Informationen über Theosophie in anderen Sprachen:     ENGLISH    ESPAÑOL    ITALIANO    NEDERLANDS    РУССКИЙ    SVENSKA  

Unsere Segel sind gesetzt

Wohin gehen wir? Was ist das Leben überhaupt? Das Gute und das Böse in der menschlichen Natur brodelt in diesen stürmischen Zeiten mit derartiger Geschwindigkeit an die Oberfläche, daß alles, was wir in diesem Leben und durch Äonen zurückliegender Erfahrungen gelernt und verdient haben, eingesetzt werden muß, um den richtigen Kurs des Wahren und Guten anzusteuern. Wenn dunkle Wolken auftauchen und Stürme in der mentalen Atmosphäre um unseren Globus sich zusammenbrauen, mögen wir zeitweilig unseren Leitstern aus den Augen verlieren. Ein unaufhörliches Drängen ist jedoch immer da, das uns anspornt, jedweden Kompaß, den wir zur Hand haben, zu gebrauchen. Viele Stimmen aus den Untiefen und den Felsen entlang unserer Route tragen zur Verwirrung bei, auch kennt nicht jeder die einzuschlagende Richtung genau. Anstatt uns zu einer gemeinsamen Anstrengung zu vereinigen, hindern wir einander durch Schmähungen am Fortschritt. "Mein Gott ist besser als der deine", ertönt es immer wieder lauter denn je, und wir sind so damit beschäftigt, miteinander zu debattieren, daß wir kaum das Signal vom Leuchtturm vor uns wahrnehmen. Wie kommt es, daß bei all unserem Fortschritt in materiellem Wissen so viele von uns dennoch sich nicht mehr zurechtfinden? Kommt es daher, weil es uns nicht gelungen ist, das Herz unserer Religionen zu verstehen? Was sind das für gefährliche Riffe, die unsere sichere Durchfahrt bedrohen?

Einerseits die selbstsüchtige kleinliche Vorstellung, daß ein von wenigen entdeckter Teil der Wahrheit die ganze und einzige Wahrheit ist. Andererseits die Angst für unsere Taten einzustehen - eine Angst, die durch falsche Vorstellungen über die wirkliche Bestimmung des Menschen genährt wird. Ist es nicht bequemer an einen Gott zu glauben, der in Seiner Gnade für uns die Sache bereinigt, anstatt in der Angst zu leben, genau das ernten zu müssen, was wir gesät haben? Und doch leben wir jeden Tag, selbst im normalen Alltagsleben nach dem gleichen Gesetz von Ursache und Wirkung. Wenn zwei Menschen neben einem an einem Pfahl hängenden Teerkübel ständen und obwohl sie ermahnt wurden, ihn in Ruhe zu lassen, einer von den beiden ihn mutwillig umkippte und mit dem klebrigen Zeug durchnäßt würde, wer müßte nun die Säuberungsarbeit durchführen? Derjenige, der die Warnung beachtet hat und in sicherer Entfernung stand? Die Götter, weil ein menschliches Wesen einfach nicht glauben wollte, daß Teer nicht so erfrischend ist wie Wasser?

Die grausamste Lüge, die je menschliche Wesen verhexte und ihnen in vielen Fällen die Vernunft raubte, ist die, daß ein Gott der Liebe uns für einen Sündenpfuhl auf Erden vorbestimmt hat, obwohl uns zu Anfang gesagt wurde, daß wir nach Seinem Ebenbild geschaffen wurden. Nein, Gott verdammte Adam nicht zu einem solchen Schicksal, selbst wenn wir die Bibel wörtlich auslegen. Adam und Eva wiesen sich selbst aus dem Paradies aus, da sie sich weigerten den leichten Weg zu gehen, so sehr waren sie von dem Wunsch besessen, Wahrheit für sich zu finden. In Wirklichkeit ist die Erzählung vom Garten Eden, wenn wir den Überlieferungen vieler Völker des Altertums glauben, eben eine andere Ausdrucksweise dafür, daß die Menschheit an dem Punkt angelangt war, an welchem sie die Unschuld und die Schönheit der Kindheit verlassen mußte, um sich vollständig entwickeln zu können. Wäre die Menschheit in der Reinheit jener ätherischen Bereiche geblieben, ungestört von den drängenden Kräften der Herausforderung, so würde dies einen Zustand der Ruhe zulassen - eine Unmöglichkeit in einem sich entwickelnden Universum.

Das gleiche gilt heute für uns. Wir können uns nicht wirklich entwickeln, wenn wir nicht selbst-bewußt und durch individuelles Bemühen uns mit den aufbauenden Elementen der Natur vereinen, entschlossen, durch Zunahme an Weisheit und Sympathie bei allen Wesen die Unwissenheit und Unkenntnis zu vermindern. Dies ist ein niemals endender Prozeß. Wir haben jedoch für unser Wachstum unser ganzes Sonnensystem und darüber hinaus die grenzenlosen Räume des Universums zur Verfügung.

Inzwischen sollte es klar sein, daß unser Wirkungsbereich als menschliche Wesen nur hier ist, und obwohl andere Erfahrungssphären existieren, es unsere erste Pflicht ist, zu lernen wie man auf diesem Planeten miteinander lebt. Doch seltsamerweise erörtern wir noch immer das Für und Wider unserer spirituellen Erbschaft, während wir bereitwillig die Existenz der materiellen Seite unserer Naturen zugeben! Hätten wir nicht ein höheres Ebenbild, so würden wir niemals imstande sein, für irgend jemand außer uns selbst, Mitleid zu empfinden. Wir könnten andere nicht lieben, bewundern, oder darauf verzichten andere zu beurteilen. Aus welcher Quelle kommen unsere Eingebungen edel zu leben, aufrichtig zu denken und für die freundliche Tat? Wir können diese Gefühle nicht zerlegen, sie mit der Pinzette aufheben, in der Hand halten und sagen: "Hier sind sie, schaut sie euch an!" Doch wir wissen, daß sie die realsten Dinge im Weltall sind. Dieser ewige Drang, vorwärts zu streben und besser zu werden, ist universal. Die Sehnsucht des Menschen nach Fortschritt, sein endloses Verlangen, Höhen zu erreichen, die über seine Reichweite hinausgehen, kommt das nicht aus dem Geist im Inneren - jener inneren Majestät, die jeder für sich wiederentdecken muß?

Die Wahrheit suchen und dann mit anderen teilen, was wir gefunden haben, ist unser unleugbares Vorrecht. Aber es ist auch ein entschieden einzigartiges Erlebnis. Wir können einem anderen unsere Ansicht nicht aufzwingen. Wenn wir das versuchen, riskieren wir, seinen Fortschritt zu verzögern oder unbewußt die natürliche Vereinigung zwischen ihm und seinem höheren Selbst zu hemmen. Wenn andererseits jemand im Dunkeln tappt und uns um Hilfe bittet, ist es unsere Pflicht, mit ihm das Licht zu teilen, das wir besitzen, um ihm zu helfen, den Weg vor sich zu sehen.

Unsere Kinder kommen oft zu uns, um weise Ratschläge zu erhalten. Wie können wir ihren Bedürfnissen entgegenkommen? Ihnen zu sagen, daß sie unsere Anschauungen annehmen sollen, würde falsch sein, wenn nicht nutzlos. Auch sie haben schon früher auf dieser Erde gelebt, und wir sollten lediglich versuchen ihnen zu helfen, die Fäden ihrer eigenen inneren Entwicklung wieder dort aufzunehmen, wo sie in der Vergangenheit aufgehört haben. Wir sollten auch nicht zu sorglos sein und denken: "Warum sich aufregen? Sie werden es auf ihre Weise tun", weil in dem Wirrwar der Stimmen und Vorstellungen, die ein Kind, vor allem in seiner Jugend umgeben, Richtigstellungen schwierig durchzuführen sind. Manchmal ist die halbe Lebensdauer oder mehr anscheinend vergeudet, bis ein Mensch "sich selbst findet." Wenn unsere Kinder jedoch mit ihren Fragen zu uns kommen, dann bitten sie nicht um einen Sermon, sondern um einfache, klare Antworten. Was soll gesagt werden? Unsere Handlungen sprechen natürlich am lautesten. Wenn wir unsere Herzen durchforschen und ihnen ehrlich sagen, was wir als lebendige Kraft zum Guten in unserem Leben gefunden haben, wird die Atmosphäre unserer Aufrichtigkeit eine gleichgestimmte Seite in ihnen zum Schwingen bringen. Wenn sie heranreifen, dann mögen sie auf dem aufbauen, was wir sie gelehrt haben, oder es ablegen, um den Horizont noch mehr zu erweitern. Wir brauchen nicht ängstlich zu sein, wenn wir wirklich glauben, daß es in den Bereichen der Unendlichkeit kein Ende des Wachstums gibt.

"In Ihm leben und bewegen wir uns und haben unser Dasein." Wir gehören wirklich zu einer spirituellen Hierarchie, und wenn wir dem Licht folgen, wie kann jemand von uns ewig verloren sein - nicht einmal das letzte, kleine, schwarze Schaf im Sturm. Wenn wir unsere Nächsten lieben, erfüllen wir tatsächlich "Gottes Willen" auf Erden. Wenn wir anderen das tun, was wir möchten, daß man uns tue, nehmen wir an einer Göttlichen Inspiration teil, ganz gleich ob wir imstande sind, uns vorzustellen, wer oder was Gott wirklich ist.

Macht es deshalb etwas aus, wenn wir nicht alle im gleichen Boot reisen und einzeln unsere Segel setzen, so lange wir in Übereinstimmung mit unserem gemeinsamen Ziel, Geleitzug nach Geleitzug, zu den entfernten Ufern gelangen, bis die gesamte Menschheit auf der Heimreise ist.