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Bis zum Letzten...

Wenn man die Möglichkeit hat, einen Kiesel gegen einen kostbaren Chrysolithen oder ein Stück Jade einzutauschen, so wird man kaum den Verlust des Kieselsteins beweinen. Jeder Mensch - und sei er noch so eigennützig - wird das einsehen. Wenn es aber um die subtileren Aspekte der menschlichen Beziehungen geht, - um das Aufgeben irgendeines liebgewordenen materiellen Gegenstandes, mit dem man das Herz eines anderen Menschen erfreuen könnte - gibt die menschliche Natur nicht so leicht auf; sie kann sich von dem Kiesel nicht trennen.

Und dennoch gibt es Menschen, deren Leben nur aus 'Hingabe' besteht, nicht in der engen Bedeutung des Wortes, sondern im Sinne einer spontanen Hingabe ihrer eigenen Persönlichkeit; wobei die durch Mitleid geprüfte, ausgeglichene Seele das ganze Leben hindurch ein feines Licht ausstrahlt. "Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden."

In der Literatur und in den Überlieferungen eines jeden Volkes kann man Beispiele mitleidsvoller Taten finden. Das große Epos Indiens, Mahâbhârata, berichtet von den Abenteuern, Überwindungen und Leiden des edlen Yudhisthira, der nach unbeschreiblichen Mühen endlich zu den Himmelstoren gelangt, wo die strahlenden Götter warten, um ihn willkommen zu heißen. Während des steilen Aufstiegs raubte ihm der Tod seine tapferen Kriegsgefährten und auch seine geliebte Gattin Draupadi. Hätte er nicht seinen treuen Hund bei sich, wäre er ganz allein.

Nun aber sagt ihm der Gott Sakra, daß er, um in Svarga eintreten zu können, seinen Hund zurücklassen müsse. Darüber ist Yudhisthira entsetzt. ... Dazu kann er sich nicht überwinden: "Diesen Hund, der mit mir aß, der mir folgte, der mich liebte - ihn muß ich jetzt zurücklassen?"

Die Bestimmungen sind klar: Nur die gottähnliche Seele kann den Wohnsitz der Götter betreten. Er selbst, Yudhisthira, wird als wert befunden: "unsterblich, göttlich, Du bist ein Gott geworden ... und alle Freuden des Himmels sind Dir gewiß." Aber der Hund - was hat dieses arme Tier mit alledem zu tun? "Laß' Deinen Hund zurück!"

Yudhisthira weigerte sich abermals. Er kann es kaum glauben, daß jemand, der so erhaben ist, so mitleidlos sein soll. Es bleibt ihm kein anderer Weg offen, als das zu opfern, wonach er sich aus ganzem Herzen gesehnt hatte. Doch er kann jetzt sein Ideal, dem er durch zahllose Leben gefolgt ist, nicht aufgeben. Mutig erklärt er: "So will ich denn dieser Herrlichkeit verlustig gehen, denn um ihretwillen bin ich nicht bereit, ein Lebewesen, das ich liebe, aufzugeben" - am allerwenigsten diesen Hund, der mein Weggenosse und Freund war, und mir in allem treu zur Seite stand.

Und siehe da! Der Hund verschwand vor seinen Augen und an seiner Stelle stand, sich offenbarend, der Gott der Götter, der mächtige Indra selbst. Er hatte die Gestalt eines treuen Hundes angenommen, um Yudhisthira zu begleiten und ... zu allerletzt sein reines Herz der höchsten Prüfung zu unterziehen.