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Die Entwicklung des Menschen

Wenn wir das Wort Entwicklung hören, so drängt sich uns ein ganz bestimmtes zusammenhängendes Bild aufeinanderfolgender materieller Formen auf, die sich durch ihre Funktionen und mit ihrer Intelligenz zusammen im Verlaufe der Zeit immer mehr entwickelten. Angefangen mit der Anhäufung von Protoplasma bei den Austern, in einer wohlgeordneten Reihenfolge weiter zu den Fischen, Reptilien, Vierfüßlern, Affen, Gorillas, Affenmenschen, den Wilden, den frühen Babyloniern oder Ägyptern, Griechen, Römern, bis zur Krone von allem - unseren edlen Selbsten! In diesem System, wobei das eben gesagte nur den gröbsten Umriß darstellt, kommt besonders die 'wissenschaftliche' Anschauung zum Ausdruck, die den Menschen als ein Stück höchst organisierter Materie betrachtet, die aus irgendeinem unerklärlichen Grunde das Phänomen Leben und Denken hervorbringt, das beim Tode zerfällt und vor der Geburt nicht existiert. Diese rein tierische Hypothese über unseren menschlichen Ursprung und unsere Entwicklung hat das allgemeine Bewußtsein über ein Jahrhundert lang durch Schlagworte wie 'das fehlende Glied', 'unsere Affenvorfahren', 'Überleben des Tauglichsten' und 'natürliche Auswahl' mächtig beeinflußt - die alle nur Halbwahrheiten sind.

Der mittelalterliche Begriff der Bibel von der Erschaffung des Menschen mußte natürlich selbst von der Theologie aufgegeben werden; es war kaum zu erwarten, daß er den Ansturm der geologischen Tatsachen überleben würde. Aber unglücklicherweise betrachtet die einzige Vorstellung von der Evolution, die an seiner Stelle geboten wird, den Menschen als ein Tier, das den übrigen Tieren vorauseilte, weil es ein besseres Gehirn und Macht besaß! Unsere Museen zeigen in sorgfältig geordneten Abstufungen Büsten und Bilder von der Entwicklung vom Tier bis zum denkenden menschlichen Wesen, wie man sie sich vorstellt. Bemerkenswert ist dabei, daß von dieser Anordnung zuweilen inoffiziell eingeräumt wird, daß sie "ungefähr die Reihenfolge darstellt, in der die menschliche Entwicklung stattgefunden haben muß, obgleich Schwierigkeiten bestehen, gewisse Lücken auszufüllen." Solche Schwierigkeiten bestehen tatsächlich, und die Lücken haben sich als Abgründe erwiesen!

Den von den Biologen allgemein angenommenen Anschauungen entsprechend ist die Evolution ein aufs Geradewohl stattfindender Vorgang; jede Erwähnung eines führenden Gemütes, unsichtbarer spiritueller Kräfte, oder eines Planes wird zurückgewiesen. Da sie an solchen Ideen festhalten, sehen sie nur die äußere Form und übersehen gänzlich die Möglichkeit eines sich entwickelnden Bewußtseins, das sich die Zeitalter hindurch weiterentwickelt und dafür aufeinanderfolgende Verkörperungen braucht und wieder ablegt. Selbst T. H. Huxley war darauf bedacht, darzulegen, daß das 'Überleben des Tauglichsten' nicht notwendigerweise das Überleben des Intelligentesten oder des Bestorganisierten bedeutet. Wenn das Tal der Themse unfruchtbar werden würde, würden, wie er sagte, nicht die Einwohner Londons die 'Tauglichsten' sein, sondern die Kakteen und die Eidechsen! Wenn die Welt erfrieren würde, würde das Leben, die Menschheit mit eingeschlossen, gänzlich verschwinden. Kurz, der wissenschaftliche Begriff von der Evolution ist beschränkt; er enthält keine weite und umfassende Sicht. Es wird Zeit, daß eine umfassendere Ansicht über die menschliche Entwicklung einerseits, sowie einige der hartnäckig sich aufdrängenden Naturtatsachen andererseits, beide - neue und alte - gegen rein physische Auslegungen angehen. Es hat intuitive Wissenschaftler gegeben, und es gibt solche noch, die die bedrückende Last des Materialismus abgeschüttelt haben. Einer der ersten und vielleicht der bekannteste von ihnen war Dr. Russel Wallace, der berühmte Zeitgenosse von Charles Darvin. Er sagte:

Alle die Irrtümer jener, die die These von der Evolution zu etwas, das unpassend genug Darvinismus genannt wird verzerrten, sind aus der Annahme entstanden, daß das Leben ein Ergebnis der Organisation ist. Das ist undenkbar. Das Leben ist, wie Huxley zugab, die Ursache und nicht die Folge der Organisation. ... Nimmt man die Organisation als das erste an und macht sie zum Ursprung und zur Ursache des Lebens, so verliert man sich im Gestrüpp des Wahnsinns.

Die Evolution, von der Seite der Mechanik aus gesehen, stützte sich größtenteils auf die Grundsätze vom Überleben des Tauglichsten, von dem rohen Kampf ums Dasein und der natürlichen Auswahl. Das sind keine intelligenten, zielbewußten Kräfte, die zu einem bestimmten Ziele führen; die natürliche Auswahl wirkt nur wie ein Sieb, das alles absondert, was nicht durch seine Maschen geht. Ihr Wirken ist einschränkend. So schließen die heutigen Hypothesen einen Plan oder ein Gemüt irgendwelcher Art, die auf bestimmte Ziele hinarbeiten, aus. Das Wirken der 'Notwendigkeit' erklärt alles; nur blinde, von subtileren, bewußteren Einwirkungen verwalteten Gesetzen unbeeinflußte biologische und physikalische Gesetze wirken mechanisch auf scheinbar unzählbare unbedeutende Abweichungen ein, die 'zufällig' überall stattfinden. Die meisten davon gehen zugrunde, da sie im Kampf ums Dasein nicht erfolgreich sind, aber einige wenige bleiben auf Grund ihrer Anpassungsfähigkeit übrig. Unter diesen erscheinen dann weitere Veränderungen, von denen wieder einige überleben und so fort. Die Folge ist, daß mit der Zeit eine neue Tier- oder Pflanzengattung gebildet wird, die bestehen wird, solange die Bedingungen günstig sind! Sie hat diese Stufe durch zufällige Veränderungen erreicht, jede nur ganz gering und ohne vorherbestimmtes Streben nach einer endgültigen Form hin. Wenn auch eine Richtung von Anhängern der biologischen Entwicklungslehre meint, daß die Abweichungen zuweilen groß und von der Stammform deutlich verschieden sind, so ändert diese Idee doch nichts an dem allgemeinen Prinzip der zufälligen Mutationen und einem mechanischen Absondern der Untauglichen.

Die Ahnen des Pferdes dienen als beliebtes Beispiel, und die Tatsachen dafür scheinen es zu beweisen. Echippus, der früheste Ahne des Pferdes, war ein Säugetier etwa von der Größe des Fuchses; fossile Überreste zeigen verschiedene Stadien der Entwicklung auf seinem wechselvollen Wege bis zum wirklichen Pferd. Wir können die Zunahme an Größe und einige unbedeutende Phasen verfolgen, wie die Modifikation der getrennten Zehen zu nur einem Huf und der Proportionen des Körpers, die auf größere Schnelligkeit und Ausdauer hinzielte. Wir können nun mit Recht fragen, warum wir keine versteinerten Überreste zahlreicher Abarten finden, die der Theorie der zufälligen Abweichungen entsprechend während der ganzen Entwicklung abgestoßen worden sein müßten? Diese Frage wurde oft gestellt, jedoch nicht befriedigend beantwortet. Die fossilen Überreste der sich entwickelnden Pferdefamilie stellen tatsächlich einen überzeugenden Beweis dafür dar, daß vom Augenblick des Erscheinens des Echippus an ein Ziel vor Augen lag und die Stufen, die wir entdeckten, wirklich die Hilfsmittel waren, durch welche im archetypischen Gemüt der Natur die Pferde 'Idee' oder das Pferde 'Modell' nach und nach erreicht und schließlich verkörpert wurde.

Wir wollen nicht sagen, daß die Gesetze vom Überleben des Tauglichsten und der natürlichen Auswahl Mythen sind, oder daß biologische Mutationen nicht vorkamen oder vorkommen; sie haben in dem großen Ablauf des Lebens auf unserem Planeten eine bestimmte Rolle zu spielen. Aber ihre Wichtigkeit wurde überschätzt, und es ist verkehrt, anzunehmen, daß solche negativen Kräfte, wenn dieser Ausdruck erlaubt ist, schöpferische Faktoren in der fortschreitenden Entfaltung oder Evolution empfindenden Lebens sein könnten. In gewissen Gegenden findet man von Regen, Frost und Wind etc. geformte unförmige Säulen. Es sind Reste größerer Aggregate und veranschaulichen, was die 'blinden' Naturkräfte von sich aus vollbringen können. Ein Vergleich dieser bedeutungslosen Formen mit den von Menschen geschaffenen Statuen zeigt die unterschiedlichen Möglichkeiten zwischen einer aufs Geratewohl stattfindenden und einer von Intelligenz geleiteten Entwicklung.

Was den Menschen anbetrifft, so wird allgemein angenommen, daß wir in den geologischen Schichten und in Höhlen einen ziemlich vollkommenen Bericht über seine gradweise Entwicklung vom tierähnlichen Vorfahren zum Wilden und dann zu den historischen Zivilisationen besitzen. Selbst die Priester der christlichen Lehre beugen das Haupt vor diesem Glauben und betrachten die allegorische Erzählung über die Erschaffung des Menschen in der Genesis als nichts anderes als "das poetische Stammeln aus der Kindheit der Rasse." Vielleicht wurden wir von der Darwinschen Beeinflussung, daß wir vom Affen abstammen, so sehr beeindruckt, weil es außer der buchstäblich genommenen unglaubhaften Geschichte von Adam und Eva nichts allgemeinverständliches gab, was entgegengehalten werden konnte.

Die größte Schwierigkeit die Abstammung des Menschen vom Affen zu beweisen liegt für die Wissenschaft darin, daß eine unermeßlich lange Zeit notwendig sein mußte, bis der erste Mensch langsam aus seinem tierischen Zustand emporklettern konnte, um Gemüt, Sprache und Kultur zu entwickeln. Je älter die menschlichen Schädel sind, die wir finden (oder die vorhandenen Steinwerkzeuge die Beweise menschlicher Intelligenz sind), desto unmöglicher ist es, daß sich der Mensch von Tieren entwickelt haben kann, die (dem Zeugnis der Felsen entsprechend) nicht lange oder gar nicht vor ihm existierten!

Die ungewöhnlichen Enthüllungen im Aufbau des Atoms haben unsere Augen für bisher ungeahnte Möglichkeiten, die die Beschaffenheit der 'Materie' betreffen, geöffnet. Indem die Wissenschaft die Existenz des Elektrons und die Vielzahl anderer unteratomarer Partikel zugibt, hat sie bereits das Gebiet der Metaphysik betreten, und wir behaupten nicht mehr so bestimmt, daß unsere vertraute Form der Substanz, physische Materie genannt, die einzig mögliche sei, oder daß das Leben auf diese Ebene begrenzt ist. Ist es nicht vorstellbar, daß die Evolution in subtileren Zuständen des Seins ihren Anfang nimmt, - daß die Kräfte und Formen sozusagen in das physische Dasein projiziert oder hinabgeschleudert werden? Und daß sie sich hier verkörpern und die Kerne die Wurzeltypen bilden, aus denen die verschiedenen Arten hervorgehen, um sich zum Teil durch natürliche Auswahl, durch Überleben des Tauglichsten, durch geographische Isolation, klimatische Veränderungen und andere untergeordnete Gesetze zu entwickeln, aber notwendigerweise immer von einer innewohnenden Intelligenz beherrscht, die das Ziel verfolgt, das Niedere zu immer höheren Bewußtseinszuständen zu erheben? Eine solche Hypothese würde dazu beitragen, die großen Lücken in der Leiter der Evolution zu erklären, denn vieles, das auf der objektiven Ebene 'fehlt', könnte dann subjektiv überbrückt werden.

Wir können, ohne zu tief auf metaphysische Feinheiten einzugehen, auf die alte Lehre verweisen, daß der Abstieg des Geistes in die Materie und schließlich seine Rückkehr nach gewonnener Erfahrung, das grundlegende Prinzip allen Wachstums bildet. Folglich sind Leben und Bewußtsein nicht auf das Physische begrenzt, sondern haben ihr eigenes Dasein, unabhängig von der Notwendigkeit periodischer Einhüllung in materielle Formen. Die Lösung des Geheimnisses kann demzufolge in der Erkenntnis von des Menschen zweifacher Natur liegen: daß er im wesentlichen eine unsterbliche Seele göttlichen Ursprungs ist, die sich von Zeit zu Zeit in der Materie verkörpert, um in den in verschiedenen Zeitabschnitten vorherrschenden irdischen Bedingungen angepaßten Körpern Erfahrung zu gewinnen. In früheren Zeitaltern mag die Seele nicht unbedingt Vehikel derselben Art von Materie benützt haben, wie jetzt, sondern ätherischere. Ein Studium der in dem Prinzip der Wiedergeburt der Seele enthaltenen Möglichkeiten eröffnet ausgedehnte und noch unerforschte Gebiete.

Durch das Studium des Gesetzes der Zyklen wird helles Licht auf die Entwicklung des Menschen geworfen. In der Wissenschaft gewinnt die Überzeugung an Boden, daß dieses Gesetz sowohl in den materiellen Vorgängen der Welt der Sterne und der Planeten als auch im Aufbau des Atoms regiert, aber in menschlichen Angelegenheiten wird seine Existenz, wenn sie überhaupt zugegeben wird, auf die wenigen tausend Jahre begrenzt, die wir historisch nennen. Die ganze Geschichte über die Erfahrung des Menschen erfordert sicherlich weit grösseren Überblick, ungeheure Zeiträume, die fast unvorstellbar in die Vergangenheit zurückreichen, in denen das Antlitz des Globus gänzlich umgestaltet wurde, und in denen Kontinente und menschliche Rassen zu zivilisatorischen Höhen emporstiegen, um wieder zu versinken und sich erneut zu erheben.

Es genügt nicht, den hervorragenden Verstand des Menschen und seine Intelligenz gegenüber den 'anderen Tieren' als etwas überlegenes zu schildern, oder zu erklären, daß er seine entschieden menschlichen Eigenschaften und Fähigkeiten entwickelte, weil er ein paar freibewegliche Hände und einen abstehenden Daumen besaß. Denn der Mensch formt und gestaltet die Materie wie er sie braucht und nicht blinde physikalische Gesetze, die den Menschen beherrschen. Es muß eine spirituelle Erklärung für die Gegenwart des Homo Sapiens auf Erden geben, und das wirkliche 'fehlende Glied' in der wissenschaftlichen Theorie könnte sehr wohl der Vorgang der Wiederverkörperung des Bewußtseins sein.