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Die treibende Kraft des Schicksals

Wenn wir jung sind und die Wogen des Lebens hoch gehen, machen wir uns über unsere Zukunft meist nur wenig Gedanken, es sei denn, daß wir uns manchmal fragen, wieviel das Füllhorn für uns enthält. Wenn unsere Schwierigkeiten jedoch immer mehr zunehmen und die täglichen Pflichten anfangen, die Annehmlichkeiten des Lebens zu überwiegen, dann erscheint es uns manchmal, als sei eine übergeordnete Macht darauf aus, unsere Pläne zu durchkreuzen oder ein anscheinend sinnloses Elend auf unser unschuldiges Haupt zu laden. Der Mensch hat von Anfang seines Daseins an mit diesem Problem der Ungewißheit gekämpft und kam für gewöhnlich zu dem Schluß, sein Los liege im Schoße irgendeiner äußeren Macht, ob bei den rachsüchtigen Göttern des primitiven Menschen, den Schicksalsgöttinnen des griechischen Pantheons, bei Allah, bei Gott dem Allmächtigen oder auch bei den Sternen. Oft glaubt man sogar, daß das menschliche Schicksal eine Art Kopplungsgeschäft sei, bei dem die meisten Ereignisse vorherbestimmt worden sind, weshalb dieses Schicksal von gewissen Menschen, die ein wenig hinter den Schleier sehen können, der das Morgen vor dem Blick des gewöhnlichen Sterblichen verbirgt, schon vorher wahrgenommen werden könne.

Vermutlich haben jedoch zu allen Zeiten zahlreiche gewissenlose Leute aus dem weitverbreiteten und verständlichen Wunsch, das zukünftige Schicksal zu kennen, Kapital geschlagen. Wenn auch die Geschichte echte Seher und Propheten gekannt hat, und die durch die griechischen Orakel übermittelten, oft zweideutigen Botschaften durchaus göttlich inspiriert gewesen sein mögen, so war doch die große Mehrzahl der Menschen, die vorgaben, die Zukunft voraussagen zu können, ohne Ausnahme Scharlatane mit großen leeren Taschen, jedoch ohne ein höheres Wissen, - menschlich oder göttlich - das über ihre eigene üppige Phantasie hinausging.

Der heutige Mensch, der genauso wie seine 'abergläubigen' Vorfahren an einer Vorausschau auf sein Schicksal interessiert ist, hat sich wieder den ältesten Webern von Wohl und Wehe zugewandt: den Sternen in ihrem Lauf. Man könnte tatsächlich sagen, daß die Astrologie ein bemerkenswertes 'Comeback' erlebte, nachdem sie faktisch mehrere Jahrhunderte lang persona non grata war. Prophezeihungen auf Grund der Aspekte von Sonne, Mond und Planeten, im Zusammenhang mit den verschiedenen Tierkreiszeichen, sind so alt wie die Zivilisation. Sie wurden Jahrtausende hindurch praktiziert, und zwar nicht nur bei heidnischen Völkern, sondern während der christlichen Ära auch von vielen einflußreichen Persönlichkeiten, die sich mit der alten Kunst eifrig beschäftigten, trotz dem offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Willen Gottes, dem der Mensch untertan ist und der Meinung, daß die Sterne unser Leben 'lenken'.

Mit der Geburt der exakten Wissenschaft verlor die Astrologie im Westen jedoch ihre Glaubwürdigkeit. Sie wurde seither wie alles, was nicht verstandesmäßig erklärbar ist, in das Reich der Fabel verwiesen. Das Wassermannzeitalter, über das man noch nicht allzuviel weiß, hat sie aus dem Gerümpelkasten herausgeholt, von den Spinnweben einer altmodischen Sprache, in der sie abgefaßt war, gesäubert und in psychedelisches Papier gewickelt. Ihr früherer Glanz wurde nicht nur wieder hergestellt, vermutlich erfreut sie sich heute sogar noch größerer Popularität als vor Jahrhunderten. Man sollte annehmen, daß die fortschrittlichen technischen Errungenschaften und der altersschwache Aberglaube, wie er bis vor kurzem genannt wurde, seltsame Gefährten sind. Paradox indessen ist, daß das glänzende intellektuelle Licht der Wissenschaft unsere Gefühle, wenn nicht gar unseren Geist, so geblendet hat, daß wir noch mehr im Dunkeln tappen als vorher.

Heute benutzt die Astrologie die Technik, und es ist weit gefehlt, anzunehmen, daß sie nicht in unsere Zeit passe. Der Computer leiht schnelle Hilfe zur Erstellung persönlicher Horoskope und Voraussagen. Anscheinend genügt es, unser Geburtsdatum anzugeben, auf den richtigen Knopf zu drücken und - hokuspokus! - schon wird uns die Zukunft samt unseren Charakterzügen aufgetischt, und das mit weniger Aufwand, als das Wärmen einer Tomatensuppe verursacht. Die Frage ist nur, ob diese Information, ob mit Hilfe des Computers oder auf andere Weise erstellt, - wie richtig sie mathematisch auch sein mag - jemals mehr als die Oberfläche unserer Persönlichkeit betreffen kann. Gibt sie uns einen Einblick in die menschliche Seele, die sich durch die Persönlichkeit ausdrückt? Beherrschen die Sterne unser Schicksal so unwiderruflich, daß wir Uhrzeigern gleichen, die zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort sein müssen, weil die Räder im Innern sie unerbittlich antreiben?

Die Astrologie ist seit unvordenklichen Zeiten, durch einen endlosen Lauf von Jahrhunderten und über ganz unterschiedliche Zivilisationen, zu uns gelangt. Wie alles alte Wissen und viele alte Überlieferungen hat auch sie auf diesem Weg viel von ihrem ursprünglichen Wert verloren. Es ist uns bekannt, daß Wahrsagen mit Hilfe der Sterne zuerst in Mesopotamien ausgeübt wurde, aber wahrscheinlich haben die Chaldäer dieses Wissen von noch älteren Völkern geerbt, deren Existenz unserem Blick immer noch durch den Nebel lange vergangener Äonen verhüllt ist. Wir wissen, daß die Babylonier und auch die Ägypter ihrem Wissen eine kosmologische Bedeutung beimaßen. Indien und China wird nachgesagt, daß sie sich in den Beziehungen, die zwischen den Menschen und den Sternen bestehen, außerordentlich gut auskennen. Die meisten neueren Nachrichtenquellen sind in bezug auf dieses Gebiet bestenfalls der Meinung, daß diese alten Völker die Himmelskörper für große Götter hielten. Da mythologische Gottheiten sehr oft entweder unbeholfen und primitiv oder mit künstlerischer Vollendung in menschlicher Gestalt versinnbildlicht werden, weckt diese Art der Darstellung unweigerlich die Vorstellung eines buchstäblichen Glaubens, der einer naiven kindlichen Mentalität entstammt. Aller Wahrscheinlichkeit nach dachten aber die Babylonier eher an verkörperte kosmische Intelligenzen als an personifizierte Götter.

Die Griechen erlernten die Astrologie von den Mesopotamiern, und da sie in Geometrie große Fortschritte gemacht hatten, wandten sie sie auch auf das neu gewonnene Wissen an. Der Tierkreisgürtel, wie wir ihn kennen, ist vermutlich eine Entdeckung der griechischen Wissenschaft. Während die Kunst der Weissagung mit Hilfe der Sterne bis zu jener Zeit zum großen Teil eine Bedeutung für die Erde hatte, wurde sie jetzt zu einer Methode abgewandelt, die die persönliche Zukunft und den Charakter einer Person offenbaren sollte, wodurch sie sich mehr und mehr auf den Menschen ausrichtete. Auf diese Weise ergab es sich, daß das Tor für die Entartung zur Scharlatanerie weit geöffnet wurde, die dann am Ende der Römerzeit und während der italienischen Renaissance periodisch Höhepunkte erreichte. Was uns bis heute und in diesem Zeitalter überliefert worden ist, sind nur zerstreute Fragmente, die ursprünglich in ihrer Eigenschaft als Ganzes kosmisch waren, und durch die Verwendung für selbstsüchtige und materialistische Zwecke beschmutzt worden sind.

Unser gegenwärtiges Wissen weicht nicht nur ab; es ist ohne Zweifel auch unvollkommen. Innerhalb der letzten zweihundert Jahre wurden drei neue Planeten entdeckt, und obgleich die heutigen Astrologen zugeben, daß sie verhältnismäßig wenig über deren jeweilige Einflüsse wüßten, erklären sie doch, daß diese zwar gering, aber dennoch stark seien. Wenn man in Betracht zieht, daß die Astronomie beständig neue Entdeckungen im Universum macht, sollten wir die Möglichkeit nicht ausschließen, daß wir sogar in unserem eigenen Sonnensystem immer noch nicht über die Sternen- und Planeteneinflüsse Bescheid wissen; und wenn es doch möglich wäre, könnten sie durch die Astrologie wirklich erklärt werden? Daraus ergibt sich doch wohl, daß kein noch so genau berechnetes Horoskop als Evangelium hingenommen werden kann, weil die wichtigen Schlüssel entweder verloren gingen oder noch nicht gefunden wurden.

Mag auch unsere gegenwärtige Methode der Auslegung fragwürdig sein, so bedeutet das nicht, daß keine Verbindung zwischen unserer Erde und den anderen Planeten besteht. Wir brauchen nur an die Rolle zu denken, die ein verhältnismäßig kleiner Körper wie der Mond spielt, der die Gezeiten unserer Seen und Ozeane auslöst. Die neuesten wissenschaftlichen Studien in Rußland weisen darauf hin, daß zwischen den wiederkehrenden Zyklen der Sonnenfleckentätigkeit und Epidemien auf der Erde sowie Invasionen von Heuschrecken und Nagetieren Zusammenhänge bestehen.

"Vielleicht noch bezeichnender ist eine Korrelation zwischen diesen Zyklen von Sonnenfleckentätigkeit und großen Völkerwanderungen, Kreuzzügen, Kriegen, Revolutionen. Vergleiche der Diagramme der Sonnentätigkeit laufen mit chronologischen Tabellen aller menschlichen Massenbewegungen seit 1917 parallel.

... In den Jahren gesteigerter Sonnentätigkeit entstehen magnetische Stürme, und das ist der Grund, warum die Stromnetze manchmal völlig zusammenbrechen, warum die Zahl der Selbstmorde, Psychosen, Verkehrsunfälle und Todesfälle bei Menschen mit Herzschwäche zunimmt. Jahre einer minimalen Sonnentätigkeit fallen mit Epidemien und Erdbeben zusammen. Die Erkenntnis der Gesetze dieser Vorgänge würde uns gestatten, uns auf sie vorzubereiten und die entsprechenden Gegenmaßnahmen zu treffen."1

Man könnte deshalb daraus schließen, daß auch kosmische Ausstrahlungen einen Einfluß auf die menschliche Psyche haben. Wenn es auch nicht eindeutig erwiesen ist, so ist die Anschauung doch nicht an den Haaren herbeigezogen, daß zwischen den Planeten ähnliche Einflüsse bestehen.

Die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Kosmos wäre viel weniger geheimnisvoll, wenn wir die Himmelskörper mehr als verkörpertes Bewußtsein ansehen würden, anstatt sie als unbeseelte Globen aus Gas und organischer Materie zu betrachten. Wir können eine Analogie aufstellen und uns fragen: warum und wie beeinflussen die Menschen einander? Wenn wir nur aus Fleisch und Knochen bestünden, würde keine Wechselwirkung der subtilen Einflüsse bestehen, die beständig blitzschnell von einem Menschen auf den anderen überspringen, und die selbst dann wahrgenommen werden kann, wenn kein Kontakt durch Gesten oder Worte stattfindet. Nur deshalb, weil unser individuelles Bewußtsein, die wahre Essenz unseres Wesens, sich über die Grenzen unseres physischen Körpers hinaus ausdehnt, wirken wir aufeinander ein.

Da nicht nur der Mensch, sondern die ganze Schöpfung manifestiertes Bewußtsein ist, sind Sonne, Mond, Planeten und die entferntesten Sterne im Universum nur die äußeren Hüllen des kosmischen Lebens, das sie verkörpern. Die alten Babylonier erkannten diese Wahrheit und nannten die Himmelskörper Götter, weil deren Bewußtsein unvorstellbar höher sein mußte als das der Menschen. Und wenn es zwischen den einzelnen Menschen einen Austausch von Gedanken und Empfindungen gibt, wie viel mächtiger und herrlicher muß dann die gegenseitige Verbindung zwischen diesen göttlichen Intelligenzen sein, wenn es auch für uns unfaßbar ist. Das hermetische Gesetz lautet: Wie oben, so unten. Wir wissen, daß die Atome durch ihre gegenseitige Beeinflussung das Molekül gestalten, obgleich wir von ihrer Kohäsionskraft keine wirkliche Vorstellung haben. Besseres Verständnis haben wir für die engen Bindungen, die zwischen den Menschen bestehen, wobei diese oft ein ganzes Leben lang 'anhalten'. Über die gegenseitige Anziehung der Planeten eines Sonnensystems, die um eine zentrale Sonne kreisen, wobei jeder empfängt, was er anzieht und andererseits auch selbst seinen eigenen besonderen Beitrag zum Wohl des Ganzen beisteuert, können wir nur Mutmaßungen anstellen.

Wo steht der Mensch in diesem großen universalen Plan? Ist er so völlig unwichtig, daß er darin kaum bemerkt wird, oder ist er tatsächlich nur der hilflose Zeiger am Zifferblatt einer kosmischen Uhr? Im Westen sind wir zu der Auffassung gekommen, uns als eine Klasse zu betrachten, die vom übrigen Rest der Natur getrennt ist. Es gibt jedoch in der gesamten Schöpfung keine 'Insel', nicht einmal in den Tiefen des Raumes. Alles ist miteinander verbunden, sowohl Geber wie Empfänger, und der Mensch bildet darin keine Ausnahme. Sein Körper besteht aus jenen gleichen grundlegenden Elementen, aus denen alles Leben auf unserem Globus zusammengesetzt ist, und am Ende seiner Tage nimmt ihn die Erde wieder auf. Zwar verbindet uns unsere materielle Hülle mit der Materie, doch die wirkliche bewegende Kraft hinter unserem Leben auf diesem Planeten, unser wirkliches Selbst, ist göttliches Bewußtsein, das aus der gleichen Quelle stammt, die in gleicher Weise im Atom, in der Sonne und im leuchtenden Stern Ausdruck findet, wobei der einzige Unterschied der Grad der Entwicklung ist.

Man darf sich deshalb niemals vorstellen, daß dem Menschen das Schicksal von einer äußeren Macht, ob von einem gütigen oder einem zornigen Gott oder dem unpersönlichen Wirken der Sterne, auferlegt wird, denn wir selbst sind die Zeiger, die bewegt werden und sind auch die Räder in der Uhr, die die Zeiger bewegen. Auf der niederen Ebene unseres zusammengesetzten Wesens, in unserem menschlichen Alltagsbewußtsein, durchleben wir alles Leid und alle Freuden, mit denen wir ununterbrochen konfrontiert werden; aber es war unser unsterbliches Selbst, das diese Wahl traf. Dieser göttliche Teil ist immer auf weitere Entwicklung bedacht, deshalb wählt die Seele Verkörperungen unter solchen Bedingungen, die eine Gelegenheit zu weiterem Fortschritt bieten, in Übereinstimmung mit den kosmischen Konstellationen, wodurch für die günstigsten Gelegenheiten Sorge getragen wird - ein Vorgang, der so unpersönlich ist wie wenn ein Magnet Eisenfeilspäne anzieht.

Unsere materiellen Verhältnisse, unsere angeborenen Charaktermerkmale, unsere Talente oder unsere Talentlosigkeit, unsere günstigen Gelegenheiten oder unsere Enttäuschungen, unser Leben in Gemeinschaft mit anderen oder unsere Einsamkeit, unser 'gutes' oder unser 'schlechtes' Schicksal, sie alle sind nur das Rüstzeug, mit dem sich unsere sich entwickelnde Seele das eigene Schicksal schafft, eine Wahl, die der eigene Gestalter von einem Augenblick zum anderen abändert. Obgleich es möglich ist, einen flüchtigen Blick von den Hilfsmitteln zu erhaschen, wenn wir die Sterne zu Rate ziehen, so können selbst die weisesten der Weisen nicht voraussehen, wie diese Hilfsmittel benützt werden oder welches Kunstwerk mit ihrer Hilfe geschaffen wird. Der Schlüssel zu diesem Geheimnis liegt in einer unbestimmbaren Größe verborgen: im eigenen schöpferischen Willen des Individuums.

Fußnoten

1. Aus PSI - Die Geheimformel des Ostblocks für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Nutzung übersinnlicher Kräfte des Geistes und der Seele. Von Sheila Ostrander und Lynn Schroeder, Verlag Scherz, Bern-München-Wien, Seite 120. [back]