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Der Schimmer dichterischen Scharfblickes

Vor kurzem hatte ich Gelegenheit, in alten und neuen Schriften nach Hinweisen zu suchen, die den Gedanken der Wiedergeburt erläutern. Verstreut in den Schriften bedachter Männer und Frauen jeden Alters und aller Länder fand ich viele, aber zu meiner Überraschung erschienen diese Hinweise am häufigsten in den Schriften der Dichter, und zwar auch sehr berühmter! Es waren so viele, daß ich erstaunt war, daß die Menschen diese Wahrheit nicht von den Dichtern angenommen haben, die sie doch so bewunderten und bereitwillig zitierten. Ich kam zur Schlußfolgerung, daß es ein Fall von "Ach, armer Körper, jetzt wandert sie", war. Die Schotten mögen mir dieses Zitat verzeihen.

Eine alte Witwe lag im Sterben und hatte ihre Söhne zu sich gerufen. "Da ist der alte Andrew McDunn", seufzte sie, "er schuldet uns zwei Pfund für Milch. Vergeßt es nicht. Und da ist Donald Menzies - der vorigen Michaelistag einen Zentner Kartoffeln von uns gekauft hat. Er hat noch nicht alles bezahlt."

Die Söhne flüsterten mit gedämpfter Stimme, traurig und voller Bewunderung: "Was für ein großartiger Verstand! Was für ein Gedächtnis! Klar bis zuletzt."

Die Aufzählung der Schuldner ging weiter, und die Namen wurden ordnungsgemäß vom ältesten Sohn aufgeschrieben.

Dann kam zögernd die Mahnung: "Und daß ich es nicht vergesse, wir schulden Lizzie Cameron einen Schilling, den ich am vorigen Markttag von ihr geliehen habe."

Die Brüder tauschten bestürzte Blicke aus. Der gewissenhafte Zuhörer schloß sein Notizbuch mit einem Seufzer. "Ach, armer Körper, jetzt wandert sie", sagte er.

Ist dies nicht das Urteil der Welt über etwas, das sie nicht hören möchte? Immer wenn ein Mensch sich als Genie in der Wissenschaft, der Kunst oder der Literatur hervorgetan hat, so wird man ihm applaudieren, solange er bei dem bleibt, was anerkannte Überlieferung ist. Sollte er es aber wagen, eine Entdeckung anzukündigen, die außerhalb der Grenzen bewiesener Theorien liegt, so wird auf seine Behauptungen viele Jahre lang mit Mißtrauen, vielleicht mit Spott herabgeblickt, und er sieht sich der Schwachsinnigkeit bezichtigt.

Man könnte bis zu den Barden des Altertums zurückgehen, bis zu den Weisen Ägyptens, Griechenlands, Roms oder bis zu jenen Dichtern Indiens und Chinas, deren Werke oft tiefgründiger und schöner sind als irgendeines unserer modernen Zivilisationen. Der beschränkte Platz zwingt uns jedoch, etwas mehr die Gegenwart zu überprüfen.

Wiederverkörperung: Es mag uns in Erstaunen versetzen, aber es gibt kaum einen Buchstaben des Alphabets, der nicht als Anfangsbuchstabe für einen großen Namen steht, der diesen Glauben bekräftigt. Einige möchte ich hier anführen und meine Behauptungen hier und da mit einem Zitat begründen.

AE - George W. Russell - der verstorbene irische Dichter, Schriftsteller und Staatsmann sagte:

Jenen, die gegen die Romantik aufrufen, möchte ich sagen: Ihr selbst seid Romantik. Ihr seid der verlorengegangene Prinz, der verborgen unter den Schweinen ein Herdenleben führt. Die Romantik eures Geistes ist die wundervollste aller Geschichten. Eure Wanderungen sind größer gewesen als die von Odysseus.

Sir Edwin Arnold, an den man sich durch sein Gedicht über das Leben und die Lehren Buddhas am besten erinnert - Die Leuchte Asiens.

Matthew Arnold, William Blake, Robert Bridges und Robert Browning, der in "One Word More" (Noch ein Wort) schreibt:

In den Jahren, die noch verbleiben mir,

Werd keine Bilder ich Euch malen,

Nein, auch keine Statuen Euch schnitzen,

Auch nicht Musik Euch schaffen,

Die alles in mir ganz zum Ausdruck brächte.

So wie es scheint, steh' fest ich in Erkenntnis,

Die einzig nur in Versen Euch zu geben habe ich.

In Versen nur, und gar nichts weiter,

Dies gestattet mir ein Leben,

Doch Höh'res dann in andren Leben,

Wenn Gott es will.

Denn all die Gaben von den Höhen

Sind auch Euch zu eigen. Liebe!

Da ist Coleridge; und Walter de la Mare läßt eine seiner Charaktergestalten sagen:

Vielleicht bin ich in dieser seltsamen Mischung von Seelen und und Gesichtern jene Mutter, und furchtbar ängstlich, würdest du nicht bei mir sein. ... Welche Welten haben wir zusammen gesehen, du und ich. Und dann - ein weiterer Abschied. ... Es hat sich alles, mein Lieber, dutzende Male vorher ereignet. Mutter und Kind und Freund - Liebende, auch das sind sie alle, wie wir.

-The Return (Die Rückkehr)

Und weiter auf der Liste: John Drinkwater, Dryden, Lessing, Victor Hugo und viele, viele mehr. Nicht der Geringste unter ihnen ist Goethe, an dessen Schrein sowohl Carlyle als auch Emerson sich in Verehrung neigten. Er schreibt:

Des Menschen Seele

Gleicht dem Wasser:

Vom Himmel kommt es,

Zum Himmel steigt es,

Und wieder nieder

Zur Erde muß es.

Ewig wechselnd.

- Faust

Mit einschließen kann man den Namen Susan Glaspell. W. H. Henley, Oliver Wendell Holmes, Richard Jeffreys und Kipling. Longfellows Rain in Summer (Regen im Sommer) enthält diese denkwürdigen Zeilen:

So sieht der Seher mit klarer Sicht,

Formen erscheinen und verschwinden

In fortwährender Runde

Seltsamen, geheimnisvollen Wechsels

Von Geburt zum Tod, vom Tod zur Geburt,

Von der Erde zum Himmel, vom Himmel zur Erde;

Bis Schimmer von erhabeneren Dingen,

Die vorher nicht sichtbar waren,

Vor seinen sich wundernden Augen

Das Weltall offenbaren,

Als ein unermeßbares Rad, sich ewig drehend in dem

Schnellen und dahinbrausenden Fluß der Zeit.

Englands berühmter Hofdichter, der verstorbene John Masefield, ist in seinem Gedicht "A Creed" (Ein Glaubensbekenntnis) sehr bestimmt in dieser Angelegenheit. Er beginnt mit den Worten:

Ich mein es so: Wenn stirbt ein Mensch,

Die Seel', gekleidet neu in ein Gewand aus Fleisch,

Zurück zur Erde kehrt.

Eine andre Mutter gibt ihr die Geburt,

Mit kräft'gen Gliedern auch und klarerem Verstand

Nimmt auf den Weg die alte Seel' aufs neu.

 

All das, was recht ich denke oder tu,

Was schaff', verderbe, segne und zerstöre ich,

Ist Fluch und Segen ganz gerecht

Aus Faulheit und Bemühen im Vergangenen.

Mein Leben ist die Aufzeichnung der Summe

Aus Laster, dem nachgegeben oder überwunden ich.

Es endet dann mit den erregenden Worten:

So werde kämpfen, werde schreiten ich

In diesem langen Kriege unterhalb der Sterne.

Ein Glorienschein wird dann mein Haupt umwinden,

Auch werde schwach ich werden

Und die Narben zeigen,

Bis diese Hülle, diese hemmende Gestalt

Geschmiedet sein wird ganz zu königlichem Gold.

Milton läßt die Idee ebenfalls nicht unbeachtet. O'Shaughnessy und Rossetti tragen die Namen weiter durchs Alphabet zu Sir Walter Scott - ein Autor, den man nicht ohne weiteres mit diesem Gedanken verbindet, doch in einem Brief an einen Freund schreibt er:

Gestern zur Essenzeit wurde ich seltsamerweise von etwas geplagt, was ich die Empfindung einer früheren Existenz nennen möchte - d. h. eine vage Vorstellung, daß nichts Gesprochenes zum ersten Male gesagt worden ist - daß die gleichen Themen schon diskutiert worden sind und daß die gleichen Personen ihre gleichen Meinungen dazu gesagt haben. ... Die Empfindung war so stark, daß sie dem glich, was als Wunder in der Wüste bekannt ist.

Shakespeare, der berühmteste Dichter unseres Zeitalters, sagt in einem Sonnett:

Wenn es nichts Neues gibt, wenn das, was ist,

Schon vor dem war, wie arg sind wir geprellt!

Das Hirn, das neu zu dichten sich vermißt,

Bringt längst geborne Kinder auf die Welt.

Wie Scott, so erklärt auch Shelley in einem seiner Briefe seinen Glauben an die Wiedergeburt. Tennyson besaß vielleicht mehr Intuition als irgendein anderer englischer Dichter; immer wieder berührt er verschiedene Bezirke der archaischen Weisheitslehre. Er spricht von sich in vielen Leben "In Memoriam"; und in "The Two Voices" (Die zwei Stimmen) behandelt er nicht nur die Vorstellung der Wiedergeburt, sondern beantwortet die alte Frage: - "Warum erinnern wir uns nicht an unsere früheren Leben?"

Wie alte Mythen es schon künden,

Muß Lethes Trank all jene finden,

Die gleiten müssen durch die Nacht.

 

Doch bin gefallen ich vom edlen Platze,

Wird die Legende von gefallner Rasse

Der einz'ge Hinweis sein auf meine Schmach.

 

Und müßt durch niedres Leben kommen ich -

Obwohl alle vergangene Erfahrung mich

In Geist und Fleisch sollte gefestigt haben -

So könnt' vergessen ich mein schlecht Geschick

Denn ist vergessen nicht das erste Jahr zurück?

Kein Echo geben mehr die Spukgestalten der Vergangenheit.

 

Und noch etwas ist da, so scheint es mir,

Das mich berührt mit myst'schem Glanze hier,

Wie Flüchtge Blicke von vergessnen Träumen -

Etwas Gefühltes, so als wär' es hier;

Etwas Getanes, doch weiß ich nicht, woher;

Etwas, das keine Sprache auszudrücken je vermag.

Wordsworths wundervolle Zeilen in seinen "Intimations of Immortality" (Andeutungen der Unsterblichkeit) sind wohl zu bekannt, um hier wiederholt zu werden.

Der letzte Dichter, aus dessen Werke ich zitieren will, ist jemand, von dem anfangs der zwanziger Jahre Katherine Tingley schrieb: "Im Laufe der Zeit, wenn eure Kinder oder Enkelkinder erwachsen sein werden, wird Walt Whitman an der Spitze aller Dichter des vergangenen Jahrhunderts gestellt werden." In jenem freien Ausdruck seines Geistes, im "Gesang von mir selbst" sagt er:

Ich verachte euch nicht, ihr Priester aller Zeiten und aller Welt.

Mein Glaube ist der größte der Glauben und der geringste der Glauben

Und schließt in sich alten und neuen Kult und jeden zwischen altem und neuem.

Ich glaube, daß ich nach fünftausend Jahren wieder auf die Erde kommen werde. ...

 

Die Uhr zeigt den Augenblick an - aber was zeigt die Ewigkeit an?

Bis hierher haben wir Trillionen von Wintern und Sommern erschöpft,

Trillionen liegen vor uns, und Trillionen vor diesen.

Geburten brachten uns Fülle und Mannigfaltigkeit,

Und neue Geburten werden uns Fülle und Mannigfaltigkeit bringen.

 

Ich bin ein Gipfel vollbrachter Dinge und bin ein Schoß zukünftiger Dinge.

Ist das nicht eine sehr umfassende Darlegung der Entwicklung, im geistigen Sinne verstanden? "Ich beherberge Dinge, die noch kommen werden" - die Vorstellung immerwährender Entfaltung. Wir erhalten einen Schimmer vom Ausmaß jenes Weitblickes in diesem Vers:

Und sagte zu meinem Geist:

Wenn wir all diese Welten umfassen werden und die Lust und das Wissen um jegliches Ding darauf, werden wir dann erfüllt und befriedigt sein?

Und mein Geist sprach:

Nein, diese Höhe erreichen wir nur, um daran vorbei und darüber hinaus zu kommen.

 

Und du, Leben, ich denke, du bist das Überbleibsel von vielen Toten.

(Sicherlich bin ich vor dem zehntausend Male gestorben.)

Ich denke, diese wenigen Beispiele von verhältnismäßig modernen Dichtern zeigen, daß die alte Vorstellung von der Wiederverkörperung im Herzen des dichterischen Genies verwurzelt ist.

Vor zwanzig oder mehr Jahren, besuchten Londoner Theaterbesucher das Royalty Theatre, um J. B. Priestleys neues Stück "I Have Been Here Before" (Ich bin schon einmal hier gewesen) zu sehen. Das intuitive Wissen eines Dichters war es, das Priestley zu einer Einführung in sein Thema veranlaßte, denn die Zuschauer lasen auf der Rückseite ihrer Programme die Worte des Dichters Rossetti:

Ich war schon hier in früh'ren Tagen,

Doch wann und wie kann ich nicht sagen.

Ich kenn' das Gras dort vor der Tür,

Kenn' den Geruch, den süßen, scharfen,

Den Klang der Seufzer kenn' ich hier,

Kenn' die Lichter dort im Hafen.

Abschließend möchte ich noch bemerken, daß einer der angesehensten Schriftsteller und Dramatiker Englands monatelang überfüllte Häuser hatte - mit einem Stück, das nicht nur die Wiederverkörperung als eine ernsthafte Erklärung des Lebensdramas darstellt, sondern sie auch effektiv mit dem Begriff Karman verband, diesem in-Bewegung-setzen von Ursachen in manchem vergangenen Leben, deren Wirkungen die fälligen Resultate mit sich bringen.

Jeder, der nicht durch und durch Materialist ist, akzeptiert die Tatsache, daß die heutigen Dichter - die wirklichen Dichter, nicht die bloßen Verseschmiede - die Lehrer von morgen sind, daß es ihr Los ist, in Vers und Drama weiter auf die Ideen aufmerksam zu machen, die der Mensch mit der Zeit annehmen wird. Genie und Intuition gehen Hand in Hand, und das Gemüt des Dichters war schon immer das Instrument, durch das und mit dem die Wahrheit ihre edelsten Themen gespielt hat. Mögen die Dichter der Zukunft fortfahren, die Harmonie der Sphären zu übermitteln.