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Die drei Brüder

Eine der geheimnisvollsten aller Nationen in unserer westlichen Welt ist ein Volk, das uns heute unter dem Namen "Kelten" bekannt ist. Beim Studium der uns überlieferten Überreste könnte man annehmen, daß in der Entwicklung dieses Volkes die allerhöchste der alten Mysterienschulen mindestens hunderte, vielleicht sogar tausende von Jahren verkörpert war. Die Menschen, die wir heute Kelten nennen, waren wahrscheinlich die Erben eines großen Philosophiesystems, das lange vor dem Entstehen der keltischen Nation bestanden hatte.

Ihre Heimat war in vergangenen Tagen als die Heiligen Inseln oder die Inseln des Mächtigen bekannt und die alte Philosophie, die dort gelehrt und gelebt wurde, weist noch dieselben universalen Grundtöne auf. Die Lehre wurde in Triaden dargeboten, was nur eine andere Art ist, die universale Dreiheit zum Ausdruck zu bringen - ob wir nun von Brahma, Vishnu und Siva der Hindus, von den drei Logoi des griechischen Systems oder von der Triade in unserer eigenen christlichen Religion: Vater, Sohn und Heiliger Geist oder wie es der Apostel Paulus lehrte, von Geist, Seele und Körper sprechen.

Nun wollen wir von einer alten wallisisch bardischen Erzählung berichten, welche die dreifache Natur des Menschen erläutert. Zum Vortragen dieser alten Sagen brauchte man keine Bühne; sie wurden mit wenigen Worten gesungen und die Handlung war kurz.

Es waren einmal drei Brüder. Der älteste war als der Herr der Harmonien bekannt. Er hatte die Fähigkeit die geheimnisvollste Musik - die der Stille entströmt, die Musik der Sphären, zu vernehmen. In seinem innersten Selbst hörte er wie der Wind durch die Bäume streicht. Ihm war die Musik bekannt, die das wachsende Gras und der Rhythmus der Atome erzeugt. Das alles konnte er hören und indem er es wahrnahm, kannte er gleichzeitig ihre Entstehung, ihr Wachstum und ihr endliches Ziel, die Entwicklung aus den niedersten bis zu den höchsten Formen des Lebens.

Der Herr der Harmonien hatte einen Bruder, der jünger war als er. Es war der Herr der klaren Vision. Nichts war seinem Blick verborgen. Nicht allein die sichtbaren, auch die unsichtbaren Welten standen ihm offen. Er konnte den Zweck und die Majestät aller Dinge erkennen. Er konnte nicht nur das Vergangene und das Gegenwärtige erahnen, sondern verstand auch schon die Zukunft.

Ein noch jüngerer Bruder hatte ebenfalls die Gabe der Vision, aber die Verantwortlichkeiten des Lebens ruhten bisher nur leicht auf seinen Schultern und im Verlauf der Zeit wurde er in diesem Land der Harmonie und Schönheit ungeduldig. Darüber war der zweite Bruder beunruhigt und er wandte sich an den älteren Bruder, von dem er wußte, daß ihn dessen Weisheit leiten würde. Der ältere Bruder hörte zu und ein Lächeln glitt über sein Antlitz als er sagte: "Geh' und nimm die Handschuhe des Gwron und ziehe sie unserem jüngeren Bruder an."

Das geschah. Und in dem Augenblick als dem jüngeren Bruder die Handschuhe angezogen waren, wandte sich dieser um, betrachtete den weiten Horizont und empfand das Bedürfnis ein Abenteurer zu sein. Die Handschuhe selbst schienen mit einer Magie erfüllt zu sein, die ihn lockte. Er begann mit seinen Händen zu wirken, zu weben und zu schaffen; und bei diesem Tun ereigneten sich wundervolle Dinge. Sogar das Antlitz der Welt begann sich zu verändern, neue Städte entstanden, neue Bewohner zogen ein und das Werk schritt fort und fort. Zivilisationen tauchten auf und verfielen. Immer hatte es den Anschein als wollte er sein Werk zu immer größeren Höhen führen und doch fehlte irgend etwas. Es schien als ob sich etwas einschliche, das das Werk zerstörte. Dennoch nötigte ihn der Antrieb der magischen Handschuhe immer wieder, einen erneuten Versuch zu wagen. Und wenn es aussah als läge es in seiner Macht irgend etwas Dauerhaftes aufzubauen, kam ein mächtiger Wind auf, der veranlaßte, daß sich Mensch gegen Mensch wandte und die Städte in Verfall gerieten, eine Stadt schneller als die andere, weil die Handschuhe auch Waffen geschmiedet hatten, die furchtbare und grauenhafte Zerstörung hervorriefen.

Als sich der Wind gelegt hatte und alles verwüstet war, stand der jüngste Bruder still, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Dazu zog er einen Handschuh aus - und siehe da, eine weitere Vision kam über ihn und er entdeckte neben sich den Herrn der klaren Vision. Irgend etwas im Auge seines Bruders sagte ihm, daß dieser ihm bei allen seinen Anstrengungen und Wanderungen stets zur Seite gestanden hatte - die klare Vision würde in demselben Augenblick die seine sein, sobald er danach verlangte. Und als er wiederum um sich blickte - dieses Mal auf den inneren Glanz des ihn umgebenden Lebens - hörte er längst vergessene, aber vertraute Weisen und da bemerkte er seinen stillen älteren Bruder, den Herrn der Harmonien.

Das ist die Erzählung, die wie eine winzige Barke mit dem Strom der Zeit auf uns gekommen ist. Und sie hat eine schöne, innere Bedeutung, weil sie uns die Geschichte vom Ringen des Menschen innerhalb der Zeitkreisläufe der Materie berichtet, bis eines Tages die Seele - der jüngste der Brüder - wieder mit der Klarheit der Vision und mit der Macht der Harmonie vor den Herren ihres spirituellen Selbstes und vor ihrem eigenen inneren Gott steht.

Und somit können wir vielleicht in zahllosen Erzählungen ähnlicher Art noch einmal die Stimme eines alten Barden vernehmen, wenn er seine magische Harfe spielt und seine Geschichte erzählt, die sich auf die uralten Wahrheiten aus längst vergangenen Tagen bezieht.