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Gespräche am runden Tisch: Yoga-Therapie

Jan: In unserem Lande besteht ein wachsendes Interesse für Yoga, als Mittel zur Förderung der Gesundheit. Mehrere Organisationen, darunter Turn- und Sportvereinigungen, fördern gewisse Yogamethoden, um den Körper zu stählen und ihn in guter Form zu halten. Einer meiner Freunde, der persönlich mitgemacht hat, berichtet mir, daß die Übungen ganz einfach seien. Auch Atmungsanweisungen werden dabei gegeben. Kürzlich erfuhr ich von einem Arzt mit anerkanntem medizinischen Können, daß er eine Behandlungsweise anwendet, die er Yoga-Therapie nennt, und daß eine Stiftung ins Leben gerufen worden sei mit der Absicht, diese Heilungsweise zu propagieren.

Vorsitzender: Ich habe von den propagandistischen Anstrengungen dieses Arztes in Holland gehört und bin davon überhaupt nicht begeistert. Die Tatsache, daß er zuallererst Zuflucht zur Reklame nimmt, macht mich stutzig, weil jeder Arzt, der für seine Dienste öffentlich wirbt, gegen die ärztliche Ethik handelt. Sie werden ja wohl auch bemerkt haben, daß diese Art Aktivität nicht nur auf Ihr Land beschränkt ist, sondern in Europa ziemliche Verbreitung gefunden hat, besonders in Deutschland seit dem Kriege, und in gemilderten Formen auch in England und Schweden. Und in Amerika, - da sind die Wälder voll von Yogis und Swamis und Heilkundigen aller Art, die ihre zweifelhaften Waren an ein leichtgläubiges Publikum vertreiben.

 

Jan: Aber bei uns hier wird dieses Thema nicht in so sensationeller Weise gebracht. Gerade dieser Tage hörte ich einen Vortrag im Fernsehen, in dem dieser Arzt erklärte, daß der Zweck der Yoga-Therapie nicht nur der wäre, eine Krankheit zu behandeln, sondern auch ihr Auftreten dadurch zu verhindern, indem man die körperlichen Funktionen "ins Gleichgewicht" bringt, wie er es nannte, so daß wir mit den großen Spannungen unserer Zeit besser fertig werden können. Es klang alles vernünftig und harmlos, und die Übungen, die der Film zeigte, waren offensichtlich einfach, ohne jegliche Erwähnung über Meditation und Konzentration oder irgend etwas dergleichen.

Vorsitzender: Wenn die Therapie auf gewöhnliche körperliche Übungen begrenzt und die Atmung darauf beschränkt wäre, was jeder vernünftige Mensch, der einen Zug guten reinen Sauerstoffs in seine Lungen bekommen möchte, tun würde, so wäre es gut und schön. Aber ich wage zu behaupten, daß die Übungen im Anfang noch ganz harmlos sind, aber in kurzer Zeit dem Einzelnen beigebracht wird, wie man seine Atmung "kontrollieren" kann, was die Yogis prânâyâma oder "Regulierung der prânas" oder "Vital-Atmung" nennen, was den Körper belebt und ihn, wenn er normal funktionieren kann, bei Gesundheit erhält. Es kann aber auch eine wirkliche Gefahr sein, und zwar deshalb, weil die ersten Stadien dieser Praxis oft eine Zunahme an körperlicher Kraft mit sich bringen. Ganz abgesehen vom spirituellen und moralischen Risiko, auf das wir durch Ablenkung unserer Energien vom richtigen Kurs stoßen, ist hier auch eine physische Bedrohung eingeschlossen. Wenn der natürliche Lauf der lebenspendenden Ströme durch die unkundige und gewöhnlich irregeleitete "Kontrolle" des Atmungsprozesses gestört wird, kann die Wirkung auf unsere Gesundheit außerordentlich schädlich sein. Schlimmer ist es noch, wenn die Prânas, die ja eine äußere Manifestation der Lebenskräfte sind, die innerhalb und durch die zarten Zentren unserer Konstitution zirkulieren, physisch in Unordnung geraten, wobei sie imstande sind, die innere Natur aus dem Gleichgewicht zu werfen. Darum finden wir, besonders im Westen der USA, wo wir diesen Dingen bedauerlicherweise vollkommen naiv gegenüberstehen, viel seelische und geistige Unausgeglichenheit, die direkt auf die falsche Anwendung von Yoga oder anderer sogenannter 'okkulter' Heilmethoden zurückgeführt werden kann.

Dies mag schroff klingen, aber ich habe die elenden Wracks gesehen, die die Folge unbesonnener und falscher Anwendung des Yoga, der Atmungssteuerung und anderer Arten unbefugten Befassens mit den Lebenszentren des Körpers waren, so daß die ganze Frage der Heilung durch andere Methoden als jenen, die Jahrhunderte hindurch erprobt sind, sorgfältig überprüft werden muß.

Zuerst die Frage: was wissen wir denn wirklich über den Körper? Was wissen unsere Ärzte über ihn? Eine ganze Menge in bezug auf seinen Mechanismus, seine Funktionen, und wie man die Auswirkungen der Krankheit behandelt, das ist klar. Und dennoch geben die Besten von ihnen zu, daß sie nicht wissen, warum die Krankheit uns trifft; warum der eine Krebs bekommt, und jener Herzbeschwerden, und wieder ein anderer Diabetes, und all die anderen merkwürdigen und sogar mysteriösen Leiden, von denen die Menschheit heimgesucht wird. Und was wissen sie von den Tausenden von Männern und Frauen, die heute an Geistesgestörtheit und Nervenzerrüttung leiden? Sind die Ursachen rein physischer Natur oder liegen sie tiefer im Inneren, vielleicht in unserer inneren Konstitution?

Paulus sprach davon, daß der Mensch "einen natürlichen oder psychischen Körper" habe und "einen spirituellen Körper", Begriffe, die wir sehr frei mit "Seele und Geist" übersetzt haben. So konnten wir auf einfache Weise sagen, daß die Wurzeln des Menschen im Geistigen liegen und sein Körper der Spielplatz der Seele ist. Wie aber die Literatur der Griechen und Perser, der Ägypter und Inder eingehend berichtet, wurde in uralten Zeiten der Mensch so betrachtet, als habe er fünf, sieben und sogar zehn Wesenheiten oder Kräfte, die von dem göttlichen Mittelpunkt oder dem Gott in ihm ausstrahlen. Die alte Literatur bezeichnete diese Kräfte mit verschiedenen Namen und versuchte damit zu zeigen, daß der wirkliche Mensch unsichtbar war, und daß das, was wir von ihm sehen können - das Physische - nur eine kleine äußere Erscheinung der flammenden Intelligenz war, die den Menschen ausmacht.

 

Henk: Wir gleichen dann einem Eisberg, nur ein Siebentel oder sogar nur ein Zehntel tritt in Erscheinung, unser Körper, während das Übrige von uns unter der Oberfläche verborgen ist.

Vorsitzender: Eine ausgezeichnete Analogie, weil ja die führende Rolle beim Menschen von seinem unsichtbaren Teil übernommen wird. Daher ist es sowohl tollkühn als auch gefährlich, übereilt in ein Gebiet vorzudringen, das auf einer Karte noch nicht verzeichnet ist.

 

Hans: Den Nachrichten zufolge, scheint es doch so zu sein, daß Patienten, die auf eine normale ärztliche Behandlung nicht reagiert haben sollen, sich jetzt durch Yoga-Anwendung erholt haben. Natürlich ist damit das Interesse der Bevölkerung geweckt worden, da nahezu jeder irgendwie mit einer körperlichen Behinderung fertig zu werden hat.

Vorsitzender: Ganz richtig, in den Anfangsstadien der Yoga-Praxis verschwinden sehr oft körperliche Leiden, und man stellt eine Zunahme der Lebenskraft und Körperstärke fest. Aber wie gesagt, gerade in dieser Situation liegen Gefahren verborgen, die potentiell sogar destruktiver sind als eine Kernexplosion. Worauf ich hinaus will ist: Vom Standpunkt der Rasse aus gesehen sind wir nicht darauf vorbereitet worden den Unterschied zwischen dem Spirituellen und dem Psychischen oder zwischen dem Astralen und dem Physischen zu erkennen. Wenn wir in Unwissenheit außerphysische Heilmethoden anwenden, öffnen wir gleichermaßen Türen und lassen Kräfte von der unsichtbaren Seite der Natur herein, mit denen umzugehen wir überhaupt nicht vorbereitet sind.

In den vergangenen Jahrzehnten haben wir mehr und mehr die Scharen unfaßbarer Energien, die im Physischen wirken, zu sehen bekommen, und zwar so stark, daß unsere Wissenschaftler schon beinahe geneigt waren, von der "Aufhebung der Schwerkraft", von "Anti-Protonen" und von einer Art Materie "zur linken Hand" zu sprechen, die ein Gegenstück oder auch eine Urform sein kann, aus der die physische Welt gebaut ist. Diejenigen jedoch, die versuchen, die schützende Hülle des Physischen durch vorzeitige und erzwungene Entwicklung der psychischen oder astralen Kraft zu zerreißen, vergessen, daß es sowohl eine dunkle als auch eine lichte Seite der Natur gibt. Anstatt ihre Aufmerksamkeit auf die Entwicklung des moralischen und spirituellen Wachstums zu konzentrieren, werden sie durch die Zauberkraft des niederen Astralen gefangen gehalten. Wenn wir durch Anwendung von Yoga vorzeitig die natürliche Schutzhülle zwischen dem Astralen und dem Physischen lichten ohne den Schutz einer mit Verstand geführten moralischen Kontrolle, so fordern wir ein Unheil heraus und werden dann selbst - wie der Zauberlehrling - machtlos sein eine Tür wieder zu schließen, die wir zu schnell geöffnet haben.

 

Jan: Mit dieser Erklärung stimme ich restlos überein, ich würde mich nur wundern, wenn ich meinen Freund, der sehr lange an einer Krankheit litt, die ihn daran hinderte, seiner Arbeit nachzugehen, davon überzeugen könnte. Ärzte und Spezialisten konnten ihm nicht helfen, und so ging er schließlich zu einem Yoga-Praktiker, und jetzt sagte er mir, daß er sich viel besser fühle und wieder imstande sei, sein volles Tagewerk auszuführen. Jeden Abend, wenn er nach Hause kommt, schließt er sich in sein Zimmer ein und macht ganz bestimmte Körper- und Atemübungen, die - wie er sagt - sehr einfach und leicht auszuführen sind. Als ich versuchte, auf einige Gefahren, die ich erkannte, hinzuweisen, sagte er mir: "Was sollte ich denn tun? Es mag ja sein, daß mit diesen Yoga-Methoden Gefahren verbunden sind; ich habe darüber einiges gelesen. Aber ich habe bis jetzt keinen einzigen gefunden, der mir helfen konnte, und jetzt bin ich wieder hergestellt und kann arbeiten. Ich kann nicht einsehen, daß mein Motiv selbstsüchtig oder persönlich ist, wenn ich zu allererst an meine Frau und an meine Kinder denke, für die ich nun wieder sorgen kann. Das ist meine Hauptpflicht, und so will ich eben diese Risiken auf mich nehmen." Ich gebe zu, daß mich die Reaktion meines Freundes sehr beeindruckte.

Vorsitzender: Die Natur ist streng in ihrer Gerechtigkeit, aber sie ist auch barmherzig, und wenn das Motiv ihres Freundes wahrhaft selbstlos ist, welches Leid auch immer erwachsen möge, seelisch oder körperlich, es wird durch die Stärkung des selbstlosen Aspektes seiner Natur gemildert werden. Ich kann nur hoffen, daß in seinem Falle die Körperübungen einfach bleiben und es zu keinem ernsten Konflikt mit dem grundlegenden prânischen Gleichgewicht kommt. Ich habe für alle große Sympathie, die sich, von einem ganz begrenzten Gesichtspunkt aus gesehen, zu dem Entschluß gewisse Schritte zu tun scheinbar angetrieben fühlen, die sie jedoch - bei längerer Betrachtung - als unklug erkennen. Überdies gibt es in jedem Leben Zeiten, in denen wir handeln müssen, auch wenn wir die wahre Natur unserer Aufgabe nicht erkennen, oder in denen es heißt, etwas zu opfern, was uns sehr viel wert ist. Bei der letzten, endgültigen Abrechnung ist das Motiv alles, und wird die Waagschale entweder für oder gegen uns zum Ausschlag bringen.

Ich lehne die Yoga-Praktik im Westen nicht etwa deshalb ab, weil sie eine ausländische Importware ist, an die wir uns gewöhnt haben, noch weil sie mit solcher Unwissenheit in unseren westlichen psychologischen Boden hinein verpflanzt wurde, sondern deshalb, weil unsere Entwicklungsgeschichte - im Gegensatz zu der Entwicklung im Osten - in einer ganz anderen Richtung verlief und wir überhaupt nicht sicher sein können, ob die Hindu-Methoden der Seelenkultur für uns geeignet sind. Dazu kommt noch, daß die Yogis und Swamis, die hier zu uns herüberkommen, um zu lehren - so aufrichtig sie auch immer sein mögen - zum größten Teil doch die schlecht verstandenen Überreste von dem bringen, was einstmals eine wahre spirituelle Wissenschaft war. Die indischen Yogis des Altertums wußten viel über die feineren Energien, die durch den Menschen wirken und die ihren Brennpunkt im Inneren des Menschen haben, aber sie lehrten, daß es hieße, den Wagen vor das Pferd spannen, wenn man Yoga-Übungen betreibt, nur um einen starken physischen Körper zu bekommen. Für sie war Yoga in allererster Linie ein System der Reinigung und der Übung, mit dem einzigen Ziel, die 'Vereinigung' (das ist die Bedeutung von Yoga) oder das Einssein mit dem Göttlichen Selbst oder Atman zu erlangen. Wenn es dabei als Nebenprodukt zu einem gesunden physischen Körper kam, dann gut und schön, aber das Ziel war es niemals.

Ich spreche dabei hier gegen den heutigen Mißbrauch dieser Praktiken sowohl durch östliche Yogis als auch durch Praktiker des Westens, die nicht das volle Wissen über die innere Zusammensetzung des Menschen haben. Die Schwierigkeit des Problems liegt nicht etwa darin, daß ihre Lehre grundlegend falsch ist, sondern daß sie auf Halbwahrheiten und teilweisem Verstehen beruht und daher für falsche Zwecke angewandt wird. Reiner Yoga, wie er in der Bhagavad-Gîtâ gelehrt wird, ist hohe spirituelle Disziplin, das höchste an Selbstaufopferung und Selbstkontrolle verlangt und nichts mit körperlichen oder psychischen Praktiken zu tun hat.

Wo führt das nun alles hin? Es mag scheinen, als ginge ich im Kreis herum, und in gewisser Hinsicht tue ich es auch, aber mit einem ganz bestimmten Zweck. Ich versuche, unser Bewußtsein zu erheben, um den Menschen mehr vom Höheren aus zu sehen als nur von einem Maulwurfshügel im Tal. Wie Sie sehen, ist das kein leichtes Thema für eine Diskussion, weil wir es hier nicht nur mit dem physischen Körper zu tun haben - ein so kompliziertes und wundervolles Instrument er auch ist - sondern mit einer Phalanx unsichtbarer, den Menschen durchlaufender Energien, Energien und Kräfte, die nicht auf unsere eigene Konstitution beschränkt sind, sondern in und durch die uns umgebende Natur - alle anderen menschlichen Wesen eingeschlossen - fließt.

 

Albert: Darf ich gleich hier eine Frage stellen? In den letzten Wochen haben wir viele Grippefälle bei uns gehabt, und ich sprach mit unserem Hausarzt und fragte ihn, ob er mir sagen könne, warum die Menschen krank werden? Er wußte es nicht, war aber der Meinung, daß vielleicht einige Menschen kräftigere Abwehrstoffe hätten als andere. Ich machte mir Gedanken darüber, wo wohl die Krankheit ihren Ursprung hat, ob im Körper oder anderswo.

Vorsitzender: Jede Krankheit und jedes Leiden, ganz gleich welcher Art, hat seinen Anfang und sein endgültiges Ende, im Bereiche des Geistigen. Ich spreche hier über Ursachen, denn die Wirkungen selbst arbeiten sich offensichtlich im physischen Körper aus. Wir brauchen im einzelnen nicht zu wissen, wann oder wie ein Leiden beginnt, noch welcher spezifische Gedanke oder welche spezifische Handlung es einleitete; aber wenn wir geduldig und innerlich ruhig genug sind, dann können wir gewöhnlich die Art der inneren Disharmonie, die die ursächliche Saat der äußeren Störung gewesen sein könnte, erkennen.

So wird im Verlaufe unserer Leben, wenn die Wirkungen vergangener Verirrungen endlich die physische Ebene erreichen, das Gleichgewicht automatisch in Unordnung gebracht, was andererseits Krankheit hervorruft. Es mag nur eine zeitweilige Unpäßlichkeit sein, deren Ursache mit einem emotionalen oder mentalen Zustand leicht nachweisbar ist. Aber wenn wir, scheinbar wie aus heiterem Himmel, von einer ernsten Krankheit oder vielleicht von einem unheilbaren Leiden befallen werden, dann liegen die Ursachen wahrscheinlich weit in der Vergangenheit.

Jede Heilige Schrift hat gelehrt, daß wir das, was wir mit Gedanken oder durch die Tat säen, auch eines Tages ernten müssen; daß es für jede Aktion eine entsprechende Reaktion gibt, und daß für jede Wirkung eine Ursache vorhanden gewesen sein muß. Daher ist alles, was wir in diesem Leben erleben, die Resultante der jeweiligen Qualität des Samens, den wir früher einmal auf dem Felde des Geistes ausgesät haben, und der dann später, irgendwann als Frucht, entweder in Form von Leid oder Freude geerntet werden muß. Wenn wir jetzt Verdruß und Schmerz erleiden, können wir ganz sicher sein, daß das die wirksamste Weise der Natur ist, uns zu helfen, unsere innere Gesundheit wieder ins Gleichgewicht zu bringen und uns andererseits fähig zu machen, uns ein wenig höher auf der Leiter des Wachstums zu erheben.

Was geschieht aber, wenn wir uns der Gesundbeterei zuwenden oder versuchen, unsere Krankheiten durch Geisteswissenschaft zu heilen oder durch Yoga-Therapie, die - wie versteckt sie auch immer sein mag - den Geist und den Willen des Patienten beeinflußt? Vielleicht haben wir tatsächlich in der Beseitigung des Schmerzes Erfolg, aber hatte das störende Element, das den Schmerz verursachte, seine berechtigte Gelegenheit erhalten, das System zu verlassen? Oder wurde die Krankheit tiefer hinein, auf eine subtilere Ebene unserer Konstitution gedrängt, um später wieder - in verstärktem Maße - hervorzukommen? Das sind Fragen, die wir uns ganz ernsthaft stellen sollten.

 

Hans: Was würden Sie tun, wenn Sie krank wären? Wenn Sie zu einem approbierten Arzt gingen, so wäre wahrscheinlich das erste, was er tun würde, Sie mit lauter Arzneimittel vollzustopfen. Sind denn alle diese Injektionen nicht auch unnatürlich und sogar gefährlich?

Vorsitzender: Wenn ich krank wäre und die üblichen Mittel, wie zum Beispiel Ruhe und Wasserkuren, die Beschwerden nicht beseitigen würden, dann ginge ich zu einem zuverläßigen Internisten, zu dem ich Vertrauen hätte und würde mit ihm gemeinsam versuchen daranzugehen, meinen Organismus von seinem Übel zu befreien. Unsere Ärzte behaupten auch gar nicht, daß sie alles wissen; und sind sogar die ersten, die bereit sind, das zuzugeben. Der ärztliche Beruf ist auch überwiegend mit aufrichtigen, fähigen und sich ganz der Sache widmenden Männern versehen, die einen heiligen Eid geschworen haben, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu versuchen, den Kranken zu heilen und das Leben zu erhalten. Selbstverständlich ist ein wahlloser und zu häufiger Gebrauch von Arzneimitteln gefährlich und sollte vermieden werden, besonders da, wo vernünftige Methoden der Hygiene und der Ruhe es der Natur ermöglichen, die Führung zu übernehmen und die gestörten Prânas wieder in Ordnung zu bringen.

Man darf jedoch nicht vergessen, daß Karma uns gerade in diesem Zyklus zur Inkarnation brachte, in dem jeder Aspekt des menschlichen Bewußtseins eine Umwälzung durchmacht, die Art der Heilung eingeschlossen. Veraltetes gibt den Weg frei für Neues, und obwohl das Neue nicht immer besser sein mag als das Alte, so hat die medizinische Wissenschaft doch enorme Fortschritte gemacht und brachte durch ihre erstaunlichen Entdeckungen Hunderttausenden von Menschen unermeßliche Hilfe. Das heißt nun nicht, daß, wenn wir krank werden, wir jedes neue Arzneimittel ausprobieren müssen; auch hier ist, wie bei allem, ein Unterscheidungsvermögen erforderlich.

Wenn wir der Sache näher kommen, dann liegt vielleicht das wirkliche Übel in uns selbst. Die meisten von uns sind gezwungen zu arbeiten; wir wissen, daß wir es uns nicht leisten können, krank zu werden. Wenn es uns dennoch umwirft, muß uns ein Stoß dieser oder jener hochwirksamen Drogen wieder in Ordnung bringen. Wir haben kein sonderliches Interesse daran, uns erst gründlich und lange genug zu beobachten und zu versuchen zu erkennen, wo die Ursache für unser augenblickliches Problem zu suchen ist. Wir brauchen keine weiteren Medizinen, sondern eine Tinktur guten, alten, gesunden Menschenverstandes, verbunden mit der Wiederherstellung spiritueller Werte. Es ist notwendig für uns zu begreifen, warum der Mensch hier auf Erden ist, was sein wahrer Zweck ist und wie es kommt, daß seine Gedanken und Gefühle sich direkt auf sein physisches Wohlbefinden auswirken.

Das Ideal für uns alle, Patient und Arzt gleichermaßen, wäre natürlich, Metaphysiker zu werden, also Arzt des ganzen Menschen, nicht nur des Körpers. Das Einzige, was jeder Arzt tun kann, ist, die unmittelbare Störung zu diagnostizieren, ein Mittel dagegen zu verschreiben und zu hoffen, daß die Konstitution des Patienten kräftig genug ist, das Gift aus dem System hinauszuwerfen.

Da es nun zugegebenermaßen einmal so ist, daß die augenblickliche medizinische Wissenschaft (und wir übrigens auch) noch einen langen Weg zu gehen haben, würde ich für mein Teil viel eher den vorübergehenden physischen Verfall, verursacht durch eine gelegentliche Überdosis an Arzneimitteln, über mich ergehen lassen, als mich unter den schädlicheren und permanenteren psychologischen Einfluß eines anderen zu stellen - ganz gleich, ob es nun ein Yoga-Therapeut, ein Gesundbeter oder ein Mentalwissenschaftler ist, welch' gute Absichten er auch zu haben glaubt. Selbst wenn ein Internist einmal einen Fehler machen sollte, so ist all das, was dabei verletzt wird, nur Ihr physischer Körper. Es ist der einzige Teil Ihrer gesamten Konstitution, der einen Schaden erleiden würde. Das wirkliche Ich, jenes Element, das Geburt und Tod überdauert, wird unberührt bleiben und kann tatsächlich durch die Härte der Erfahrung gestärkt werden.

 

Jan: Für jene, die nicht an Reinkarnation glauben, wird Ihr Argument vielleicht nicht viel Wert haben. Wenn Sie sich vorstellen, daß Sie nur dieses eine Leben haben, kümmern Sie sich nur darum, so schnell als möglich in einen guten physischen Zustand zu kommen; und im Westen sympathisiert, relativ gesprochen, eben nur ein kleiner Teil mit der Idee der Wiedergeburt.

Vorsitzender: Sehr richtig; und dennoch ist es erfreulich zu beobachten, wie viele Schriftsteller, Erzieher und auch Minister die Reinkarnation genauso als etwas Selbstverständliches hinnehmen, wie Tausende von Männern und Frauen, in deren innerem Denken der Begriff der Reinkarnation aufgenommen ist, auch wenn sie ihn als solchen nicht erkennen. Es ist hier nicht die Aufgabe, die Reinkarnation zu beweisen. Wie jeder von uns über diese Dinge denkt, ist seine eigene Angelegenheit, aber es ist schwierig, die Frage der Erkrankung zu diskutieren, ohne sie vom Standpunkt des reinkarnierenden Egos aus zu betrachten.

Zur Beweisführung wollen wir einmal annehmen, daß ich augenblicklich furchtbar zu leiden habe und keine Hilfe von meinem Arzt bekommen kann. Ich entschließe mich daher, zu irgendeinem Heiler zu gehen, und erhalte Hilfe. Er sieht mein Problem und sagt, daß er mir helfen kann, wenn ich dies oder jenes tun werde. Es beginnt alles ganz harmlos, aber es kann ganz anders enden, vielleicht in einer Weise, die ich mir bis zu einer erneuten Inkarnation gar nicht vorzustellen vermag. Das ist insbesondere dann möglich, wenn ich irgendeinem Aspekt der psychischen Natur des Heilers oder Yoga-Therapeuten gestatte, sich mit meiner psychischen Natur zu verbinden; wie unbewußt diese Verstrickung auch immer sein mag, sie hat in sich die Elemente, die die Alten Zauberei oder die schwarze Kunst nannten. Das ist eine scharfe Sprache, aber es ist höchste Zeit, uns die Warnungen zu Herzen zu nehmen, die in all den vergangenen Jahrhunderten der Menschheit zugerufen wurden, und die vom Apostel Jakobus kurz dahingehend zusammengefaßt wurden, daß es eine "Weisheit, die von oben kommt" gibt, die "rein, ist... voller Barmherzigkeit und guter Früchte", und eine andere "Weisheit, die nicht von oben herunter zu uns kommt, sondern irdisch, sinnlich und teuflisch ist".

Was besagt das? Wir haben gesagt, daß alle Leiden im Geistigen beginnen; wo werden sie dann enden? Wir müssen bedenken, daß der Geist in seiner Funktion dual ist; nicht daß er geteilt wäre, sondern daß sich seine höheren Bereiche mit dem spirituellen und intuitiven Teil des Menschen, dem Buddhi oder dem "erleuchteten" Teil, verschmelzen, während seine niederen Aspekte sich mit unserer Wunsch- und leidenschaftlichen Natur vermischen. Wir können also sagen, daß der Geist zwei getrennte Charaktere hat: der eine verwandt mit der "Weisheit, die von oben stammt" und der andere hingezogen zu dem, was "irdisch und sinnlich" ist. Der höhere Geist ist ein Teil des permanenten Egos oder des höheren reinkarnierenden Elementes, das Erfahrungen durch unzählige Leben hindurch aufgenommen hat, in der Tat in Millionen von Jahren, seitdem die Menschheit sich selbst zum ersten Male erkannte und entschloß, sich den Weg zurück zum Geistigen zu bahnen.

Wo hat die Krankheit dann ihren Ursprung? In uns selbst, in jener Region des Geistes, die fortwährend zur Erde hingezogen wird anstatt 'aufwärts'. So wie die Zyklen sich wenden und wir wieder und immer wieder auf Erden geboren werden, so sinken die Wirkungen unseres irrtümlichen Denkens allmählich hinunter zum alleräußersten Teil unserer Konstitution, um schließlich durch physische Krankheit aus dem System auszuscheiden. Die aus der Disharmonie entstandenen Auswirkungen des Irrtums werden, wenn sie den Körper erreichen, automatisch Schmerzen verursachen. Und warum? Um uns auf die einzige Weise, die der Natur möglich ist - durch Leid - zu sagen, daß irgend etwas irgendwo geändert werden muß.

 

Annie: Sie sind der Meinung, daß die wirkliche Gefahr bei Anwendung dieser Yoga-Methoden sich auf den unsichtbaren Teil des Menschen und nicht nur auf seinen Körper bezieht?

Vorsitzender: Die Gefahr ist in erster Linie eine innere, aus dem einfachen Grunde, weil die unmittelbaren Ergebnisse dieser Methoden das Individuum von den Wirkungen des Schmerzes befreien können, manchmal viel schneller als die übliche Medizin. Hier liegt der Haken der ganzen Angelegenheit: Wenn wir durch diese sogenannten okkulten Heilmethoden zu schnell geheilt werden, anstatt eine Krankheit sich selbst auf natürliche Weise auswirken zu lassen, dann können wir möglicherweise den Plan der Natur - das Mitleid - vereiteln. Nach allem sollten wir doch höchst dankbar sein, daß alle Krankheiten, die ihren Keim in mentaler oder emotionaler Unausgeglichenheit hatte, jetzt endlich die physische Ebene erreicht hat, wo wir mit ihr ein für allemal fertig werden können.

Laßt uns die physischen Auswirkungen in ihrem Bereiche mit richtiger medizinischer Sorgfalt behandeln, aber auch hier nach den Ursachen Ausschau halten. Was wir auch immer tun, laßt uns den Spielraum einer Erfahrung nicht zu schnell beseitigen, so daß wir den Wert des Schmerzes nicht mehr sehen. Wenn alles gesagt und getan ist, dann sind Schmerz und Unbehagen die Wegweiser der Natur den Lebensweg entlang, die uns ab und zu zwingen, uns selbst zu prüfen und zu sehen, wo wir uns in unserem Denken und in unserer Haltung geirrt haben könnten. Wenn wir den Schmerz durch Anwendung unnatürlicher und außerkörperlicher Methoden sofort beseitigen, bevor wir die Möglichkeit hatten, uns von der Wohltat seiner Nebenwirkungen zu überzeugen, dann verweigern wir uns selbst eine unschätzbare Gelegenheit, eine so dringend benötigte Lehre zu erhalten.

 

Hans: Wenn wir zurück auf die Geschichte schauen, so scheint es, daß einige der besten Charaktere am meisten zu leiden hatten. Ich habe mich oft darüber gewundert.

Vorsitzender: Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Hans, und ein guter für den Abschluß. Wir beide haben Menschen gesehen, deren Kelch des Leidens, geistig und körperlich, mehr als voll war und überzulaufen schien, dennoch verzichten sie auf Einhalt. Sie stemmten sich dagegen der Selbstbemitleidung zu erliegen und sind daher nicht durch einen Zustand behindert, der Menschen mit weniger Stärke erdrücken könnte. Ihre Schwierigkeiten sind für sie der Erkenntnis untergeordnet, daß, wenn sie einmal den Zeitabschnitt ihres Leidens durchlaufen und abgeschlossen haben, selbst wenn der Tod dazwischen liegen sollte, sie dann für größere Taten in der Zukunft befreit und gestärkt sein werden. Für den ernstlich Strebenden wird der Schmerz, vom inneren Standpunkt aus betrachtet, zum schönsten Erlebnis in der Welt. Nichts, nicht einmal der Same im Boden, kann ohne Schmerz wachsen. Wir erkennen dieses verstandesmäßig an, aber wenn der Schmerz auf uns persönlich zukommt, dann vergessen wir alles andere darüber. Bis jetzt ist es immer noch die einfache Arithmetik echten Okkultismus, zu der wir greifen und an der wir festhalten müssen, wenn wir jemals das ABC unseres Daseins hier auf Erden verstehen wollen.

Es gibt noch eine andere Art von Leid, das nur jene Wenigen kennen, die das Leid freiwillig auf sich nehmen, damit anderen geholfen werden kann, aber das ist eine Gemeinschaft von Menschen, deren Opfer mit Glorie gekrönt werden und die weit über der Allgemeinheit stehen.

Wir müssen jetzt schließen, denn einige von Ihnen müssen ihre Züge noch erreichen. Wie Sie gesehen haben, ist zu diesem Thema noch sehr viel zu sagen, aber die Zeit reicht nicht aus. Vielleicht können wir wieder einmal zusammenkommen.