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Das Ende der Welt

Die Panik, die Tausende von Menschen während der kürzlich erfolgten Syzygie erfaßte, weil sie befürchteten, daß das Ende der Welt kommen würde, war nicht die erste, sie war aber bezeichnend dafür, wie weit Unruhe und Mangel an Urteilskraft verbreitet sind. Die Vorstellung, daß unser Globus durch eine solche Begegnung sein Ende finden könnte, ist gewiß nicht neu, denn Ähnliches ist in der christlichen Ära verschiedentlich aufgetaucht. Die umfassendste und überwältigendste Halluzination dieser Art trat ungefähr um das Jahr 1000 auf, als eine große Unruhe durch die Erklärung verursacht wurde, daß die Welt im ersten Jahrtausend nach Christus untergehen würde, was die allgemeine Vernichtung bedeute. Unzählige Gläubige trennten sich von ihrem Hab und Gut für wenig Geld, und großes Leid herrschte unter den Menschen - ausgenommen die Skeptiker, die ungeheuer an dieser Torheit der Leichtgläubigkeit profitierten. Als sich dann nichts Ungewöhnliches ereignete, erklärte man, daß ein Aufschub gewährt worden sei, und daß die wirkliche Zerstörung später kommen würde. Diese modifizierte Prophezeihung verursachte weiteren Alarm, als jedoch ebenfalls nichts geschah, kamen diese Prophezeihungen wenigstens eine Zeit lang wieder außer Mode. Dennoch haben die falschen Auslegungen der biblischen Lehren immer den Eindruck lebendig erhalten, daß der Erde nur eine kurze Lebenszeit bevorstehe.

In jüngster Zeit riefen die alarmierenden Prophezeihungen des weltbekannten Dr. Cumming so um 1871 herum, und einige Jahre später die Baxters, beträchtliche Aufregung hervor. Cumming erntete dabei jedoch Spott, weil er zur gleichen Zeit, zu der er seine Berechnung für die unmittelbare Vernichtung der Erde bekannt gab, ein Haus für längere Zeit pachtete. Eine wunderliche Frau, Mutter Shipton genannt, behauptete, im Mittelalter gelebt zu haben, und daß ihr anvertraut worden sei, daß das Ende der Welt 1881 eintreten würde. Darüber erhob sich unter den Einfältigen in England ein großes Wehgeschrei und eine große Menge versammelte sich auf einem hohen Berge, um diesen Vorgang beobachten zu können; enttäuscht gingen sie wieder davon. Und noch etwas früher, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verursachte William Miller in Amerika einen ähnlichen Wahnsinn durch seine 'Entdeckung', wonach Christus um 1843/44 auf die Erde zurückkehren sollte. Dadurch vernachläßigten seine Anhänger, "Millerites" genannt, in Erwartung dieser Ankunft, ihre weltlichen Pflichten.

Der Februar erschreckte anscheinend viele, besonders im Osten, die etwas wissenschaftliche Ausbildung hatten. Gewiß, die meisten Planeten standen mehr oder weniger in einer Linie, aber eine kurze Nachprüfung der astronomischen Berichte aus der Vergangenheit zeigt, daß sich gleiche Sternbilder schon früher gezeigt haben, wobei nichts Ungünstiges für die Erde und ihre Bewohner eintrat. Die Astronomie gibt keine definitive Information über die Zerstörung der Planeten. Wir haben niemals durch Augenzeugen begründet einen untergehen sehen, wenn auch angenommen werden kann, daß jede Sache, die einen Anfang hat, auch ein Ende nehmen muß, wenn ihr Zweck erfüllt ist. Die alten Überlieferungen berichten tatsächlich, daß sich die Universen immer in Bewegung befinden, sie erscheinen und verschwinden auf dem physischen Plan wie "Funken der Ewigkeit". Die vorüberziehenden Sterne, die gelegentlich aus dem fast Unsichtbaren in großer Pracht aufflammen und dann langsam verschwinden, werden von unseren Astrophysikern als ein letztes Aufflackern irgendeiner Sonne, die wie eine Kerze erlischt, gedeutet, oder als Resultat einer Katastrophe durch den Zusammenstoß zweier Himmelskörper.

Viele Jahre hindurch war es in wissenschaftlichen Kreisen üblich, furchtbar zu jammern über die schnelle Erkaltung der Sonne und die kommende Periode, in der die Erde eine gefrorene Masse sein wird, ein düsterer Friedhof toter Hoffnungen, der zwecklos rund um eine erkaltete, dunkle Sonne kreist. Aber durch die neuzeitliche Schulung hat man aufgehört, sich zu beunruhigen, denn durch die ausgedehnte Forschung in der Struktur des Sonnensystems und seiner Umgebung, hat es sich praktisch als gewiß herausgestellt, daß die Sonnenenergien heute noch die gleichen sind, wie vor Millionen von Jahren, und nichts steht dagegen anzunehmen, daß sie wahrscheinlich für lange Zeiten nicht schwächer werden. Natürlich gibt es von Menschen verursachte Katastrophen, die die wissenschaftliche Forschung mit in Betracht zieht. Wir können solche Möglichkeiten nicht von der Hand weisen; sie hängen wie ein Leichentuch über der modernen Anschauung. Aber die vernunftwidrige Befürchtung, daß der Mensch selbst der Erde ein plötzliches Ende bereiten könnte, unterscheidet sich eigentlich nicht von der Furcht, daß die Natur das gleiche tun könnte - beide sind Überreste mittelalterlicher Unwissenheit und ein Widerspruch zu der wirklichen Tatsache, daß die Natur unter der Herrschaft eines Gesetzes ihre Anleitung erhalten muß und ihre Pläne ordnungsgemäß zu erfüllen hat.

Man denke an die Millionen von Jahren, in denen sich die Erde vorbereiten mußte, um intelligente, denkende Wesen aufzunehmen; an die vergangenen Zeitalter, als die Fische, Reptilien, vielleicht sogar die Pflanzen, die vorherrschenden Formen des physischen Lebens waren, bis schließlich der Mensch 'als das Ebenbild Gottes' die sichtbare Ebene erreichte - jung, im Vergleich zu dem ungeheuren Alter der Erde, aber dennoch ein selbstbewußtes denkendes Individuum, fähig und vorbereitet, den Kurs der menschlichen Entwicklung fortzusetzen, einen Kurs, durch enorme Zyklen gekennzeichnet, die kommen und gehen und wiederkehren, bis er schließlich seine volle spirituelle Kraft erreicht hat. Wir befinden uns mehr oder weniger am Mittelpunkt unserer langen evolutionären Erfahrung, wo unsere sogenannte Zivilisation eine Menge zu wünschen übrig läßt. Die kuriose Vorstellung, daß das Ende der Welt durch irgendeine Absicht des göttlichen Gesetzes eintreten könnte, wenn der Mensch, die 'Krone der Entwicklung', erst ein halber Mensch ist; wenn er gerade erst das Alphabet der Sprache gelernt hat, in der das glorreiche Buch des Kosmos offen vor ihm geschrieben ist, nachdem er mühsam den schwachen Versuch das Studium der Mysterien und des Wunders seiner eigenen Natur aufzunehmen begonnen hat - diese sonderbare Idee ist ein Beispiel für die begrenzte Ansicht, die unsere Gemüter beengt.

Wir haben die Bedeutung des ewigen Gesetzes verloren. Wir hatten und haben sogar die Illusion, daß es umgangen werden könnte, daß der weise Ausspruch: "Irret Euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten: denn, was der Mensch säet, das wird er auch ernten", zu umgehen sei. Aber wie kann es irgendein Entrinnen vor den Folgen einer Handlung geben? Je früher wir uns der allumfassenden und überwältigenden Majestät des Gesetzes bewußt werden, desto besser ist es um unsere mentale und geistige Gesundheit bestellt. Wie abscheulich behandelt würden jene sich fühlen, die das Gesetz der Gerechtigkeit in geistigen Angelegenheiten nicht anerkennen, wenn die Gesetze des materiellen Lebens veränderlich wären, um individuelle Bevorzugung zu befriedigen. Es gäbe keinerlei Gewißheit. Das Leben würde zu einem Alpdruck. Die Herrschaft der Ordnung in der physikalischen Welt ist ein Symbol des göttlichen Gerechtigkeitsprinzipes, das alle Phasen des menschlichen und universellen Lebens durchdringt.

Es gibt im Westen zwei allgemein anerkannte Theorien vom menschlichen Leben. Die Materialistische behauptet, daß wir nichts weiter sind, als intelligente Tiere, beherrscht durch Vererbung, den äußeren Lebensbedingungen angepaßt; unser gesamtes Äußere wird erklärt durch chemisch-physikalische Gesetze und die zufällige Kombination vitaler Faktoren, und daß der Tod uns auslöscht wie die Flamme einer Kerze. Die entgegengesetzte Theorie lautet, daß eine unsterbliche Seele, extra erschaffen, bei der Geburt in einen Körper hineinkam, der ebenfalls extra zu diesem Zweck erschaffen wurde, und nach einem Leben von wenigen Minuten oder hundert Jahren, die Erde für immer verläßt, um eine Ewigkeit im Himmel oder in der Hölle zu verweilen. Keine dieser Ansichten kann vor dem durchdringenden Licht des Mitleids oder der Gerechtigkeit bestehen.

Der Begriff von einem einzigen Erdenleben, dem eine immerwährende geistige Existenz folgt, ist von den Kirchen aufgezwungen worden, obgleich der Gründer des Christentums, wenn wir uns auf das Neue Testament verlassen dürfen, niemals die Vorexistenz oder Wiedergeburt der Seele ablehnte, ja diese sogar selbst bestätigte, als er von Johannes dem Täufer direkt darum befragt wurde. Nach der Hypothese von einem Leben wird von uns verlangt, zu glauben, daß Kinder sich ihr Schicksal, entweder in ganz miserable oder in die glücklichsten Verhältnisse hineingeboren zu werden, nicht selbst wählen können, sondern einfach das zu nehmen haben, was ohne irgendwelchen Grund auf sie zukommt. Man könnte annehmen, daß die alten Prinzipien der Reinkarnation - verstanden als zyklische Wiedergeburt der Seele in menschliche und nicht tierische Körper - ein besonderes Licht auf dieses Problem, vor allem in Verbindung mit der Lehre über Ursache und Wirkung oder Karman, werfen könnten, was bedeutet, daß die Lebensbedingungen genau für die Handlungen und Gedanken der früheren Leben entschädigen, und daß die Saat, die wir jetzt ausstreuen, entsprechende Ernten hervorbringen wird und nichts anderes. Wir können nicht Feigen von den Disteln oder Trauben von den Dornen ernten. Die Lehre von der Reinkarnation schließt naturgemäß die Existenz einer unsterblichen Seele im Menschen, die Erfahrungen in Leben auf Leben gewinnt, in sich ein. Jederzeit fängt sie dort an, wo sie aufgehört hatte und fährt in ihrem Wachstum fort. Die Ursache setzt sich in Bewegung und erzeugt ihre natürlichen und gesetzmäßigen Wirkungen. Diese Wirkung ist der Angelpunkt, um den sich des Menschen Schicksal dreht. Viele glauben, daß dies die logische Erklärung des Mysteriums der Entwickelung ist. Jedoch die Wissenschaft, in ihrem Bestreben, 'alle Dinge zu beweisen', hat mit Vorbedacht jede Betrachtung des Seelenlebens aus ihren Nachforschungen entfernt, sie hat versucht alles zu erklären, einschließlich der menschlichen Konstitution und Vererbung, mental und physisch, unter Mißachtung der geistigen Ursachen. Aber die Gedankenwelt verändert sich rapide, und die Menschen beginnen überall zu erkennen, daß die Unwissenheit über die Seele und ihre Möglichkeiten die gleiche ist, wie die Jahrhunderte hindurch unbekannten Tatsachen der Astronomie. Es ist bezeichnend, daß keiner der großen Denker jemals ein einziges beweiskräftiges Argument gegen die Unsterblichkeit vorgebracht hat.

Dabei können wir nicht stehenbleiben, denn eine Philosophie über die Reinkarnation gefunden zu haben, muß in einem noch größeren und spirituelleren Zusammenhang betrachtet werden, wenn wir unsere gegenwärtige kritische Situation in ihrer ganzen Bedeutung erkennen wollen. Wenn der Mensch immer und immer wieder in seinem Bestreben auf den irdischen Plan zurückkehrt, können wir uns dann nicht vorstellen, daß der Planet, zu dem er hingezogen wurde, das gleiche tut? Auch die Sonnen und Universen werden geboren, sterben und werden in Übereinstimmung mit ihrem solaren und kosmischen Rhythmus wiedergeboren. Wenn dem so ist, so sollte man dabei die Intelligenzen in ihrer erhabenen Aufgabe, was ihre Oberaufsicht der Weisheit anbelangt, betrachten, die sowohl den Flug des Sperlings als auch die Bewegungen der Planeten kennen. Zweifellos wird unser Globus zu seiner Zeit einmal sein Ende finden, desgleichen die Sonne, die Milchstraße und sogar das gesamte Universum. Jedes Menschenwesen erreicht das Ende seiner Welt wenn seine Lebenszeit zu Ende ist, aber als Teil des Gesamtbildes betrachtet ist es ganz einfach wie das Schließen unserer Augen zur Nachtruhe; wir werden sie am nächsten Tag wieder öffnen. Nur im Hinblick auf die hinter allem stehende Evolution göttlicher Intelligenzen, die das Wachstum und die Entwicklung der Menschen und der Sterne leiten, können wir genau sagen, ob es für die Welt möglich sein kann oder nicht, daß es durch Menschen oder auf natürliche Weise zu einem vorzeitigen oder katastrophalen Ende kommen könnte. Wir müssen uns selbst als Teil eines universalen Prozesses betrachten, der weise und sicher durch die Zyklen geführt wird, wie der Schlag eines kosmischen Herzens oder das Ein- und Ausatmen der Gottheit. Ganz gleich, worauf wir unsere Gedanken konzentrieren, ob weit entfernt zwischen die Milchstraßen im Raume oder auf ein winziges Atom unseres Körpers, immer können wir das rhythmische Pulsieren der einen Lebenskraft erkennen.

Das Verständnis jedes Einzelnen dafür ist gänzlich von seiner individuellen Philosophie abhängig; wer die Unsterblichkeit seiner eigenen Seele empfindet, wird keine Furcht vor Katastrophen oder vor dem Ende haben. Er wird wissen, daß Geburt und Tod im wahrsten Sinne nur Portale des nimmer endenden Lebens sind.

Wir können unsere Diskussion nicht beenden, ohne eine andere mystischere Folgerung der biblischen Andeutung auf das Weltenende anzuschließen. Was meinte Jesus, wenn er sagte: "Wahrlich ich sage Euch, es stehen etliche hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis daß sie sehen das Reich Gottes mit Macht kommen", Markus IX, 1, oder wie bei Matthäus XVI, 28, berichtet ist: "Bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in seinem Reich"? Diese Feststellungen sind häufig von Kritikern erwähnt worden, um das prophetische Wissen Jesu zu widerlegen oder die Evangelien in Mißklang zu bringen, denn es ist stets gelehrt worden, daß sie sich auf das Ende der physischen Welt beziehen. Aber der Kern der Sache wurde in der Auslegung vom 'Reich Gottes' und 'des Menschen Sohn' gefunden. Dies ist leicht zu erklären, wenn wir das Neue Testament dazu heranziehen, wo Jesus direkt sagt: "Das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Gebärden; - man wird auch nicht sagen: Siehe hier! oder: da ist es! Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in Euch." (Lukas XVII, 20/21) Und "Mein Reich ist nicht von dieser Welt." (Johannes XVIII, 36) Was könnte noch deutlicher sein? Und was die Ankunft des Sohnes betrifft - können da Worte überzeugender sein, als jene von Paulus? "Meine lieben Kinder, welche ich abermals mit Ängsten gebäre, bis daß Christus in Euch eine Gestalt gewinne." (Galater IV, 19)

Das menschliche Leben kann tausendmal reicher sein, als wir uns träumen lassen. Wir sind in unsere 'herangereiften' Wünsche und Einbildungen eingeschlossen. Wir hatten, als wir noch Kinder waren, einen Schimmer von einem glänzenderen und schöneren Leben, denn da waren wir noch der Natur näher. Der Lehrer, der sagte: "Wenn ihr nicht werdet wie die kleinen Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen", wußte, daß für das Kind die Welt nicht eintönig und monoton ist. Doch eines Tages kommt die Zeit, da wir erwachsen werden und das Wunder "verblaßt im Lichte des Alltäglichen." Wenn wir die Einfachheit und Natürlichkeit der Kinderzeit unser ganzes Leben hindurch bewahren können, werden wir gefunden haben, daß das Ende einer alten Welt gekommen ist, und daß eine neue Welt von unvergleichlich höherem Wert den Platz dessen eingenommen hat, was wir irrtümlich für Wirklichkeit hielten.