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Jesus – Bote des Herzens

Jesus for the Non-Religious: Recovering the Divine at the Heart of the Human, – [Jesus für die Nicht-Religiösen: das Göttliche im Herzen der Menschen wiederentdecken]*, das neueste Buch von John Shelby Spong, zerlegt das traditionelle Verständnis über die Geschichte von Jesus ausführlich. Es führt den Leser auch auf eine faszinierende Reise durch die jüdischen Schriften und bietet neue Einsichten in die Bedeutung von Jesus und die Botschaft, die er der Welt gebracht hat. Mit Hilfe christlicher Wissenschaft fährt Spong fort, „die buchstäblichen Geschichten der Bibel Stück für Stück zu zerlegen …“, einschließlich der „theologischen Gedankengebäude, die Jesus von Nazareth zugeschrieben werden“ (S. xiii), und so wird der historische Jesus von den Schichten der Interpretation getrennt.

Spong zeigt, dass die traditionellen Jesusgeschichten einer historischen Prüfung nicht standhalten können. Bibelgelehrte datieren die Paulusbriefe als die frühesten Schriften des Neuen Testaments (50er v. Chr.). Markus, das früheste Evangelium, wurde wahrscheinlich in den 70ern geschrieben, Matthäus in den 80ern, Lukas in den 90ern und Johannes noch später. Die verschiedenen Teile der Geschichten über Jesu Geburt kamen in der christlichen Tradition bis Matthäus nicht vor, sie beruhen auf einem in Micha gefundenen Text (5:1-5) der behauptet, dass der Messias in Bethlehem geboren wird. Was die drei Könige betrifft, „würde heute kein angesehener Bibelforscher ernsthaft die Geschichtlichkeit dieser Magier verteidigen. Diese Geschichte … entwickelte sich ziemlich dramatisch nach einem Abschnitt aus Jesaia 60“ (S. 18). Matthäus verpflanzt die Mosesgeschichte und die Tötung aller männlichen  Kinder durch den Pharaoh in die Herodeserzählung. Nach Lukas wurde Jesus als Erbe des Davidthrons in Bethlehem geboren, ein Stückchen eines Vorstellungsbildes aus der Mythologie. Was Maria und Josef betrifft: „Keiner der Elternteile wird in irgendeinem Schriftstück, das uns vor dem achten Jahrzehnt des christlichen Zeitalters zur Verfügung steht, erwähnt; noch gibt es irgendeinen Hinweis, dass irgendjemand in der Überlieferung vor den 90ern einen Teil der Eltern als besonders wichtig erachtete“ (S. 26). Spong meint, dass Matthäus die Legende der jungfräulichen Geburt erschuf, und er betrachtet Josef als eine mythologische Figur, die Ähnlichkeiten mit dem Patriarchen Josef hat. Lukas wertet die Episode auf, indem er die Geschichte von Abraham und Sarah verwendet, um eine Erzählung rund um die Eltern von Johannes dem Täufer zu schaffen. Darüber hinaus wird Maria in keiner der Kreuzigungserzählungen der ersten drei Evangelien erwähnt. Spong kommt zu dem Schluss, dass „sobald die Geburtgeschichten als historisch abgelehnt sind, beide der angenommenen Eltern Jesu wesentlich verblassen. … sie haben fast keine faktische Grundlage“ (S. 36).

Die Überlieferung, dass es zwölf Jünger gab, scheint einheitlich zu sein, aber die Bibeltexte stimmen in ihren Namen oder Identitäten nicht überein und geben kaum Einzelheiten über sie. Spong meint, dass die Zahl zwölf eine symbolische Bedeutung hatte: „Vielleicht ist die gesamte Idee, dass Jesus zwölf männliche Jünger hatte, eine Behauptung, die Paulus einführte und der Jesusgeschichte überstülpte … Wenn Jesus der Gründer des Neuen Israel war – eine der ihm zugeschriebenen Behauptungen –, dann muss das Neue Israel zwölf Stämme gehabt haben wie das Alte Israel“ (S. 46-7). Die Idee, dass einer ein Verräter war, taucht bei Markus auf. Obwohl Paulus einen Verrat erwähnt, scheint er keine Kenntnis über diesen Verräter als einen der Jünger zu haben. Spong bemerkt, dass der Charakter von Judas mit jedem Evangelium zu wachsen scheint, nämlich durch zusätzliche Details, die auch in vorherigen biblischen Erzählungen zu finden sind – der Verrat, der Kuss, die dreißig Silberstücke und das Sich-Erhängen.

Spong analysiert auch die Wunder, die im Neuen Testament beschrieben werden. Da zu jener Zeit Krankheit als eine göttliche Bestrafung für Sündhaftigkeit berachtet wurde, meint er, dass Jesus Heilungkräfte zugeschrieben wurden, um die Behauptung seines göttlichen Status zu unterstützen: „Alle Heilungswunder werden als Zeichen verstanden, dass Jesus der Messias ist“ (S. 81). Obwohl das „Erwecken der Toten“ bei Jesaja kein messianisches Zeichen war, ist es in der späteren jüdischen Gedankenentwicklung eines geworden: Es wurde erwartet, dass die Toten am Tag des Jüngsten Gerichts erweckt würden (S. 80-81). Es gibt drei solche Erzählungen: der Sohn der Witwe (nur bei Lukas), Lazarus (nur bei Johannes), und die Tochter des Jarus (in allen drei synoptischen Evangelien). Nur Lazarus hat keine Vorgänger im Alten Testament: Bei Elisha kann man lesen, dass ein Kind erweckt wurde; bei Elija über den Sohn einer Witwe. Spong ahnt, dass diese Erzählungen verwendet wurden um anzudeuten, dass Jesus „größer als Elisha und Elija ist – jene Propheten, die angeblich die tatsächliche Macht Gottes verkörpern“ (S. 94).

Die frühesten Aufzeichnungen von Jesus enthalten sehr wenige Einzelheiten, und die Details, die wir haben, entwickelten sich mindestens 40 Jahre nach seinem Tod. Paulus beispielsweise sagt kaum etwas über das Leben oder den Tod von Jesus, nur dass Christus in Übereinstimmung mit den Schriften für unsere Sünden starb. Bei Markus steht im Zusammenhang mit dem jüdischen Krieg gegen die Römer (66-73 n. Chr.): „Die Kreuzigung wird nicht nur in Zusammenhang mit dem Passahfest vorgebracht, sondern … sie sollte der Geschichte vom Exodus des jüdischen Volkes aus Ägypten gleichen, wovon das Passahfest ein liturgischer Ausdruck war“ (S. 100). Sowohl das Passahfest wie die Kreuzigung sollten „die Idee der Befreiung aus der Sklaverei vermitteln. In der Exodusgeschichte war es die Befreiung aus den Banden der Sklaverei in Ägypten, während es in der Kreuzigungsgeschichte die Befreiung aus den ‘Banden der Sünde’ war“ (S. 101). Was die Berichte aus erster Hand betrifft, stammen weder die Worte noch die Details, die zur Darstellung der Kreuzigung verwendet werden, von Augenzeugen, sondern eher aus den hebräischen Schriften. Die Kreuzigungsgeschichte beruht stark auf Psalm 22 (beinahe wortwörtlich bei Markus) und Jesaja 53, der beschreibt, wie der Tod des „leidenden Knechts“ sich auf andere auswirkt – hier sieht Spong das Fundament, das für die Idee der Sühne gelegt wurde, und behauptet, dass die Ostergeschichte eigentlich „ein hochstilisiertes interpretiertes Bildnis ist, das gestaltet wurde … um Jesus mit messianischen Ideen zu identifizieren, die den Lesern der hebräischen Schriften vertraut sind … der Kreuzigungsbericht wurde für liturgische Zwecke entworfen … diese Erzählung der Kreuzigung ist nicht historisch“ (S. 112).

Die biblische Information über die Auferstehung ist widersprüchlich und verwirrend. Bis zum 9. Jahrzehnt n. Chr. gab es keine schriftliche Quelle, die andeutet, dass Jesus physisch aus dem Grab stieg. „Paulus sagt das nicht. Bei Markus gibt es keine Geschichte über ein physisches Erscheinen des auferstandenen Jesus. Matthäus ist mehrdeutig … Erst bei Lukas und Johannes … beginnt die Auslegung von Ostern mit Erzählungen, welche die physische Natur des auferstandenen Körpers von Jesus einbeziehen, wenn er aus dem Grab steigt“ (S. 119). Der Autor vermutet, dass diese späteren Geschichten die 24 Sunrise früheren einer nicht physischen Tradition überschütteten, da die Geschichte, je weiter sie zeitlich vomTod Jesu entfernt ist, dazu neigt, übernatürlicher zu werden.

Spong sieht es als seine erste Aufgabe, die sogenannte mündliche Periode der christlichen Geschichte zugänglich zu machen, bevor irgendwelche Erinnerungen an Jesus niedergeschrieben wurden: „Lange bevor jemand die Aufgabe übernommen hatte, die Evangelien zu schreiben, war Jesus bereits von den hebräischen Schriften interpretiert worden, und bei diesem Vorgang wurde die Jesusgeschichte nach der jüdischen Erzählung gestaltet …“ (S. 143). Da die Menschen keine Bibeln besaßen, muss es die Umgebung der Synagoge mit ihrem Studium der Schriften gewesen sein, die den Hintergrund dieser mündlichen Tradition bildete. Er fordert die Behauptung der christlichen Tradition heraus, dass Jesus die prophetischen Erwartungen auslebte. Im Gegensatz dazu meint er, dass sie versucht, die „Tatsache“ zu verbergen, „dass die Jesusgeschichte eigentlich aus den hebräischen bekannten Schriften zusammengestellt wurde und die Erinnerung an Jesus angepasst wurde, um den biblischen Erwartungen zu entsprechen“ (S. 144).

Spong behauptet, dass an Stelle der buchstäblichen Erzählungen die Evangelien eine Jesusinterpretation sind, welche durch das religiöse Leben des jüdischen Volkes stark gefiltert wurde, „wobei an die Jesusgeschichte gedacht wurde, an welche man sich über zwei bis drei Generationen erinnerte, bevor die Evangelien geschrieben wurden“ (S. 149). Er meint, dass verschiedene Darstellungen aus dem Alten Testament verwendet wurden, um die Jesus-Erfahrung auszulegen. Die Kreuzigungsgeschichte von Markus zeigt eine liturgische Folge von acht Dreistunden-Segmenten, die es den Jüngern gestattet, über den Tod von Jesus zu meditieren, was dem Paschal-Lamm nahe kommt, das die Macht des Todes zunichte macht. So wie das jüdische Volk das geopferte Blut eines Lamms auf ihre Türschwelle schmiert, damit der Todesengel vorbeigehen möge, meinte man, Jesus besäße die Macht, den Tod zu bannen.

Ein zweites Bildnis, Jesus als das Opferlamm von Yom Kippur, geht auf Paulus zurück, der schrieb: „Er starb für unsere Sünden.“ Zu Yom Kippur wurden zwei Tiere ausgewählt: Eines wurde geopfert, das andere wurde der SündentraÅNger. Das Opferlamm starb für die Sünden der Menschen; der Sündenbock, der die Sünden der Menschen trug, wurde in die Wüste geschickt. Dieses Bildnis des Opferlamms wurde dazu ausersehen, das Vorbild zu sein, „durch welches der Tod Jesu am Kreuz letztendlich interpretiert werden sollte“ (S. 166).

Ein drittes Bildnis aus den hebräischen Schriften, das auf Jesus übertragen wurde, ist das vom Menschensohn, „wahrscheinlich der älteste und bekannteste Titel, der für den entwickelt wurde, der die messianische Erwartung des jüdischen Volkes erfüllen sollte“ (S. 172). Nach dem Exil, als die jüdische Hoffnung auf Freiheit zerstört wurde, kehrten die Menschen zu dem Apokalyptizismus zurück – dem Traum von einer Befreiung und einem Schicksal jenseits der Geschichte. Der Messias (ursprünglich ein leiblicher Restaurator von Davids Thron) wird zum Agenten Gottes, der das jüngste Gericht verkünden und das Reich Gottes einweihen wird. „Der Menschensohn“ wird ein übernatürliches Bildnis des Messias. Spong findet überhaupt keinen Beweis dafür, dass Paulus diese Vorstellung von Jesus hatte. Geschichten bei Matthäus betonen die Identifikation des Menschensohnes mit Jesus durch die Parabeln des Gerichts, den auferstandenen Jesus mit voller Authorität im Himmel und auf Erden. Bei Johannes ist „der übernatürliche ‘Menschensohn’, dessen Aufgabe es ist, die Welt zu richten und das Reich Gottes einzuweihen, mit dem früheren weniger apokalyptischen messianischen Bildnis in Verbindung gebracht worden, das von Jesaja als einer identifiziert wird, der in das Leben Frieden und Ganzheit bringen wird, der als Zeichen des kommenden Königreichs die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Gelähmten gehend und die Taubstummen singend macht“ (S. 177).

Im Licht des vorgelegten Beweismaterials wird „der Jesus der Geschichte, der wirkliche Mensch, vage, wenn wir uns über die Möglichkeit klar werden, dass so viele der Evangelien-Bilder weit eher Interpretationen sind als Erinnerungen von Augenzeugen an einen geschichtlichen Menschen … Nun wird er als eine Zusammensetzung von mythologischen Interpretationen gesehen, die als Geschichte maskiert sind“ (S. 191). Für Spong ist Jesus dennoch keine mythologische, sondern eine geschichtliche Figur, und er möchte letztendlich die wirkliche Bedeutung von Jesus erforschen – ohne die interpretative Deckschicht und die theistischen Bildnisse, der sie über fast 2 000 Jahren ausgesetzt war. Um sein Ziel zu erreichen, nimmt er die traditionelle Definition von Gott und Religion unter die Lupe und findet einige interessante Einsichten. Eine Idee besagt, dass es sich bei den Religionssystemen der Menschen niemals um eine Suche nach Wahrheit handelte, sondern mehr um eine Suche nach Absicherung. Er erachtet viele Religionsformen als kaum mehr als kulturell beeinflusste Ausdrucksformen der Angst vor dem Nichts: Bei der „theistischen Gottesdefinition ging es niemals um Gott; es ging immer um Menschen, die verzweifelt ein Bewältigungs-System brauchen, das es ihnen ermöglicht, mit den Ängsten davor zu leben, was das Menschsein bedeutet“ (S. 215). Menschen, die fragten: „Gibt es irgendetwas dort draußen im Universum, das mehr Kraft besitzt als ich, das mich schützen kann?“,

überzeugen sich selbst, dass sie in ihrer Schwäche durch die Macht eines allmächtigen Gottes geschützt sind, der als ihr Verteidiger da ist. Sie projizieren dann eine ultimative Bedeutung und einen ultimativen Zweck auf dieses externe göttliche Wesen ihrer eigenen Schöpfung – als das Mittel, um der Bedrohung der anscheinenden Sinnlosigkeit des Lebens zu entkommen. Letztendlich erzeugen sie die Hoffnung, dass die Sterblichkeit, die sie jetzt als Kennzeichen des Lebens kennen, nicht das letzte Wort sein wird … – S. 265

Spong betont, dass Theismus nicht gleich Gott ist, sondern mehr eine wirksame menschliche Mechanik. Später wurde unter dem Einfluss des Patriarchats der weibliche Aspekt des Göttlichen in einigen Kulturen abgelegt, und die Gottheit wurde als herrschend dargestellt, gleich einem Stammeshäuptling mit übernatürlichen Kräften, der nicht in dieser Welt lebt, sondern imstande ist, jederzeit einzugreifen, um mittels „wundersamer Segensarten zu bestrafen, den göttlichen Willen auszuführen, Gebete zu beantworten und schwächlichen, kraftlosen Menschen behilflich zu sein“ (S. 222).

Seiner Erfahrung nach ist diese Ansicht von Gott allgemeingültig, und unglücklicherweise „scheint sie die Möglichkeit zu schaffen, dass regelloser und zerstörender religiöser Zorn aufkommt“ (S. 228) – ein Zorn, der sich oft gegen einen selbst richtet und auf hohen Ebenen der Selbstverneinung und Selbstablehnung Ausdruck findet. Das traditionelle Christentum kommt mit einer sehr starken Schuld-Botschaft und betont, wie hoffnungslos und böse wir sind, und verwandelt Verehrung in eine ständige Bitte um Erbarmen. Spong weist deutlich mit dem Finger auf das „theistische Bildnis von Gott, der traditionellerweise eine bestrafende Elternfigur war“. Er sagt, dass „die traditionelle Art, wie wir die Christus-Geschichte erzählen, aus Gott ein Ungeheuer macht, aus Jesus ein Opfer und böse Menschen, die ewig dankbar sein müssen und somit hoffnungslos von der Kirche abhängig sind“ (S. 235, 236). Die Frage lautet, wer braucht eine Gottheit, welche den Tod ihres Sohnes manipuliert, bevor sie bereit ist, der Menschheit zu vergeben? Spong betrachtet einen theistischen Gott dieser Art als unmoralisch; er ist grundsätzlich der Stammesgott und „wenn er nicht überwunden wird, wird eine tiefere Menschlichkeit weiterhin ein Ding der Unmöglichkeit bleiben“ (S. 241).

In diesem Buch wird Jesus als ein vollständiges menschliches Wesen betrachtet, der dieser Stammes-Mentalität und Angst absichtlich entgegentrat, denn die wahre Botschaft Christi ist, dass „die Göttlichkeit in der Fülle der Menschheit erkannt wird, wenn Grenzen verschwinden und Hass nachlässt …“ (S. 248). Mit den Worten Paulus, „in Christus gab es weder Sklaven noch Freie“ – was bedeutet, dass Jesus die Begrenzungen jeglicher Art von Voreingenommenheit überschritt. Andere Menschen so zu behandeln, als seien sie Untermenschen, stellt den Täter immer bloß und macht ihn oder sie weniger menschlich. Ob es Voreingenommenheit gegen andere Rassen oder Klassen ist oder gegenüber dem anderen Geschlecht, Spong deutet darauf hin, dass „jene Art des menschlichen Benehmens, die eine solche Rolle in so vielen Religionssystemen spielt, niemals zum Wohl des Mannes oder der Frau führt und somit das tiefste Verständnis von Gott verletzt, das uns durch Jesus von Nazareth gegeben wurde“ (S. 60). In seinen Augen gibt es keine externe theistische Gottheit, die kommt, um eine gefallene Welt von verloreren Sündern zu erlösen. Er stellt dar, dass Erlösung wirklich bedeutet zur Ganzheit aufgerufen sein – ein vollständiger Mensch sein, der gegenüber allen, die in Not sind, mitleidsvoll ist.

Er sieht die Religion als einen menschlichen Schutzapparat, der aufgestellt wurde, um in einer sehr unsicheren Welt Sicherheit zu bieten. Jesus lebte aus der Überzeugung, dass „man über die Sicherheit bietende Religion hinausgehen muss, um ganz Mensch zu sein“ (S. 271). Für Spong muss ein Jesus dieser Art ein Mensch von seltener Aufrichtigkeit gewesen sein, der im ewigen Jetzt lebte und sich so vollkommen mit den Menschen befasste, dass es ihnen erschien, als stünde die Zeit still. Nach der Kreuzigung, als die messianische Hoffnung der Jünger scheinbar zerstört war, brauchte es mehrere Generationen, bevor die Nachfolger ihr Denken auf diese Ereignisse eingestellt hatten. Bei diesem Prozess wurde Jesus durch die Linse hebräischer Bildnisse interpretiert, und sein Tod begann, dem Tod der Oster- und Yom Kippurlämmer zu ähneln. Spong ist davon überzeugt, dass die Menschen, weil sie eine göttliche Macht in Jesus erkannten, ihm Kräfte wie die Vergebung der Sünde, die Heilung von Kranken und die Beeinflussung von Naturkräften beimaßen.

Aber der Jesus, an den Spong glaubt, ist jenseits des Theismus. Der Mensch Jesus hat seine Wurzel in der Unendlichkeit, die ihn und alle verwandelt, die mit ihm verbunden sind: „Wenn ich die Wurzel des Seins berühre, glaube ich, dass ich das berühre, was ich Gott nenne“ (S. 285). Es gibt eine Idee in diesem ausgezeichneten Buch, die ich ein wenig erweitern möchte. Spong schreibt, dass die verwandelnde Kraft Jesu einzigartig sei, wir können Jesus aber auch unter verschiedene Menschen einreihen, deren Leben und Altruismus die Kraft besaßen, die Gesamtheit zu inspirieren. Ein weiteres Beispiel eines vollkommenen Menschen, der den religiösen und sozialen Grenzen seiner Zeit entgegentrat, ist Gautama Buddha. Die Lehre, dass Liebe das Bindemittel im Universum sei, ist so alt wie die Menschheit, und während der Zeitalter sind „erleuchtete“ und „fortgeschrittene“ Seelen erschienen, um die kämpfende Menschheit daran zu erinnern, was die Gesamtheit wirklich inspiriert – es ist die Botschaft des Herzens.

* HarperCollins/HarperSanFrancisco, 2007, ISBN 978-0-06-076207-0, 336 Seiten, gebunden, $ 24,95