es ist traurig, aber sehr leicht möglich, daß die Anhänger auf diese Weise getäuscht werden und die Intuition so unterdrückt wird, daß eine verfälschte Frucht sehr verlockend aussehen kann. Ein breiter Weg, ein weites Tor führen zur Zerstörung "und es sind viele, die dort hindurchgehen." Die Wahrheit verlangt ihren eigenen Preis, nicht in Münzen, sondern dadurch, daß wir uns selbst in immer größerem Maße geben. Wir sollten in uns schauen und genau untersuchen, was wir wirklich suchen.

Die Bhagavad-Gîtâ, eine alte Heilige Schrift Indiens, zeigt in symbolischer Form die vielen Stufen, die man durchlaufen muß, um sich selbst zu überwinden; sie gibt einen Einblick in die komplizierte menschliche Natur und in die Ursachen der vielen miteinander im Kampf stehenden Elemente in jedem von uns. Wir können den Kämpfen und Prüfungen Arjunas folgen, der mit uns, mit Dir und mir, gleichbedeutend ist. Wir können die Weisheit erkennen, die Krishna, Arjunas höheres Selbst, ihm auf dem Weg erteilte, als er Zweifel und Schwächen zu überwinden hatte, als er alle Arten der dualen Ausdrucksform erkennen lernen und sich über Sinnestäuschungen und Trugbilder, die ihn umgeben, erheben muß. Diese Heilige Schrift betont, wie notwendig es ist, die rechten Motive für die Handlungen zu verstehen und zu wissen, wie wir unsere eigene Pflicht in der Welt und unseren Mitmenschen gegenüber erkennen und durchführen können. Wenn Arjuna schließlich die Schatten seines niederen Selbst durchdringt, ist er vorbereitet, um Krishna zu bitten, ihm seine göttliche Form oder das wirkliche Selbst zu offenbaren, was Krishna dann auch tut. Die Gîtâ beschreibt dies folgendermaßen:

Die wunderbare Glorie und Herrlichkeit dieses mächtigen Wesens kann mit dem Strahlenglanz verglichen werden, der entsteht, wenn tausend Sonnen gleichzeitig am Himmel aufflammen.

- Kapitel 11

Obgleich Arjuna auf diesen Schritt innerlich vorbereitet war, stellte er dennoch fest, daß der Glanz ihn beinahe überwältigte, und um sicher zu gehen, daß er demütig bleiben und sein wahres Ziel nicht vergessen würde, warnte ihn Krishna, daß bloßes Studium oder Abtötung der Sinne oder Almosengeben oder Opfer bringen in keiner Weise diese Gestalt hervorbringen könne. Nur wer ein echter Diener des Gesetzes wird, "ohne mit den Ergebnissen der Handlungen verhaftet zu sein, und nur wer frei von Feindseligkeiten gegenüber jeder Kreatur ist", wird wert- und bereitbefunden, eine solche Erleuchtung zu empfangen.

Abschließend sei betont, daß wir weder durch Massenbeeinflussung, noch durch künstliche Mittel, oder mit eigennützigen Motiven unser göttliches Potential entwickeln können, sondern daß dies vielmehr dadurch zustande kommt, daß wir der besonderen Pflicht, die uns dieses Leben auferlegt hat, in allen Einzelheiten in natürlicher Weise und selbstlos folgen, wobei wir unsere Sinne auf die Forderungen eines jeden Augenblicks einstellen und die Füße fest auf dem Boden halten müssen. Die Weisheit kommt durch die einfachen Dinge des Lebens, wenn wir den Tugenden und Regungen unseres Herzens Gehör schenken. Ist das Motiv richtig, dann wird uns alles andere zur gegebenen Zeit zufallen. Arjunas spirituelle Wiedergeburt ist das menschliche Ideal, das Ziel der gesamten Menschheit in künftigen Zeitaltern. Es muß aber unvermeidlich der Höhepunkt der schrittweisen Erweckungen während vieler Leben mit persönlichen Bemühungen sowie zahllosen Fehlschlägen und Triumphen in der Arena der täglichen Erfahrung sein. Die Reise ist lang und es gibt viele Prüfungen, aber es sind auch viele Freuden damit verbunden, wenn wir uns vorstellen, daß wir mit dem gewaltigen Kosmos eins sind und eines Tages imstande sein werden, ihn ganz zu begreifen.