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Es gibt einen Weg

Die modernen Männer und Frauen, ältere und jüngere, bilden zusammen eine Generation, die wir, so glaube ich, wohl als eine etwas "verwirrte Generation" bezeichnen können. Der Grund für unser geistiges Umherirren und für unser gefühlsmäßiges Herumtappen, liegt im Verlust unserer Urteilsfähigkeit und im Festhalten an einem gemeinsamen oder als allgemein verbindlich akzeptierten ethischen und intellektuellen Maßstab. Das beweist der Wirrwarr von Meinungen um uns her. Das beweisen uns die hungrigen menschlichen Herzen und Gemüter, die nach Wahrheit suchen und nicht wissen, wo sie sie finden können, die eifrig nach einem tauglichen und zufriedenstellenden inneren Licht forschen, das uns bei der Lösung der Probleme, die auf uns zukommen, zu führen vermag.

Wir sind tatsächlich eine 'verirrte' Generation, und zwar nicht allein nur die Jugend! Es sind sowohl die Älteren als auch die Jungen, die in diesem Sinne den Weg verloren haben. Eigentlich sind die Älteren sogar konfuser als die heutige Jugend. Unsere ganze Generation ist blind. Sie wandelt in Unwissenheit und weiß nicht, wohin sie sich wenden soll, um das ersehnte Licht zu finden. Der Ruf, der sich aus der ungeheuren Menschenmenge erhebt, ist erschreckend und von Bedeutung in seiner lauten Forderung und dem unklaren Verlangen nach Universalheilmitteln und Patentrezepten der verschiedensten Art, in politischer und anderer Beziehung. Vergebens versucht man konstruktive Vorschläge von universeller Bedeutung zu erhalten, wenn man diesem turbulenten Babel sein Ohr leiht. Zu oft ist es nur bloßes Geschwätz. Selten hört man jemanden reden, der etwas davon versteht.

Unsere Generation tappt intellektuell und moralisch im Dunkeln, weil jede Weitsicht verlorengegangen ist. Doch "Ohne Weitsicht geht das Volk zugrunde" ist ein altes hebräisches Sprichwort, das auf einer umfassenden Kenntnis der menschlichen Psychologie beruht. Die Geschichte hat es bewiesen, und deshalb ist es ein Sprichwort voller Wahrheit. Immer wieder ist es eine Vorstellung oder eine Idee oder eine ganze Menge von Ideen, die die Menschen zum Ruhm emporführen, oder in den Abgrund hinab. Plato hatte recht: Ideen sind es, die Zivilisationen schaffen oder zunichte machen. Ideen, die eingeführte Gesetze gestalten oder umstoßen. Große und universelle Ideen sind es und der Wille, ihnen zu folgen. Ideen und Ideale, von denen wir alle spüren, daß sie echt sind - sie fehlen den Menschen heute. Nur weil uns die visionäre Kraft fehlt, ein inneres Wissen, das Rechte zu tun, einen klaren Weg zu sehen, der uns aus unseren Sorgen herausführt, nur deshalb stehen wir als Nationen da, wo wir jetzt sind.

Wir stehen am Ende einer Zivilisationsform, deren Zeit abgelaufen ist und deren Untergang begonnen hat, wie einst beim Römischen Reich, und wir stehen nun dem Auftakt des kosmischen Dramas gegenüber, das jetzt beginnt.

Von der angeborenen Weisheit und einem hohen Gerechtigkeitsempfinden, die den Herzen und Gemütern der Menschen eigen sind, wird es abhängen, ob unsere gegenwärtige Zivilisation in Blut und Verzweiflung untergehen wird, oder ob sie Atem holt und sich die Zeit nimmt, sich wiederzufinden, und ob sie mit neuem Erwachen der geistigen und moralischen Begriffe von Gerechtigkeit und Vernunft ihren Abstieg aufhalten wird und anfängt, sich zu neuen Höhen zu erheben, die das Edelste übertreffen, was wir bisher als Rasse erreicht haben. Das alles kann vollbracht werden, doch nur die höhere Natur des Menschen kann das vollbringen.

Die Geschichte mit ihrer ruhigen, aber ungeheuer mächtigen Stimme zeigt uns, daß es absolut keinen anderen offenen Weg für uns gibt, daß überhaupt keine andere Lösung existiert, keine einzige, die für die verschiedensten menschlichen Gemüter, für alle Typen menschlicher Charaktere befriedigend wäre. Freiheit für alle! Jedes Volk sucht sein eigenes Heil auf seine eigene Weise, aber in ethischer Hinsicht muß es von dem Verlangen geleitet sein, Gerechtigkeit zu üben. Selbst der größte Eigennutz mit seinem allzeit scharfen Blick für einen persönlichen Vorteil, muß den universellen Nutzen und die Sicherheiten eines solchen Kurses sehen. Alle dauerhaften menschlichen Einrichtungen beruhen auf den Intuitionen des Menschen und seinen edleren Instinkten, und auf nichts sonst. Wäre es anders, so wäre unser Sinn für Ordnung, unsere Achtung vor all den internationalen und nationalen Gerichtshöfen insgesamt ein ungeheurer Betrug und eine schändliche und verächtliche Farce. Alle vernünftigen Menschen begreifen, daß unsere Gesetze auf den Regeln der Gerechtigkeit und unparteiischer Vernunft basieren, gemildert durch unpersönliches Mitleid.

Ich gehöre nicht zu jenen hoffnungslosen Pessimisten, die behaupten, der Mensch sei nur ein armer Wurm, im Staube geboren, mit Instinkten aus dieser Verbindung, mit Intuitionen, die nicht auf Tatsachen beruhen, und der deshalb seine Probleme nicht lösen kann. Er kann sie lösen, wenn er den Willen dazu hat. Wir nähern uns tatsächlich dem Ende der gegenwärtigen Struktur unserer Zivilisation, und wir sind fasziniert und halten den Atem an, wenn wir die Erscheinungen des Verfalls beobachten. Doch allzuhäufig vergessen wir, daß diese Zivilisation fast nur aus Materie bestand, in der materielle Dinge oft als einzig erstrebenswerter Wert galten: Laßt jeden an sich reißen, was er vermag, laßt jeden halten, was er halten kann! Die Lebensführung der Völker auf dieser Erde basiert zum großen Teil auf dieser rein materialistischen und selbstsüchtigen Grundlage. Wir säten den Wind und ernten jetzt als eine Gemeinschaft bankrotter Völker den Wirbelwind.

Es ist reinste Torheit und zum Himmel schreiender sittlicher und verstandesmäßiger Unsinn zu behaupten, daß das Schicksal des Menschen nun, wo alle brachliegenden Räume der Erde in Besitz genommen worden sind, gehemmt sei, daß es für jene, die nicht 'von Anfang an dabei waren', keine Zukunft mehr gibt. Einer solchen Einstellung gegenüber wird auf jeder Seite der Geschichtschroniken widersprochen. Wir müssen uns daran erinnern, daß keine menschliche Institution unveränderlich ewig die gleiche ist, und daß die ununterbrochen wechselnden Szenen der menschlichen Erfahrung in der Vergangenheit vermuten lassen, daß die Zukunft der kosmischen Szenerie ebenso voller Veränderungen sein wird, wie es in der Vergangenheit die menschlichen Interessen und Betätigungen waren. Die größten Völker der Erde sind nicht jene, die die größten Gebiete besaßen, sondern vielmehr jene, die als erste fortschrittliche Ideen für den Aufbau menschlicher Institutionen aufnahmen und anwandten, die auf den Idealen unpersönlicher Gerechtigkeit und geschulter Vernunft basierten, denn das sind spirituelle Qualitäten. Die visuellen Aussichten, die sich nun vor den Menschen, ohne Unterschied der Rasse und des Glaubensbekenntnisses, ausbreiten, sind von spiritueller und intellektueller Art. Darüber hinaus gibt es noch Sphären unendlich weiten Ausmaßes, die auf die Eroberung des menschlichen Genius warten.

Eines der Ziele, ich möchte sagen, eine der Pflichten, für jene, denen das Wohlergehen der Menschen am Herzen liegt, ist es zu beweisen, daß die einfachen und doch großartigen ethischen Qualitäten der Seele nicht auf menschlichen konventionellen Regeln gegründet sind, sondern auf der strukturellen Ordnung der Natur und ihrer Vorgänge. Daraus entspringen die unmittelbaren Regeln der Vernunft und unser Wunsch, Gerechtigkeit zu üben. Sie lehren uns, daß der Ausgang in unserem Inneren liegt.

Wir können nur hoffen und beten, daß die jetzt maßgeblichen Menschen, die die Geschicke der Völker mehr oder weniger in ihren Händen halten, auf den Herzschlag lauschen, auf das unausgesprochene und wachsende Verlangen der Völker nach einer dauerhaften Lösung ihrer Schwierigkeiten. Wenn sie das tun, dann werden die Namen dieser Menschen in die Geschichte eingehen. Die Erinnerung an sie wird weniger durch Statuen und Denkmäler aus Stein zum Ausdruck kommen, sondern das Gedächtnis an sie wird in den kommenden Zeitaltern unauslöschbar in den menschlichen Herzen verwurzelt bleiben. Eine Bruderschaft der Menschen aller Völker, die auf Vernunft und Gerechtigkeit basiert und für das allgemeine Wohl und den Fortschritt aller wirkt, ist praktisch möglich und auch durchführbar und wird eines Tages als unvermeidbar erkannt werden müssen.

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