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Quetzalcoatl

bild_sunrise_31967_s104_1Im vorkolumbianischen Amerika war der weitverbreitetste religiöse Begriff neben der Sonne die gefiederte Schlange. Sie bedeutete für den Zeitalter alten Kontinent das gleiche, wie das Kreuz für das christliche Europa. Sie war der Mittelpunkt menschlichen Denkens und menschlicher Lebensführung, ein Inbegriff spirituellen Strebens. Ähnlich dem von der zurückweichenden Flut hinterlassenen Strand- und Treibgut sind überall Spuren der reichen Kultur vorhanden, deren Einfluß sich einst über ganz Mittelamerika, Mexiko und weit nach dem Norden und Süden erstreckte.

In einem Brief, geschrieben von einem Philosophen des 19. Jahrhunderts, finden wir eine bezeichnende Erklärung für diese Zeitperiode:

Was wißt Ihr zum Beispiel über Amerika vor der Eroberung dieses Landes durch die Spanier? Nicht ganz 200 Jahre vor der Ankunft von Cortez gab es unter den Unterrassen von Peru und Mexiko ein ebenso großes "Vorwärtsstürmen" des Fortschrittes, wie jetzt in Europa und den U. S. A.. Ihre Unterrassen wurden durch selbst geschaffene Ursachen fast vollkommen vernichtet, so wird es am Ende des Zyklus auch uns ergehen. Wir können nur von den "stagnierenden Verhältnissen" sprechen, in die, dem Gesetz der Entwicklung, des Wachstums, der Reife und des Verfalls folgend, jede Rasse und Unterrasse während ihrer Übergangsperioden verfällt.

Hier liegt der Schlüssel zum Verständnis der Geschichte, nicht nur der Geschichte des Menschen, sondern auch derjenigen der Nationen und Rassen, denn alle sind dem gleichen cyclischen Gesetz der periodischen Ausdehnung und Zusammenziehung unterworfen. Das erklärt den Aufstieg von Nationen wie Mesopotamien, Ägypten, Griechenland, Rom und anderer europäischen Völker zu einer weltbeherrschenden Stellung, und warum jede nach Beendigung der Führerschaft zu verhältnismäßiger Inaktivität zurückkehrte. Aber auch diese Ruhepause geht vorüber, und es ist sicher, daß die damaligen Völker Amerikas einer Renaissance entgegensehen können, wenn sie neu gestärkt sind.

Was war der spirituelle Impuls, denn ein hoher Impuls war es sicherlich, der diese erhabene Zivilisation erleuchtete, ehe sie ihren raschen Abstieg begann? Viele glauben, die Legenden über Quetzalcoatl beziehen sich einzig auf den Gründer einer großen Kultur. Doch der gleiche Name wird erwähnt als einer der vier Söhne (oder kosmischen Kräfte), die von Ometeotl, dem höchsten Wesen und "Mutter und Vater der Götter" geschaffen wurden. Andere wiederum bezweifeln, daß er tatsächlich existierte und betrachten ihn als einen mythischen Sonnengott, von dem berichtet wird, daß er seinen Wohnsitz in der Sonne verließ, um den Menschen zu schaffen und anschließend unter den Menschen eine gerechte Zivilisation zu errichten.

Doch wir haben hier mehr als eine bloße Mythe, denn wenn die Forschung einmal mehr sieht als nur die Überreste des abwärtsführenden Zyklus, mehr als die ehrgeizige Priesterschaft, die Menschenopfer, die beständigen Kleinkriege und die Anbetung dunkler Elementalkräfte, dann nehmen wir die Erleuchtung durch die archaische Weisheit und die unmißverständlichen Zeichen eines großen Boten wahr.

Quetzalcoatl scheint der Name einer historischen Persönlichkeit gewesen zu sein, die später, als ihre Lehren allmählich vergessen oder verworfen wurden, vergöttert und angebetet wurde. Aber Quetzalcoatl war auch ein Titel, den eine Reihe initiierter Könige und Weisen trugen und hatte die gleiche Bedeutung wie die heilige Schlange in Indien und der Drache der Weisheit in China. Es gibt eine Menge Legenden, die den ursprünglichen Quetzalcoatl eher verschleiern als erklären, aber die meisten Wiedergaben stimmen darin überein, daß ein weiser Mann aus dem geheimnisvollen Osten kam, der an der Küste, wahrscheinlich nahe der heutigen Halbinsel Yukatan, landete, ins Landesinnere in die Hochländer von Tula und später nach Cholula ging, wo er zwanzig Jahre lang lehrte. Es wird gesagt, daß er am Ende seines Lebens seine vier getreuesten Anhänger anwies, das Land bis zu seiner Rückkehr zu regieren. Dann, glaubt man, sei er auf einem von Schlangen gebildeten Floß nach dem Osten (manche sagen nach dem legendären Tlapallan) abgefahren und später in den Herold der Sonne, die Venus, verwandelt worden. Die vier Jünger überlegten lange und kamen schließlich zu dem Entschluß, daß der beste Weg, seine Lehren zu bewahren, der sei, sie in die Regierungsform, das soziale Brauchtum und besonders in das System der Aufzeichnung von Monaten und Jahren einzugliedern.

Seine prinzipiellen Lehren waren die aller wahren Lehrer - ein tugendhaftes Leben zu führen, außer symbolischer Opfer von Früchten und Blumen keine Opfer zu bringen, keine Kriege zu führen oder Gewalt irgendwelcher Art auszuüben. Ihm wird auch die Einführung der ideographischen Schrift, der Metallbearbeitung, des Ackerbaues und des komplizierten zentralamerikanischen Kalenders zugeschrieben, der Millionen Jahre der Vergangenheit und der Zukunft registrieren kann. Sein Einfluß reichte weit. Unter den Mayas in Yukatan war er als Kukulcan bekannt; die Quiché Indianer, die in dem Gebiet lebten, das heute als Guatemala und das westliche Honduras bekannt ist, verweisen manchmal auf ihn als Nacxit und die Tolteken und Azteken als Quetzalcoatl. Die gefiederte Schlange Awana spielt immer noch eine Rolle in einer wichtigen Zeremonie der Zuni-Indianer in Neumexiko. Quetzalcoatl wird gewöhnlich als ein weißer Mann mit edlen Zügen, langem schwarzem Haar und einem Vollbart beschrieben, ganz unterschiedlich zu den Tolteken, die nahezu bartlos waren.

Zu versuchen, die zahlreichen, sich oft widerstreitenden Geschichten und Legenden, die um diese geheimnisvolle Gestalt gesammelt wurden, zu sortieren oder sie in Relation zu bringen, würde die Verwirrung nur vergrößern. Es wurde zuviel über die Person spekuliert und seiner Botschaft wurde zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein Verständnis für die innere Bedeutung der Mythe ist jedoch unter den Abkömmlingen der Mayas immer noch erhalten. Die Symbologie dieser Tradition, des Vogels und der Schlange, des Höheren und des Niederen - ist ein Teil der geheimen Lehre des Altertums.

bild_sunrise_31967_s107_1Hoch oben in dem mit Wolken bedeckten Wald in Guatemala lebt ein Vogel, der als der schönste Vogel der Welt betrachtet wird: der quetzal. Er ist so groß wie eine Taube und besitzt einen drei Fuß langen schwanzähnlichen Fortsatz. Das Gefieder ist größtenteils goldgrün mit einem metallischen Schimmer und leuchtet bei bestimmten Beleuchtungen in einem schillernden Blau. Seine unteren Teile sind lebhaft rot und zwar von Scharlach bis Karmesinrot. Ein flacher runder Kamm verleiht dem Kopf das Aussehen einer goldenen Scheibe. In auffallendem Kontrast dazu stehen die schwarzen und weißen Schwungfedern. Der Vogel hat eine imponierendere Haltung und ein würdevolleres Aussehen als jeder Adler. Das kugelförmige Nest, das er nur in den höchsten Bäumen baut, hat zwei Öffnungen, einen Eingang und einen Ausgang.

Bildtext: Quetzalcoatl in der Gestalt einer Schlange.

Die Forschungen von Dr. C. F. Secord aus Guatemala zeigten unter anderem, daß die Eingeborenen, die den Quetzal als heilig verehren, ihn den Sonnenvogel, den Bewohner der Welträume nennen. Für sie stellt er den in jedem wohnenden Sonnengeist dar, der gelegentlich sein Heim, die Sonne, verläßt, um die Erde zu besuchen und eine Zeit lang dort zu wohnen. Der Quetzal war der Schutzgeist des Quiché Kaisers (er ist noch das nationale Emblem für Guatemala) und deshalb ein Symbol der Höchsten Gottheit. Die Hohenpriester kopierten in Form und Farbe das Gewand des Vogels in ihren zeremoniellen Schleppgewändern. Das Gefieder des Quetzal war immer das Symbol für die aus Feuer und Licht geborenen Großen. In der Mythologie der Quiché war Gucumatz die erhabenste Gottheit, ein Name, der von guc (im Maya kuk) abgeleitet ist und die grünen Federn des Quetzal bedeutet und von cumatz, die Schlange.

Zu jener Zeit wurde die Position im Leben durch den Grad des inneren Fortschritts bestimmt und den glänzenden Schmuck des Quetzal zu tragen, wies den Träger als eine "gefiederte Schlange" aus. So bezeichnete die Kombination von quetzal oder dem heiligen Vogel mit coatl, einem Schlangensymbol, das mit dem Erdendrachen von China übereinstimmt, einen mit dem Glanz der Sonne Erleuchteten. Kurz, die Schlange des physischen oder irdischen Menschen war mit dem Sonnenaspekt des spirituellen Selbstes, dem quetzal, dem Bewohner der Räume des Raumes, vereinigt. In anderen Ländern wird das durch den Heiligenschein oder durch vom Kopf ausgehende Lichtstrahlen bildlich dargestellt. Solch ein Mensch war ein Drache der Weisheit, ein Quetzalcoatl oder eine gefiederte Schlange, ein Sohn der Sonne.