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Evolution vor Darwin – und nachher, 2. Teil

Das Universum ist die periodische Offenbarung der unbekannten Absoluten Essenz, die von innen nach außen wirkt und gelenkt wird. Wie oben, so ist es unten; wie im Himmel so auf Erden; und der Mensch - der Mikrokosmos und die Miniaturkopie des Makrokosmos - ist der lebendige Zeuge für dieses Universale Gesetz und die Art seines Wirkens. - H. P. Blavatsky

 

 

 

Zeitweise sind wir derart von Dogmen begrenzt, daß wir nicht fähig sind, über diese Schöpfungen unseres eigenen Geistes hinauszusehen. Das war die Situation vor der Renaissance. Dann begannen 'neue' Ideen und Entdeckungen einzufließen. Sie bahnten sich ihren Weg durch die angesammelten religiösen Vorurteile, und nach und nach erweiterten sie unseren Blick, so daß wir wieder einmal größere Bereiche des Kosmos wahrnehmen konnten. Unglücklicherweise hat sich die neu erwachende Wissenschaft in der Verbitterung des sich daraus ergebenden Kampfes von spirituellen Faktoren abgewandt. Sie glaubte, für das Verstehen der physischen Welt seien sie nicht von Einfluß oder nicht notwendig. Das kam zum Teil daher, weil die christlichen Lehren, viele Jahrhunderte lang entstellt und ihrer lebenspendenden Kraft beraubt, unfähig waren, wissenschaftliche Begriffe zu beseelen. Doch die Vertreter der Kirche hielten trotzdem zäh an ihren Darstellungen (Schibboleths hebr.) fest. So kam es zwischen Religion und Wissenschaft zu einem unglücklichen Waffenstillstand, der die Welt teilte. Auf der 'geistigen' Seite standen die Theologen, zufrieden mit ihrer unrealistischen Anschauung, und auf der anderen die Wissenschaftler, die die Grundlagen für eine Reihe eigener Dogmen legten.

In unserem geschichtlichen Rückblick auf die Evolutionslehre sind wir dort angelangt, wo Charles Darwin zur dominierenden Figur wurde. The Origin of Species (Die Entstehung der Arten) wurde 1859 veröffentlicht. Ihr voraus gingen zwanzig Jahre "Einzelstudium und nagender Zweifel bei schlechter Gesundheit". (Loren Eiseley). Im ersten Teil wurde dargelegt, daß die Einflüsse, die zu Darwins großer geistiger Errungenschaft beitrugen, zahlreich und verschiedenartig waren. Da waren sein Großvater Erasmus, seine Vorgänger Buffon, Lamarck, Cuvier und andere; seine vielen Mitarbeiter und Zeitgenossen, darunter Lyell, Huxley, Haeckel und Wallace. Dazu gehörte auch die fünfjährige Fahrt auf der Beagle, die nach Südamerika, um das Kap Horn, die Westküste hinauf zu den Galapagos Inseln und rund um die Welt führte - eine Expedition, die Darwin erlaubte, das Leben der verschiedenen Arten von Pflanzen und Tieren unmittelbar in ihrer eigenen Umgebung zu studieren. Und schließlich kamen nach der Veröffentlichung von The Origin (Die Entstehung) die Reaktionen von anderen Wissenschaftlern und die heftigen Angriffe der Theologen. Diese zwangen ihn, alles nochmals zu überprüfen, zu untersuchen, zu untermauern und abzuändern, denn er war in seinen Anschauungen alles andere als kristallisiert. Doch die Flut der Kritik konnte das Wesentliche seiner Theorien, das von einer Menge augenscheinlicher Beweise unterstützt wurde, nicht berühren. Seit seiner Zeit wurden jedoch bedeutende Veränderungen vorgenommen, die wir später behandeln werden.

Darwin beobachtete, daß es die Tendenz aller organischen Wesen war, sich schnell zu vermehren, so daß sie, wenn keine Auswahl stattfände, die Erde mit der Zeit überschwemmen würden. Hemmnisse, die ein unbegrenztes Vermehren verhindern, gibt es viele, sie sind verschiedenartig und manchmal schwer ersichtlich: extreme klimatische Bedingungen, Nahrungsmangel, Raubbau und Krankheitsbefall etc. Oft findet ein grimmiger Existenzkampf statt, besonders zwischen Arten mit gleichen Lebensbedingungen. Unter solchen Umständen werden die Stärkeren und in mancher Hinsicht Tauglicheren auf Kosten ihrer Artgenossen überleben. Daher die allgemein mißverstandene Lehre vom "Überleben des Tauglichsten". Oft erscheinen unter Individuen der gleichen Art eine Anzahl Deformationen oder Varianten, die zufällig aufzutreten scheinen. Diese zufälligen Veränderungen sind im Kampf ums Dasein von höchster Wichtigkeit und können Leben oder Tod bedeuten. Der Prozeß in der Natur, durch den jene mit günstigen Veränderungen überleben und die Geschädigten oder Anfälligen aussterben, ist als "natürliche Auslese" bekannt. In der Arbeit der Gärtner und Tierzüchter, die versuchen, gewünschte Merkmale zu fördern oder unerwünschte zum Verschwinden zu bringen, nimmt der Mensch die Stelle der Natur als 'Auswähler' ein. Von den Darwinisten wurde geglaubt, daß nach vielen Generationen die angesammelten kleinen Veränderungen eines Stammes schließlich seine Erbmasse verändern werden, und die Entwicklung dadurch fortgeschritten ist. Isolation hat ebenfalls eine spezialisierte Entwicklung zur Folge, so daß in einigen Jahrtausenden die Flora oder Fauna einer tropischen Insel von derjenigen des Festlandes ganz verschieden sein kann.

Darwin selbst behauptete niemals, daß die natürliche Auslese bei der Veränderung der Arten der in Betracht kommende Faktor sei, nur einige seiner Anhänger waren dieser Ansicht. Der Wichtigste unter ihnen war August Weismann (1834-1914), der mehr oder weniger bewies, daß auffällige, in Verbindung mit der Umgebung erworbene Merkmale nicht durch Vererbung übertragen werden können, wie dies Lamarck voraussetzte. Nur die kleinsten und stufenweise fortschreitenden Veränderungen können vererbt werden, wie es Darwin mit seiner natürlichen Auslese sich vorstellte. Viele haben jedoch darauf hingewiesen, daß eine Entwicklung durch Ansammeln dieser kleinen Veränderungen ungeheure Zeit in Anspruch nehmen würde; und es ist äußerst zweifelhaft, ob solch eine unerhebliche Veränderung im Kampf ums Dasein für das Weiterleben entscheidend ist, oder ob sie, selbst in nennenswertem Umfang, einem Geschöpf beim Überleben in seiner Umgebung nützen würde. Weismann glaubte, die Keimzelle, der Sitz der Vererbung, wäre unverletzlich, von beinahe allen äußeren Einflüssen abgeschlossen, während Darwin annahm, daß das Keimplasma durch den sich immerwährend verändernden Körper "unterrichtet" werde, um erlangte Veränderungen weiterzugeben. Die letzten Entdeckungen der Mikrobiologie scheinen, wenigstens in dieser Hinsicht, eher Weismann Recht zu geben als Darwin.

Schon vor 1837 folgerte Darwin, daß für den Menschen die gleichen Entwicklungsgesetze gelten müssen, wie für alle anderen lebenden Dinge. In seiner Origins of Species (Entstehung der Arten) versuchte er, diese Frage als bedeutungslos hinzustellen, weil er wußte, daß sie sehr umstritten sein würde. Aber trotz seiner Vorsicht geschah dies doch, und er entschloss sich, ein weiteres Buch zu schreiben, um darin die Stellung des Menschen zu anderen Lebensformen zu prüfen. Seine in The Descent of Man (Die Abstammung des Menschen, 1871) herausgegebenen Schlußfolgerungen waren die, daß der Mensch ein entwickeltes Tier und den Gesetzen unterworfen ist, die das Wachstum anderer Geschöpfe lenken: daß die Anzeichen darauf hindeuten, daß er von der Urzelle über den Fisch, die Amphibien und die Säugetiere zu irgendeinem "affenartigen Stamm der alten Welt" und von da zu seiner gegenwärtigen Stellung emporgestiegen ist. Und "nur unser eigenes Vorurteil und der Dünkel, der unsere Vorfahren erklären ließ, sie stammten von Halbgöttern ab, ließen uns dem widersprechen. ..."

Nun war der Kampf in vollem Gange, und Religion und Wissenschaft trennten sich. Es steht jedoch fest, daß sowohl Darwin als auch sein berühmter Vorgänger Lamarck an einen Göttlichen Urheber aller Dinge glaubten, wenn auch beide augenscheinlich annahmen, daß Gott den Prozeß entwarf, worauf der Verlauf selbst dann ohne himmlische Einmischung abgelaufen ist. Die Natur oder Gott "läßt den Dingen ihren Lauf." Gradweise, Schritt um Schritt, wie die moderne Evolutionstheorie sich entwickelte, traten die spirituellen Faktoren in den Hintergrund. Doch Lamarck glaubte bis zuletzt, daß die individuelle Anstrengung oder der Wille des Wesens selbst dazu verhalf, jene Anpassung an die Umgebung zuwege zu bringen, die die Entwicklung zustande brachte. Darwin dagegen, der aus irgendeinem Grunde Lamarcks Arbeit ablehnte, ließ das innere Wesen gänzlich außer acht und machte den Menschen, als stillschweigende Folgerung, zu einem bloßen, von den blinden Kräften der Natur geschaffenen Organismus. Diese Anschauung ist noch immer die verbreitetste und ist in fast allen einschlägigen Lehrbüchern zu finden.

Die gegen Darwin gerichtete Kritik kam von religiöser und wissenschaftlicher Seite. Da die Kleriker ihre Argumente nicht mit geduldig zusammengetragenen Tatsachen untermauerten, wurden sie einfach beiseite geschoben und auf Tatbestände verwiesen, obgleich ihre Einwände bis heute fortbestehen und selbst in die wissenschaftliche Sphäre Eingang gefunden haben, wie noch gezeigt werden wird. Die wissenschaftliche Kritik wurde durch den frommen Lord Kelvin (Sir W. Thomson) eingeleitet, der vielleicht der tonangebendste Naturwissenschaftler des neunzehnten Jahrhunderts war. Seine Analyse der Erdtemperaturen veranlaßte ihn zu der Erklärung, daß unser Globus vor zehn Millionen Jahren viel zu heiß war, um Leben hervorbringen zu können. Bei einer so verkürzten Lebensspanne wäre eine Entwicklung durch gradweise Anhäufung viel zu gering gewesen, um kleine Veränderungen zu gestatten. So waren Darwin und sein berühmter Verteidiger Huxley gezwungen, sich vorsichtig auszudrücken und Kompromisse zu schließen. Dadurch wurden die Anhänger der Entwicklungslehre in die Enge getrieben und gezwungen nach Vorstellungen zu suchen, wobei Wachstum und Veränderung hätte schneller vor sich gehen können. Es stellte sich jedoch heraus, daß es unnötig war, da Kelvins Zahlen so unrichtig waren, wie die der ersten Christen. Nach heutiger Auffassung umfassen die geologischen Zeitabschnitte viele hundert Millionen Jahre.

Die zwei strittigsten Probleme, denen diese ersten Anhänger der Entwicklungslehre gegenüberstanden, waren: "Warum gibt es so viele Variationen alles Lebendigen, und wie kommt diese Verschiedenheit zustande?" Das verursachte Darwin sein ganzes Leben lang Kopfzerbrechen und blieb ihm rätselhaft bis er starb.

Life's Naturbibliothek über "Evolution" beschreibt, wie der holländische Botaniker Hugo de Vries (1848-1935), als er 1886 in der Umgebung von Hilversum spazieren ging, eine Menge gelber Primeln bemerkte, die auf einem Feld wuchsen, auf dem erst Kartoffeln gestanden hatten. Bei einer Untersuchung fand er, daß sie in vieler Hinsicht sehr verschieden waren. Er beschloß, sie gründlich zu studieren, und in den nächsten zehn Jahren züchtete er über fünfzigtausend Primelpflanzen. Dabei erschienen mehrere neue Arten und, was wichtiger ist, die neuen Arten pflanzten sich als solche fort. Das ließ ihn vermuten, daß durch einen Mutationsprozeß neue Arten entstehen konnten, ohne daß die gradweisen Übergangsformen notwendig waren, wie es Darwins Hypothese war.

Er versuchte, seine Theorie weiter zu erhärten, und dabei stieß de Vries im Jahre 1900 zufällig auf eine Broschüre, die 1866 von dem österreichischen gelehrten Mönch Gregor Mendel, der von 1822-1884 lebte, herausgegeben worden war. Darin beschrieb dieser seine Experimente auf dem Gebiet der Vererbung und brachte seine Schlußfolgerung, daß die Vererbung in einem unveränderlichen Zahlenverhältnis wirke. De Vries erkannte sofort den Wert dieser Arbeit und veröffentlichte sie, so daß Mendels Forschung noch nach seinem Tode volle Anerkennung fand, nachdem sie etwa fünfunddreißig Jahre nicht beachtet worden war. Wie jedermann weiß, sind Mendels Theorien die Grundlage der modernen Entwicklungslehre geworden. Die Forschung dieses Jahrhunderts war der Ausarbeitung seiner grundlegenden Thesen gewidmet. Diese sind: ererbte Anlagen werden durch eine Anzahl unabhängiger Eigenschaften übertragen. Wenn jeder Elternteil den gleichen Erbfaktor beisteuert, besteht Gleichförmigkeit; wenn aber jeder Teil einen anderen liefert, entsteht ein Mischling; und die Erbeigenschaften bleiben durch Berührung mit anderen Zellen oder Einflüssen unberührt.

Seit 1900 haben Dutzende von Chemikern und Biologen in Europa und Amerika, darunter einige Nobelpreisträger, Mendels Ideen sorgfältig weiter entwickelt und ihre möglichen Auswirkungen auf die Entwicklungstheorie erforscht. Wir wollen hier nicht im einzelnen die gewaltigen Fortschritte beschreiben, die während der letzten fünfundsechzig Jahre in der Genetik gemacht wurden. Es genügt zu sagen, daß in diesen wenigen Jahrzehnten mehr erreicht wurde, als in der ganzen vorhergehenden Zeit. Doch schon ehe Mendels Arbeit bekannt wurde, hatten Wissenschaftler im Kern der Zelle Paare "winzig kleiner, fadenähnlicher Organismen" entdeckt, die Chromosomen genannt wurden. Später wurde ermittelt, daß an diesen Fäden oder Bändern gewisse ausschlaggebende Punkte oder Knoten sind, durch deren Einfluß charakteristische Merkmale wie Größe, Gewicht, Farbe etc. bestimmt werden. Diese wurden Gene genannt. Die Materialien, aus denen die Chromosomen bestehen, sind Protein und eine andere Substanz, die gewöhnlich als DNS bezeichnet wird und aus vier Grundstoffen oder Nukleotiden besteht. Wenn ein neues Ei oder eine neue Keimzelle gebildet werden soll, spalten sich die Chromosomenfäden. Ein Paar der Hälften verbleiben bei dem einen der beiden Eltern, das andere findet seinen Weg in die neue Geschlechtszelle, wo es sich mit einem gleichen Paar gespaltener Chromosomen vereinigt, das von dem anderen Elternteil stammt. Auf diese Weise bleibt die Gesamtsumme der Chromosomen (beim Menschen 46) erhalten.

Die Art, in der sich die Gene spalten und wiedervereinigen, bestimmt die charakteristischen Merkmale des Abkömmlings. In den Reichen unterhalb des Menschen sind die dem DNS anhaftenden mathematischen Möglichkeiten nicht so kompliziert wie beim menschlichen Wesen, bei dem die möglichen Variationen fast unberechenbar sind. Bekannte Zeitschriften wie Life veröffentlichten die Entdeckungen mit großen Photographien, auf denen das DNS als Schnecke oder spiralförmige Stiege, tatsächlich mit Millionen Abstufungen, dargestellt wird. Die Anordnung dieser Stufen ist für jedes Lebewesen verschieden. Bei der Zellenteilung spaltet sich die Stiege der Länge nach, und wenn sich die Teile von den beiden Eltern vereinen, verbindet sich jede Stufe mit einem neuen Partner. Die geschlechtliche Fortpflanzung verändert beständig die Gruppierung des DNS, schafft aber keine neuen Gene, sondern neue Kombinationen, woraus mit der Zeit verbesserte Typen hervorgehen können, die nicht nur überleben, sondern Äonen lang gedeihen. Wie August Weismann voraussagte, ist das Keimplasma gegen äußere Einflüsse außerordentlich immun. Aber gelegentlich gibt es für die DNS-Verbindung scheinbar zufällige Ereignisse, die wirksam genug sind, um neue Gene erscheinen zu lassen. Diese Mutationen sind für gewöhnlich rezessiv und bleiben verdeckt bis zu der Zeit, wo irgendeine Veränderung in der Umgebung die 'normalen' Arten bedroht, die durch Mutation entstandene Variante sich aber entfalten kann. Der Mensch kann durch Bestrahlung der Zellen Varianten erzeugen. Die Resultate sind jedoch für gewöhnlich Mißgestaltungen - daher die mächtige Gefahr atomistischen Niederschlages.1

In der modernen Entwicklungstheorie ist Auslese das Wichtigste. Sie erklärt, daß die Umgebung nicht ständig die Arten verändert, sondern nur die Tauglichsten durch genetische Kombination geeigneter Varianten 'auswählt'. Darwin vermutete, daß äußere Einflüsse jene Veränderungen anregen, die schließlich zu einem Teil der Erbmasse werden und für das Überleben des Tauglichsten sorgen; die Folge ist Evolution. Die moderne Vererbungslehre nimmt an, daß Variationen das Resultat neuer innerer Anordnungen in der Keimzelle sind, durch die mit der Zeit neue Gattungen geschaffen werden, die fähig sind, erfolgreicher zu gedeihen. Aber es bleibt immer noch die Frage, was verursacht diese inneren Veränderungen? Dem Zufall überlassene Paarung der Gene? Wenn das der Fall ist, wie können wir dann die viel allgemeinere Erscheinung der Übertragung ähnlicher Eigenschaften von den Eltern auf den Abkömmling erklären? Wenn wir bei der Erklärung der Variationen vom Zufall abhängen, so erscheint es seltsam, zum Gesetz unsere Zuflucht nehmen zu wollen, um nahezu alles andere zu erklären. Wenn Zufall und Gesetz Seite an Seite existieren, so würde sicherlich der Zufall das Gesetz zerstören. Die Aversion gegen die metaphysischen Realitäten zwingt die Wissenschaftler, der neuentwickelten Zelle Fähigkeiten zuzuschreiben, die der Intelligenz und dem Scharfsinn des Menschen Aufgaben stellen - oder sogar Gott!

bild_sunrise_11969_s9_1Zur Zeit machen die bestehenden Wissenschaften eine kritische Phase durch - nicht weil so vieles unbekannt und geheimnisvoll ist, sondern weil man glaubt, daß vieles bekannt ist, und die letzten wenigen Geheimnisse noch enträtselt werden können. Man ist der Meinung, daß die Entwicklung des Lebens von der ersten Regung an, unter den sogenannten toten Elementen, durch die verschiedenen Reiche der wirbellosen Tiere herauf bis zum Fisch, vom Fisch zu den Amphibien, dann zu den Reptilien, zu den Säugetieren und zu den Primaten Affe und Mensch - von alledem glaubt man, daß beinahe alles jetzt "in Bein und Stein unanfechtbar" enthüllt ist. Das von Darwin beschriebene Wachstum des Lebensbaumes mit seinem Stamm, seinen Ästen und Zweigen, die die verschiedenen Rassen und Familien des Lebens darstellen, ist über eine halbe Million Erdenjahre erforscht, trotz der Tatsache, daß, wie E. L. Grant Watson es ausdrückt, das ausgedehnte System des Baumes der Evolution nur eine Annahme ist und keine Geschöpfe gefunden worden sind, die zu den vielen der verbindenden Seitenlinien passen.

Bildtext: Charles Darwin.

Über die Menschengeschichte glaubt man zuversichtlich etwas aussagen zu können, weil man aus den Knochen und Werkzeugen, die weit über den Globus verstreut sind, etwas schließen kann. Aber gerade hier, wenn wir den Menschen - den Homo sapiens - vor uns haben, kann uns leiser Zweifel überkommen, wie fernes Donnern. Nicht nur, weil von Dr. Louis, S. B. Leakey und anderen das Alter des Menschen um Millionen Jahre zurückverlegt wurde, der gähnende Abgrund ist es, der den Menschen vom Tier trennt. Das Selbstbewußtsein, die Fähigkeit abstrakt zu denken, die Macht, Sprachen zu erfinden und anzuwenden - diese und weitere Höherentwicklungen trennen ihn restlos von den anderen irdischen Geschöpfen. Wo sind da die verbindenden Stufen zwischen dem Tier, dem Wilden und dem Erbauer der Pyramiden zu den tausenden unsicheren Erfolgen und Fehlschlägen auf dem Wege zur Zivilisation - wenn, so könnten wir fragen, das der Weg ist, auf dem die Menschheit zur Zivilisation gelangte!

Alfred Russel Wallace (1823-1913), der Mitentdecker der Theorie, die Darwins Namen trägt, stimmte in vielen grundlegenden Punkten bei weitem nicht mit ihm überein. Eines dieser Probleme betraf den Intellekt des Menschen und das Gehirn, das diesen anscheinend beherbergt. Schon im Jahre 1864 schlußfolgerte er, daß die überlegene Intelligenz des Menschen den Prozeß der natürlichen Auslese gänzlich umstieß, denn selbst die primitivsten Menschen können mit den sie bedrückenden Einflüssen der Umgebung fertig werden. Im Gegensatz zum Affen hat sich der Körper des Menschen nicht besonders entwickelt und veränderte sich in Jahrtausenden sehr wenig, während sein Gehirn in jeder Hinsicht unendlich höher steht, was sicherlich auf sein großes Alter hinweist. Außerdem, seine Kräfte "überragen bei weitem", was die natürliche Auslese zustande gebracht hätte. Wallace bezweifelte auch, ob die musikalischen Fähigkeiten und das ethische Verhalten je das Resultat des "Kampfes der Natur" sein konnten. Im Jahre 1876 wies er darauf hin, daß die Entwicklung des Menschen durch "höhere Vermittlungen" geleitet worden sein könnte, denn nach den von Darwin niedergelegten Richtlinien hätte ein nur etwas mehr entwickeltes Gehirn als das eines Gorillas genügt. Statt dessen entwickelte der Mensch schon frühzeitig einen Intellekt, dessen Aktivität ihm half, zum Teil über seine natürliche Umgebung Herr zu werden und sich mit einer anspornenden Kraft zu umgeben - dem Einfluß seiner eigenen Ideen.

Die starke Abneigung, die viele gegen die Theorie der "Abstammung vom Affen" empfinden, mag in einer lange vergessenen Rassenerinnerung liegen. Entwickelte sich der Mensch wirklich nach und nach aus den Anthropoiden oder einem gemeinsamen Vorfahren? Oder bekamen die Menschenaffen ihren "menschlichen" Zug vom Menschen, ehe die Trennungslinie zwischen dem Menschen und den Tierreichen festgelegt war? Die moderne Theosophie von heute vertritt diese Idee, wobei sie von den alten Überlieferungen unterstützt wird. Mit Interesse stellen wir fest, daß R. Buckminster Fuller, der Erfinder des geodätischen Gewölbes und des Dymaxions oder dreiräderigen Automobils, eine Voraussage machte, die etwas zu denken gibt: "Wir werden wahrscheinlich lernen, daß Darwin nicht recht hatte, und daß der Mensch von einem anderen Planeten zur Erde kam, und die Affen Bastarde sind, die durch allzulange Inzucht isoliert lebender Menschen degeneriert sind." (Siehe Saturday Revies, 29. August 1964)

Es ist seltsam, aber in keiner der Schriften über Evolution finden wir eine direkte, verbindliche Antwort auf die Frage: "Was ist es, das sich entwickelt?" Diese Frage könnte ebenso lauten: "Wer und was sind wir?" Wenn wir versuchen, diese Frage zu beantworten und dabei rein wissenschaftliche Argumente gebrauchen, bleibt uns nichts als ein unbestimmter Eindruck, denn wissenschaftlich betrachtet sind wir in Wirklichkeit nichts! Bestenfalls könnten wir als eine flüchtige Ausdünstung komplizierter chemischer Verbindungen und Absonderungen bezeichnet werden, die wie eine Art zeitweilige Elektrizität des Bewußtseins flackern und ausgehen werden, wenn das Leben den Körper verläßt. Viele Forscher haben diese metaphysische Lücke bemerkt und haben angenommen, daß in jedem organischen Geschöpf ein inneres, vervollkommnendes Prinzip vorhanden sein muß, das das Geschöpf vorwärts drängt. Mit anderen Worten, Evolution muß von innen, aus dem Bereich des Bewußtseins angeregt und überwacht werden. Derartige Ideen wurden von "Vitalisten" wie Hans Driesch, Henri Bergson und auch Henry Fairfield Osborn in Erwägung gezogen; und noch heute geht die Tendenz in diese Richtung. L. L. Whyte's unlängst (1965) erschienenes Werk Internal Factors in Evolution spricht von einer "vorhandenen spirituellen Wirklichkeit in allen Dingen."

In der Vergangenheit versuchte man einen Hut und eine Jacke zu beschreiben, ohne die Person zu erwähnen, die sie trägt. Wir müssen annehmen, daß sie existiert, sonst haben die Kleidungsstücke keinen Sinn. Das gleiche gilt für die Evolution, ob kosmisch, menschlich oder mikrokosmisch - die Körper haben im Leben wenig Bedeutung, wenn wir sie nicht mit den Wesen, die sie bewohnen, bewegen und verändern, zusammen betrachten. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Forscher kaum objektiver sind als ihre Wissenschaften, da ihre Theorien vom Verstand und dem Verständnis abhängen und ebenso in ausgefahrene Geleise und Wege fallen wie jeder andere Zweig menschlichen Wissens.

Die alten Heiden, die sich mit den Göttern verwandt fühlten, waren der Wahrheit vielleicht näher als wir. Wir haben ihre Ideen beiseite geschoben, weil wir als Christen jeden Glauben außer unserem eigenen herabwürdigten, oder als Wissenschaftler glaubten, jede Bezugnahme auf metaphysische Realitäten sei überflüssig. Von den archaischen Zeiten bis jetzt glaubte jedoch die große Mehrheit der Menschen, daß alle Dinge beseelt seien, und daß bei jedem Schritt auf der Leiter des Lebens ein inneres Wesen in der Entfaltung eine Stufe höher steigt. Entfaltung war der Schlüssel. Die Evolution, ob kosmisch oder menschlich, war für sie die gradweise Emanation göttlicher Macht in materieller Ausdrucksform durch eine Reihe von Wiederverkörperungen oder Reinkarnationen. Auf der einen Seite war das Bewußtsein, das eindringt und belebt, auf der anderen das Vehikel oder der Körper, der dieses innere Drängen gradweise widerspiegelt. Das war der Pantheismus des Altertums, der überall das Göttliche sah, im Sandkorn unter unseren Füßen, in jeder einzelnen Vielgestaltigkeit der Geschöpfe der Natur und selbst in der Erde mit ihren Schwesterplaneten - alle waren potentielle oder in verschiedenen Graden sich zum Ausdruck bringende Götter.

Die Reinheit und Weisheit der Mysterien verblaßten in den klassischen Zeiten immer mehr, bis zuletzt nur noch Regeln und Bräuche übrigblieben, die selbst jene nicht verstanden, die daran teilnahmen. Das Christentum hat die gleichen Veränderungen erfahren; es wendete der heidnischen Weisheit den Rücken zu und verstümmelte so seine eigene Göttliche Ordnung, so daß sie wenig Ähnlichkeit mit dem tatsächlichen Wirken des Universums mehr hatte. Die Wissenschaft ist nun trotz der geistigen Aktivität ihrer vielen Disziplinen in Gefahr, zu einer Institution zu werden. Nachdem sie sich selbst von der Religion absondert, versucht sie das ganze Leben zu erklären, als hätten spirituelle Faktoren wenig oder keine Wirkung auf das materielle Universum. Ihre Lehren sind vielleicht nicht so starr wie die kirchlichen Dogmen, aber ihr Weitblick wird durch ihre eigene orthodoxe Art sehr eingeengt. Aufgeschlossene Forscher müssen sehr behutsam in ihren Äußerungen sein oder sie erleiden zwar keine Inquisition, aber einen Verlust an Ansehen. Wie René Dubos, einer der führenden Mikrobiologen der Welt, sagte: "Es ist die Furcht vor der starken wissenschaftlichen Orthodoxie, die viele zum Schweigen bringt, die glauben, daß das Leben noch etwas Subtileres in sich einschließt als die neuesten chemischen Formeln für Nukleinsäuren" (The Torch of Life).

Man kann den Mangel an Spiritualität in der Wissenschaft und besonders auf den angewandten Gebieten der Naturwissenschaft oder in der Technologie bedauern und sich wundern, warum man sich nicht der Prinzipien der alten Weisheit bedient, um ihre Entdeckungen zu beleben. Vielleicht findet aber auch überall um uns eine Spiritualisierung statt, ohne daß wir es merken. Ein Blick in die in neuerer Zeit von führenden Wissenschaftlern veröffentlichten Arbeiten zeigt, daß sie aus allem lernen und aus jeder Quelle schöpfen - aus Religion, Philosophie und Poesie - um die Antworten zu finden, die sie suchen. Der Nobelpreisträger Erwin Schrödinger suchte bei den griechischen und indischen Philosophen, um eine bessere Verbindung zu erhalten.

Die Wahrheit muß in jeder Ära in einer der Zeit und der Umgebung angepaßten Weise von neuem zum Ausdruck gebracht werden. Es wäre nutzlos für uns, halbverstandene klassische oder orientalische Worte aus früheren Epochen einzuführen. Sie könnten vielleicht wie ein unverdauter Bissen Käse wirken und schreckenerregende Träume hervorrufen. Wichtig sind Ideen, Prinzipien, und solange die Menschen ehrlich nach der Wahrheit suchen, werden sich diese von Zeitalter zu Zeitalter wiederverkörpern. Vielleicht ist die Zeit nicht fern, in der wir wieder einmal die Sonne auf unsere Weise mit der Verehrung grüßen, die sie verdient, und die zahllosen Lebewesen um uns als Mitpilger auf einer endlosen Reise, von der Dunkelheit in das Licht, betrachten.

Fußnoten

1. Eine der letzten Theorien ist, daß Mutationen in der Entwicklung zum Teil den Veränderungen und Umkehrungen im Magnetischen Feld der Erde zuzuschreiben sind. Diese lassen zeitweise in großem Umfange kosmische Strahlen einströmen. (Siehe Wall Street Journal, 1. Juni 1966) [back]