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Die 70er Jahre sind da

Es klingt schon abgedroschen, wenn man sagt, das Jahrzehnt der 60er Jahre sei, wegen der hier und dort auftretenden Unruhen in allen Teilen der Welt, stürmisch gewesen. Die Schwierigkeiten sind ohne Zweifel die Folge eines inneren Dranges - eines Impulses, der im Bewußtsein der Menschheit entstanden ist und eine krankhafte Unzufriedenheit mit jeder Phase des Status quo an die Oberfläche fördert. Aber ist das eine Krankheit? Oder ist es vielmehr ein Antrieb zur Gesundung, zu einer dynamischen Gesichtskreiserweiterung, die mit den Trümmern und den abgestorbenen Geweben jahrhundertelanger Konformität aufräumt?

Wenn wir uns wirklich die Mühe machen, die Geschichte der vielen Philosophien, Religionen und Wissenschaften des Altertums zu studieren, entdecken wir, daß die Zivilisation auf ihrer Reise durch die Jahrtausende immer wieder ähnliche Umbrüche erlebte. Wenn wir versuchen, unser Verständnis für die gegenwärtigen Vorgänge noch mehr zu vertiefen, dann werden wir erkennen, daß diese Wachstums- und Verfallszyklen den Geist und das Denken des Menschen qualitativ widerspiegeln. In der gesamten damaligen Literatur finden wir Andeutungen über den periodischen Umsturz alter Formen, der zu einer Nachprüfung, Neubewertung und Neueinstufung zwingt.

Lediglich ein solcher Hinweis sei erwähnt. Dabei müssen wir uns an die alten Hinduschriften wenden, an den Brâhma-Vishnu-Shiva-Aspekt ihrer Gottheit. Mit einfachen Worten: sie versinnbildlichen die Funktion der Schöpfung (Vater), Erhaltung (Heiliger Geist) und der Zerstörung-Erneuerung (Sohn), die immer wirksam und allgegenwärtig sind und uns, wenn wir sie verständen, befähigen würden, gleichmäßigeren Fortschritt einzuhalten.

Nach den Erfahrungen der 60er Jahre beobachten wir ermutigende Zeichen der Entwicklung einer neuen schöpferischen Aktivität, die sich in den 70er Jahren eigene Ausdrucksformen suchen wird. Ebenso beobachten wir hinter dem unaufhörlichen Fluß der Ereignisse ein wachsendes Interesse, die nützlichen Werte der aus der Vergangenheit auf uns gekommenen Kulturen zu erhalten. Am meisten beunruhigt hat jedoch die Neigung der jüngeren Generationen zu kopfloser Zerstörung, die insofern eine fast völlige Verständnislosigkeit bewies, als sie nicht erkannte, daß nur die Schalen, die verfestigten und stagnierenden Kristallisationen der Ideale zerstört werden sollten. Sie müssen noch lernen, daß das, was in jenen Schalen eingeschlossen ist, sorgfältig und verständig behandelt zu werden verdient, damit es regeneriert und später erneut mit den schöpferischen und bewahrenden Energien, die jetzt in Erscheinung treten, harmonisch verschmolzen werden kann. Wenn wir nur diesen dreifachen Prozeß in der Natur in seinem wahren Licht erfassen könnten, würden wir daraus sehr viel lernen.

Vielleicht müssen wir unser Wahrnehmungsvermögen vollständig neu orientieren, damit wir den vor uns liegenden Zeitabschnitt, der unsere eigentliche Aufgabe beinhaltet, wenigstens einigermaßen erfassen können. Wo könnten wir da besser beginnen als auf dem gärenden Gebiet des Erziehungswesens? In den Verzeichnissen und Lehrplänen der höheren Lehranstalten und Universitäten ist die Philosophie mit ihren verschiedenen Zweigen vertreten, den vielen Zweigen der Wissenschaft wird jedoch besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Was fehlt, ist eine befriedigende Behandlung der weiten Gebiete der Ethik und Religion an sich. An den theologischen Seminaren wird dieser Stoff zwar gelehrt, aber ihre Studien beschränken sich im allgemeinen auf die hebräische und die christliche Religion. In den meisten Schulen sind jedoch nur wenige oder keine Maßnahmen für jene Schüler getroffen, die aus sich heraus die Wurzel der Wahrheit finden möchten und deshalb versuchen, die vielen anderen Religionen und Philosophien zu ergründen. Infolgedessen haben sie keine Vergleichsbasis, keine Berührung mit dem reichen Schatz der überall verbreiteten spirituellen Werte, die den mündlichen oder schriftlichen Überlieferungen aller Völker zu Grunde liegen.

Wir glauben, daß die Universitäten eine große Gelegenheit versäumen, wenn sie keine leicht verständlichen, soliden und vorurteilsfreien Vorlesungen in vergleichendem Studium aller Bibeln der Welt einrichten; Vorlesungen, in denen versucht würde, über die herkömmliche, buchstäbliche Auslegung hinaus zu den reinen und ursprünglichen Prinzipien der Botschaft der Verkünder der Religionen vorzudringen, die sie den Menschen geben wollten. Einige Schulen haben solche Studien ins Leben gerufen, und man braucht sich nur mit ihren Schülern zu unterhalten, um zu begreifen, welchen beträchtlichen Nutzen sie davon hatten.

Jemand hat einmal gesagt, es gäbe nur eine Wahrheit, und keine Religion sei höher als die Wahrheit. Ich glaube, daß, je mehr wir in dieser kritischen Zeit dazu beitragen können, den Begriff dessen, was wir unter "rechtes Denken und rechtes Handeln" verstehen, zu erweitern, desto größer wird die Wirkung auf unser Denken über die Weltsituation sein. "Wie ein Mensch in seinem Herzen denkt, so ist er." Der Sauerteig ist in Bewegung, denn heute haben Tausende von Menschen das Vorhandensein dieses "goldenen Fadens" überall entdeckt und verfolgen still ihre eigenen Studien, mit oder ohne Anleitung durch Lehrgänge.

Aber es muß noch ein weiterer Schritt getan werden, der für uns bei der Suche nach einem Ziel von großer Hilfe wäre. Es muß die Synthese oder die Beziehung zwischen den drei grundlegenden Begriffsklassen der menschlichen Erkenntnis erkannt werden: was wir tun sollten (Religion oder Ethik); warum wir es tun sollten (Philosophie) und wie wir es tun sollten (Wissenschaft). Wir müssen das einigende Element zwischen diesen drei Betrachtungsweisen finden, das uns einen brauchbaren Rahmen für die Behandlung der Erfordernisse unseres Alltagslebens liefert.

Es hat immer geistige Pioniere gegeben, erleuchtete Menschen, die bei der Suche nach Wahrheit dieses verbindende Element fanden. Man wird an Jakob Böhme im 16. Jahrhundert, an Rev. William Law, Graf Saint-Martin und andere in den späteren Jahrhunderten erinnert, die, jeder auf seine Weise, diesen alten Schlüssel benutzten, um die Tore zum größeren Verständnis aufzuschließen. Sie waren "Theosophen", ganz gleich, wie der Name auch lautete; sie erneuerten ein Gedankensystem, das noch immer Teil unseres Erbes ist, und das uns jetzt bei der Bewältigung der bevorstehenden Herausforderungen Richtlinien geben könnte. Sie bemühten sich - uns in ihrer eigenen, manchmal schwierigen Terminologie - zu sagen, daß der echte, zur Lösung unserer individuellen und globalen Dilemmas führende Nenner in der Erkenntnis liegt, daß wir im vollsten Sinne des Wortes Brüder sind, integrale Teile der gesamten Menschheit. Kurz, jedes Lebewesen im gesamten Naturbereich trägt eine Verantwortung - einer für alle und alle für einen.

Oder, um die Idee modern auszudrücken, jede Einheit, jedes Atom, in der Tat jeder winzigste Punkt im Raum ist ein Bewußtseinszentrum, das durch den intelligenten Hierarchen unseres Sonnenuniversums ins Dasein geatmet wurde. Man kann es die Seele eines Atoms oder die Seele eines Menschen, einer Pflanze oder Sonne nennen - es gibt keinen Unterschied. Jeder Bewußtseinspunkt durchläuft seine vielen Runden oder Zyklen all dessen, was notwendig ist, um im Verlauf seiner unbegrenzten Wanderungen alles zu erfahren und zu wiederholen, was für ihn sein muß, um schließlich auf der menschlichen Stufe Selbstbewußtsein zu erlangen. Am Ende wird er noch darüber hinausgehen, dem inneren Zentrum zu, um mit der monadischen Essenz der Gottheit eins zu werden, die die Quelle aller manifestierten Wesen und Dinge ist.

Man kann mit Sicherheit annehmen, daß zu irgendeinem Zeitpunkt in der Zukunft, ein Kern spirituell gesunder Menschen vorhanden sein wird, der stark genug ist, um einen weiteren "Riesensprung für die Menschheit" zu tun - einen inneren Sprung des Bewußtseins, der von noch größerer Wichtigkeit sein wird als der, den sich der Astronaut Armstrong vorstellte, als er das erstemal den Mond betrat. Der Raum ist grenzenlos, und wir brauchen nur zu dem nächtlichen Sternendom emporzusehen, um etwas von der endlosen Möglichkeit der universalen Seelenessenz zu fühlen, die alles Geoffenbarte vorwärts drängt, immer weiter und weiter.