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Unser gemeinsames Rüstzeug

Die Dogmen der beschaulichen Vergangenheit sind für die stürmische Gegenwart unangebracht. Die augenblickliche Situation ist hochgradig mit Schwierigkeiten angehäuft, und wir müssen mit den Ereignissen wachsen. Da unsere Lage neu ist, müssen wir auf neue Art denken und auf neue Weise handeln.

 

 

 

Diese Worte Abraham Lincolns aus seiner Botschaft an den Kongreß vom 1. Dezember 1862 können heute vollgültig wiederholt werden. Anstatt sie jedoch auf eine einzige junge Nation anzuwenden, die für eine neue Freiheit kämpft, finden wir in ihnen den Schlüssel zu tiefergreifenden Ursachen, die der gegenwärtigen Unruhe in der Welt zugrunde liegen. Überall treten die Völker einer neuen Erfahrungsära mit neuem Verantwortungsbewußtsein entgegen.

Worin liegt das große Hindernis für den Fortschritt? Es liegt im blinden Vertrauen auf Althergebrachtes in der tief eingeprägten Tendenz, sich in ausgefahrenen Spuren zu bewegen, in Verhaltens- und Verfahrensweisen, die jahrzehntelang vor uns angewandt wurden. Um voranzukommen, muß jede Generation beständig neuere Werte anerkennen und schaffen, und im Fortschreiten unserer Zivilisation, ihrem Ziel entgegen, muß sie die Methoden ihrer Anwendung verändern. Der Mensch ist spirituell ausgerüstet. In den institutionsmäßigen Einrichtungen seiner Vorfahren kann er nicht wirkungsvoll tätig sein. Der grundlegende Sinn allen Lebens ist Wachstum, Bewegung, hinweg von alten Zuständen zu neuen Horizonten der Vollendung. Da sich die Natur in der ungeheuren Vielfalt ihrer Erscheinungen nie wiederholt - nicht einmal zwei Atome sind sich gleich, auch keine zwei Fingerabdrücke - warum sollten dann wir uns an Formen des Denkens und Handelns binden, deren Nützlichkeit sich schon lange erschöpft hat?

Darin liegt unser Dilemma, unser augenblicklicher Stillstand. Einige sehen die einzige Lösung in der Revolution. Andere erkennen die Evolution an, die im Bewußtsein des Menschen bereits stattfindet. Sie wissen, daß die Intelligenz, - ganz gleich, welchen Namen wir ihr auch geben - die unser Universum und den Globus, auf dem wir leben, regiert, über unser Fassungsvermögen hinaus göttliche Weisheit offenbart. Das Hauptinstrument ihrer Führung ist Schmerz, Leiden - sie gibt ihre Hinweise auf vielerlei Art: physisch, mental, moralisch, psychologisch und spirituell. Die so Erkennenden sind durch die stürmische Gegenwart nicht beunruhigt. Sie sehen darin lediglich die äußeren Auswirkungen des im Menschen gefangenen Geistes, der die Fesseln der Beschränkungen zerreißt; sie erkennen es als beschwerliche Reaktionen auf die Unzulänglichkeiten unserer alten Vergangenheit. Daher die weitverbreitete Auflehnung gegen althergebrachte Autorität, - politische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und sogar gegen kirchlichen und religiösen Formalismus in Ost und West - Autorität, die in den meisten Fällen auf veralteten Grundsätzen beruht, denen wir entwachsen sind.

Wir erwachen sehr rasch. Die Seele des Menschen ist in Bewegung; sie versucht immer neue und freiere Verhältnisse zu schaffen, in denen sie ihre innewohnenden Möglichkeiten zum Ausdruck bringen kann. Genau wie wir mit jedem Atemzug abgenutzte Zellen ersetzen, so daß wir jeden Tag erholt beginnen können, genauso zieht die Gemeinschaft der Menschheit zur neuen Ergänzung Seelen an zur Inkarnation, so daß jede nachfolgende Generation die Aufgaben ihrer Zeit aufgreifen und erfüllen kann - ihrer Zeit, nicht die Aufgaben eines vorangegangenen Jahrzehnts oder Jahrhunderts.

Weitblickende Menschen haben begonnen, freimütig zu sprechen. Ohne Furcht, alteingesessener Autorität entgegenzutreten - jenen Mächten des Altgewohnten, die sich beharrlich an das Leben klammern, das wir ihnen unwissend geschenkt haben - entlarven sie die Fruchtlosigkeit des gegenwärtigen Dogmatismus in der Behandlung der menschlichen Angelegenheiten. Die Wissenschaft scheint dabei wegweisend zu sein. Sie hat begonnen, die göttliche Erhabenheit des äußeren Weltraums zu entdecken - daß jedes Universum mit einem noch größeren verbunden ist, von dem es ein Teil ist. Auch auf dem Gebiet der Religion haben weitschauende Männer angefangen, die göttlichen Herrlichkeiten der inneren Bewußtseinsräume des Menschen intuitiv zu erfassen. Sie sind durch die 'Augen'-Lehre von Jahrhunderten hindurchgedrungen und haben einige jener goldenen Elemente einer 'Herzens'-Lehre entdeckt, die zeitlos ist, die aber immer verloren geht, wenn der Mensch versucht, sie in einem von seinem begrenzten Verständnis dimensionierten Tempel unterzubringen.

Wir erkennen auch, daß wir als Einzelwesen gleicherweise ein wesentlicher Teil eines Größeren sind als wir selbst - daß die Intelligenz, von der wir sprachen, uns mit einem Teil ihrer selbst ausgestattet hat, und daß ihre Möglichkeiten im tiefsten Zentrum unseres Bewußtseins vorhanden sind. Weder können noch sollten wir versuchen, es wissenschaftlich zu definieren oder zu beweisen; aber wir wissen, daß es da ist - wir fühlen es. Wir spüren es, wenn wir zu dem fernsten Stern blicken; wir verspüren die Wirkung seines Einflusses mit jeder Anstrengung, die wir unternehmen, um über den Status quo hinauszugelangen; immer wenn es uns gelingt, uns von irgendeiner gewaltsamen Beeinflussung unserer Gedanken freizuhalten, ob durch einen Nachbarn, eine politische Partei, einen gesellschaftlichen oder beruflichen Klub, den Staat oder die Kirche. Jeder Einzelne, wie wenig er es auch manchmal zeigen mag, nimmt jeden Übergriff auf sein Recht, für sich selbst zu denken, übel. In diesem Sinne, wie auch durch unser gemeinsames Rüstzeug, sind wir Brüder, integrale Zellen im Körper der Menschheit.

Deshalb können wir trotz des Leides der Welt frohen Mutes sein. Die Natur hilft uns auf ihre eigene Weise, aus den gegenwärtigen Anstrengungen eine neue Art Mensch hervorzubringen, wenn jeder von uns alle anderen als einen Teil seiner selbst sehen wird; wenn symbolisch die Pflugschar die Bombe ersetzt haben wird; wenn des Menschen Seele in der Lage sein wird, ihren Schöpfer als ihr eigenes unsterbliches Selbst zu erkennen.

Ein törichter Traum? Er ist schon früher verwirklicht worden, viele Male in den vergangenen Jahrtausenden. Er wird wieder und wieder verwirklicht werden, so wie die großen Zyklen des Wachstums weitergehen. Wenn wir zulassen, daß sich die alten Verfahren auflösen, so daß die neuen frischen Wege einer vorurteilsfreien, spirituellen Philosophie Raum gewinnen können, dann wird das neue Zeitalter ganz geboren sein. Nichts kann es aufhalten.

Unsere Zeit ist in der Tat "angehäuft mit Schwierigkeiten", aber der Mensch kann und wird sich der Lage gewachsen zeigen. So wie die Herausforderungen neu sind, so müssen wir "neu denken und neu handeln." Die Wissenschaft hat die gewaltige innere Kraft erkannt, die hinter dem Erblühen einer einzelnen Rose steht. Welche Kraft und Stärke liegen hinter dem Erblühen einer einzelnen Menschenseele? Vervielfacht man diese mit einigen Milliarden, die zu einem gemeinsamen Ziel - Wachstum - zusammengeschlossen sind, so kann man sich vorstellen, wie unsere gegenwärtige Zivilisation einem wahrhaft goldenen Zeitalter der Vollendung entgegengeht.