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Auf der Seite des Fortschritts

Uns allen ist ohne Zweifel schon einmal der Gedanke gekommen, wie ganz anders unsere Erde und das Leben darauf wohl für jemanden aussähe, der sie umkreist. Wie verändert und weitläufig! Die beständige Verschiebung der Schatten als Tag und Nacht, während sich der Globus um seine Achse dreht, das An- und Abschwellen der Lebenskraft der Natur, die jetzt noch die eine Hemisphäre mit einer grünen Decke überzieht, und dann nach Monaten sie wieder braun werden läßt und hier und da mit einem weissen Mantel bedeckt. Die rastlosen, voller Leben wimmelnden Meere, die unendlichen Hierarchien von Geschöpfen, von denen jedes zum Wohl aller beiträgt und die alle in harmonischem Verhältnis von einander abhängig sind, was allein schon eine wunderbare Intelligenz ahnen läßt, die die Zyklen der Schöpfung und des Unterganges, der Bewegung und der Ruhe beherrscht. Kommen wir aber zum Menschen, so scheint die Harmonie zu enden; der Mensch, der Erbauer und Zerstörer, der auf seine beschränkte Weise die Natur und Gott nachahmt, der schafft und zerstört, damit aus der Zerstörung eine neue Schöpfung auftauchen kann. Könnte es nicht für jemanden, der die Dinge von einer höheren Warte aus betrachtet, so erscheinen, als sei hier ein göttlicher Zweck und ein göttlicher Plan vorhanden, die vielleicht nur aus der Ferne wahrzunehmen sind?

Die Umstände eines sich schnell ausdehnenden Überblickes verdrängen jedes beschränkte Denken - rassisch, national, religiös und sozial gesehen. Wenn wir mit unseren Augen über die Grenzen des Raumes hinaus zu den entfernten Sternen vordringen, so werden wir gleichzeitig auf seltsame und wunderbare Weise gezwungen, unsere Anschauung hinsichtlich der menschlichen Angelegenheiten zu berichtigen; je weiter die Aussicht freigelegt wird desto klarer werden die naheliegenden Gesichtspunkte gesehen - die Gegensätze treten hervor und enthüllen den Kontrast zwischen unserer Intelligenz und Großmut und unserer Unwissenheit und Habgier. Und so wie wir unsere wissenschaftliche Forschung, unsere mechanischen Erfindungen und unsere Hochschulinstitute vorantreiben und modernisieren, so wird es dringend notwendig, unsere Gedanken in den Dingen wie Rassenvorurteil, Hilfe für unsere Mitmenschen, religiöse und politische Intoleranz eingehend zu überprüfen. Denn die Natur fordert offensichtlich eine gleichmäßige Entwicklung und will nicht eine übermäßige Entwicklung der Arme auf Kosten der Beine, oder des Verstandes auf Kosten des Herzens.

Es ist als ob an diesem kritischen Punkt eine vorausschauende Nemesis die Kontrolle über das Schicksal des Menschen übernommen hätte und den Kessel der Welt umrührte, die verschiedenen Völker und Nationen durcheinander mischte, dabei einen vorwärtstreibenden Druck ausübte und das Feuer der Zwietracht anfachte. Gleichzeitig möchte es aber auch scheinen, als diente diese Nemesis höheren Zwecken, denn der Weg zu einer größeren Reife der Seele, die Gelegenheit in der menschlichen Entwicklung bedeutsame Schritte vorwärts zu tun, liegen vor uns. Werden wir letzten Endes, trotz Kampf und Streit, mit Erfolg ein Weltgebäude aufrichten, das auf die Bruderschaft der Menschen gegründet ist? Oder werden wir in das Chaos alter Vorurteile und Begrenzungen zurückkehren?

Inmitten des Druckes und Kummers dieser schrecklichen finsteren Zeit voll Zorn, Hass und Furcht bedeutet es eine neue Stärkung, sich die gegenwärtige Weltlage als eine Auswirkung höherer Gesetze vorzustellen, die verspürt aber nicht verstanden wird. Es ist unmöglich den Auswirkungen der Tätigkeit dieser Gesetze, innerhalb deren System sich unsere Erde bewegt und ihr Dasein hat, zu entgehen. Jeder einzelne steht bloß und ungeschützt da und empfindet den Ansturm der Ereignisse in einer sehr aktuellen und persönlichen Weise. Ob wir wollen oder nicht, diese Situation zwingt uns ein aktiv Handelnder für ein göttliches Ziel zu werden, wobei jedes zeitgeschichtliche Ereignis zu unserem Wachstum beiträgt. Das alles ist ohne Zweifel ein Teil der Anstrengung zum Fortschritt der Wachstumsschmerzen einer Welt, die sich entschlossen hat fortzuschreiten, aber deshalb ihre eigene Passivität überwinden muß. Denn das ist keine Zeit, um sich treiben zu lassen; denn damit gingen wir nur einer Katastrophe entgegen.

Evolution ist letzten Endes die wirkliche und letzte Aufgabe der Menschheit. Die Natur kennt keinen Befehl, der besagt, daß die Menschen glücklich, zufrieden, sorglos und in Frieden leben müssen; sie weiß nur, daß wir lernen müssen und lernen werden zu wachsen um edler und weiser zu werden. Wenn wir dabei Erfolg haben, so wird das nicht trotz der furchtbaren Verhältnisse, sondern eben auf Grund derselben geschehen.

Waren wir jemals ohne "Zeiten, in denen die Seelen der Menschen geprüft wurden"? Jede Generation hat die Furcht und Unsicherheit der Veränderung, über die sie keine Kontrolle zu haben scheint, zu spüren bekommen. Die Jugend außer Rand und Band, die Bildung verwässert und ungereimt, die heranwachsende Generation anscheinend ohne Moral, die Kriege todbringender, das Geschäftsgebaren unehrlicher, die Arbeit übermäßig aufreibend - man wird fast von dem Gefühl des Versagens und des Schreckens überwältigt. Aber jedem dieser Probleme entspringt etwas Gutes, ein gewisses Maß an Verstehen, eine kleine Gärung der Intoleranz, irgendeine kleine Erfüllung des Dranges nach Weisheit und Demut. Ohne Prüfungen kann es keine Stärke geben; ohne die Nacht, in der wir fast verzweifeln, würde die Dämmerung ohne Bedeutung sein.

Von weitem gesehen scheint es wichtiger zu sein hier verständnisvoll die Hand der Kameradschaft auszustrecken und zu ergreifen, ehe wir uns in unbekannte Sphären wagen; die großen Probleme des Krieges, der Krankheit und der Hungersnot zu lösen, statt für Milliardenbeträge Raketen in den Raum hinaus zu schießen. Solche Bemerkungen sind zeitgemäß; doch wir müssen mit der Welt arbeiten wie sie ist und nicht wie wir natürlicherweise hoffen, daß sie eines Tages werden könnte. Unsere Welt ist tatsächlich ein Spiegel, in dem sich der Mensch selbst sieht; und wenn unsere Zivilisation krank zu sein scheint, dann ist es der Mensch, der krank ist; wenn die Symptome gefährlich erscheinen kommt das daher, weil die Krankheit schwer ist. Es kann unter gar keinen Umständen unter den Regierungen Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Mitleid vorherrschen, solange diese gottgleichen Eigenschaften nicht in den Menschen selbst überwiegen. Es kann keinen Endsieg geben, solange nicht eine genügende Anzahl von uns, in ihrem persönlichen Leben, den Kampf in seiner wahren Bedeutung erkennen und sich offen auf die Seite des Fortschritts stellen. In Anbetracht aller Umstände ist es tatsächlich gefährlich, anders zu handeln.

Wenn das sich entfaltende Karma unserer Zeit irgendeine Bedeutung hat, bedeutet es, daß die menschliche Rasse auf diesem Planeten die Gelegenheit verdient hat, sich selbst wieder zu entdecken, ihre essentielle Einheit in der Verschiedenheit zu begreifen. Gerade die Schwierigkeiten, die das Ziel verdunkeln, zeigen deutlich, wo die Schlachtlinie läuft innerhalb und außerhalb von uns. Wir sind alle zu diesem Kampf verpflichtet, und wer weiß vielleicht können die durch einen gewagten und gewonnenen Kampf freigewordenen Energien auf der Waage der Welt den Ausschlag geben und den Anstoß für die kommende Ära liefern, in der der Mensch schließlich beginnen wird bewußt mit den Strömungen des spirituellen Fortschritts zu arbeiten, anstatt dagegen.