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Das Meer der Theosophie

MeerIm Jahre 1893 erkannte W.Q.Judge die Notwendigkeit, ein Buch über Theosophie zu schreiben, das von allen verstanden werden konnte. Das Meer der Theosophie enthält daher eine kurze, jedoch umfassende Übersicht über die Grundlehren der Theosophie. Es erklärt Themen wie: Die siebenfältige Konstitution des Menschen, Karma und Reinkarnation, die Gefahren psychischer Praktiken und die Fallgruben des Pseudo-Okkultismus, die Beziehungen des Mondes zur Erde, kosmische und irdische Zyklen, die Existenz weit fortgeschrittener Menschen, die Ursachen von Naturkatastrophen und vieles mehr.

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Das Meer der Theosophie
William Quan Judge

Titel der Originalausgabe: The Ocean of Theosophy

2. überarbeitete Auflage
ISBN 3-930623-28-5
Alle Rechte der deutschen Ausgabe vorbehalten.
© 2004 Stiftung der Theosophischen Gesellschaft Pasadena


Vorwort

Auf den Seiten dieses Buches soll der Versuch gemacht werden, so über Theosophie zu schreiben, dass sie für jeden Leser verständlich ist. Aufgrund des Wissens des Autors werden hier kühne Behauptungen vorgetragen. Gleichzeitig sollte jedoch genau verstanden werden, dass nur er allein für das hier Geschriebene verantwortlich ist: Die Theosophische Gesellschaft ist unbeteiligt an dem, was in diesem Buch behauptet wird. Sie ist nicht daran gebunden, noch irgendeines ihrer Mitglieder, die auch dann keine schlechteren Theosophen sind, wenn sie das von mir Geschriebene möglicherweise nicht anerkennen. Der Ton fester Überzeugung, der diese Kapitel durchdringen mag, ist keine Folge von Dogmatismus oder Illusion, er entstammt vielmehr einem Wissen, das auf Beweis und Erfahrung beruht.

Mitglieder der Theosophischen Gesellschaft werden bemerken, dass bestimmte Theorien oder Lehren nicht berührt werden. Das geschah deshalb, weil sie nicht ohne ungebührliche Erweiterung des Buches behandelt werden können und unnötige Kontroversen ausgelöst hätten.

Das Thema des Willens wurde nicht behandelt, weil diese Kraft oder Fähigkeit verborgen, subtil und hinsichtlich ihrer Essenz unentdeckbar ist. Lediglich seine Auswirkungen sind sichtbar. Da er absolut farblos ist und die moralische Qualität entsprechend dem hinter ihm stehenden Verlangen variiert, da er auch häufig ohne unser Wissen wirkt und da er in allen Naturreichen unter dem Menschen aktiv ist, könnte nichts gewonnen werden durch den Versuch, ihn getrennt von Geist und Verlangen zu untersuchen.

Ich beanspruche für dieses Buch keine Originalität. Ich habe nichts darin erfunden, nichts davon entdeckt, sondern habe nur geschrieben, was mir gelehrt und bewiesen wurde. Es handelt sich somit nur um die Weitergabe von Dingen, die schon vorher bekannt waren.

WILLIAM Q. JUDGE
New York, Mai 1893

I – Theosophie und die Meister

Theosophie allgemein definiert – Die Existenz hochentwickelter Menschen im Universum – Diese Menschen sind die Mahatmas, Initiierten, Brüder, Adepten – Wie sie arbeiten und warum sie sich jetzt verborgen halten – Ihre Loge – Sie sind vollkommene Menschen aus früheren Evolutionsperioden – Sie haben in der Geschichte verschiedene Namen gehabt – Apollonius, Moses, Salomon und andere waren Mitglieder dieser Bruderschaft – Sie hatten eine einzige Lehre – Sie sind möglich, weil der Mensch schließlich werden kann wie sie – Sie wahren die echte Lehre und verursachen zur rechten Zeit ihr Wiedererscheinen.

II – Allgemeine Prinzipien

Ein Blick auf die allgemeinen Gesetze, die den Kosmos regieren – Die siebenfältige Gliederung des Systems – Wirkliche Materie ist nicht sichtbar, was der Loge immer bekannt war – Denkvermögen, der intelligente Teil des Kosmos – Im universalen Denkvermögen ist der siebenfältige Plan des Kosmos enthalten – Die Evolution erfolgt nach dem Plan im universalen Denkvermögen – Perioden der Evolution erreichen ein Ende, das ist die Nacht des Brahmā– Der Schöpfungsbericht des Moses hat die modernen Anschauungen negativ beeinflusst – Die Juden hatten nur einen Teil der Lehre von den alten Ägyptern übernommen – Die Lehre stimmt mit der inneren Bedeutung der Genesis überein – Die allgemeine Länge der Evolutionsperioden – Die gleiche Lehre wie die von Herbert Spencer – Die Chronologie der alten Hindu gibt die Einzelheiten – Die Geschichte vom Tempelbau Salomons ist die Geschichte der Evolution des Menschen – Die Lehre ist viel älter als die christliche – Das wirkliche Alter der Welt – Der Mensch ist über 18 Millionen Jahre alt – Die Evolution wird einzig durch die inneren Egos vollbracht, die schließlich die Benutzer der menschlichen Formen werden – Jedes der sieben Prinzipien des Menschen entstammt einer der sieben großen Abteilungen des Universums.

III – Die Erdkette

Die Lehre über die Erde, die ebenfalls sieben Prinzipien hat – Sie ist ein Globus einer siebengliedrigen Kette in Entsprechung zum Menschen – Die sieben Globen der Erdkette sind nicht voneinander getrennt, sondern durchdringen einander – Die Erdkette ist die Wiederverkörperung einer früheren, älteren und jetzt toten Planetenkette – Von dieser alten Planetenkette ist unser Mond der sichtbare Repräsentant – Der Mond ist nun tot und zieht sich jetzt zusammen – Venus, Mars usw. sind die lebenden Globen ähnlicher Planetenketten wie unserer – Eine Menge von Egos gehört zu jeder dieser Planetenketten – Die Anzahl, obwohl unberechenbar, ist begrenzt – Der Evolutionsweg der Egos geht durch die sieben Globen – In jedem der sieben Globen wird ein bestimmter Teil unserer Natur entfaltet – Auf dem vierten Globus wurde der Prozess der Verdichtung eingeleitet und erreicht seinen höchsten Grad.

IV – Die siebenfältige Konstitution des Menschen

Die Konstitution des Menschen – Wie die Lehre sich von der christlichen unterscheidet – Die wirkliche Lehre war in den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung bekannt, wurde einer Nation aber absichtlich entzogen, die nicht fähig war, sie zu hegen – Die Gefahr, wenn die Lehre nicht zurückgezogen worden wäre – Die siebenfältige Einteilung – Die Prinzipien geordnet – Diese Einteilung entspricht der Kette von sieben Globen – Der niedere Mensch ist ein zusammengesetztes Wesen – Seine höhere Dreiheit – Die vier niederen Prinzipien sind veränderlich und vergänglich – Der Tod lässt die Dreiheit als den einzigen bleibenden Teil von uns zurück – Was der physische Mensch ist und was der andere, unsichtbare sterbliche Mensch ist – Ein zweiter, unsichtbarer physischer Mensch, aber dennoch sterblich – Die Sinne gehören zum unsichtbaren und nicht zum sichbaren Menschen.

V – Körper und Astralkörper

Der Körper und das Lebensprinzip – Das Mysterium des Lebens – Schlaf und Tod entstehen aus einem Übermaß von Lebenskraft, das der Organismus nicht ertragen kann – Der Körper, eine Illusion – Was ist die Zelle – Leben ist universal, es entsteht nicht durch den Organismus – Der Astralkörper – Woraus er besteht – Seine Kräfte und Funktionen – Er ist das Modell für den Körper – Alle Reiche der Natur haben Astralkörper – Seine Fähigkeiten zu wandern – Die wirklichen Sinnesorgane befinden sich im Astralkörper – Die Funktionen des Astralkörpers bei spiritistischen Séancen– Der Astralkörper erklärt Telepathie, Hellsehen, Hellhören und alle derartigen psychischen Erscheinungen.

VI – Kāma – Begierde

Das vierte Prinzip, der Kāma-Rūpa: Die Leidenschaften und Begierden – Der Kāma-Rūpa wird nicht durch den Körper erzeugt, sondern ist die Ursache für den Körper – Er ist das Gleichgewichtsprinzip der sieben Prinzipien – Er ist die Grundlage der Tätigkeit und der Beweger des Willens – Rechte Wünsche führen zu rechten Taten – Dieses Prinzip hat einen höheren und einen niederen Aspekt – Dieses Prinzip liegt im Astralkörper – Beim Tode verschmilzt es mit dem Astralkörper und bildet eine Hülle des Menschen – Diese besitzt eigene Kräfte automatischer Natur – Diese Hülle ist der sogenannte ‘Geist’ der Séancen – Sie ist eine Gefahr für die Rasse – Elementale helfen diesen Hüllen bei den Séancen – Weder Seele noch Gewissen dabei anwesend – Selbstmörder und hingerichtete Verbrecher hinterlassen sehr zähe Hüllen – Das Prinzip der Begierde ist allen organisierten Naturreichen eigen – Es ist der tierische Teil des Menschen – Der Mensch ist jetzt eine vollentwickelte Vierheit mit erst teilweise entfalteten höheren Prinzipien.

VII – Manas

Manas ist das fünfte Prinzip – Das erste des wirklichen Menschen – Es ist das Denkprinzip und kein Resultat des Gehirns – Das Gehirn ist nur sein Instrument – Wie das Licht des Denkens den verstandlosen Menschen gegeben wurde – Vervollkommnete Menschen aus älteren Systemen gaben es uns, wie sie es selbst von ihren Vorgängern erhalten hatten – Manas ist der Speicher aller Gedanken – Manas ist der Seher – Wenn die Verbindung zwischen Manas und dem Gehirn unterbrochen wird, kann der Betreffende nicht mehr erkennen – Die Organe des Körpers haben keine Erkenntniskräfte – Man unterscheidet das höhere und das niedere Manas – Seine vier Besonderheiten – Buddha, Jesus und andere hatten Manas völlig entfaltet – Ātman ist das göttliche Ego – Die permanente Individualität – Diese permanente Individualität ist bereits in vielen Körpern durch jede Art von Erfahrung gegangen – Manas und Materie haben jetzt eine größere Funktionsfähigkeit als in früheren Zeiten – Manas ist durch die Begierden gebunden, und diese Bindung macht Reinkarnation zur Notwendigkeit.

VIII – Reinkarnation I

Warum der Mensch ist, wie er jetzt ist und wie er ins Dasein kam – Der Zweck des Universums – Die spirituelle und physische Evolution erfordert die Reinkarnation – Reinkarnation auf der physischen Ebene ist Wiederverkörperung oder Veränderung der Form – Die ganze Materie des Globus wird eines Tages in fernen Evolutionsperioden zu Menschen geworden sein – Die alte Lehre – Sie wurde von den ersten Christen vertreten – Sie wurde von Jesus gelehrt – Was reinkarniert – Die Lebensmysterien entstehen durch die noch unvollständige Inkarnation der höheren Prinzipien – Reinkarnation ist keine Transmigration in niedrigere Körperformen – Wie es von Manu erklärt wird.

IX – Reinkarnation II

Die Einwände dagegen – Wünsche können das Gesetz nicht ändern – Frühankömmlinge im ‘Himmel’ – Müssen diese auf uns warten – Das Erkennen der Seele ist nicht von Objektivität abhängig – Vererbung ist kein Einwand – Was bewirkt die Vererbung – Nicht erkannte Abweichungen in der Vererbung – Die Geschichte spricht gegen die Vererbung – Reinkarnation ist nicht ungerecht – Was ist Gerechtigkeit – Wir leiden nicht für die Taten anderer, sondern nur für unsere eigenen Taten – Gedächtnis – Warum erinnern wir uns nicht an unsere anderen Leben – Wer erinnert sich – Wie ist die Zunahme der Bevölkerung zu erklären.

X – Argumente für die Reinkarnation

Über die Natur der Seele – Über die Gesetze des Verstandes und der Seele – Von den Charakterunterschieden – Von der Notwendigkeit der Disziplin und Evolution – Über die unterschiedlichen Befähigungen und Lebensvoraussetzungen in der Wiege – Individuelle Indentität beweist Reinkarnation – Das wahrscheinliche Ziel des Lebens erfordert sie – Ein Leben reicht für die Durchführung der Absichten der Natur nicht aus – Der Tod an sich bringt keinen Fortschritt – Eine Lebensschule nach dem Tod ist unlogisch – Das Weiterbestehen der Urvölker und der Verfall von Nationen unterstützen diese Lehre – Das Erscheinen von genialen Menschen stützt die Reinkarnationslehre – Die allen Menschen innewohnenden Ideen weisen auf die Reinkarnation hin – Widerstand gegen die Lehre gründet sich lediglich auf Vorurteil.

XI – Karma

Definition des Wortes – Ein ungewohnter Begriff – Ein wohltätiges Gesetz – Wie das gegenwärtige Leben durch die verschiedenen Taten in früheren Leben beeinflusst wird – Jede Tat hat einen Gedanken als Wurzel – Durch Manas wirken die Gedanken auf jedes persönliche Leben ein – Warum Menschen mit verkrüppelten Körpern oder in ungünstigen Verhältnissen geboren werden – Die drei Klassen von Karma und ihre drei Wirkungsfelder – National- oder Rassenkarma – Individuelles Unglück oder Glück – Worte des Meisters über Karma.

XII – Kāma-Loka

Der erste Zustand nach dem Tode – Wo und was sind Himmel und Hölle – Der Tod des Körpers ist nur der erste Schritt des Todes – Ein zweiter Tod folgt darauf – Trennung der sieben Prinzipien des Menschen in drei Gruppen – Was ist Kāma-Loka – Ursprung des christlichen Fegefeuers – Es ist eine Astralregion mit zahlreichen Unterabteilungen – Die Skandhas – Die menschliche Astralhülle in Kāma-Loka – Sie ist ohne Seele, Denkvermögen und Gewissen – Sie ist der ‘Geist’ in den spiritistischen Séancen – Die Einteilung der Astralhüllen im Kāma-Loka – Schwarzmagier sind anwesend – Das Schicksal der Selbstmörder und anderer – Vor-devanchanische Unbewusstheit.

XIII – Devachan

Die Bedeutung dieses Wortes – Ein Ātman-Buddhi-Manas-Zustand – Wirkung des Karma auf Devachan – Die Notwendigkeit für Devachan – Es ist eine andere Art des Denkens, ohne physischen Körper, der das Denken lähmt – Nur zwei Gebiete für die Wirkung von Ursachen: das Subjektive und das Objektive – Devachan ist eines davon – Dort existiert für die Seele keine Zeit – Länge des Aufenthalts in Devachan – Die Mathematik der Seele – Durchschnittlicher Aufenthalt in Devachan beträgt 1500 Erdenjahre – Die Länge hängt von den psychischen Impulsen während des Lebens ab – Sein Zweck und Nutzen – Durch die letzten Gedanken vor dem Tod wird der Devachanzustand geformt – Devachan ist nicht bedeutungslos – Sehen wir die Hinterbliebenen – Wir stellen uns deren Bilder vor – Wesen in Devachan haben die Macht, denjenigen zu helfen, die sie lieben – Die Medien können die Egos in Devachan nicht erreichen, ausgenommen in seltenen Fällen, wenn die Person rein ist – Nur Adepten können den Egos in Devachan helfen.

XIV – Zyklen

Eine der wichtigsten Lehren – Gleichbedeutende Worte im Sanskrit – Im Westen sind wenige Zyklen bekannt – Sie bewirken das Wiederauftreten einst lebender Persönlichkeiten – Die Zyklen beeinflussen Leben und Evolution – Wann war der erste Augenblick – Die erste Schwingungszahl bedingt alle folgenden – Wenn der Mensch den Globus verlässt, sterben die Kräfte – Erdbeben und Naturkatastrophen – Reinkarnation und Karma sind mit dem zyklischen Gesetz verbunden – Zivilisationen kehren zyklisch wieder – Der Zyklus der Avatāras – Krishṇa, Buddha und andere erscheinen in gewissen Zyklen – Geringere Persönlichkeiten und große Führer – Die Überschneidung von Zyklen verursacht Erschütterungen – Der Mond, die Sonne und siderische Zyklen – Individuelle Zyklen und der Reinkarnationszyklus – Der Lauf durch die Konstellationen und die Bedeutung der Geschichte Jonas – Die Tierkreisuhr – Wie den Nationen Ideen eingeprägt und diese dadurch bewahrt werden – Die Ursachen für Erdbeben, kosmisches Feuer, Eiszeiten und Fluten – Die brāhmanischen Zyklen.

XV – Die Differenzierung der Arten – die ‘fehlenden Glieder’

Der letzte Ursprung des Menschen ist unentdeckbar – Die Menschheit stammt weder von einem einzigen Paar noch von den Tieren ab – Sieben Menschenrassen erschienen gleichzeitig auf dem Globus – Sie sind jetzt vermischt, werden sich aber wieder trennen – Die Menschenaffen, ihr Ursprung – Sie stammen vom Menschen ab – Sie sind die Nachkommen von unnatürlichen Verbindungen während der dritten und vierten Rasse – Die verspäteten Rassen – Die geheimen Bücher über diese Frage – Wie sie die menschenähnlichen Züge der Affen erklären – Die niederen Naturreiche von anderen Planeten – Ihre Differenzierung durch intelligentes Eingreifen der Dhyānis – Die Wegmitte der Evolution – Die Astralformen älterer Runden werden in physischen Runden verdichtet – Fehlende Glieder, was sie sind und warum die Wissenschaft sie nicht aufzufinden vermag – Das Ziel der Natur in allen diesen Tätigkeiten.

XVI – Psychische Gesetze, Kräfte und Phänomene

Der Westen hat keine echte Psychologie – Diese existiert im Orient – Der Mensch, der Spiegel aller Kräfte – Gravitation ist nur das halbe Gesetz – Die Bedeutung von Polarität, Kohäsion – Unsichtbarmachen von Gegenständen – Imagination ist allmächtig – Mentale Telegraphie – Gedankenlesen ist Einbruchsdiebstahl – Apportation, Hellsehen, Hellhören und Zweites Gesicht – Bilder im Astrallicht – Träume und Visionen – Geisterscheinungen – Echtes Hellsehen – Der innere Stimulus erzeugt den äußeren Eindruck – Das Astrallicht ist das Archiv von allem.

XVII – Psychische Phänomene und Spiritismus

Spiritualismus ist eine falsche Bezeichnung für Spiritismus – Sollte Nekromantie und Totenanbetung heißen – Dieser Kult entstand nicht in Amerika, sondern ist seit langem in Indien bekannt – Die aufgezeichneten Tatsachen verdienen Prüfung – Theosophen geben die Tatsachen als echt zu, erklären sie jedoch ganz anders als die ‘Spiritisten’ – Die Untersuchung beschränkt sich nur auf die Frage, ob die Toten wiederkehren, aber die Toten kehren nicht auf diese Weise zurück – Die meisten Geistermitteilungen stammen von den Astralhüllen verstorbener Menschen – Einwände gegen die Behauptungen der Medien – Die Aufzeichnungen rechtfertigen den Spott der Wissenschaft – Materialisationen und was sie sind: eine Masse elektromagnetischer Materie mit einem Bild aus dem Astrallicht – Oder sie entstammen dem Astralkörper, der aus dem lebenden Körper des Mediums herausgetreten ist – Analyse der Einzelheiten der Gesetze ist nötig, ehe die Phänomene verstanden werden können – Das Timbre der „unabhängigen Stimmen“ – Bedeutung der Astralregion – Die Gefahren der Mediumschaft – Der Versuch, diese Kräfte für Geld oder egoistische Zwecke zu gebrauchen, endet ebenfalls unheilvoll – Das zyklische Gesetz bedingt das Nachlassen dieser Kraft in der jetzigen Zeit – Das Ziel der Loge.


I – Theosophie und die Meister

Theosophie ist jenes Meer des Wissens, das sich von Küste zu Küste der Evolution aller bewussten Wesen ausbreitet. Unergründlich in seinen Tiefen, gibt es den größten Denkern weitesten Raum und ist an seinen Küsten dennoch flach genug für das Verständnis eines Kindes. Theosophie ist Weisheit über Gott für jene, die glauben, dass alle Dinge in Gott sind und er in allen Dingen ist, und Weisheit über die Natur für den, der das Bibelwort bejaht, dass Gott weder gemessen noch entdeckt werden kann und dass Finsternis um sein Gezelt lagert. Obwohl „Theosophie“ von dem Wort Gott abgeleitet ist und daher auf den ersten Blick nur von Religion zu handeln scheint, vernachlässigt sie keineswegs die Wissenschaft. Sie ist vielmehr die Wissenschaft aller Wissenschaften und wurde daher auch Weisheitsreligion genannt: Denn eine Wissenschaft, die irgendeinen sichtbaren oder unsichtbaren Naturbereich ausschließt, ist unvollkommen, und eine Religion, die sich auf eine lediglich angenommene Offenbarung stützt und sich von der Natur und den in ihr herrschenden Gesetzen abwendet, ist nichts weiter als eine Täuschung, ein Feind des Fortschritts, ein Hindernis auf dem Weg des Menschen zum wahren Glück. Da die Theosophie das Wissenschaftliche und das Religiöse einbezieht, ist sie eine wissenschaftliche Religion und eine religiöse Wissenschaft.

Theosophie ist keine menschliche Erfindung oder ein von Menschen formuliertes Glaubensbekenntnis oder Dogma. Sie ist vielmehr das Wissen über die Gesetze, welche die Evolution der physischen, astralen, psychischen und intellektuellen Komponenten von Natur und Mensch beherrschen. Die heutige Religion besteht nur aus einer Reihe künstlicher Dogmen, und die von ihr verkündete Ethik ermangelt jeder wissenschaftlichen Begründung, während die Wissenschaft, solange sie das Unsichtbare noch ignoriert und die Existenz einer vollständigen Skala innerer Wahrnehmungsfähigkeiten im Menschen verneint, von dem gewaltigen und realen Erfahrungsgebiet abgeschnitten bleibt, das sich hinter den sichtbaren und greifbaren Welten verbirgt. Die Theosophie weiß jedoch, dass sich das Ganze aus dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren zusammensetzt. Da sie die äußeren Verhältnisse und Objekte als nur zeitlich begrenzt betrachtet, erfasst sie neben den äußeren auch die inneren Tatsachen der Natur. Sie ist daher in sich selbst vollständig und sieht nirgends ein unlösbares Mysterium. Sie streicht das Wort Zufall aus ihrem Wortschatz und preist in allen Dingen und Umständen die Herrschaft des Gesetzes.

Es ist eine allgemeine Überzeugung der Menschheit, dass der Mensch eine unsterbliche Seele besitzt. Dem fügt die Theosophie hinzu, dass er eine Seele ist und dass zu dem die ganze Natur beseelt ist; dass ferner das riesige Aufgebot von Dingen und Menschen nicht nur Anhäufungen von Atomen sind, die zufällig zusammengewürfelt wurden und sich folglich ohne Gesetzmäßigkeiten entwickelt hätten, sondern dass alles, bis hinab zum kleinsten Atom, Seele und Geist ist, in ständiger Entwicklung unter der Herrschaft des Gesetzes, das dem Ganzen innewohnt. Wie die alten Weisen lehrt auch die Theosophie, dass der ganze Evolutionsprozess das Drama der Seele ist und dass die Natur nur zum Sammeln seelischer Erfahrung existiert. Der Theosoph stimmt mit Professor Huxley in der Behauptung überein, dass es im Universum Wesen geben muss, deren Intelligenz ebensoweit über der unsrigen steht, wie unsere eigene die der Küchenschabe überragt, und dass diese hohen Intelligenzen eine aktive Rolle bei der Lenkung der natürlichen Ordnung der Dinge spielen. Im Vertrauen auf das Wissen seiner Lehrer geht der Theosoph noch weiter und fügt hinzu, dass diese Intelligenzen einst Menschen waren, die wie wir aus anderen und früheren Welten kamen, wo ebenso vielfältige Erfahrungen gesammelt werden konnten, wie es in unserer Welt möglich ist. Wir traten daher nicht zum ersten Mal auf, als wir auf diesem Planeten erschienen, sondern waren bereits einen langen, unermesslichen Weg der Aktivität und intelligenten Wahrnehmung auf anderen Globensystemen gegangen, von denen einige untergingen, lange bevor sich unser Sonnensystem verdichtete. Dieser ungeheure Umfang des Evolutionssystems bedeutet somit, dass der jetzt von uns bewohnte Planet das Ergebnis der Aktivität und Evolution eines anderen Planeten ist, der vor langer Zeit starb und seine Kräfte zum Aufbau der Erde gab, und dass die Bewohner der Erde ihrerseits von einer älteren Welt kamen, um hier in der Stofflichkeit ihr Schicksalswerk fortzusetzen. Die helleren Planeten, wie zum Beispiel die Venus, sind von noch weiter fortgeschrittenen Wesen bewohnt, die einst so tief standen wie wir, sich aber jetzt zu einer herrlichen Höhe entwickelt haben, die für unseren Intellekt unerfassbar ist.

Das intelligenteste Wesen im Universum, der Mensch, ist deshalb nie ohne Freunde gewesen. Er besitzt einen Stamm von älteren Brüdern, die beständig über die Entwicklung der weniger Fortgeschrittenen wachen. Sie wahren das in Äonen durch Prüfungen und Erfahrungen erworbene Wissen und suchen ständig nach Möglichkeiten, die Intelligenz, die sich in der Rasse auf diesem oder anderen Globen entwickelt, zur Betrachtung der großen Wahrheiten über die Bestimmung der Seele zu bewegen. Diese älteren Brüder bewahren auch das Wissen, das sie über die Naturgesetze aller Bereiche erworben haben, und sie sind bereit, dieses Wissen jederzeit zum Wohl der Menschheit einzusetzen, wenn das zyklische Gesetz es gestattet. Sie haben schon immer eine Gemeinschaft gebildet, in der sich alle gegenseitig kennen, ganz gleich, in welchem Teil der Welt sie leben mögen, und alle wirken auf vielfältige Art für die Rasse. In manchen Epochen sind sie den gewöhnlichen Menschen gut bekannt und bewegen sich unter ihnen, wann immer die Gesellschaftsstruktur und der sittliche und geistige Entwicklungszustand der Völker es ermöglichen. Würden sie nämlich sonst öffentlich auftreten und würde überall von ihnen gesprochen, dann würden sie von einigen als Götter verehrt und von anderen als Teufel verfolgt werden. In solchen Zeiten öffentlichen Wirkens waren einige von ihnen Regenten von Völkern, andere waren Lehrer und einige traten als große Philosophen hervor, während weitere selbst damals unbekannt blieben und nur den Fortgeschrittensten der Gemeinschaft bekannt waren.

Beim gegenwärtigen Stand unserer fast ausschließlich auf Geld, Ruhm, Glanz und Persönlichkeitskult gestützten Zivilisation würde ein öffentliches Auftreten ihren beabsichtigten Zielen direkt schaden. Dieses Zeitalter ist aber, wie einer von ihnen schon gesagt hat, „eine Übergangszeit“, in der sich alle Gedankensysteme – Wissenschaft, Religion, Staat und Gesellschaft – verändern. Das Denkvermögen der Menschen bereitet sich erst auf die Umwandlung in den Zustand vor, der die Menschheit das Stadium erreichen lässt, das es diesen älteren Brüdern ermöglicht, uns ihre wirkliche Gegenwart zu zeigen. Weil sie die Wahrheit die Zeitalter hindurch übermittelt haben, kann man sie in der Tat als die Fackelträger der Wahrheit bezeichnen. Sie erforschen alle Dinge und Wesen, sie kennen die innerste Natur des Menschen, seine Kräfte und seine Bestimmung, seinen Zustand vor der Geburt und die Zustände, die er nach dem Tod seines Körpers durchläuft. Sie standen an der Wiege der Völker und sahen die ungeheuren Leistungen der alten Kulturen. Traurig waren sie Zeugen des Untergangs jener Zivilisationen, die dem zyklischen Gesetz des Aufstiegs und Verfalls nicht widerstehen konnten. Wenn es auch so scheint, als hätten Naturkatastrophen alle damalige Kunst, Architektur, Religion und Philosophie völlig vernichtet, so haben sie dennoch Aufzeichnungen über alles aufbewahrt, an Orten, die vor menschlichen und zeitbedingten Zerstörungen sicher sind. Geschulte Seher aus ihren eigenen Reihen haben die unsichtbaren Bereiche von Natur und Geist bis ins Kleinste erforscht und die Ergebnisse ihrer Untersuchungen aufgezeichnet und aufbewahrt. Sie meisterten die Mysterien von Ton und Farbe, die allein die Kommunikation mit den elementalen Wesen hinter dem materiellen Schleier möglich machen. Daher können sie erklären, warum und weshalb es regnet, ob die Erde hohl ist oder nicht, was den Wind wehen und das Licht leuchten lässt; und, was ein größeres Meisterstück als alles ist – eines, das die Kenntnis der innersten Grundlagen der Natur voraussetzt –, sie wissen, was die letztendlichen Zeiteinteilungen sind und kennen die Bedeutung und Phasen der Zyklen.

Aber, so fragt der vielbeschäftigte moderne Mensch, der Zeitungen liest und an den „modernen Fortschritt“ glaubt, warum haben dann diese älteren Brüder – wenn sie all das sind und können, was ihnen hier zugeschrieben wird – in der Geschichte keinen Eindruck hinterlassen und keine Menschen um sich geschart? Ihre eigene Antwort, die vor einiger Zeit von Mr. A. P. Sinnett veröffentlicht wurde, sagt mehr, als ich darüber schreiben könnte:

„Wenn es Ihnen recht ist, wollen wir zuerst die [Frage] besprechen, die von der Annahme ausgeht, dass es der „Bruderschaft“ nicht geglückt sei, irgendwelche Spuren in der Weltgeschichte zu hinterlassen. Es hätte ihr doch, so schließen Sie, mit ihren außerordentlichen Möglichkeiten leicht fallen müssen, einen beträchtlichen Teil der geistig aufgeschlosseneren Menschen aus jeder Rasse in ihren Schulen zu sammeln. Woher wissen Sie, dass sie keinen solchen Eindruck hinterlassen hat? Sind Ihnen ihre Bestrebungen, Erfolge und Misserfolge bekannt? Haben Sie irgendeinen Gerichtshof, vor dem Sie sie anklagen können? Wie könnte eure Welt Beweise von den Taten der Männer sammeln, die eifrigst jeden möglichen Zugang verschlossen hielten, durch den sie von Neugierigen hätten ausspioniert werden können? Die Hauptvoraussetzung ihres Erfolgs war stets, dass sie nie überrascht oder behindert werden konnten. Was sie getan haben, wissen allein sie selbst. Die ihrem Kreis nicht angehören, konnten nur die Auswirkungen beobachten, deren Ursachen vor fremden Blicken geschützt wurden. Um diese Wirkungen zu erklären, haben in den verschiedenen Jahrhunderten viele Menschen Theorien über Eingriffe von Göttern, Fügungen des Himmels, Schicksalsmächte und förderliche oder feindliche Gestirnseinflüsse aufgestellt. Während der sogenannten geschichtlichen Zeit und auch schon vorher haben jedoch unsere Vorläufer in allen Zeiten die Ereignisse beeinflusst und ‘Geschichte gemacht’, deren Fakten später von den Historikern ausnahmslos den jeweils herrschenden Vorurteilen angepasst wurden. Sind Sie sich dessen ganz sicher, dass die bekannten heroischen Gestalten in den aufeinander folgenden Dramen nicht oft nur ihre Marionetten waren? Wir haben nie vorgegeben, wir könnten ganze Nationen gegen die Strömung der kosmischen Weltverhältnisse zu diesem oder jenem Wendepunkt führen. Die Zyklen müssen ihre Runden durchlaufen. Perioden des geistigen und moralischen Lichts wechseln mit solchen der Finsternis wie Tag und Nacht. Die größeren und kleineren Yugas müssen sich gemäß der bestehenden Ordnung aller Dinge auswirken. Und wir, die von der mächtigen Flut mitgetragen werden, können nur einige kleinere Strömungen abändern und dirigieren.“

Das zyklische Gesetz bedingt, dass sich die wahre Philosophie während der dunklen Perioden der Geistesgeschichte zeitweise zurückzieht. Das gleiche Gesetz verursacht jedoch auch ihr Wiedererscheinen so gewiss, wie die Sonne täglich aufgeht und das menschliche Denken sie wahrnimmt. Manche Arbeiten kann nur der Meister ausführen, während für andere die Mitwirkung der Gefährten nötig ist. Es ist des Meisters Aufgabe, die wahre Philosophie zu bewahren, ihre Wiederentdeckung und Verbreitung bedarf jedoch der Hilfe der Gefährten. Wieder einmal haben die Älteren Brüder angedeutet, wo die Wahrheit – Theosophie – zu finden ist, und in der ganzen Welt bemühen sich die Mitarbeiter um eine immer größere Anerkennung und Verbreitung.

Die Älteren Brüder der Menschheit sind Menschen, die ihre Vollkommenheit in früheren Evolutionsperioden errungen haben. Diese Manifestationsperioden sind den modernen Evolutionisten, soweit es ihre Reihe betrifft, unbekannt, obwohl diese Perioden schon lange nicht nur den alten Hindus, sondern auch den großen Denkern und jenen Menschen bekannt waren, welche die erste reine und unverfälschte Form der griechischen Mysterien einrichteten und weiterführten. Die Perioden, in denen die sichtbaren Welten aus dem großen Unbekannten hervortreten, sind in ihrem Kommen und Gehen ewig, sie wechseln mit gleichen Perioden der Stille und Ruhe wieder im Unbekannten. Das Ziel dieser mächtigen Wogen ist die Erschaffung des vollkommenen Menschen, die Evolution der Seele, und sie sind stets Zeugen für den Zuwachs an Älteren Brüdern. Diese Wogen spiegeln sich im Leben des einfachsten Menschen als Tag und Nacht, Wachen und Schlafen, Geburt und Tod, „denn diese beiden: Licht und Finsternis, Tag und Nacht, sind der Welt ewige Wege“.

In jedem Zeitalter und in jeder vollständigen nationalen Geschichte eines Volkes gab man diesen mächtigen und mitfühlenden Menschen verschiedene Namen. Man nannte sie Initiierte, Adepten, Magier, Hierophanten, Könige des Ostens, Weise, Brüder und vieles mehr. Die Sanskritsprache hat jedoch ein Wort für sie, das sie sofort aufs engste mit der Menschheit verbindet. Es lautet Mahatma. Es ist zusammengesetzt aus mahā „groß“ und Ātman „Seele, Geist“. Das Wort besagt daher: Große Seele, und da alle Menschen Seelen sind, unterscheidet sich der Mahatma durch Größe. Der Begriff ‘Mahatma’ gelangte durch die Theosophische Gesellschaft zu weiter Verbreitung, weil sich H. P. Blavatsky ständig auf die Mahatmas als ihre Meister bezog, von welchen ihr Wissen stammte. Zuerst waren sie nur als die Brüder bekannt, aber später, als sich viele Hindus der theosophischen Bewegung anschlossen, kam der Name Mahatma in Verwendung, da eine ungeheuer umfangreiche indische Tradition und Literatur hinter diesem Begriff steht. Skrupellose Feinde der Theosophischen Gesellschaft haben verschiedentlich behauptet, dass selbst diese Bezeichnung erfunden worden sei und dass solche Wesen weder bei den Indern noch aus ihrer Literatur bekannt seien. Solche Behauptungen werden jedoch nur aufgestellt, um möglicherweise eine philosophische Bewegung mundtot zu machen, die die vorherrschenden irrigen theologischen Dogmen gänzlich über den Haufen zu werfen droht. In der gesamten hinduistischen Literatur werden die Mahatmas oft erwähnt, und in einigen nördlichen Landesteilen ist dieser Begriff Allgemeingut. In der Bhagavat-Gītā, einer uralten Dichtung, die von allen Hindusekten verehrt und deren edle Schönheit von westlichen Kritikern anerkannt wird, lautet ein Vers: „Solch ein Mahatma ist schwer zu finden.“

Abgesehen von allen Streitigkeiten über bestimmte Namen gibt es jedoch genügend Argumente und Beweise, aus denen hervorgeht, dass stets eine Gruppe von Menschen mit dem oben beschriebenen wunderbaren Wissen existiert hat und wahrscheinlich auch heute existiert. Die alten Mysterien verweisen dauernd auf sie. Das Alte Ägypten besaß sie in Form der großen Königseingeweihten, als Söhne der Sonne und Freunde der Götter. Es besteht die Neigung, die Ideen der alten Völker zu belächeln. Damit belächelt sich der heutige Mensch selbst. Sogar Christen, die Abraham ehrfürchtig als den „Freund Gottes“ bezeichnen, werden geringschätzig über eine solche Ehren- und Titelanmaßung lachen, wenn ägyptische Herrscher die gleiche Freundschaft beanspruchen. In Wirklichkeit waren diese großen Ägypter jedoch Eingeweihte, Mitglieder der einen Großen Loge, der auch alle anderen – gleich welcher Stufe oder Funktion – angehören. Die späteren, im Niedergang befindlichen Ägypter, haben ihre Vorgänger offensichtlich imitiert; das geschah aber erst, nachdem die wahre Lehre durch die allmähliche Entstehung von Dogmen und Priesterschaft wieder einmal getrübt wurde.

Die Lebensgeschichte des Apollonius von Tyana handelt von einem Mitglied aus einem dieser uralten Orden, das in einem absteigenden Zyklus unter den Menschen auftrat, mit dem alleinigen Ziel, für die kommenden Generationen auf der Weltbühne ein Zeugnis abzulegen.

Abraham und Moses, vom Stamme der Juden, waren zwei weitere Initiierte oder Adepten, die ihre Aufgabe mit einem bestimmten Volk auszuführen hatten. In der Geschichte Abrahams begegnet uns Melchisedek, der so hoch über Abraham stand, dass er ihm eine Würde, ein Privileg oder einen Segen erteilen konnte. Das gleiche Kapitel der Menschheitsgeschichte, das die Namen Moses und Abraham erwähnt, wird auch durch den Namen Salomon erhellt. Diese drei bilden somit eine große Triade von Adepten, deren überlieferte Taten kaum als nicht fundiert und töricht beiseite geschoben werden können.

Moses wurde von Ägyptern und Midianitern ausgebildet. Von beiden erwarb er ein großes okkultes Wissen. Jeder klar sehende Schüler der großen Universalmaurerei kann in seinen Büchern überall die Hand, den Plan und die Arbeit eines Meisters erkennen. Auch Abraham wusste alles über die Künste und vieles über die Kräfte in den psychischen Bereichen, die zu seiner Zeit gepflegt wurden, sonst hätte er nicht mit Königen verkehren und der „Freund Gottes“ gewesen sein können. Allein der Hinweis auf seine Gespräche mit dem Allmächtigen über die Zerstörung von Städten genügt schon, um ihn als Adepten auszuweisen, der schon längst über die Stufe zeremonieller oder anderer zusätzlicher Hilfsmittel hinausgewachsen war. Salomon vervollständigt diese Triade und ragt mit feurigen Lettern hervor. Es hat sich um ihn, über seinen Umgang mit den Naturkräften und über seine magischen Fähigkeiten eine so große Anzahl von Legenden und Erzählungen gebildet, dass man die ganze alte Welt als Narrenschar verdammen müsste, die zur Belustigung Lügengeschichten erfand, wenn man in Abrede stellt, dass Salomon ein großer Charakter, ein herrliches Beispiel für die Inkarnation eines mächtigen Adepten unter den Menschen war. Wir brauchen nicht auf dem Namen Salomon zu bestehen, noch auf der Behauptung, er habe über die Juden geherrscht, aber wir müssen zugeben, dass irgendwann in der fernen Vergangenheit, auf die die jüdischen Berichte hinweisen, bei irgendeinem Volk der Erde jemand gelebt haben muss, der ein Adept war und dem später dieser Name beigemessen wurde. Peripatetiker und superkluge Kritiker mögen in der allgemeinen Verbreitung der universalen Tradition nur einen Beweis für die Leichtgläubigkeit der Menschen und für ihren Nachahmungstrieb sehen; der wirkliche Schüler der menschlichen Natur und des Lebens weiß jedoch, dass die universale Tradition wahr ist und auf Tatsachen der Menschheitsgeschichte beruht.

Beim Blick auf Indien, das von dem gierigen und egoistischen, mit Krieg und Handel beschäftigten Westen so lange vergessen und ignoriert wurde, finden wir ein Land voller Überlieferungen über diese großartigen Männer, von denen Noah, Abraham, Moses und Salomon nur Beispiele sind. Aufgrund ihrer Veranlagung und der klimatischen Verhältnisse ist die dortige Bevölkerung zur Bewahrung der philosophischen, ethischen und seelischen Schätze befähigt, die uns für immer verloren gegangen wären, wenn dort die gleiche vandalische Zerstörungswut geherrscht hätte wie bei den westlichen Völkern in den Anfängen ihres Kampfes um Bildung und Zivilisation. Wenn jene Männer, die so rücksichtslos die ungeheuren Mengen an historischen und ethnologischen Schätzen verbrannten, die von den Günstlingen der katholischen Herrscher Spaniens in Zentral- und Südamerika aufgefunden worden waren, auch die Bücher- und Palmblattsammlungen Indiens gekannt und in Beschlag hätten nehmen können, bevor der schützende Schild Englands gegen sie erhoben wurde, dann hätten sie auch in Indien alles zerstört wie in Amerika und wie ihre Vorgänger es mit der Alexandrinischen Bibliothek versucht hatten. Zum Glück war es anders gekommen.

Im gesamten Strom indischer Literatur kann man dutzendweise die Namen großer Adepten finden, die dem Volk wohl bekannt waren und alle die gleiche Geschichte lehrten – das große Epos der Menschenseele. Ihre Namen klingen westlichen Ohren fremd. Aber die Aufzeichnungen ihrer Ideen, ihres Wirkens und ihrer Kräfte sind geblieben. Mehr noch, in dem ruhigen, gelassenen Osten gibt es heute Hunderte von Menschen, die aus eigener Kenntnis wissen, dass die Große Loge mit ihren Mahatmas, Adepten, Initiierten und Brüdern noch existiert. Und weiter: Es gibt in diesem Land eine solche Anzahl von Experten für die praktische Anwendung einer zwar geringen, aber immer noch sehr erstaunlichen Macht über die Natur und ihre Kräfte, dass uns eine überwältigende Zahl menschlicher Zeugen zur Stützung dieser Behauptung zur Verfügung steht.

Und wenn Theosophie – die Lehre dieser Großen Loge – wie schon gesagt, wissenschaftlich und religiös ist, dann bietet uns die ethische Seite noch mehr Beweise. Eine mächtige Dreiheit, die Ethik als Grundlage und Instrument gebraucht, wurde von Buddha, Konfuzius und Jesus gebildet. Ersterer, ein Hindu, gründete eine Religion, die heute mehr Menschen umfasst als das Christentum, und er lehrte Jahrhunderte vor Christus die von diesem vertretene Ethik, die aber auch schon Jahrhunderte vor Buddha gelehrt worden war. Jesus, der zur Reformierung seines Volkes kam, wiederholte diese uralte, zeitlose Ethik, und Konfuzius tat das Gleiche für das alte, ehrwürdige China.

Der Theosoph sagt nun, dass alle diese berühmten Namen Mitglieder der einen, einzigen Bruderschaft bezeichnen, die alle eine einzige Lehre besitzen. Die außergewöhnlichen Persönlichkeiten, die hin und wieder in der westlichen Zivilisation auftreten, wie St. Germain, Jakob Böhme, Cagliostro, Paracelsus, Mesmer, Graf St. Martin und H. P. Blavatsky sind Mittler, die zur rechten Zeit Arbeiten für die Große Loge ausführen. Es stimmt, dass diese Menschen gewöhnlich geschmäht und als Betrüger eingestuft werden, obwohl sich kein Grund dafür finden lässt, da sie dem Allgemeinwohl dienen, Lehrsätze vorlegen oder Entdeckungen machen, die nach ihrem Tod für die Wissenschaft oft von großem Wert sind. Aber selbst Jesus würde heute ein Betrüger genannt werden, wenn er in der Fifth Avenue in einer der großen theatralischen Kirchen erscheinen und die angeblichen Christen zurechtweisen würde. Paracelsus war der Schöpfer wertvoller, jetzt allgemein angewandter medizinischer Behandlungsmethoden. Mesmer lehrte – unter anderer Bezeichnung – die Hypnose, Madame Blavatsky brachte dem Westen erneut das der Großen Loge seit langem bekannte, äußerst wichtige Lehrsystem über den Menschen, sein Wesen und seine Bestimmung. Alle werden jedoch in gleicher Weise als Betrüger bezeichnet, von einem Volk, das selbst keine eigene Philosophie entwickelt hat und dessen Armut und Kriminalität jede andere Zivilisation in der Welt an Elend und Häufigkeit weit übertrifft.

Fast alle westlichen Leser werden sich fragen, wie Menschen überhaupt ein so großes Wissen haben und eine solche Macht über die Funktionen des Naturgesetzes besitzen können, wie ich es den jetzt so allgemein als Mahatmas bezeichneten Eingeweihten zugeschrieben habe.

In Indien, China und in anderen orientalischen Ländern wäre man über solche Dinge nicht erstaunt, weil man dort trotz der augenblicklich sehr rückständigen wirtschaftlichen Entwicklung nie den Glauben an die innere Natur des Menschen und an die dem Willen zu Gebote stehende Macht verloren hat. Infolgedessen hat es bei diesen Menschen nie an lebendigen Beispielen für solche Kräfte und Fähigkeiten gemangelt. Im Westen jedoch, wo aufgrund einer Reaktion gegen einen unlogischen Dogmatismus die Verneinung der Existenz und des Wesens der Seele entstand, woraus sich wiederum eine materialistische Gesellschaft entwickelt hat, fand keine Erforschung dieser Gegenstände statt. Bis vor kurzem glaubte man allgemein noch nicht an die Möglichkeit, dass außer einem spekulativen Gott jemand solche Kräfte besitzen könne.

Weil ein Mahatma ein vollkommener Mensch geworden ist, kann er über Raum, Zeit, Denkvermögen und Materie verfügen. Jeder Mensch trägt alle den großen Eingeweihten zugeschriebenen Kräfte als Anlage in sich, der Unterschied liegt nur darin, dass wir im Allgemeinen den in uns liegenden Keim nicht entwickelt haben, während ein Mahatma sich der Schulung und der Übung unterzog, die zur Entwicklung all seiner unsichtbaren inneren menschlichen Kräfte führten und ihm Fähigkeiten verliehen, die seinem hinter ihm kämpfenden Bruder gottgleich erscheinen. Telepathie, Gedankenlesen und Hypnose, der Theosophie seit langem bekannt, deuten auf bisher ungeahnte Bewusstseinsebenen, Funktionen und Fähigkeiten im menschlichen Wesen. Das Gedankenlesen und die Beeinflussung des Denkens eines Hypnotisierten aus der Ferne beweisen die Existenz eines Denkens, das nicht völlig vom Gehirn abhängig ist, und dass ein Medium vorhanden sein muss, das die Beeinflussung überträgt. Aufgrund eben dieses Gesetzes können die Initiierten ungeachtet der Entfernung in gegenseitige Verbindung treten. Das von der Schule der Hypnotiseure noch nicht anerkannte Grundprinzip lautet, dass die beiden Gehirne, wenn sie im gleichen Rhythmus schwingen oder sich in den gleichen Zustand versetzen, synchron denken – mit anderen Worten, der ferne Hörer empfängt den vom Partner ausgesendeten Impuls. Genauso verhält es sich mit allen anderen Kräften, ungeachtet wie außergewöhnlich. Obwohl jetzt ungewöhnlich, sind sie dennoch alle natürlich, genauso wie eine große musikalische Begabung natürlich, aber nicht gewöhnlich oder allgemein ist. Wenn ein Initiierter einen festen Gegenstand ohne Berührung bewegen kann, so deshalb, weil er die beiden Gesetze der Anziehung und Abstoßung völlig versteht. „Gravitation“ bezeichnet nur eines dieser beiden Gesetze. Wenn ein Mahatma aus der unsichtbaren Luft den bekanntlich darin enthaltenen Kohlenstoff ausfällt und damit Sätze zu Papier bringt, so geschieht das vermöge seiner Kenntnis der höheren okkulten Chemie und der Anwendung einer geschulten und gewaltigen Imaginationskraft, die jeder Mensch besitzt. Wenn er mühelos unsere Gedanken liest, dann macht er von den inneren und allein realen Sehkräften Gebrauch, die zur Wahrnehmung des fein gewobenen Bildes, das das vibrierende Gehirn um den Menschen webt, keiner Netzhaut bedürfen. Alles, was ein Mahatma ausführen kann, ist für den vollendeten Menschen natürlich, dass uns aber diese Kräfte bis jetzt nicht sofort offenbart werden, liegt daran, dass die Menschen bis jetzt im Allgemeinen selbstsüchtig sind und noch für das Gegenwärtige und das Vergängliche leben.

Ich wiederhole also, dass – obwohl die wahre Lehre eine gewisse Zeit für die Menschen verschwindet – sie wiederkehren muss; erstens weil sie in das unvergängliche Zentrum der menschlichen Natur eingeprägt ist, und zweitens weil die Loge sie für immer bewahrt, nicht nur in Form realer, objektiver Aufzeichnungen, sondern auch in den intelligenten und völlig selbstbewussten Menschen, die nach dem erfolgreichen Abschluss der zahlreichen Evolutionsperioden, die der unseren vorausgingen und in die wir jetzt involviert sind, den erworbenen kostbaren Besitz nicht mehr verlieren können. Und weil die Älteren Brüder das höchste Produkt der Evolution sind und weil nur durch sie – in Zusammenarbeit mit der ganzen Menschheitsfamilie – die weitere regelmäßige und fachgerechte Ausführung der Pläne des Großen Architekten des Universums durchgeführt werden kann, hielt ich es für richtig, auf sie und ihre Universale Loge hinzuweisen, bevor ich mich anderen Teilen des Themas zuwende.


II – Allgemeine Prinzipien

Die Lehren der Theosophie befassen sich gegenwärtig vor allem mit unserer Erde, obwohl ihr Gesichtskreis alle Welten umfasst, da kein Teil des manifestierten Universums außerhalb der einheitlichen Gruppe von Gesetzen steht, die auch auf uns einwirken. Da unser Globus zum Sonnensystem gehört, ist er sicherlich auch mit der Venus, dem Jupiter und anderen Planeten verbunden. Weil die große Menschheitsfamilie jedoch solange auf ihrem materiellen Träger – der Erde – bleiben muss, bis alle Einheiten der Menschheit, die bereit sind, vollkommen geworden sind, ist die Evolution dieser Familie für ihre Mitglieder sehr viel wichtiger. Einige Einzelheiten über die anderen Planeten mögen später folgen. Vorerst wollen wir einen allgemeinen Blick auf die Gesetze werfen, die alles beherrschen.

Das Universum evolviert aus dem Unbekannten, das kein noch so großer Mensch oder großer Denker zu erforschen vermag. Diese Evolution vollzieht sich in allen Welten auf sieben Ebenen oder auf sieben Arten oder nach sieben Methoden, und diese siebenfache Differenzierung verursacht, dass alle Welten des Universums und ihre Bewohner eine siebenfältige Konstitution besitzen. Wie schon im Altertum gelehrt wurde, sind die kleinen und die großen Welten Abbilder des Ganzen, und das winzigste Insekt wie auch das am höchsten entwickelte Wesen sind im Kleinen oder Großen nur Ebenbilder des gewaltigen, alles umfassenden Originals. Daraus entstand die von den hermetischen Philosophen verwendete Maxime: „Wie oben, so unten.“

Die Komponenten des siebenfältigen Universums können grob wie folgt dargestellt werden: Das Absolute, das Spirituelle, das Denkvermögen, die Materie, der Wille, Ākāśa oder Äther und Leben. Für ‘das Absolute’ können wir auch den Begriff Raum verwenden, denn der Raum ist das immer Seiende, worin alle Manifestationen stattfinden müssen. Das Sanskritwort Ākāśa wird anstelle von Äther verwendet, weil unsere Sprache bis jetzt noch kein Wort gebildet hat, das den außerordentlich feinstofflichen Zustand der Materie richtig beschreibt, der jetzt von der modernen Wissenschaft manchmal Äther genannt wird. Über das Absolute können wir nur aussagen: ES IST. Keiner der großen Lehrer der Weisheitsschule schreibt dem Absoluten bestimmte Eigenschaften zu, obwohl alle Eigenschaften im ES existieren. Unser Wissen beginnt mit der Differenzierung, und alle manifestierten Dinge, Wesen oder Kräfte sind nur Differenzierungen des großen Unbekannten. Es kann höchstens gesagt werden, dass das Absolute sich periodisch selbst differenziert und das Differenzierte periodisch wieder in sich einzieht.

Die erste Differenzierung ist – metaphysisch und zeitlich – das Spirituelle, mit dem auch Materie und Denkvermögen erscheinen. Ākāśa ist von Materie und Geist erzeugt. Wille ist die Kraft des aktiven Geistes. Und Leben stammt aus der Einwirkung des Ākāśa, des vom Geist bewegten Ākāśa auf die Materie.

Die hier genannte Materie ist jedoch nicht die gewöhnliche Materie, wie wir sie kennen. Es ist vielmehr die wirkliche Materie, die immer unsichtbar ist und manchmal als Urmaterie bezeichnet wurde. Im brahmanischen System heißt sie Mūlaprakṛiti. Die alten Lehren betonten stets, wie es jetzt auch die Wissenschaft zugesteht, dass wir nur die Erscheinung, nicht aber die essenzielle Natur, den Körper oder das Wesen der Materie sehen oder wahrnehmen können.

Das Denkvermögen ist der intelligente Teil des Kosmos. In der genannten groben Aufzählung der sieben Differenzierungen ist das Denkvermögen diejenige Komponente, in welcher der Plan des Kosmos fixiert oder enthalten ist. Dieser Plan wird von einer früheren Manifestationsperiode herübergebracht, die zu seiner ständig wachsenden Vervollkommnung beigetragen hatte. Den evolutionären Vervollkommnungsmöglichkeiten dieses Plans kann keine Grenze gesetzt werden, weil es für die periodischen Manifestationen des Absoluten kein Ende geben wird, sondern nur ein immerwährendes Ausströmen und Wiederzurückströmen ins Unbekannte.

Wo immer auch eine Welt oder ein Weltensystem evolviert – es existiert dafür ein festgelegter Plan im universalen Denkvermögen. Die ursprüngliche Kraft entstammt dem Geist, das Fundament wird durch die Materie gebildet, die in Wirklichkeit unsichtbar ist; die Lebenskraft versorgt alle Formen mit Leben, und Ākāśa ist das Bindeglied zwischen Materie einerseits und Geist-Denkprinzip andererseits.

Wenn eine Welt oder ein System das Ende bestimmter großer Zyklen erreicht, verzeichnet der Mensch eine Naturkatastrophe in der Geschichte oder Überlieferung. Derartige Überlieferungen gibt es in Fülle: bei den Juden die Sintflut, bei den Babyloniern ebenfalls eine große Flut, ebenso in den ägyptischen Papyri und in der hinduistischen Kosmologie, wobei alle nicht nur die lokale jüdische Tradition bestätigen, sondern auch auf frühere Lehren und auf dunkle Erinnerungen an periodische Zerstörungen und Erneuerungen hinweisen. Der jüdische Bericht ist nur ein unbedeutendes Bruchstück aus dem Mosaik des Tempels der Wahrheit. Neben den periodischen kleineren Fluten und Teilzerstörungen gibt es auch, wie die Lehre besagt, die universale Evolution und Involution. Der Große Atem strömt ewig aus und wieder ein. Wenn er ausströmt, erscheinen die Dinge, Welten und Menschen, und wenn er sich zurückzieht, verschwindet alles in die ursprüngliche Quelle.

Das ist das Wachen und Schlafen des Großen Wesens; der Tag und die Nacht Brahmās; der Prototyp für unser menschliches Wachen bei Tag und unseren Schlaf bei Nacht und für unseren Abgang von der Bühne am Ende des kurzen Menschenlebens sowie für unsere Wiederkehr, um unsere im letzten Leben nicht beendete Arbeit in einem weiteren Leben, an einem neuen Tag wiederaufzunehmen.

Das wirkliche Alter der Welt ist ein seit langem umstrittenes Thema bei den westlichen Forschern, die bis heute eine eigenartige Abneigung haben, sich aus den Aufzeichnungen der orientalischen Völker zu unterrichten, die viel älter sind als die des Westens. Die Orientalen besitzen aber in dieser Sache die Wahrheit. Es wird immerhin zugestanden, dass es vor vielen Jahrhunderten eine hochstehende ägyptische Kultur gab. Da heute keine Schulen antiker Gelehrsamkeit mehr existieren, die den modernen Stolz verletzen könnten, und vielleicht auch weil die Juden „aus Ägypten kamen“, um mit der falsch verstandenen mosaischen Tradition den modernen Fortschritt zu belasten, finden die ägyptischen Wandinschriften und die Papyri heute etwas mehr Anerkennung als das jetzt noch lebendige hinduistische Gedankengut und die Tradition. Denn die Hindus weilen noch unter uns, und es könnte doch keinesfalls angehen, dass eine arme und unterjochte Rasse ein Wissen über das Alter des Menschen und seine Welt besitzen kann, von dem die westliche, kriegs- und eroberungslustige Kulturblüte nichts weiß. Seit es den unwissenden Mönchen und Theologen Kleinasiens und Europas gelang, der damals entstehenden westlichen Kultur den mosaischen Bericht über die Schöpfung der Erde und des Menschen aufzuzwingen, standen selbst die gelehrtesten von unseren Wissenschaftlern ängstlich vor der Zahl der Jahre, die seit Adam vergangen sein sollen, weshalb ihre Überlegungen und Untersuchungen aufgrund von Vorurteilen auf falsche Bahnen gelenkt wurden, sobald ihnen eine Chronologie zu Augen kam, die von der Zeiteinteilung abwich, die von ein paar Stämmen des Sohnes Jakobs angenommen worden war. Selbst die edle, alte und schweigsame, von der steinernen Sphinx und Memnon bewachte Pyramide von Gizeh wurde von Piazzi Smyth und anderen für den Beweis missbraucht, dass das britische Zoll maßgebend sei und dass ein „Continental Sunday“ dem Gesetz des Allerhöchsten zuwiderlaufe. In den Schriften Mose, in denen man es doch am ehesten erwarten sollte, findet sich jedoch kein Hinweis auf die Pyramide, sondern nur ein Bericht über den Bau eines Tempels durch den König Salomon, von dem nie eine Spur gefunden wurde.

Der Theosoph weiß, warum sich die hebräische Tradition zu solch einem Hemmschuh für das westliche Denken entwickelte, er kennt den Zusammenhang zwischen den Juden und den Ägyptern, er weiß, was die Wiederauferstehung der alten Pyramidenerbauer ist und sein wird und wo die Pläne dieser alten Meistermaurer vor profanen Augen verborgen wurden, bis der Zyklus für ihr Wiedererscheinen herbeigekommen ist. Die Juden bewahrten nur einen Teil des ägyptischen Wissens, verborgen in den Buchstaben der mosaischen Bücher, wo er sich noch heute als der sogenannte kabbalistische oder verborgene Sinn der Bücher finden lässt. Die Seelen der Ägypter, die bei der Planung der Pyramide von Gizeh mitwirkten, die an der ägyptischen Regierung, Theologie, Wissenschaft und Kultur beteiligt waren, haben sich von ihrer damaligen Rasse getrennt. Die Rasse starb aus und die ehemaligen Ägypter setzten ihre Arbeit in den neu entstehenden Rassen des Westens fort, besonders in jenen, die jetzt den amerikanischen Kontinent wiederbevölkern. Als Ägypten und Indien noch jünger waren, bestand ein dauernder Austausch zwischen beiden Ländern. Nach theosophischer Ansicht hegten beide die gleichen Ideen. Das Schicksal bestimmte jedoch, dass nur die Hindus die alten Ideen lebendig bewahren sollten. Deshalb werde ich die Lehren über die Tage und Nächte, die Jahre und das Leben Brahmās, der das Universum und die Welten repräsentiert, den brahmanischen Schriften Hindustans entnehmen.

Die Lehre widerlegt die Interpretation, die man der mosaischen Tradition so lange beilegte, sofort, aber sie deckt sich völlig mit dem offenkundigen Bericht der Genesis über andere und frühere ‘Schöpfungen’, mit der kabbalistischen Struktur des alttestamentarischen Verses über die Könige von Edom, die dort präadamitische Evolutionsperioden repräsentieren, und sie stimmen auch mit dem Glauben einiger der älteren Kirchenväter überein, die ihren Brüdern von wundervollen früheren Welten und Schöpfungen berichteten.

Der Tag Brahmās soll eintausend Jahre dauern und seine Nacht ebenso lang. In der Bibel steht ein Vers, nach welchem ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag seien. Dieser Ausspruch wurde gewöhnlich als Verherrlichung der Macht Jehovas angesehen; er besitzt aber eine verdächtige Ähnlichkeit mit der älteren Lehre über die Länge von Brahmās Tag und Nacht. Dieser Vers hätte mehr Bedeutung, wenn er als Zeugnis für das periodische Auftreten gleichlanger großer Tage und Nächte des Universums angesehen würde, das aus manifestierten Welten besteht.

Ein Tag der Sterblichen wird nach der Sonne berechnet und dauert nur zwölf Stunden. Auf dem Merkur wäre seine Dauer anders, und noch verschiedener sind die Tage auf Saturn oder Uranus. Ein Tag Brahmās besteht jedoch aus sogenannten Manvantaras – oder Perioden zwischen zwei Menschheiten –, vierzehn an der Zahl. Diese umfassen 4 320 000 000 irdische Jahre und bilden einen Tag Brahmās.

Wenn dieser Tag anbricht, beginnt – soweit es dieses Sonnensystem betrifft – die kosmische Evolution. Bis zur Bildung der sehr etherischen ersten Materie, ehe die astralen Formwelten der Minerale, Pflanzen, Tiere und Menschen entstehen können, vergehen ein bis zwei Milliarden Jahre. Für den zweiten Schritt – die Bildung dieser Formwelten – werden etwa dreihundert Millionen Jahre benötigt, woran sich bis zur Entstehung der grobstofflichen, greifbaren Naturreiche, einschließlich des menschlichen, noch weitere materielle Verdichtungsprozesse anschließen. Diese benötigen über eineinhalb Milliarden Jahre. Die gegenwärtige ‘menschliche’ Phase umschließt bereits die Zahl von etwas über 18 Millionen Sonnenjahren.

Das entspricht genau der Vorstellung Herbert Spencers, der vom schrittweisen Hervortreten des Bekannten und Heterogenen aus dem Unbekannten und Homogenen spricht. Die alten hinduistischen und ägyptischen Theosophen vertraten nie eine Schöpfung aus dem Nichts, sondern bestanden immer streng auf einer gradweisen Evolution des Heterogenen und Differenzierten aus dem Homogenen und Undifferenzierten. Kein Verstand kann das Unendliche und das absolut Unbekannte erfassen, das keinen Anfang hatte und kein Ende haben wird, das sowohl das Letzte als auch das Erste ist, weil es, ob differenziert oder in sich selbst zurückgezogen, immer ist. Das ist der Gott, von dem die Bibel spricht, um dessen Gezelt immer Finsternis lagert.

Diese hinduistische Chronologie vom Kosmos und Menschen wird von den westlichen Orientalisten belächelt, aber sie können nichts Besseres dafür bieten und sie liegen über diese Fragen ständig in Streit. Wilson bezeichnet in seiner Übersetzung der Vishṇu Purānas das Ganze als ein Märchen und als eine unfundierte kindliche Prahlerei. Die Freimaurer schweigen dazu, obwohl sie es besser wissen müssten. Aus dem Bericht über den Bau von Salomons Tempel aus den verschiedenartigen, von überallher zusammengetragenen Materialien, wie er, ohne dass Lärm von Werkzeugen vernehmbar war, errichtet wurde, könnten sie die Übereinstimmung dieser Vorstellung mit der Auffassung ihrer ägyptischen und hinduistischen Brüder erkennen, denn Salomons Tempel bezeichnet den Menschen, dessen Gestalt ohne den geringsten Lärm aufgebaut, vollendet und ausgestattet wurde. Die Materialien dazu mussten jedoch von anderen und fernen Orten zusammengesucht, gesammelt und geformt werden. Das geschah in den vorhin erwähnten sehr fernen und stummen Evolutionsperioden. Der Mensch konnte seinen körperlichen Tempel erst erhalten und darin leben, nachdem alle notwendigen Materialien aus seiner Welt und deren Umgebung von dem Meister – dem inneren Menschen – gefunden worden waren. Nach der Auffindung des Materials mussten die Bearbeitungspläne detailliert werden. Sie mussten dann in ihren verschiedenen Einzelheiten durchgeführt werden, bis alle Teile vollkommen fertig und für die beabsichtigte Einfügung in den Organismus hergerichtet waren. In den ungeheuren Zeiträumen, die nach dem Sammeln und Verdichten der fast flüchtigen Materie anfingen, herrschten hier nur die materiellen und pflanzlichen Naturreiche mit dem Meister – dem Menschen – , der jedoch unsichtbar war und im Innern die Pläne für die Errichtung des menschlichen Tempels weiterführte. Diese Arbeit beanspruchte viele, viele Zeitalter, denn wir wissen ja, dass die Natur keine Sprünge macht. Als die groben Vorarbeiten beendet waren und der menschliche Tempel errichtet worden war, mussten noch viele Zeitalter vergehen, bis all die Diener, Priester und Ratgeber ihre Rollen richtig beherrschten, damit es dem Menschen, dem Meister, möglich war, den Tempel dem besten und höchsten Zweck entsprechend zu verwenden.

Die alte Lehre ist viel edler als die der christlichen Religion oder die der reinen Schulwissenschaft. Die Religion lehrt eine Theorie, die der Vernunft und den Tatsachen widerspricht, während die Wissenschaft für die von ihr beobachteten Tatsachen keine Erklärung hat, die irgendwie wertvoll oder geistig erhebend sind. Allein die Theosophie, die alle Systeme und Erfahrungen einschließt, bietet den Schlüssel, den Plan, die Lehre und die Wahrheit.

Das wirkliche Alter der Welt wird von der Theosophie als fast unberechenbar angegeben; das Alter des Menschen in seiner heutigen Form beziffert sie auf über 18 Millionen Jahre. Was seinerzeit schließlich Mensch wurde, ist jedoch ungeheuer viel älter, denn vor der Entstehung der beiden heutigen Geschlechtsformen hatte das menschliche Wesen in verschiedenen Zeiten unterschiedliche Formen, bis der ganze Plan sich schließlich zu unserer gegenwärtige Form, Funktion und Befähigung verwirklicht hatte. Darauf beziehen sich solche Hinweise, die man in den alten, für die Laienwelt geschriebenen Büchern findet, nach denen der Mensch einmal kugelförmig gewesen sei. Das war natürlich vor mehr als 18 Millionen Jahren, zu einer Zeit als die Zustände eine solche Form begünstigten. Als die Kugelform regulär vorherrschte, waren die jetzt bekannten Geschlechtsformen noch nicht differenziert, daher existierte nur eine einzige Geschlechtsform oder, wenn Sie wollen, gar keine.

Während all dieser Zeitalter, bevor unsere Menschenart ins Dasein trat, arbeitete die Evolution an der Vervollkommnung verschiedener Kräfte, die heute in unserem Besitz sind. Das wurde erreicht, indem das Ego – der wirkliche Mensch – in zahllosen, voneinander verschiedenen Materiezuständen Erfahrungen sammelte, wobei im Allgemeinen der gleiche Plan zugrunde lag und eingehalten wird, wie er der allgemeinen Evolution des Universums zugrunde liegt, auf den ich bereits hingewiesen habe. Das heißt, dass die Einzelheiten zuerst in sehr etherischen, ja metaphysischen Seinsebenen ausgearbeitet wurden. Der nächste Schritt führte zur Ausarbeitung der Einzelheiten in etwas dichterer Materie, bis schließlich die Ausführung in unserer jetzigen Materie, die wir irrtümlich als dichte Materie bezeichnen, durchgeführt werden konnte. In diesen vorhergegangenen Zuständen existierten die Sinne gewissermaßen in Keimform oder als Idee, bis die Astralregion erreicht wurde, die unserer Region am nächsten liegt; dann wurden sie zu den tatsächlichen Sinnen verdichtet, wie wir sie heute über den Weg der verschiedenen äußeren Organe gebrauchen. Diese äußeren Organe des Sehens, Fühlens, Hörens, Schmeckens und Riechens werden in Unwissenheit oder Gedankenlosigkeit oft für die wirklichen Organen und Sinne angesehen, wer aber tiefer nachdenkt, muss erkennen, dass die Sinne innerlicher Natur sind und dass die äußeren Organe nur die Mittler zwischen dem sichtbaren Universum und dem eigentlichen inneren Erkenner sind. Nachdem nun alle diese diversen Kräfte und Fähigkeiten in dem geschilderten Prozess langsam aber sicher herausgebildet worden waren, trat schließlich der Mensch als ein siebenfältiges Wesen auf den Schauplatz, so wie auch das Universum und unsere Erde siebenfältig sind. Jedes der sieben Prinzipien des Menschen stammt aus einer der ersten sieben großen Abteilungen des Kosmos, und jedes steht in Verbindung mit einem Planeten oder Evolutionsschauplatz und mit einer Rasse, in denen diese Entwicklung stattgefunden hat. Die erste siebenfache Differenzierung muss daher als sehr wichtig ins Gedächtnis eingeprägt werden, da sie die Grundlage für alles Folgende bildet. So wie die universale Evolution siebenfältig ist, so vollzieht sich auch die Evolution der Menschheit, die in ihrer Zusammensetzung siebenfältig ist, auf einer siebenfältigen Erde. Diese wird in der theosophische Literatur als die Siebenfältige Planetarische Kette bezeichnet, die mit der speziellen Evolution des Menschen eng verbunden ist.


III – Die Erdkette

Wenn wir uns unserer Erde zuwenden, so unterscheidet sich die theosophische Anschauung über ihre Entstehung und Evolution und über die Entwicklung der menschlichen, tierischen und anderweitigen Monaden stark von den modernen Vorstellungen. In machen Punkten ist sie den anerkannten Theorien genau entgegengesetzt. Die heutigen Theorien unterliegen dem Wechsel. Sie ändern sich in jedem Jahrhundert, wohingegen sich die theosophischen nie wandeln, da sie nach der Meinung jener Älteren Brüder, die ihre Wiederverbreitung herbeigeführt und zu ihrer Bestätigung auf alte Schriften hingewiesen haben, nur eine Darstellung von Naturtatsachen sind. Die moderne Theorie ist dagegen stets spekulativ, veränderlich; sie wird dauernd abgewandelt.

Entsprechend dem allgemeinen Plan, der auf den vorhergehenden Seiten umrissen wurde, ist die Erde siebenfältig. Sie ist eine Wesenheit und nicht nur ein Klumpen grober Materie. Da sie ein Wesen von siebenfältiger Natur ist, muss es folglich noch sechs weitere Globen geben, die mit dem Erdglobus durch den Weltraum wandern. Diese Gesellschaft von sieben Globen wurde als ‘Erdkette’ oder als ‘Planetarische Kette’ bezeichnet. In Esoteric Buddhism wurde das deutlich gesagt. Die Sache wurde dort jedoch ziemlich starr und materialistisch veranschaulicht, so dass der Leser annehmen muss, die Lehre spräche von sieben verschiedenen Globen, die trotz gegenseitiger Verbindung räumlich voneinander getrennt seien. Man muss annehmen, der Verfasser wollte sagen, dass unser Erdglobus von den anderen sechs genauso abgesondert sei wie etwa die Venus vom Mars.

Das entspricht nicht der Lehre. Die Erde ist einer von sieben Globen aufgrund des menschlichen Bewusstseins, weil dieses, wenn es auf einem der sieben Globen aktiv ist, diesen als separaten Globus wahrnimmt und die anderen sechs nicht sieht. Das trifft auch ganz auf den Menschen selbst zu, der noch sechs weitere Komponenten aufweist, von welchen ihm nur der grobstoffliche Körper sichtbar ist, weil er jetzt auf der Erde – dem vierten Globus – aktiv ist und sein Körper dem Körper der Erde entspricht. Die gesamten sieben ‘Globen’ bilden zusammen eine einzige Masse, einen großen Globus, und alle durchdringen sich gegenseitig. Wir müssen aber den Ausdruck ‘Globus’ verwenden, weil die elementare Form eben kugelförmig oder sphärisch ist. Wenn man sich zu eng an die von Sinnett gegebene Darstellung hält, könnte man meinen, diese sieben Globen würden sich nicht gegenseitig durchdringen, sondern sie seien durch Ströme oder magnetische Kraftlinien miteinander verbunden. Demselben Irrtum kann man unterliegen, wenn man sich, ohne die von H. P. Blavatsky gegebenen Erklärungen und Warnungen genügend zu beachten, zu eng an die in der Geheimlehre enthaltenen Diagramme hält, die das Schema erläutern sollen. Aber sowohl H. P. Blavatsky wie auch ihre Adepten-Lehrer sagen, dass die sieben Globen unserer Kette miteinander vereinigt, aber nicht gleichstofflich 1 sind. Das wird bekräftigt durch Warnungen vor unzulänglichen Statistiken und Diagrammen in zweidimensionaler Darstellung. Man solle vielmehr den metaphysischen und spirituellen Aspekt der Theorie betrachten, wie er im Englischen [Deutschen] dargelegt wurde. So besitzen wir aus derselben Quelle, aus der Mr. Sinnetts Buch stammt, die Feststellung, dass diese Globen in einer Masse vereinigt sind, obwohl sie sich substanzmäßig unterscheiden, und dass diese Substanzunterschiede aufgrund der Veränderung des Bewusstseinszentrums bestehen.

Die so definierte Erdkette von sieben Globen ist die direkte Wiederverkörperung einer früheren Kette von sieben Globen, und diese frühere Siebenerfamilie war die Mondkette. Der Mond selbst ist der sichtbare Repräsentant des vierten Globus der alten Kette. Als diese gewaltige frühere Wesenheit, die aus dem Mondglobus und weiteren sechs – alle in einer Masse vereint – zusammengesetzt war, ihr Lebensende erreicht hatte, starb sie genauso wie jedes andere Wesen stirbt. Jeder der sieben Globen sandte seine Energien in den Raum und übergab dem kosmischen Staub – der Materie – entsprechendes Leben oder Schwingungen, und die gesamte kohäsive Kraft des Ganzen hielt die sieben Energien zusammen. Daraus resultierte die Entwicklung unserer gegenwärtigen Erdkette aus sieben Energie- oder Evolutionszentren – vereinigt in einer Masse. Da der Mond der vierte Globus der alten Reihe war, befindet er sich auf der gleichen Wahrnehmungsebene wie die Erde, und da wir mit unserem Bewusstsein jetzt hauptsächlich auf die Erde beschränkt sind, können wir auch nur einen von den sieben alten Mondgloben sehen, das heißt unseren Mond. Wenn wir auf irgendeinem anderen der sieben Erdgloben aktiv sind, werden wir an unserem Himmel den entsprechenden alten Leichnam sehen, der ebenso ein Mond sein wird, und dann werden wir den gegenwärtigen Mond nicht sehen. Venus, Mars, Merkur und die anderen sichtbaren Planeten sind alle zur vierten Ebene gehörige Globen verschiedener planetarischer Massen, und aus diesem Grund sind sie für uns sichtbar, während ihre sechs ergänzenden Energie- und Bewusstseinszentren für uns unsichtbar sind. Alle Diagramme in ebener Darstellung verhüllen nur die Theorie, weil sie notwendigerweise lineare Einteilungen zur Folge haben.

Der Strom oder die Menge der Egos, die auf den sieben Globen unserer Kette evolvieren, ist zahlenmäßig begrenzt, dennoch ist das wirkliche Quantum enorm. Wenn auch das Universum grenzenlos und unendlich ist, so ist doch in jedem speziellen Bereich des Kosmos, in dem Manifestation und Evolution begonnen haben, sowohl der Manifestationsbereich wie auch die Zahl der damit verbundenen Egos begrenzt. Die Gesamtmenge der Monaden, die jetzt die Evolutionsprozesse auf unserer Erdkette durchläuft, kam jedoch von den von mir beschriebenen sieben alten Planeten oder Globen des Mondes. In Esoteric Buddhism wird diese Menge der Egos ‘eine Lebenswoge’ genannt, womit der Strom der Monaden gemeint ist. Er erreichte diese Planetenmasse, deren Zentrum für unser Bewusstsein die Erde ist, und begann mit Globus A oder Nr. 1. Er erschien wie eine Armee oder ein Strom. Die erste Abteilung begann mit Globus A und durchlief dort eine lange Evolution, in Körpern, die für den betreffenden Zustand der dortigen Materie geeignet waren. Dann ging dieser erste Teil der Lebenswoge auf Globus B über und so weiter durch alle sieben größeren Bewusstseinszustände, die wir auch ‘Globen’ nannten. Nachdem die erste Abteilung der Egos den Globus A verlassen hatte, strömten weitere herbei und verfolgten denselben Weg, wobei das ganze Heer mit Regelmäßigkeit die siebenfältige Bahn durchlief.

Diese Reise ging weiter, wobei das Ganze viermal umrundet wurde, womit dann der gesamte Strom oder die ganze Armee von Egos von der alten Mondkette angelangt war und – damit vollständig – traten ab der Mitte der vierten Runde keine weiteren Egos mehr über. Der gleiche Umrundungsprozess dieser zu verschiedenen Zeiten eingetroffenen Klassen geht weiter, bis sieben vollständige Runden durch alle sieben planetarischen Bewusstseinszentren durchlaufen sind, und wenn diese sieben Runden beendet sein werden und die in dieser ungeheuren Zeit mögliche Vollkommenheit erreicht sein wird, dann wird diese Kette oder Masse von ‘Globen’ ihrerseits sterben, um wiederum einer weiteren Siebenerkette ein neues Dasein zu geben.

Jeder der Globen wird von dem Evolutionsgesetz zur Entwicklung von sieben Rassen, Sinnen, Fähigkeiten und Kräften benützt, die den jeweiligen Zuständen der Materie entsprechen. Für eine vollständige Entwicklung ist die Erfahrung aus allen sieben Globen notwendig. Daher haben wir die Runden und Rassen. Eine Runde ist ein Umlauf durch die sieben Zentren des planetarischen Bewusstseins; eine Rasse bedeutet die rassische Entwicklung auf einem dieser sieben Zentren. Es gibt sieben Rassen für jeden Globus, aber die Summe von 49 Rassen ergibt tatsächlich nur sieben große Rassen, weil die speziellen Siebenergruppen von Rassen auf jedem Globus oder planetarischen Zentrum in Wirklichkeit nur eine Rasse mit sieben Konstituenten oder speziellen Eigenheiten der Funktion und Kraft bilden.

Da auf keinem der Globen eine vollständige Rasse ganz plötzlich evolviert werden könnte, müssen die langsamen, geordneten Prozesse der Natur, die keine Sprünge zulassen, durch geeignete Mittel vollzogen werden. Es müssen daher Unterrassen evolviert werden, eine nach der anderen, ehe die vollständige Wurzelrasse gebildet ist. Dann sendet die Wurzelrasse ihre Schösslinge aus, während sie absteigt und sich auf die Ankunft der nächsten großen Rasse vorbereitet.

Zur Erläuterung dieses Vorgangs wird unmissverständlich gelehrt, dass auf den beiden amerikanischen Kontinenten die neue – die sechste – Rasse evolvieren wird, und hier findet jetzt ein Verschmelzungsprozess aller Rassen der Erde statt, aus dem eine sehr hochentwickelte Unterrasse hervorgehen wird, in deren Folge weitere Unterrassen durch ähnliche Prozesse evolviert werden, bis die neue vollständig sein wird.

Zwischen dem Ende jeder großen Rasse und dem Beginn der nächsten tritt, soweit es den Globus betrifft, eine Ruheperiode ein, denn dann verlässt der Strom der menschlichen Egos den alten Globus und tritt auf einen anderen Globus der Kette über, um dort mit der Evolution der Kräfte und Fähigkeiten fortzufahren. Wenn aber die siebente und letzte große Rasse erschienen ist und sich vervollkommnet hat, tritt eine große Auflösung ein ähnlich der, die – wie ich kurz beschrieb – der Geburt der Erdkette vorausging. Dann verschwindet die Welt als greifbares Ding, und für das menschliche Ohr herrscht tiefe Stille. Das, so wird gesagt, ist die Wurzel des allgemein verbreiteten Glaubens, dass diese Welt zu Ende gehen und dass dann das Jüngste Gericht stattfinden wird oder dass es bereits universale Sintfluten oder Feuer gegeben hat.

Über den Anfang der Evolution auf der Erde wird berichtet, dass der Strom der Monaden zuerst die gesamte Materie erregt, die sich ganz in gasförmigen und feurigen Elementarzuständen befindet. Die archaische oder wahre Lehre besagt nämlich, dass ohne den belebenden Einfluss der Monade keine Evolution möglich ist. In diesem ersten Stadium gibt es keine Pflanze oder kein Tier. Als nächstes bilden sich die Mineralien, wenn sich das Ganze verfestigt, die Monaden sind darin eingeschlossen. Dann treten die ersten Monaden in Pflanzenformen über, die sie sich selbst aufbauen; aber noch erscheinen keine Tiere. Als nächstes tritt die erste Klasse der Monaden aus dem Pflanzenreich heraus und schafft das tierische, dann das menschlich-astrale, noch schattenhafte Modell. Wir haben jetzt Mineralien, Pflanzen, Tiere und zukünftige Menschen. Die zweiten und späteren Monadenklassen evolvieren noch immer in den unteren Naturreichen. Wenn die Mitte der vierten Runde erreicht ist, treten keine weiteren Monaden mehr in die menschliche Stufe ein; das wird erst wieder möglich werden, wenn sich eine neue planetarische Masse, die Wiederverkörperung der unsrigen, gebildet haben wird. Das ist in groben Zügen der gesamte Prozess, wobei freilich viele Einzelheiten weggelassen wurden, denn in einer der Runden erscheint der Mensch vor den Tieren. Dieses Detail braucht jedoch keine Verwirrung zu stiften.

Der Vorgang kann auch etwas anders dargestellt werden: Der ganze Plan entsteht zuerst im Universalbewusstsein. Danach wird das astrale Modell oder die astrale Basis geschaffen, und wenn dieses Astralmodell fertiggestellt ist, wird der ganze Prozess der Verdichtung der Materie bis zur Mitte der vierten Runde durchgeführt. Dann – und das ist unsere Zukunft – wird das Ganze mit vollem Bewusstsein spiritualisiert und die ganze Ansammlung von Globen wird auf eine höhere Entwicklungsebene emporgehoben. Bei dem oben erwähnten Verdichtungsprozess gibt es eine Abweichung in Bezug auf das Erscheinen des Menschen auf dem Planeten. Aber im Hinblick auf diese Details sagten die Lehrer lediglich, „dass in der zweiten Runde der Plan abweicht, dass diese Abweichung jedoch dieser Generation nicht mitgeteilt wird“. Daher kann auch ich nichts darüber sagen. Aber es besteht nicht die geringste Unklarheit darüber, dass sieben große Rassen hier auf diesem Planeten evolvieren müssen und dass die ganze Sammlung von Rassen siebenmal die ganze Serie der sieben Globen umrunden muss.

Die Menschen traten anfangs nicht in zwei Geschlechtsformen auf. Die ersten Menschen waren geschlechtslos, dann veränderten sie sich zu Hermaphroditen und erst zuletzt trennten sie sich in männlich und weiblich. Diese Trennung in das männliche und das weibliche Geschlecht ereignete sich vor über 18 Millionen Jahren. Aus diesem Grund wird in den archaischen Schulen gesagt, dass unsere Menschheit etwas über 18 Millionen Jahre alt ist.


IV – Die siebenfältige Konstitution des Menschen

Über die Natur des Menschen haben sich in den christlich-religiösen Kreisen zwei Vorstellungen eingebürgert. Die eine ist die Lehre selbst, die andere deren volkstümliche Deutung. Nun, die Lehre selbst ist gewiss kein Geheimnis in der Kirche, sie wird aber in den Predigten so selten erwähnt, dass sie den Laien fast unbekannt ist. Es sagt zwar fast jeder, er besitze einen Körper und eine Seele, doch damit hört es auf. Was die Seele ist und ob sie die wirkliche Person ist oder ob sie irgendwelche eigenen Kräfte besitzt, wird nicht gefragt; die Geistlichen befassen sich gewöhnlich nur mit ihrer Rettung oder Verdammung. Und weil in einer Art über sie gesprochen wird, als sei sie etwas von uns Verschiedenes, hat sich bei den Anhängern die Vorstellung eingeschlichen, sie seien keine Seelen, da man diese ja verlieren könne. Hieraus entstand auch der Hang zum Materialismus, der die Menschen dem Körper größere Bedeutung zukommen ließ als der Seele, wobei letztere der zarten Fürsorge römisch-katholischer Priester überlassen wird, während die Andersgläubigen die Pflege der Seele meistens bis zum Todestag aufschieben. Wenn aber die wirkliche Lehre bekannt wird, dann wird man erkennen, dass die Betreuung der Seele – die das Selbst ist – eine lebenswichtige Angelegenheit ist, die jeden Tag und jede Stunde Aufmerksamkeit erfordert und nicht ohne schwere Schädigung für den ganzen Menschen – Seele und Körper – vernachlässigt werden darf.

Die christliche Lehre, gestützt auf Paulus, auf dem in Wirklichkeit das christliche Dogma ruht, sagt, der Mensch bestehe aus Körper, Seele und Geist. Das ist die dreiteilige Konstitution des Menschen, die von den Theologen geglaubt, jedoch im Hintergrund gehalten wird, weil eine nähere Prüfung zur Wiederaufnahme von Lehren führen könnte, die früher einmal orthodox waren, jetzt aber als ketzerisch gelten. Denn wenn die Seele so zwischen Körper und Geist gestellt wird, dann drängt sich stark die Notwendigkeit auf, nach der Verantwortlichkeit der Seele zu fragen, weil der Körper an sich keine Verantwortung tragen kann. Wenn aber die Seele für begangene Handlungen verantwortlich gemacht wird, müssen wir voraussetzen, dass sie Fähigkeiten und Funktionen besitzt. Von da aus gelangt man leicht zu dem Schluss, dass die Seele vernünftig oder unvernünftig sein kann, wie manche Griechen glaubten, und dann ist es nur ein Schritt zu weiteren theosophischen Feststellungen. In dieser schematischen Dreigliederung der menschlichen Natur steckt tatsächlich die theosophische Lehre über die siebenfältige Zusammensetzung des Menschen, weil die vier in der Aufzählung noch fehlenden Prinzipien Kräfte und Funktionen des Körpers und der Seele sind, wie ich später noch zeigen werde. Die Überzeugung, dass der Mensch eine Siebenheit und nicht nur eine Duade ist, herrschte schon vor langer Zeit und wurde jedermann durch begleitende Beispiele sehr klar gelehrt; wie so viele andere philosophische Lehrsätze geriet sie jedoch in Vergessenheit, weil sie in den Mittelmeerländern Europas allmählich zurückgezogen wurde, als die Moral entartete, noch ehe der Materialismus mit seinem Zwillungsbruder Skeptizismus die volle Herrschaft erlangt hatte. Nach der Zurücknahme verblieb dem Christentum das gegenwärtige Dogma von Geist, Seele und Körper. Der Grund für die Verhüllung und für die Wiedererneuerung dieser Lehre in diesem Jahrhundert [1888] wird von H. P. Blavatsky in ihrem Buch Die Geheimlehre erklärt. Auf die Frage: „Wir können nicht verstehen, wie aus der Enthüllung einer so rein philosophischen Lehre wie der Evolution der planetarischen Kette irgendeine Gefahr entstehen könnte?“ antwortete sie:

„Die Gefahr war diese: Lehren wie die von der planetarischen Kette oder von den sieben Rassen bieten sofort einen Schlüssel für die siebenfältige Natur des Menschen, da jedes Prinzip mit einer Ebene, einem Planeten und einer Rasse in Wechselbeziehung steht. Ferner stehen die menschlichen Prinzipien auf jeder Ebene in Wechselbeziehung zu den siebenfältigen okkulten Kräften des Kosmos, wovon die der höheren Ebenen eine ungeheure okkulte Kraft besitzen, deren Missbrauch der Menschheit unberechenbaren Schaden zufügen würde. Ein Schlüssel, der für die heutige Generation vielleicht kein Schlüssel ist – besonders für die westlichen Nationen – da sie gerade durch ihre Blindheit und durch den ignoranten, materialistischen Unglauben an das Okkulte geschützt sind; für die Menschen der ersten christlichen Jahrhunderte wäre dieser Schlüssel jedoch sehr wirksam gewesen, weil die Menschen damals von der Realität des Okkultismus völlig überzeugt waren und vor einem Zyklus der Entartung standen, der sie zum Missbrauch der okkulten Kräfte und zu schwarzer Magie der schlimmsten Art reif machte.“

A. P. Sinnett, ein ehemaliger Regierungsbeamter in Indien, skizzierte in seinem Buch Esoteric Buddhism in diesem Jahrhundert [1885] zum ersten Mal die wirkliche Natur des Menschen. Das Buch entstand aus Informationen, die ihm durch H. P. Blavatsky direkt von der Großen Loge der Initiierten, auf die bereits hingewiesen wurde, übermittelt worden waren. Mit der Weitergabe dieser alten Lehre an die westliche Öffentlichkeit erwies er seinen Zeitgenossen einen großen Dienst und unterstützte die theosophische Sache ganz beträchtlich. Seine Einteilung lautete:

1) Körper oder Rūpa
2) Vitalität oder Prāṇa-Jīva
3) Astralkörper oder Linga-Śarīra
4) Tierische Seele oder Kāma-Rūpa
5) Menschliche Seele oder Manas
6) Spirituelle Seele oder Buddhi
7) Geist oder Ātman

Die kursiv geschriebenen Worte sind äquivalente Ausdrücke aus der Sanskritsprache, die von ihm für die englischen Bezeichnungen übernommen wurden. Diese Einteilung gilt auch heute noch für den normalen Bedarf, sie kann aber noch modifiziert und erweitert werden. Ein späteres Schema zum Beispiel, das den Astralkörper an den zweiten statt an den dritten Platz der Einteilung setzt, bedeutet keine wesentliche Änderung. Diese Aufstellung vermittelt sofort eine Idee davon, wer der Mensch ist – sehr verschieden von der vagen Beschreibung durch die Worte „Körper und Seele“. Sie bietet auch einen starken Einwand gegen die materialistische Vorstellung, das Denken sei ein Produkt des Gehirns, ein Teil des Körpers. Es wird nicht der Anspruch erhoben, diese Prinzipien seien bisher unbekannt gewesen, denn sie sind alle nicht nur bei den Hindus, sondern auch bei vielen Europäern in verschiedenen Formen bekannt gewesen. Die gedrängte Darstellung der siebenfältigen Konstitution des Menschen in enger Verbindung mit der siebenfältigen Konstitution einer Kette von Globen, durch die das Wesen evolviert, war bisher nicht veröffentlich worden. Der französische Abbé Eliphas Levi schrieb zwar über die Astralregion und den Astralkörper, er hatte aber offenbar keine Kenntnis von der weiteren Lehre, und die Hindus, die in ihrer Sprache und Philosophie die anderen Begriffe besaßen, gebrauchten nicht die siebenfältige, sondern stützten sich hauptsächlich auf eine vierfältige Einteilung und hielten die Lehre von den sieben Globen der Erdkette, darunter unsere Erde, geheim (sofern sie ihnen bekannt war). Tatsächlich hat ein gelehrter Hindu, der jetzt verstorbene Subba Row versichert, dass eine siebenfältige Einteilung bekannt gewesen sei, dass diese aber nicht veröffentlicht wurde, noch veröffentlicht werde.

Wenn man diese Komponenten anders betrachtet, dann könnte man sagen, dass der niedere Mensch ein zusammengesetztes Wesen, dass sein wirkliches Wesen jedoch eine Einheit oder ein unsterbliches Wesen ist. Dieses ist gebildet aus einer Dreiheit aus Geist, Unterscheidungskraft und Denkvermögen, welches vier niedere, sterbliche Instrumente oder Träger benötigt, um in der Materie wirken und in der Natur Erfahrungen sammeln zu können. Diese Dreiheit wird im Sanskrit mit Ātman-Buddhi-Manas bezeichnet, was schwer zu übersetzen ist. Ātman ist Geist, Buddhi ist die höchste Kraft des Erkennens, das, was erkennt und urteilt. Manas ist das Denkprinzip. Diese Dreiheit ist der wirkliche Mensch. Diese Lehre ist zweifellos der Ursprung der theologischen Dreieinigkeitslehre von Vater, Sohn und Heiliger Geist, die vier niederen Instrumente oder Träger zeigt folgende Tabelle:

Ätman

Buddhi

Manas
klammer Leidenschaften und Wünsche

Lebensprinzip

Astralkörper

Physischer Körper

Diese vier niederen materiellen Komponenten sind vergänglich, sie unterliegen einzeln betrachtet der Auflösung und kollektiv gesehen der Trennung. Wenn die Stunde ihrer Trennung gekommen ist, kann ihr Zusammenhalt nicht länger aufrecht erhalten werden; der physische Körper stirbt, die Atome, aus welchen sich jedes der vier Prinzipien zusammensetzt, trennen sich voneinander. Die dadurch aus den Fugen geratene Zusammensetzung ist dann für den wirklichen Menschen als Instrument nicht mehr geeignet. Dieser Vorgang wird von uns Sterblichen als ‘Tod’ bezeichnet. Das ist jedoch kein Tod für den wahren Menschen, weil dieser todlos, beständig und unsterblich ist. Er wird deshalb als die Triade oder unzerstörbare Dreiheit bezeichnet, während die vier niederen Träger als die Vierheit oder als die sterblichen Vier bekannt sind.

Diese Vierheit – der niedere Mensch – ist ein Produkt kosmischer oder physischer Gesetze und Substanzen. Sie ist, wie alles Physische, im Laufe langer Zeitperioden aus kosmischer Substanz entwickelt worden und unterliegt daher den physischen, physiologischen und psychischen Gesetzen, die die ganze Menschheit beherrschen. Die mögliche Lebensdauer des niederen Menschen kann daher ebenso gut berechnet werden, wie von einem Ingenieur die mögliche Belastbarkeit von Metallen für den Brückenbau. Jede solche zusammengesetzte Lebensform des Menschen, die sich aus diesen Komponenten aufbaut, ist daher zeitlich durch die Gesetze der Evolutionsperiode begrenzt, in der sie existiert. Heute liegt diese Lebensdauer zwischen 70 und 100 Jahren; ihre potenzielle Lebensdauer ist jedoch größer. So gibt es historische Beispiele, dass normale Menschen 200 Jahre alt geworden sind; bei Kenntnis der okkulten Naturgesetze kann die Lebensdauer auf nahezu 400 Jahre ausgedehnt werden.

Der sichtbare
physische Mensch
besteht aus:
klammer

Gehirn
Nerven
Blut
Knochen
Lymphe
Muskeln
Sinnes- und Tätigkeitsorganen
und Haut

 

Der unsichtbare
physische Mensch
besteht aus:
klammer

Astralkörper

Emotionen und Wünschen

Lebensprinzip (Prāṇa oder Jīva)

 

Aus dieser Aufstellung ist ersichtlich, dass der physische Mensch sich noch in eine zweite Region erstreckt, die zwar für das physische Auge unsichtbar, aber dennoch materiell und der Auflösung unterworfen ist. Weil die Menschen im Allgemeinen nur gewohnt sind, das den Augen Wahrnehmbare als real anzusehen, gelangten sie schließlich zu der Überzeugung, dass alles Unsichtbare weder materiell noch real sein könne. Sie vergessen allerdings, dass es auf der irdischen Ebene ja auch schädliche Gase gibt, die ebenfalls unsichtbar, aber dennoch sehr real und materiell sehr wirksam sind. Auch Wasser kann unsichtbar in der Luft enthalten sein, bis veränderte Verhältnisse seinen Niederschlag verursachen.

Wir wollen nochmals rekapitulieren, bevor wir Einzelheiten behandeln. Der wirkliche Mensch ist die Dreiheit Ātman-Buddhi-Manas oder Geist und Denkvermögen; und diese Dreiheit benützt bestimmte Vermittler und Instrumente, um mit der Natur zum Zweck der Selbsterkenntnis in Berührung zu kommen. Diese Instrumente und Vermittler befinden sich in der niederen Vierheit oder Quaternität, in der jedes Prinzip in seiner Kategorie wiederum selbst ein Instrument für die speziellen Erfahrungen ist, die zu seinem eigenen Gebiet gehören. Der Körper ist das niederste, unbedeutendste und auch das vergänglichste Instrument der ganzen Reihe. Wenn man von dem höheren Denkvermögen herab zum Körper kommt, kann nämlich gezeigt werden, dass seine Organe für sich genommen sinn- und nutzlos sind, wenn sie des inneren Menschen beraubt werden. Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen gehören nicht dem Körper an, sondern dem zweiten, unsichtbaren physischen Menschen. Die wirklichen Organe für die Betätigung dieser Kräfte liegen nämlich im Astralkörper, und jene des physischen Körpers sind nur die mechanischen äußeren Instrumente zur Koordination zwischen der Natur und den inneren Organen.


V – Körper und Astralkörper

Der Körper, eine Masse aus Fleisch, Knochen, Muskeln, Nerven, Gehirnsubstanz, Galle, Schleim, Blut und Haut ist für allzu viele Menschen der Gegenstand ihres ausschließlichen Interesses. Sie machen ihn zu ihrem Gott, weil sie sich im Laufe der Zeit selbst mit dem Körper identifiziert haben und nur ihn meinen, wenn sie ‘ich’ sagen. Sich selbst überlassen, ist der Körper empfindungslos, er funktioniert dann nur reflektorisch und automatisch. Das erkennen wir am Schlaf, in dem der Körper Haltungen annimmt und Bewegungen ausführt, die der wachende Mensch nicht zulassen würde. Der Körper gleicht insofern der Mutter Erde, insofern als er sich aus einer unendlichen Zahl von ‘Leben’ zusammensetzt. Jedes dieser Lebewesen ist ein sensitiver Punkt. Es gibt hier nicht nur Mikroben, Bazillen und Bakterien, sondern diese sind aus weiteren Leben zusammengesetzt und diese wiederum aus noch winzigeren Leben. Diese ‘Leben’ sind nicht die Zellen des Körpers, sondern sie bilden die Zellen und halten sich stets innerhalb der Grenzen, die der Zelle durch die Evolution gesetzt sind. Sie wirbeln und bewegen sich miteinander ständig durch den ganzen Körper und befinden sich sowohl in anscheinend leeren Räumen wie auch dort, wo man Fleisch, Haut, Knochen und Blut sieht. Sie treten sogar messbar ein Stück über die tatsächliche Oberfläche des Körpers hinaus.

Eines der Mysterien des physischen Lebens liegt in diesen ‘Leben’ verborgen. Ihre durch die Lebenskraft (Prāṇa oder Jīva genannt) bewirkte Tätigkeit bietet die Erklärung für die aktive Existenz und für den physischen Tod. Diese werden in zwei Klassen eingeteilt: in die der ‘Zerstörer’ und die der ‘Erhalter’. Beide bekämpfen sich von der Geburt an bis zum Sieg der Zerstörer. In diesem Ringen wird der Kampf durch die Lebenskraft selbst beendet, denn es ist das Leben, das tötet. Das mag ketzerisch klingen. Die theosophische Philosophie sieht diese Tatsache jedoch für gegeben an. Es wird gesagt, dass ein Säugling deshalb lebt, weil die Kombination gesunder Organismen die im Raum befindlichen Lebensenergien absorbieren kann. Sein Schlaf tagsüber wird von der überwältigenden Stärke des Lebensstroms hervorgerufen, zumal die ‘Erhalter’ in den Zellen des kindlichen Körpers noch nicht von der anderen Klasse beherrscht werden. Die Vorgänge des Einschlafens und Wiedererwachens bedeuten lediglich und ausschließlich, dass während des Schlafs das Gleichgewicht erneut hergestellt und dieses durch die während des Wachens ausgeübte Tätigkeit wieder gestört wird. Man kann das mit dem Licht der Glühbirne vergleichen, bei der der helle Lichtbogen in der Zone des Widerstands dem wachenden, aktiven Menschen entspricht. Im Schlaf absorbieren wir die Lebensenergie und setzen ihr keinen Widerstand entgegen. Im Wachzustand wehren wir die Lebensenergie ab. Da sie uns aber wie ein Ozean umgibt, in dem wir schwimmen, ist unsere Abwehrkraft gezwungenermaßen begrenzt. Im Augenblick des Erwachens sind wir mit unseren Organen und dem Leben im Gleichgewicht. Wenn wir einschlafen, sind wir jedoch stärker mit Lebensenergie aufgeladen als am Morgen. Sie hat uns erschöpft und tötet schließlich den Körper. Dieser Kampf kann nicht ewig geführt werden, da das Gewicht der Lebenskraft des ganzen Sonnensystems der Widerstandskraft entgegensteht, die sich in einem kleinen menschlichen Organismus konzentriert.

Der Körper wird von den Meistern der Weisheit als der vergänglichste, unbeständigste und illusorischste Teil in der ganzen Reihe der menschlichen Komponenten angesehen. Keinen Augenblick lang bleibt er gleich. Immer in Veränderung, voller Bewegung in allen Teilen, ist er eigentlich nie fertig oder vollendet, obwohl er greifbar ist. Die alten Weisen haben das klar erkannt, denn sie entwickelten eine Lehre , die sie Naimittika2 Pralaya nannten. Darunter wird die ständige Veränderung in den materiellen Dingen, die fortwährende Zerstörung verstanden. Dieser Prozess ist jetzt auch der modernen Wissenschaft bekannt, wenn sie lehrt, dass sich der Körper innerhalb von sieben Jahren vollständig verändert und erneuert. Am Ende der ersten sieben Jahre ist der Körper nicht mehr derselbe, der er anfangs war. Bis zum Lebensende hat sich der Körper siebenmal und vielleicht öfter völlig erneuert. Dennoch zeigt er von der Erwachsenenstufe an bis zur Todesstufe ungefähr das gleiche Erscheinungsbild und auch von der Geburt bis zur Reife ist er menschenförmig. Das ist ein Mysterium, das die Wissenschaft nicht erklärt. Das Problem hängt mit der Zelle und mit der Art und Weise zusammen, wodurch die allgemeine menschliche Gestalt aufrechterhalten wird.

Die ‘Zelle’ ist eine Illusion. Es ist nur ein Wort. Sie hat als materielles Ding keine Existenz, denn jede Zelle setzt sich aus weiteren ‘Zellen’ zusammen. Was ist dann eine Zelle? Sie ist das ideelle Modell, in das sich die wirklichen physischen Atome – die sich aus ‘Leben’ aufbauen – einordnen. Da zugestanden wird, dass die physischen Moleküle fortwährend den Körper verlassen, so müssen sie auch ständig die Zellen verlassen. Deshalb gibt es keine physische Zelle, sondern nur die ausschließenden Grenzen einer solchen, ihre ideellen Wände und ihre allgemeine Form. Die Moleküle nehmen ihre Lage innerhalb der ideellen Form entsprechend den Naturgesetzen ein und verlassen sie fast wieder im gleichen Augenblick, um anderen Atomen Platz zu machen. Und wie beim Körper ist es auch bei der Erde und beim Sonnensystem. So ist es überhaupt mit allen materiellen Gegenständen, wenn auch in trägerem Ablauf. Alle sind in fortwährender Bewegung und Veränderung. Das ist moderne, aber auch uralte Weisheit. Mit dieser Tatsache lassen sich auch Hellsehen, Hellhören, Telepathie und Gedankenlesen physikalisch erklären. Wir können daraus entnehmen, wie illusorisch und unbefriedigend unser Körper ist.

Obwohl genau genommen der Astralkörper die zweite Komponente des Menschen ist – im Sanskrit Linga-Śarīra genannt – wollen wir ihn zusammen mit der Lebenskraft – im Sanskrit Prāṇa und Jīva – behandeln, weil uns das Phänomen des Lebens klarer vorgeführt wird, wenn wir es in Verbindung mit dem Körper betrachten.

Das Leben ist kein Resultat der organischen Funktionen, noch erlischt es, wenn sich der Körper auflöst. Es ist ein universal vorherrschendes Prinzip. Es ist der Ozean, in dem die Erde treibt; es durchdringt den Globus und alle seine Wesen und Dinge. Es wirkt unaufhörlich in und um uns; es pulsiert ständig gegen und durch uns. Wenn wir einen Körper bewohnen, dann benützen wir damit lediglich ein Instrument, das im Vergleich zu anderen besser für den Umgang mit Prāṇa und Jīva spezialisiert ist. Genau genommen ist Prāṇa Atem, und da der Atem für die Erhaltung des Lebens im menschlichen Mechanismus notwendig ist, ist Prāṇa das bessere Wort. Das Wort Jīva bedeutet ‘Leben’, es wird auch für die lebende Seele verwendet, denn das allgemeine Leben ist selbst aus den Höchsten Leben abgeleitet. Jīva kann deshalb allgemeiner gebraucht werden, während Prāṇa spezieller ist. Es kann nicht gesagt werden, dass man eine bestimmte Menge von dieser Lebensenergie besitzt – die beispielsweise bei der Verbrennung des Körpers wieder zu ihrem Ursprung zurückkehren würde. Vielmehr arbeitet sie mit jeder beliebigen materiellen Masse, die darin enthalten ist. Wenn wir leben, benützen wir sie oder scheiden sie sozusagen aus. Deshalb ist es ganz gleich, ob wir lebendig oder tot sind, die Lebenseneregie ist immer da. Während des Lebens wirkt sie in unseren Organen zu deren Erhaltung und während des Todes wirkt sie in unzähligen Wesen, die sich aus unserer Auflösung ergeben. Wir können diese Lebenskraft genauso wenig beseitigen wie die Luft, in der der Vogel fliegt; und wie die Luft erfüllt die Lebenskraft alle Räume des Planeten, so dass wir nirgends ihren wohltuenden Nutzen verlieren oder ihrer schließlichen Zerstörungskraft entkommen können. Um auf den physischen Körper einwirken zu können, benötigt diese Lebenskraft – Prāṇa – einen Träger, einen Mittler oder einen Führer, und dieser Träger ist der Astralkörper.

Für den Astralkörper gibt es viele Bezeichnungen. Hier sind einige wenige: Linga-Śarīra, ein Sanskritwort mit der Bedeutung ‘Modellkörper’. Das ist die beste von allen Bezeichnungen. Ferner etherisches Doppel, Phantom, Gespenst, Erscheinung, Doppelgänger, persönlicher Mensch, Naturgeist, unvernünftige Seele, Tierseele, Bhūta, Elementar, Spuk, Teufel, Dämon. Einige dieser Bezeichnungen gelten nur für den nach dem Tod vom Körper befreiten Astralkörper. Bhūta, Teufel und Elementar sind nahezu synonym. Ersteres ist Sanskrit. Bei den Hindus bezeichnet Bhūta den nach dem Tod vom Körper und Denkvermögen losgelösten Astralkörper. Da er auf diese Weise vom Gewissen getrennt ist, stufen sie ihn als Teufel ein. Wenn wir die alte Vorstellung aufgeben, dass ein Teufel ein vom Himmel gefallener Engel sei, dann haben sie gar nicht so unrecht, denn dieser körperliche Teufel ist etwas, was von der Erde hochsteigt.

Man mag einwenden, die Bezeichnung Astralkörper sei für diesen Zweck nicht geeignet. Dieser Einwand ergibt sich aber nur aus der Art und Herkunft der englischen Sprache. Da diese Sprache von Menschen entwickelt wurde, die sich gegen die Natur stellten und Kaufleute wurden, haben sie noch nicht die Worte geprägt, die zur Bezeichnung der riesigen Skala von Fähigkeiten und Organen des unsichtbaren Menschen erforderlich sind. Und da die westlichen Philosophen die Existenz dieser inneren Organe bis jetzt nicht anerkannt haben, existieren dafür natürlich auch noch keine Namen. Bei der Suche nach einer Bezeichnung für den inneren Körper war ‘Astralkörper’ die einzige, die zu finden war. Sie kommt auch den wirklichen Tatsachen sehr nahe, da – allgemein gesprochen – die Substanz dieses Körpers aus kosmischer Materie oder Sternenstoff besteht. Das alte Sanskritwort beschreibt die Sache jedoch genau: Linga-Śarīra = Modellkörper, weil er das Muster oder das Modell des physischen Körpers ist. Linga Śarīra ist besser als ‘etherischer Körper’, weil man von diesem sagen könnte, er sei nach dem physischen Körper entstanden, wohingegen er in Wirklichkeit dem materiellen Körper vorausging.

Im Vergleich zum sichtbaren Körper besteht der Astralkörper aus sehr feinstofflicher Materie. Er besitzt eine große Spannkraft, so dass er sich während einer Lebenszeit nur wenig verändert, wohingegen sich der physische Körper mit jedem Moment verändert. Der Astralkörper besitzt aber nicht nur diese gewaltige Widerstandskraft, er ist gleichzeitig auch so elastisch, dass er beträchtlich gedehnt werden kann. Er ist biegsam, plastisch, dehnbar und sehr stark. Die Materie, aus der er besteht, ist in ihrer Essenz elektrisch und magnetisch. Sie entspricht dem Material, aus dem sich die ganze Welt in ferner Vergangenheit zusammensetzte, als die Evolutionsprozesse noch nicht den Punkt der Erzeugung des materiellen Körpers des Menschen erreicht hatten. Es handelt sich jedoch um keine rohe und grobe Materie. Da die astrale Materie bereits eine ungeheure Evolutionsdauer und unzählige Reinigungsprozesse durchlaufen hat, ist ihre Beschaffenheit in einem Maß verfeinert worden, so dass sie die Beschaffenheit der groben physischen Elemente, die wir mit physischen Augen sehen und mit Händen greifen können, weit übertrifft.

Der Astralkörper ist das maßgebende Modell für den physischen Körper. Alle anderen Naturreiche haben dasselbe Astralmodell. Pflanzen, Minerale und Tiere besitzen das etherische Doppel. Das ist somit die einzige Theorie, die Antwort auf die Frage gibt, wie ein Same seine eigene Art und wie alle fühlenden Wesen wieder ihresgleichen hervorbringen. Die Biologen können nur sagen, dass die Tatsachen so sind, wie wir sie kennen. Sie können aber keinen Grund angeben, warum aus einer Eichel stets nur eine Eiche hervorwachsen wird, außer dass kein Mensch je etwas anderes beobachtet hat. Den alten Schulen der Vergangenheit war die echte Lehre bekannt, und sie ist jetzt durch die Bemühungen von H. P. Blavatsky und jener, die von ihren Werken inspiriert wurden, dem Westen wieder einmal gegeben worden.

Diese Lehre besagt, dass zu Beginn der Evolution dieses Globus die verschiedenen Naturreiche zunächst als Plan oder in ideeller Form umrissen werden. Mit Hilfe des Lebensprinzips fängt dann die Astralmaterie an, nach diesem Plan zu arbeiten, bis nach langen Evolutionperioden die menschliche Astralform evolviert und vollendet ist. Sie ist somit die erste Form, die die Menschenrasse besaß. Sie entspricht in gewissem Sinn dem allegorischen Zustand des Menschen im Paradies. Nach einer weiteren langen Periode, während der der Zyklus des Abstiegs in die Materie weiterläuft, bedeckt sich die Astralform schließlich mit einem ‘Rock aus Fellen’ und die gegenwärtige physische Form erscheint auf der Weltbühne. Das erklärt den Vers in der Genesis, wonach Adam und Eva ‘Röcke aus Fellen’ erhielten. Es ist der endgültige Fall in die Materie, denn von diesem Punkt an bemüht sich der innere Mensch darum, die ganze Masse an physischer Substanz auf eine höhere Stufe zu erheben und ihr einen größeren spirituellen Einfluss zu vermitteln, damit sie nach Abschluss der gegenwärtigen Evolutionsphase fähig ist, sich in der nächsten noch weiterzuentwickeln. Daher ist gegenwärtig der Astralkörper, das Modell für das im Mutterleib heranwachsende Kind, schon vollkommen geformt, ehe das Kind geboren wird. Nach diesem Astralmodell arrangieren sich die Moleküle, bis das Kind vollendet ist. Die Existenz des etherischen Modellkörpers erklärt auch, wie sich die Gestalt formt, wie die Augen sich von innen an die Oberfläche des Gesichts schieben und viele andere rätselhafte Vorgänge der Embryologie, die von den Ärzten mit einer Beschreibung, aber ohne Erklärung umgangen werden. Das erklärt auch besser als alles andere die Merkmale des Kindes im Mutterleib, was von den Ärzten manchmal verneint, von aufmerksamen Beobachtern jedoch als häufiges Vorkommen erkannt wird. Die heranwachsende physische Gestalt ist vom Astralkörper abhängig. Diese ist durch physische und psychische Organe mit der Imagination der Mutter verbunden; wenn die Mutter aufgrund eines Schrecks oder aus Furcht oder aus anderen Ursachen ein starkes Gedankenbild erzeugt, dann wird das Astralmodell des Kindes entsprechend beeinflusst. Wenn ein Kind ohne Beine geboren wird, haben die Gedanken und die starke Einbildungskraft der Mutter das veranlasst. Sie wirken derartig auf das Astralbild, dass die astralen Glieder förmlich abgetrennt werden oder zusammenschrumpfen. Die Moleküle haben dann kein Modell, an das sie sich angliedern können, so dass die Entstehung der physischen Beine unterbleibt. So ist es auch in allen ähnlichen Fällen. Bei einem Menschen jedoch, der immer noch sein Bein fühlt, das ihm chirurgisch entfernt wurde, oder der seine amputierten Finger noch spürt, liegt das daran, dass die Astralglieder durch die Operation nicht betroffen wurden. Der Betroffene hat daher das Gefühl, diese Glieder befänden sich noch immer am Körper. Messer und Säuren können das Astralmodell nicht verletzen. In den ersten Stadien seines Wachstums können Gedanken und Vorstellungen jedoch wie Säuren und geschliffener Stahl wirken.

Beim Durchschnittsmenschen, der nicht im praktischen Okkultismus geschult wurde oder diese Fähigkeit nicht von Geburt an besitzt, kann sich der Astralkörper nicht weiter als etwa einen Meter vom physischen Körper entfernen. Er ist ein Teil des Physischen; er erhält es und ist in es eingebettet, so wie die Fasern der Mango die ganze Frucht durchziehen. Es gibt aber Menschen, die aufgrund ihrer Praktiken in früheren Erdenleben eine angeborene Fähigkeit zur unbewussten Aussendung des Astralkörpers besitzen. Es handelt sich dabei um Medien, darunter auch Seher, und oft auch um hysterische, kataleptische und skrofulöse Menschen. Jene Menschen aber, die sich durch eine lange, äußerst harte Schulung ausgebildet haben, die in die sittliche und mentale Natur hineingeht und die Kräfte des heutigen Durchschnittsmenschen weit übersteigt, können die Astralform bewusst gebrauchen, denn sie haben sich völlig von der Illusion befreit, dass der physische Körper ein beständiger Teil von ihnen sei. Außerdem kennen sie die chemischen und elektrischen Gesetze dieser Materie, in ihrem Fall handeln sie bewusst in voller Kenntnis der Gegebenheiten. In den anderen Fällen dagegen kann dieser Vorgang von den Betreffenden weder verhindert noch bewusst herbeigeführt werden, auch können sie nicht die Risiken vermeiden, die mit dem Gebrauch so hoher Naturkräfte verbunden sind.

Der Astralkörper trägt die wirklichen Organe der äußeren Sinneswerkzeuge in sich. In ihm liegt das Sehen, Hören, der Geruchs- und der Tastsinn. Er besitzt ein eigenes, vollständiges System von Nerven und Arterien für den Transport des astralen Fluidums, das für diesen Körper die gleiche Bedeutung hat wie das Blut für den physischen Körper. Er ist der wirkliche, persönliche Mensch. In ihm befindet sich die unterbewusste Wahrnehmung und das latente Gedächtnis, mit dem sich unsere heutigen Hypnotiseure befassen und von dem sie so verblüfft sind. Beim Tod des Körpers wird der astrale Mensch frei. Da beim Tod der unsterbliche Mensch – die Triade – in einen anderen Zustand übertritt, wird der Astralkörper zur ‘Hülle’ des einst Lebenden. Diese benötigt eine gewisse Zeit zu ihrer Auflösung. Sie bewahrt alle Erinnerungen aus dem Leben dieses Menschen und kann reflektorisch und automatisch wiederholen, was der Verstorbene gewusst, gesagt, gedacht und gesehen hat. Der Astralkörper bleibt fast immer in der Nähe des verlassenen physischen Körpers, bis zu dessen völliger Auflösung, denn er muss einen eigenen Sterbeprozess durchmachen. Er kann unter gewissen Bedingungen sichtbar werden. Er ist der ‘Geist’ in den spiritistischen Séance-Zimmern und wird dort dazu veranlasst, sich als der wirkliche Geist dieser oder jener Person auszugeben. Von den Gedanken des Mediums und der Teilnehmer des Zirkels herbeigezogen, flattert er unsicher in deren Nähe umher und wird dann von einer ganzen Schar von Elementalkräften und von dem aktiven Astralkörper des Mediums, das die Sitzung abhält, oder eines anderen Mediums unter den Teilnehmern zu einem Scheinleben erweckt. Von dieser ‘Hülle’ werden dann (wie von einer Fotografie) die bekannten Einzelheiten in das Gehirn des Mediums reflektiert, die den Spiritisten als Beweis der Identität mit verstorbenen Freunden oder Verwandten dienen. Diese Zeugnisse gelten als Beweis für die Anwesenheit des Geistes der Verstorbenen, weil das Medium und die Zirkelteilnehmer weder mit den Gesetzen vertraut sind, die ihre eigene Natur regieren, noch mit der Konstitution, Kraft und Funktionsweise der astralen Materie und des astralen Menschen.

Die theosophische Philosophie streitet die in den spiritistischen Sitzungen auftretenden Tatsachen nicht ab, sie gibt ihnen aber eine Deutung, die der spiritistischen völlig entgegengesetzt ist. Die Behauptung, dass diese ‘Geister’ keinerlei Wissen mitteilen können, wird auch durch die Tatsache gestützt, dass von diesen sogenannten Geistern keinerlei logische, wissenschaftliche Erklärung für die Phänomene gegeben wird, die sie hervorzubringen pflegen. Sie können lediglich verschiedene Phänomene verursachen. Diese zu untersuchen und zu analysieren, vermag jedoch nur ein geschulter Intellekt, der von einer lebenden Dreiheit aus Geist, Seele und Verstand geleitet wird. Hier muss auch noch eine andere Klasse spiritistischer Erscheinungen kurz erwähnt werden, und zwar das Erscheinen des sogenannten ‘materialisierten Geistes’.

Dafür gibt es drei Erklärungen. Erstens: Der Astralkörper des lebenden Mediums löst sich von dessen Körper und nimmt die Gestalt des sogenannten Geistes an, denn es ist eine der Eigenschaften der astralen Materie, ein unsichtbar im Ether existierendes Bild widerspiegeln zu können. Zweitens: Die wirkliche astrale Hülle des Verstorbenen, die von seinem Geist und Gewissen völlig verlassen ist, wird sichtbar und fühlbar, wenn der Zustand der Luft und des Ethers die molekularen Schwingungen der astralen Hülle so verändert, dass sie sichtbar werden kann. Die Phänomene der Dichte und anscheinenden Schwere werden durch andere Gesetze erklärt. Drittens: Eine unsichtbare Menge elektrischer und magnetischer Materie wird gesammelt, auf die dann aus dem Astrallicht das Bild einer beliebigen gewünschten toten oder lebenden Person reflektiert wird, dieses Bild wird dann für den ‘Geist’ des betreffenden Menschen gehalten, was aber nicht zutrifft. Der Vorgang wurde von H. P. Blavatsky mit Recht als ein ‘psychologischer Betrug’ bezeichnet, weil etwas Falsches vorgespiegelt wird. Obwohl ein ‘Geist’ bei einer regulären Sitzung genau diese Erklärung für Materialisationen gegeben hat, wurde sie von den Spiritisten nie akzeptiert, weil sie ihre Anschauung über die Rückkehr der Geister Verstorbener über den Haufen werfen würde.

Schließlich bietet der Astralkörper eine Erklärung für nahezu alle sonderbaren psychischen Erscheinungen, die sich im täglichen Leben und beim Umgang mit echten Medien abspielen. Er zeigt, was eine Erscheinung sein kann und wie sie möglicherweise sichtbar wird; außerdem bewahrt er den wissenschaftlichen Skeptiker vor der Missachtung seines gesunden Menschenverstandes, indem behauptet wird, dass man gar nicht sehen kann, was man gesehen hat. Durch die Erläuterung der wahren Hintergründe dieser Phänomene wird der Aberglaube beseitigt. Die unvernünftige Furcht vor dem Unbekannten, die dem Menschen Angst einflößt, einen ‘Geist’ zu sehen, wird beseitigt. Mit dem Astralkörper lässt sich auch die Apportation von Gegenständen ohne physische Berührung erklären, denn die astrale Hand kann ausgestreckt werden, um einen Gegenstand zu ergreifen und zum Körper zu ziehen. Wenn das als möglich erwiesen ist, dann wird man auch Reisende nicht mehr auslachen, die von ihren Beobachtungen berichten, dass Hindu-Yogis Kaffeetassen durch die Luft fliegen ließen und entfernte Gegenstände anscheinend aus eigenem Antrieb, ohne dass diese von ihnen oder anderen berührt wurden, herbeischafften. Alle Fälle von Hellsehen und Hellhören können ebenfalls mit Hilfe des Astralkörpers und des Astrallichts erklärt werden. Die astralen Organe – die wirklichen Organe – führen das Sehen und Hören aus. Da alle materiellen Gegenstände sich ständig unter ihren eigenen Atomen bewegen, wird die astrale Seh- und Hörfähigkeit nicht behindert; sie kann vielmehr auf Entfernungen ausgeübt werden, die der Ausdehnung des Astrallichts oder der Astralmaterie rings um die Erde und über ihr entspricht. Auf diese Weise konnte der große Seher Swedenborg Häuser in Stockholm brennen sehen, obwohl er sich viele Kilometer davon entfernt in einer anderen Stadt befand. Auf die gleiche Weise sieht und hört auch jeder heutige Hellseher auf Entfernungen.


VI – Kāma – Begierde

Der Verfasser von Esoteric Buddhism – ein Buch, das von allen Interessenten für Theosophie zu Rate gezogen werden sollte, weil es aus Anregungen entstand, die einige Adepten selbst beitrugen – gab dem vierten Prinzip der menschlichen Konstitution die Bezeichnung Kāma-Rūpa. Der Grund lag darin, dass das Wort Kāma im Sanskrit ‘Begierde’ bedeutet. Da mit dieser Idee auch vermittelt werden sollte, dass das vierte Prinzip ‘der Körper oder die Ansammlung der Begierden und Leidenschaften’ ist, fügte Mr. Sinnett noch das Sanskritwort für Körper oder Form – Rūpa – hinzu, woraus die Zusammensetzung Kāma-Rūpa entstand. Ich werde dieses Prinzip aber mit unseren deutschen Entsprechungen – Leidenschaften und Begierden – bezeichnen, weil diese Begriffe seine Natur genau kennzeichnen. Ich tue das auch, um den starken Unterschied zwischen der westlichen und östlichen Psychologie und mentalen Philosophie hervorzuheben. Der Westen unterscheidet im Menschen Intellekt, Wille und Gefühl. Daraus lässt sich aber nicht erkennen, ob die Leidenschaften und Begierden ein selbstständiges Prinzip bilden oder ob sie nur durch den Körper bedingt sind. Tatsächlich glauben die meisten Menschen, diese seien fleischlichen Ursprungs, denn sie werden oft als ‘Fleischeslust’ und als ‘fleischliche Begierden’ bezeichnet. Die alten Weisen und die Theosophen wissen jedoch, dass sie ein eigenständiges Prinzip bilden und nicht nur körperliche Impulse sind. Die westliche Psychologie kann uns in dieser Sache nicht helfen, weil sie noch in ihren Kinderschuhen steckt und noch keinerlei Kenntnis über die innere, nämlich die psychische Natur des Menschen besitzt. Dieser Punkt bildet auch die größste Divergenz zwischen der Psychologie und der Theosophie.

Die Leidenschaften und Wünsche werden nicht vom Körper erzeugt. Im Gegenteil, der Körper wurde durch eben diese verursacht. Wunsch und Leidenschaft sind es, die unsere irdische Geburt zuwege bringen und uns immer und immer wieder zu neuen Verkörperungen in diesem Körper oder einem anderen 3 veranlassen. Durch Leidenschaften und Begierden werden wir dazu gebracht, durch die Wohnungen des Todes – auf Erden als die Leben bezeichnet – zu evolvieren. Durch das Aufkeimen der Begierde in der unbekannten ersten Ursache, in der einen absoluten Existenz, hat sich die ganze Ansammlung von Welten manifestiert. Und durch den Einfluss der Begierde in der jetzt manifestierten Welt wird diese in Existenz gehalten.

Dieses vierte Prinzip ist von den sieben das Prinzip des Gleichgewichts. Es steht in der Mitte und von ihm führen die Wege auf- oder abwärts. Es ist die Basis der Handlung und der Beweger des Willens. Treffend sagten die alten Hermetiker: „Hinter dem Willen steht die Begierde.“ Denn ob wir nun Gutes oder Böses tun wollen, für jeden Weg muss zuerst die Begierde in uns geweckt worden sein. Der gute Mensch, der schließlich zum Weisen wird, musste irgendwann einmal in einem seiner vielen Leben die Begierde nach dem Umgang mit Heiligen erweckt und seinen Wunsch nach Fortschritt lebendig erhalten haben, um auf seinem Weg zu bleiben. Selbst ein Buddha oder ein Jesus musste zuerst ein Gelübde – was einem Wunsch entspricht – ablegen, dass er die Welt oder einen Teil von ihr erretten wolle, und musste dieses Verlangen während ungezählter Leben in seinem Herzen aufrecht erhalten. Genauso ist es umgekehrt. Der übelgesinnte Mensch ließ Leben um Leben nur niedere, selbstsüchtige, bösartige Begierden in sich wirken, wodurch er das Kāma-Prinzip herabwürdigte, anstatt es zu veredeln. Vom materiellen oder wissenschaftlichen Okkultismus aus gesehen, kann die gebietende Kraft der Imagination nicht zur Anwendung der inneren, verborgenen Kräfte unseres Wesens eingesetzt werden, wenn dieses Wunschprinzip nicht stark ist. Zwar erzeugt die Imagination einen Eindruck oder eine Form, der Wille kann jedoch erst dann aktiviert werden, wenn er durch ein Verlangen bis zum Äußersten bewegt, geführt und angetrieben wird.

Die Begierden und Leidenschaften haben daher zwei Aspekte: einen hohen und einen niederen. Der niedere Aspekt zeigt sich in einer ständigen Bewusstseinsverlagerung gänzlich nach unten in den Körper und den Astralkörper. Der höhere Aspekt entsteht aus dem Einfluss und dem Streben nach der höheren Dreiheit – Denken, Buddhi und Geist. Dieses vierte Prinzip entspricht dem Zeichen Waage im Weg der Sonne durch den Tierkreis. Wenn die Sonne (der wirkliche Mensch) dieses Zeichen erreicht, vibriert sie im Gleichgewicht. Ginge sie zurück, dann würden die Welten zerstört werden. Sie geht aber vorwärts und die ganze Menschheit wird zu Vollkommenheit angehoben.

Während des Lebens sind die Begierden und Leidenschaften – erworben mit dem Astralkörper – im gesamten niederen Menschen eingebettet, und sie können, wie das etherische Gegenstück unserer physischen Person, vergrößert oder verkleinert, geschwächt oder gestärkt, verschlimmert oder veredelt werden.

Beim Tod tritt das Kāma-Prinzip in den Astralkörper ein, der dann zur bloßen Hülle wird, da ja, wenn ein Mensch stirbt, sein Astralkörper und sein Prinzip der Leidenschaften und Begierden gemeinsam den physischen Körper verlassen und miteinander verschmelzen. Erst jetzt kann die Bezeichnung Kāma-Rūpa angewandt werden, denn Kāma-Rūpa ist in Wirklichkeit die Verbindung des Astralkörpers mit Kāma. Die Verbindung der beiden schafft eine Gestalt oder eine Form, die zwar gewöhnlich unsichtbar, aber dennoch materiell ist und sichtbar gemacht werden kann. Obwohl kein Verstand und kein Gewissen im Kāma-Rūpa enthalten sind, besitzt er doch eigene Kräfte, die betätigt werden können, wenn es die Bedingungen zulassen. Diese Bedingungen werden von dem spiritistischen Medium geschaffen. In jedem Séance-Raum sind diese Astralhüllen verstorbener Personen stets anwesend und täuschen die Teilnehmer des Zirkels, deren Urteilsfähigkeit durch die Täuschung getrübt wurde. Diese Astralhülle ist der ‘Teufel’ der Hindus. Einen schlimmeren Feind könnte das Medium nicht haben, denn das Astralgespenst oder der Kāma-Rūpa ist nur eine Masse von Begierden und Leidenschaften, die der wirkliche, in den ‘Himmel’ geflohene Mensch zurückgelassen hat. Dieser hat an den hinterbliebenen Personen kein Interesse mehr, am allerwenigsten an Séancen und Medien. Weil die edlere Seele fehlt, beeinflussen diese Begierden und Leidenschaften auch nur den niedersten Wesensteil des Mediums und regen keine guten Elemente an, sondern nur dessen niedere Neigungen. Daher müssen selbst die Spiritisten zugeben, dass in den Reihen der Medien viel Betrug vorkommt. Medien haben oft erklärt: „Die Geister haben mich versucht und ich habe auf ihren Wunsch betrogen.“

Dieses Kāma-Rūpa-Gespenst ist auch ein Feind unserer Zivilisation. Sie lässt es zu, dass an Menschen, die ein Verbrechen begangen haben, die Todesstrafe ausgeübt wird. Dadurch werden die von der Last des Körpers befreiten Leidenschaften und Begierden in den Ether hinausgeworfen und können beständig von jedem sensitiven Menschen angezogen werden. Durch diese Anziehung werden dann die beklagenswerten Eindrücke der Verbrechen und die Bilder der Hinrichtung mit allen Verwünschungen und Rachegedanken in lebende Menschen eingepflanzt, die das Übel nicht erkennen und deshalb auch nicht abwehren können. Auf diese Weise werden in den Staaten mit Todesstrafe Verbrechen und Anregungen zu neuen Verbrechen tagtäglich vorsätzlich begünstigt.

Die astralen Hüllen erzeugen gemeinsam mit dem noch lebenden Astralkörper des Mediums, unterstützt von gewissen Naturkräften, die von den Theosophen als ‘Elementale’ bezeichnet werden, nahezu alle Phänomene des nicht-betrügerischen Spiritismus. Der Astralkörper des Mediums, der sich ausdehnen und heraustreten kann, bildet das Gerüst für die sogenannten ‘Geistermaterialisationen’. Er ermöglicht die Bewegung von Gegenständen ohne physischen Kontakt, vermittelt Nachrichten von verstorbenen Verwandten, die aber nichts anderes beinhalten als Rückerinnerungen und Bilder aus dem Astrallicht. Für diese Aktivitäten werden die Astralhüllen von Selbstmördern, hingerichteten Mördern und solcher ‘Geister’ benutzt, die naturgemäß eng mit dieser Lebensebene verbunden sind. Die Anzahl der Fälle, bei denen eine Mitteilung von einem echten körperlosen Geist stammt, ist so gering, dass man sie fast an einer Hand abzählen kann. Manchmal besucht auch der Geist lebender Menschen, deren Körper im Schlaf ruht, die Séancen und nimmt daran teil. Dieser Teilnehmer kann von den Medien auch nicht von den übrigen astralen Hüllen unterschieden werden. Die Tatsache, dass solche Dinge vom inneren Menschen ausgeführt werden können, ohne dass er sich daran erinnert, ist kein Beweis gegen diese Theorien, denn auch ein Kind kann sehen, ohne zu wissen, wie die Augen funktionieren, und der Eingeborene, der keine Ahnung von der Funktionsweise der komplizierten Mechanismen in seinem Körper hat, führt trotzdem den Verdauungsprozess vollständig durch. Dass der ganze Prozess für ihn unbewusst abläuft, stimmt ganz mit obiger Theorie überein, denn bei diesen Handlungen des inneren Menschen handelt es sich um die unbewussten Tätigkeiten des Unterbewusstseins. Die Worte ‘bewusst’ und ‘unbewusst’ werden natürlich nur in relativem Sinn gebraucht. Die Unbewusstheit bezieht sich nur auf das Gehirn. Die hypnotischen Experimente haben diese Theorien schlüssig bewiesen, was eines nicht allzu fernen Tages voll anerkannt werden wird. Außerdem sind die Astralhüllen von Selbstmördern und Hingerichteten die kompaktesten und langlebigsten, die uns von allen Schatten des Hades am nächsten sind. Sie müssen deshalb auf Grund der Sachlage notwendigerweise die wirklichen ‘Kontrolleure’ der Séance-Räume sein.

Leidenschaft und Begierde gemeinsam mit dem astralen Modellkörper sind sowohl Menschen und Tieren wie auch dem Pflanzenreich zu eigen, wenn auch in letzterem nur schwach entwickelt. In einer bestimmten Evolutionsperiode waren noch keine weiteren materiellen Prinzipien entwickelt. Die drei höheren – Denkvermögen, Seele und Geist – waren nur latent vorhanden. Bis zu diesem Punkt standen Menschen und Tiere auf der gleichen Stufe, denn das Tierische in uns besteht aus den Leidenschaften und dem Astralkörper. Die Entwicklung der Keime des Denkens ergab dann den Menschen, weil mit der Entwicklung die große Differenzierung einsetzte. Der innere Gott fängt bei Manas oder dem Denkvermögen an, und es ist der Kampf zwischen diesem Gott und dem Tierischen in uns, von dem die Theosophie spricht und vor dem sie uns warnt. Das niedere Prinzip wird böse genannt, weil es das im Vergleich mit dem höheren ist, trotzdem ist es die Grundlage der Aktivität. Wir können nicht emporwachsen, ehe das niedere Selbst nicht den Wunsch bekräftigt, besser zu handeln. In diesem Aspekt wird es Rajas genannt, die aktive und böse Qualität, im Unterschied zu Tamas, der Qualität der Finsternis und Gleichgültigkeit. Ein Emporwachsen ist erst möglich, wenn Rajas anwesend ist, um den Impuls zu geben. Durch die Anwendung dieses Prinzips der Leidenschaften werden alle höheren Eigenschaften schließlich so verfeinert und unsere Wünsche so erhöht, dass sie ununterbrochen auf die Wahrheit und das Spirituelle eingestellt werden können. Die Theosophie lehrt damit nicht, dass unsere Leidenschaften gepflegt oder befriedigt werden sollen – eine verderblichere Lehre könnte nie gelehrt werden. Die Forderung lautet vielmehr, dass die vom vierten Prinzip gewährte Aktivität stets zur Erhebung verwendet wird und nicht zur Versklavung durch die finstere Qualität, die mit Selbstsucht und Gleichgültigkeit anfängt und mit Vernichtung endet.

Nachdem wir nun dieses Gebiet durchstreift und die niederen Prinzipien des Menschen erläutert haben, verstehen wir die theosophische Lehre, dass der Mensch in der gegenwärtigen Evolutionsphase eine vollentwickelte Vierheit ist, während die höheren Prinzipien erst teilweise entwickelt sind. Daher wird gelehrt, dass der gegenwärtige Mensch von den Leidenschaften und Begierden angetrieben wird. Das beweist ein Blick auf die Zivilisationen der Erde, auf Länder wie Frankreich, England und Amerika – sie alle werden von diesem Prinzip bewegt – wo alles auf die Verherrlichung dieses Prinzips eingestellt ist, wie es sich in der Freude an Prunksucht, an sinnlichem Genuss, im Kampf um Macht und Rang zeigt, wo die Befriedigung der Sinne manchmal als höchstes Gut angesehen wird. Da aber im Verlauf unserer menschlichen Evolution das Denkvermögen mehr und mehr zur Entfaltung gelangt, kann man in allen Ländern im Hintergrund den langsamen Übergang vom keimhaft vernunftbegabten Tier zum vollvernünftigen Menschen beobachten. Diese Zeit ist den Meistern, die einige der alten Wahrheiten wieder herausgaben, als ‘Übergangsperiode’ bekannt. Die stolze Wissenschaft und die noch stolzere Religion geben das nicht zu, sie glauben, wir seien wie wir immer sein werden. Seinem Lehrer glaubend, sieht der Theosoph in seiner Umgebung jedoch den Beweis, dass sich das Bewusstsein der Menschheit durch Erweiterung verändert. Er erkennt, dass die alten Tage des Dogmatismus vorbei sind und das ‘Zeitalter der Fragen’ gekommen ist und dass die Fragen Jahr für Jahr lauter werden und dass Antworten erforderlich werden, die das stetig wachsende Denken befriedigen, bis schließlich jeder Dogmatismus verschwunden und die Menschheit bereit sein wird, alle Probleme anzupacken – jeder seine eigenen, im gemeinsamen Streben für das Wohl des Ganzen, was mit der Vervollkommnung jener Menschen enden wird, die an der Überwindung des Rohen in sich arbeiten. Aus diesen Gründen werden die alten Lehren wieder veröffentlicht, und die Theosophie regt jeden zu der Überlegung an, ob er dem niederen Tier nachgeben oder zu dem inneren Gott aufblicken und sich von ihm leiten lassen will.

Eine eingehendere Behandlung des vierten Prinzips unserer Konstitution würde uns zur Untersuchung aller Fragen zwingen, die sich aufgrund der Wunderwirker des Ostens, der spiritistischen Phänomene, der Hypnose, der Erscheinungen, des Wahnsinns und dergleichen ergeben. Diese Probleme müssen jedoch einer besonderen Behandlung vorbehalten bleiben.


VII – Manas

In unserer Analyse der menschlichen Natur haben wir bisher nur die vergänglichen Elemente der Zusammensetzung des niederen Menschen betrachtet und sind beim vierten Prinzip, bei der vierten Ebene – der Ebene der Begierde – angekommen, ohne die Frage des Denkvermögens berührt zu haben. Aber selbst auf dem bisher beschrittenen Weg muss klar geworden sein, dass zwischen den gewöhnlichen und den theosophischen Anschauungen über das Denkvermögen ein großer Unterschied besteht. Gewöhnlich wird das Denkvermögen als immateriell angesehen oder nur als ein Begriff für die Tätigkeit des Gehirns bei der Evolvierung des Denkens – ein Prozess, der von Mutmaßungen abgesehen völlig unbekannt ist oder bestenfalls durch die Theorie erklärt wird, dass ohne Gehirn kein Denkvermögen vorhanden sei. Man hat sich zwar stark um die Katalogisierung einiger mentaler Funktionen und Eigenschaften bemüht, aber es fehlen der Sprache gänzlich Begriffe um tatsächlich metaphysische und spirituelle Tatsachen über den Menschen zu beschreiben. Diese Begriffsverwirrung und Wortarmut in diesem Bereich verdanken wir fast ausschließlich der dogmatischen Religion. Sie hat jahrhundertelang Dogmen und Lehren aufgestellt und aufgezwungen, die der Vernunft zuwiderlaufen. Ein zweiter Grund ist der natürliche Krieg zwischen Wissenschaft und Religion, der einsetzte, als die Wissenschaft nach der Befreiung der von den Religionen auferlegten Fesseln sich ungehindert mit den Naturtatsachen beschäftigen konnte. Die Reaktion gegen die Religion bewirkte ganz natürlich, dass die Wissenschaft nur eine materialistische Vorstellung über den Menschen und die Natur akzeptieren konnte. Keine dieser beiden Richtungen lieferte uns daher bis jetzt Begriffe zur Beschreibung des fünften, sechsten und siebten Prinzips, aus welchen sich die Dreiheit, der wirkliche Mensch, der unsterbliche Pilger zusammensetzt.

Das fünfte Prinzip heißt Manas in der von Mr. Sinnett angenommenen Einteilung und wird gewöhnlich mit Denkvermögen übersetzt. Auch andere Namen wurden diesem Prinzip gegeben; es ist jedoch der Wisser, der Wahrnehmende, der Denker. Das sechste Prinzip ist Buddhi, die spirituelle Unterscheidungskraft. Das siebte Prinzip ist Ātman oder Geist, der Strahl aus dem absoluten Sein. Die westlichen Sprachen reichen teilweise für eine Beschreibung von Manas aus, aber nicht für Buddhi oder Ātman. Vieles können sie nicht ausdrücken, was über Manas gesagt werden könnte.

Die Evolution entwickelte die niederen Prinzipien und schuf schließlich die Gestalt des Menschen mit einem Gehirn, das eine bessere und größere Kapazität aufwies als die jeden anderen Tieres. Diese menschliche Gestalt war jedoch kein denkender Mensch und benötigte das fünfte Prinzip, das Denkvermögen, das Wahrnehmungsvermögen, um ihn gänzlich vom Tierreich zu unterscheiden und ihm die Fähigkeit zu verleihen, sich seiner selbst bewusst zu werden. Die Monade war in diese Formen eingeschlossen, und diese Monade besteht aus Ātman und Buddhi. Ohne die Gegenwart der Monade könnte die Evolution nicht stattfinden. Wenn wir uns einen Augenblick an den Punkt zurückversetzen, an dem die Menschheit noch ohne Denkvermögen war, ergibt sich die Frage: „Wer gab das Denkvermögen, wo kam es her und was ist es?“ Es ist das Verbindungsglied zwischen dem Geist des Gottes oben und dem Persönlichen unten; es wurde den verstandeslosen Monaden von anderen gegeben, die den ganzen Evolutionprozess schon vor unvorstellbaren Zeiten auf anderen Welten und in anderen Weltsystemen durchlaufen hatten. Es kam daher aus anderen Evolutionsperioden, die lange vor der Entstehung unseres Sonnensystems begonnen und vollendet worden waren. So lautet die Theorie, die heute seltsam und unannehmbar erscheinen mag; sie muss aber geäußert werden, wenn wir die Wahrheit über die Theosophie sagen wollen. Es ist nur die Weitergabe dessen, was andere vor uns gesagt haben.

Die Methode, nach der das Licht des Denkvermögens anderen, nicht mit Denken begabten Menschen vermittelt wurde, kann veranschaulicht werden durch das Anzünden vieler Kerzen mit einer einzelnen Kerze. Mit einer brennenden Kerze können viele noch nicht brennende Kerzen angezündet werden. So ist es auch mit Manas. Es ist die brennende Kerze. Die vernunftlosen Menschen mit ihren vier Elementarprinzipien Körper, Astralkörper, Lebenskraft und Verlangen entsprechen den nicht entfachten Kerzen, die sich selbst nicht anzünden können. Die Söhne der Weisheit – die Älteren Brüder einer jeden menschlichen Familie auf einem beliebigen Globus – besitzen das Licht, das sie von anderen erhielten, die zurückreichen und noch weiter zurückreichen, in einer Aufeinanderfolge ohne Anfang und Ende. Sie entfachten in den zusammengesetzten vier niedrigeren Prinzipien und der Monade das Feuer und entzündeten auf diese Weise in dem neuen Menschen Manas und bereiteten damit wieder eine große Rasse auf die abschließende Initiation vor. Dieses Entfachen des manasischen Feuers wurde in allen großen Religionen und auch in der Freimaurerei symbolisiert. Im Osten erscheint ein Priester mit einer brennenden Kerze am Altar und an dieser einen Kerze entzünden Tausende ihre Kerze. Die Parsen besitzen ebenfalls ihr heiliges Feuer, das mit einer anderen heiligen Flamme entzündet wird.

Manas oder der Denker ist das reinkarnierende Wesen, das Unsterbliche, das alle Ergebnisse und Werte der verschiedenen auf der Erde und anderswo gelebten Leben in sich trägt. Manas wird in seiner Natur dual, sobald es sich mit einem Körper verbindet. Weil das menschliche Gehirn ein höher stehendes Organ ist, wird es von Manas benützt, um aus Voraussetzungen Schlussfolgerungen zu bilden. Das unterscheidet auch den Menschen vom Tier, denn das Tier handelt automatisch nach sogenannten instinktiven Impulsen, während der Mensch den Verstand gebrauchen kann. Dieser Verstand ist der niedrigere Aspekt des Denkers oder des Manas und nicht, wie manche angenommen haben, die höchste und beste Begabung des Menschen. Der andere, und in der Theosophie höhere, ist der intuitive Aspekt, der unabhängig vom Verstand erkennt. Das niedere und rein Intellektuelle steht dem Prinzip des Verlangens am nächsten und unterscheidet sich dadurch von seinem anderen Aspekt, der eine Affinität zu den oberen, spirituellen Prinzipien hat. Wenn also der Denker nun völlig intellektuell wird, tendiert die ganzen Natur nach unten: Denn der isolierte Intellekt ist kalt, herzlos, selbstsüchtig, weil er nicht durch die beiden anderen Prinzipien, Buddhi und Ātman, erleuchtet wird.

Im Manas sind die Gedanken aller Leben gespeichert. Das bedeutet: In jedem Leben zeigt die Gesamtsumme der Gedanken, die allen Handlungen dieses betreffenden Lebens zugrunde liegen, einen allgemeinen Charakter, der einer oder mehreren Klassen zugeordnet werden kann. Das heißt, der heutige Geschäftsmann ist ein spezieller Typus – sein gesamtes Gedankenleben repräsentiert nur ein einziges Denkmuster. Der Künstler ist ein anderer Typus. Der Mensch, der seinen Geschäften nachgeht, der aber auch viel nach Ruhm und Macht strebte, ohne sie zu erreichen, ist wieder ein anderer Typus. Die Menge der sich selbst aufopfernden, mutigen und charakterstarken armen Leute, die nur wenig Zeit zum Nachdenken haben, ergibt eine weitere bestimmte Klasse. In all diesen Kategorien bildet die Gesamtmenge des Gedankenlebens – das, woran das Herz hing – den Strom oder Faden einer lebenslangen Meditation. Das alles wird in Manas gespeichert und kann jederzeit in irgendeinem Leben wieder hervorgebracht werden, wenn das Gehirn und die physischen Umstände jenen gleichen, die zur Erzeugung dieser Gedankenklasse benützt wurden.

Manas sieht die von den physischen und von den wirklichen inneren Organen wahrgenommenen Objekte. Wenn das geöffnete Auge auf der Netzhaut ein Bild empfängt, wird die ganze Szene in den Sehnerven, die in das Gehirn münden, in Schwingungen umgewandelt, wo Manas sie dann als eine Idee wahrnehmen kann. Das gilt auch für jedes andere Organ und jeden anderen Sinn. Wenn die Verbindung zwischen Manas und Gehirn unterbrochen ist, wird sich keine Intelligenz manifestieren, außer Manas hat durch Schulung entdeckt, wie man den Astralkörper aus dem physischen Körper aussendet und dadurch die Verbindung mit den Mitmenschen aufrechterhält. Dass die Organe und Sinne die Objekte nicht erkennen, haben Hypnose, Mesmerismus und Spiritismus jetzt bewiesen. Aus hypnotischen und mesmeristischen Experimenten wissen wir, dass das gesehene oder ertastete Objekt, an dem alle Wirkungen eines realen Gegenstandes empfunden werden, häufig nur eine im Gehirn des Versuchsleiters existierende Vorstellung ist. In gleicher Weise kann Manas, unter Verwendung des Astralkörpers, einem anderen Menschen eine Vorstellung einprägen, und schon erfasst dieser Mensch diese Vorstellung und setzt sie in einen sichtbaren Gegenstand um, der die normalen Erscheinungen der Dichte und Schwere aufzuweisen scheint. Viele hypnotische Experimente zeigen, dass die sogenannte Materie nicht per se fest oder dicht ist, dass das Sehen nicht immer vom Auge und von den Lichtstrahlen abhängt, die von einem Objekt ausgehen; dass das für ein normales Gehirn und für normale Organe nicht Vorhandene für einen anderen durchaus greifbar sein kann und dass durch eine bloße Idee physische Wirkungen im Körper hervorgebracht werden können. Das bekannte Experiment, bei dem mit einem gewöhnlichen Stück Papier eine Blase auf der Haut erzeugt oder die Wirkung eines echten Zugpflasters aufgehoben wird, bei dem nur mit Hilfe von Suggestionen eine Blase entsteht oder nicht entsteht, beweist schlüssig die Möglichkeit, mit Manas einen Einfluss auf die Materie auszuüben. Alle derartigen Phänomene sind aber nur Kraftdemonstrationen des niederen Manas, das im Astralkörper und im vierten Prinzip – Begierde – tätig ist und den physischen Körper als Schauplatz der Kräfte benutzt.

Das niedere Manas bewahrt alle Eindrücke eines Lebens auf und produziert sie manchmal auf ungewöhnliche Weise in Trancezuständen, in Träumen, Delirien oder Hypnosezuständen und manchmal auch unter normalen Umständen und sehr oft im Augenblick des physischen Todes. Gewöhnlich ist es aber so stark mit dem Gehirn, mit dem Gedächtnis und den Sinneseindrücken beschäftigt, dass es nur wenige Erinnerungen aus der ungeheuren Zahl von Ereignissen wiedergibt, die ihm im Laufe der Jahre dargeboten wurden. Das niedere Manas beeinträchtigt die Tätigkeit des höheren Manas, weil gerade auf der jetzigen Evolutionsstufe die Emotionen und alle korrespondierenden Kräfte, Fähigkeiten und Sinne am meisten entwickelt sind, wodurch das weiße Licht der spirituellen Seite des Manas gewissermaßen verdunkelt wird. Es wird durch jedes gedankliche oder materielle Objekt, das ihm vorgestellt wird, gefärbt. Mit anderen Worten: Das durch das Gehirn arbeitende niedere Manas nimmt sofort die Form und andere Eigenschaften eines Objekts an, gleich ob mentaler oder anderer Natur. Dadurch weist das niedere Manas vier Eigentümlichkeiten auf: Erstens es schweift von Natur aus von jedem Punkt, Objekt oder Subjekt ab; zweitens es wendet sich einer angenehmen Idee zu; drittens es wendet sich einer unangenehmen Idee zu; viertens es bleibt passiv und erwägt nichts. Die erste Eigentümlichkeit ist dem Gedächtnis und der natürlichen Bewegung des Manas zuzuschreiben; die zweite und dritte sind nur auf die Erinnerung zurückzuführen; die vierte bedeutet – wenn nicht abnormal – Schlaf und – wenn abnormal – bedeutet sie Wahnsinn. Diese alle dem niederen Manas angehörenden mentalen Eigenschaften muss das höhere Manas mit Hilfe von Buddhi und Ātman bekämpfen und überwinden. Das höhere Manas wird, wenn handlungsfähig, zum Genius, wie wir manchmal sagen, und wenn es die Herrschaft ganz übernimmt, kann man ein Gott werden. Die Erinnerung führt aber dem niederen Manas beständig Bilder vor, was zu einer Verdunklung des höheren Manas führt. Manchmal begegnen wir auf dem Lebensweg jedoch hier und da Menschen, die Genies, große Seher oder Propheten sind. In ihnen wirken die höheren Kräfte des Manas, ihre Person ist erleuchtet. Zu diesen zählten die großen Weisen der Vergangenheit; Menschen wie Buddha, Jesus, Konfuzius, Zoroaster und viele andere. Auch Dichter wie Tennyson, Longfellow und andere waren Menschen, in welchen das höhere Manas hin und wieder einen hellen Lichtstrahl auf den niederen Menschen warf, um bald wieder durch die Einwirkungen einer dogmatischen religiösen Erziehung verdunkelt zu werden, die dem Gedächtnis gewisse Bilder zugeführt hat, die Manas immer an der Erlangung der vollen Aktivität hindern.

In dieser höheren Dreiheit steht über jedem einzelnen der Gott; es ist Ātman und kann auch höheres Selbst genannt werden.

Als nächstes folgt der spirituelle Teil der Seele, genannt Buddhi; wenn Buddhi völlig mit Manas vereinigt ist, kann man sie als das Göttliche Ego bezeichnen.

Das innere Ego, das reinkarniert und Körper um Körper bewohnt und Leben für Leben alle Eindrücke speichert und dadurch Erfahrungen sammelt und diese dem göttlichen Ego zuführt und während einer ungeheuren Periode von Jahren Freude und Leid erlebt, ist das fünfte, nicht mit Buddhi vereinigte Prinzip – Manas. Es ist die fortdauernde Individualität, die jedem Menschen das Gefühl vermittelt, dass er ‘er selbst’ ist und kein anderer. Manas lässt uns durch alle Wechsel von Tag und Nacht, von Jugend an bis zum Ende des Lebens, die uns eigene Identität empfinden. Es überbrückt die durch den Schlaf erzeugte Kluft wie auch die Kluft des Todesschlafes. Manas und nicht unser Gehirn erhebt uns über das Tier. Die Tiefe und Mannigfaltigkeit der Gehirnwindungen des Menschen werden durch die Anwesenheit des Manas verursacht, sie sind nicht die Ursache des Denkvermögens. Und wenn wir uns entweder ganz oder ab und zu bewusst mit Buddhi vereinen, mit der spirituellen Seele, dann schauen wir sozusagen Gott. Das ist es, was die Alten sich zu sehen wünschten. Die heutigen Menschen halten das jedoch nicht für möglich, sie verzichten lieber auf ihr eigenes Recht auf Wesensgröße und beten einen imaginären Gott an. Er ist einzig nach ihren Phantasievorstellungen geschaffen und unterscheidet sich daher nur wenig von der schwachen Menschennatur.

Diese fortdauernde Individualität in der gegenwärtigen Rasse hat deshalb schon jede Art Erfahrung durchgemacht. Die Theosophie besteht darauf, dass die Individualität permanent ist und der Notwendigkeit unterliegt, weiterhin an der Evolution teilnehmen zu müssen. Diese Individualität hat eine Pflicht zu erfüllen: Sie muss die gesamte Materie unserer Globenkette, zu der die Erde gehört, auf eine höhere Stufe emporheben. Wir haben alle an einer Zivilisation nach der anderen teilgenommen und in einer Rasse nach der anderen auf der Erde gelebt – und wir werden weiterhin alle Runden und Rassen durchleben, bis die siebte Runde vollendet ist. Gleichzeitig darf man aber nicht vergessen, dass die Materie dieses Globus und das mit ihm Verbundene, ebenfalls schon durch jede Art von Form gegangen ist, möglicherweise mit einigen Ausnahmen in sehr niedrigen Ebenen mineralischer Formationen. Aber im Allgemeinen ist die ganze sichtbare und die im Raum befindliche noch nicht ausgefällte Materie irgendwann einmal zu Formen aller Art gestaltet gewesen, von denen uns viele überhaupt nicht vorstellbar sind. Die Evolutionsprozesse laufen jetzt in einigen Abteilungen mit größerer Schnelligkeit ab als in früheren Zeiten, weil sowohl Manas als auch die Materie eine größere Handlungsfertigkeit erworben haben. Das gilt ganz besonders für den Menschen, der in dieser Evolution allen Wesen oder Dingen am weitesten voraus ist. Er wird jetzt rascher inkarniert und ins Leben gebracht als in früheren Perioden, in denen es viele Jahre dauerte, einen ‘Rock aus Fellen’ zu erlangen. Dieses immer wieder Ins-Leben-Kommen kann von normalen Menschen nicht vermieden werden, weil das niedere Manas immer noch durch Begierde, das gegenwärtig dominierende Prinzip, gebunden ist. Da Manas, während es im Körper ist, fortwährend durch Begierde getäuscht wird, kann es auch nicht verhindern, dass die Kräfte auf es einwirken, die während der Lebenszeit erzeugt werden. Diese Kräfte werden von Manas erzeugt, das heißt durch das Denken im Lauf des Lebens. Jeder Gedanke bildet eine physische und eine mentale Verbindung zu dem Wunsch, in dem er wurzelt. Alles Leben ist von solchen Gedanken erfüllt, und wenn die Ruheperiode nach dem Tod beendet ist, ist Manas aufgrund der Gedanken des vergangenen Lebens durch zahllose elektromagnetische Fäden mit der Erde verbunden. Und daher auch durch Begierde, denn es war Begierde, die so viele Gedanken erzeugte, und Unwissenheit über die wirkliche Natur der Dinge. Die Kenntnis dieser Lehre, dass der Mensch wirklich ein Denker und aus Gedanken gemacht ist, wird alle übrigen Zusammenhänge mit Inkarnation und Reinkarnation klären. Der Körper des inneren Menschen ist aus Gedanken aufgebaut. Da das so ist, folgt daraus, dass die Rückkehr zum Leben hierher unvermeidlich ist, wenn die Gedanken eine stärkere Affinität zum irdischen Leben haben als anderswohin.

Gegenwärtig ist Manas in der Rasse noch nicht voll aktiv, da Begierde noch an oberster Stelle steht. Im nächsten Zyklus der Menschheitsperiode wird Manas in der ganzen Menschheit voll aktiv und ganz entwickelt werden. Deshalb sind die Menschen der Erde auch noch nicht an dem Punkt angelangt, wo sie sich in Bezug auf den einzuschlagenden Weg bewusst entscheiden müssen; wenn aber in dem erwähnten Zyklus Manas aktiv ist, dann werden alle gezwungen sein, bewusst die Wahl zwischen links und rechts zu treffen. Der rechte Pfad führt zur völligen und bewussten Vereinigung mit Ātman; der linke zur Vernichtung der Wesen, die diesen Pfad vorziehen.


VIII – Reinkarnation I

Wie und warum sich der Mensch zu diesem komplexen Wesen entwickelte, sind Fragen, die weder von der Wissenschaft noch von der Religion schlüssig beantwortet werden. Dieser unsterbliche Denker steht an der Spitze einer unermesslichen und stillen Evolution. Er verfügt über so große Kräfte und Möglichkeiten, weil er mit jedem verborgenen Teil der Natur, aus dem er aufgebaut ist, eng verbunden ist. Er fragt nach dem Zweck der Natur, nach dem Ziel des Lebensdramas und wie dieses Ziel erreicht werden kann. Aber weder die Wissenschaft noch die Religion vermögen eine vernünftige Anwort darauf zu geben. Die Wissenschaft gibt auch nicht vor, eine Lösung bieten zu können: Ihre Aufgabe sei lediglich die Erforschung der Dinge, so wie sie sind. Die Religion gibt eine unlogische und bedeutungslose Antwort, die nur dem Frömmler annehmbar ist, verlangt sie doch von uns, wir sollten die Natur als ein Mysterium betrachten; die ganze Bedeutung und Absicht des Lebens mit seinen Leiden sei nur im Wohlgefallen eines Gottes zu suchen, der nicht erforschbar sei. Der gebildete und forschende Sucher weiß, dass die dogmatische Religion nur eine von Menschen aufgestellte Antwort geben kann, von der aber behauptet wird, sie stamme von Gott.

Warum existiert nun das Universum und auf welches Endziel steuert der unsterbliche Denker mit seiner Evolution zu? Alles dient der Erfahrung und Befreiung der Seele – mit dem Ziel, die gesamte manifestierte Materie in den Stand, das Wesen und die Würde bewusster Göttlichkeit zu erheben. Das große Ziel ist, Selbstbewusstsein zu erlangen; nicht durch eine Rasse, ein Volk oder eine bevorzugte Nation, sondern durch Vervollkommnung der gesamten Materie und auch dessen, was man jetzt als Seele bezeichnet, nachdem diese transformiert wurden. Nichts wird oder kann ausgenommen werden. Das Ziel für den gegenwärtigen Menschen ist seine Initiation in das vollständige Wissen und für die unter ihm stehenden Naturreiche, dass sie allmählich Stufe um Stufe emporgeführt werden, um im Laufe der Zeit ebenfalls initiiert zu werden. Das ist Evolution in höchster Potenz; sie bietet eine herrliche Aussicht. Sie macht aus dem Menschen einen Gott und gibt jedem Teil der ganzen Natur die Möglichkeit, eines Tages das gleiche Ziel zu erreichen. Darin liegt Stärke und Würde, weil damit kein Mensch erniedrigt und entwürdigt wird, denn niemand ist von Grund auf so sündhaft, dass er sich nicht über alle Sünde erheben könnte. Die vom materialistischen Standpunkt der Wissenschaft behandelte Evolution berücksichtigt nur eine Hälfte des Lebens, während der religiöse Evolutionsbegriff eine Mischung von Unsinn und Furcht ist. Die gegenwärtigen Religionen pflegen das Element der Furcht und stellen sich zur gleichen Zeit vor, ein allmächtiges Wesen habe nur diese Erde im Sinn, die es nur sehr unvollkommen regiert. Die alte theosophische Anschauung macht das Universum jedoch zu einem großen, vollständigen und vollkommenen Ganzen.

Sobald wir eine doppelte Evolution voraussetzen, eine materielle und eine spirituelle, müssen wir gleichzeitig zugestehen, dass sie nur vermittels der Reinkarnation vor sich gehen kann. Das wird tatsächlich von der Wissenschaft demonstriert. Sie zeigt, dass die Materie der Erde und aller ihrer physischen Objekte darauf früher einmal gasförmig oder flüssig war, dass sie abkühlte; dass sie sich veränderte; und dass aus allen Veränderungen und Evolutionen schließlich die ganze Vielfalt an Wesen und Dingen entstand. Auf der physischen Ebene ist das Transformation oder Wechsel von einer Form zur anderen. Die Gesamtmenge an Materie ist heute ziemlich die gleiche wie am Anfang dieses Globus, es mag noch etwas kosmischer Staub hinzugekommen sein. Die Materie muss daher immer und immer wieder Veränderungen durchlaufen und sich physisch dauernd umgebildet und wiederverkörpert haben. Streng genommen können wir natürlich das Wort Reinkarnation hier nicht anwenden, weil sich ‘inkarnieren’ auf Fleisch bezieht. Deshalb wollen wir lieber ‘wiederverkörpert’ sagen. Wir sehen dann, dass sowohl bei der Materie wie auch beim Menschen die Formen ständig gewechselt haben und das ist, allgemein gesprochen, ‘Reinkarnation’. Von der gesamten Menge der Materie erklärt die Lehre, sie werde auf die Menschenstufe emporgehoben sein, wenn der Mensch selbst weiter fortgeschritten sein wird. Nach der schließlichen Erlösung des Menschen bleibt kein Rückstand übrig, der auf eine mysteriöse Art entsorgt oder auf irgendeiner fernen Müllhalde der Natur abgeladen wird. Die echte Lehre erlaubt keine derartige Möglichkeit, sie schreckt aber gleichzeitig auch nicht vor der richtigen Erklärung darüber zurück, was dem Anschein nach ein Rückstand ist. Alles wird in andere Zustände umgearbeitet. Da diese Philosophie behauptet, dass es überhaupt keine anorganische Materie gibt, sondern dass jedes Atom lebendig ist und den Keim des Selbstbewusstseins in sich trägt, muss gefolgert werden, dass eines Tages alles verändert sein wird. Was heute als menschliches Fleisch bezeichnet wird, besteht aus Materie, die einmal völlig mineralisch und später dann vegetabil war und sich jetzt zu menschlichen Atomen verfeinert hat. In einer sehr fernen Zukunft wird die gegenwärtige vegetabile Materie auf die animalische Stufe emporgehoben sein, und was wir jetzt als unsere fleischliche oder organische Materie benützen, wird sich durch Transformation mittels der Evolution zu selbstbewussten Denkern entwickelt haben und so weiter, die ganze Stufenleiter empor, bis die Zeit gekommen sein wird, in der die jetzige Mineralmaterie auf die menschliche Stufe emporgewandert sein wird und darüber hinaus zum Denker. Beim Beginn einer weiteren großen Evolutionsperiode wird dann die mineralische Materie jener Zeit aus Stoff gebildet sein, die zur Zeit auf anderen Planeten und in anderen Weltsystemen ihre niedrigeren Transformationen durchläuft. Dieses System erscheint vielleicht ‘phantastisch’ für den heutigen Menschen, der daran gewöhnt ist, als von Geburt an sündhaft, böse, schwach und äußerst törich bezeichnet zu werden, so dass er sich tatsächlich vor der Wahrheit über sich selbst fürchtet. Für die Schüler der Theosophen des Altertums ist es jedoch weder unmöglich noch phantastisch sondern logisch und umfassend. Zweifellos wird dieses System eines Tages von allen anerkannt werden, wenn das Denken der westlichen Völker sich von der mosaischen Chronologie und von der mosaischen Vorstellung über den Menschen und die Natur befreit hat. Daher sagen wir, dass die Reinkarnation und die Metempsychose zuerst auf den ganzen Kosmos angewendet werden müssen und nicht nur auf den Menschen allein. Da aber für den Menschen der Mensch selbst der interessanteste Gegenstand ist, wollen wir jetzt im Einzelnen betrachen, wie sich diese Vorgänge bei ihm auswirken.

Die Wiederverkörperung ist die älteste Lehre und die Zahl ihrer Anhänger übersteigt jetzt die der Nichtanhänger. Die vielen Millionen im Orient halten fast alle daran fest. Sie wurde bei den Griechen gelehrt, eine große Anzahl Chinesen glaubt heute ebenso daran wie ihre Vorfahren. Die Juden hielten sie für wahr und sie ist nicht aus ihrer Religion verschwunden. Jesus, der als Gründer des Christentum bezeichnet wird, glaubte und lehrte sie. In der frühchristlichen Kirche kannte und lehrte man sie, und die größten Kirchenväter glaubten und verbreiteten sie.

Die Christen sollten daran denken, dass Jesus ein Jude war, dessen Sendung den Juden galt, denn er sagt im Matthäus-Evangelium: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Er muss ihre Lehren gut gekannt haben. Sie glaubten alle an Reinkarnation. Nach ihrer Auffassung waren Moses, Adam, Noah, Seth und andere wieder zur Erde zurückgekehrt, und zur Zeit Jesu wurde allgemein angenommen, dass der Prophet Elias jetzt wiederkommen werde. Als erstes stellen wir also fest, dass Jesus diese Lehre nie verneinte, sondern sie bei verschiedenen Gelegenheiten bestätigte. Zum Beispiel sagte er, dass Johannes der Täufer tatsächlich der frühere Elias sei, den das Volk erwartet. Das alles kann bei Matthäus nachgelesen werden, im Kapitel 17, 11 und an anderen Stellen.

Aus diesen Passagen geht sehr klar hervor, dass Jesus die Lehre der Reinkarnation anerkannte. Jesus folgend finden wir, wie Paulus im Römerbrief 9 von Esau und Jakob sagt, dass sie tatsächlich existierten, ehe sie geboren wurden. Später lehrten und glaubten große Kirchenväter, wie Origenes, Synesius und andere die Theorie. In Salomons Sprüchen 8, 22 sagt Salomo, dass er gegenwärtig war, als die Erde gemacht wurde, und dass er, lange bevor er als Salomon geboren sein konnte, auf den bewohnbaren Teilen der Erde seine Freude mit den Söhnen der Menschen hatte. Johannes der Offenbarer sagt in der Offenbarung 3, 12, dass ihm in einer Vision durch die Stimme Gottes oder durch eine Stimme, die für Gott sprach, gesagt worden sei, dass jeder, der überwinde, nicht mehr ‘hinausgehen’ müsse, das heißt, dass er dann nicht mehr zu reinkarnieren brauche. Noch 500 Jahre nach Jesus wurde diese Lehre in der Kirche gelehrt, bis zum Konzil von Konstantinopel. Dann wurde der Bann über einen Aspekt dieser Frage ausgesprochen, den viele als gegen die Reinkarnation gerichtet ansahen; wenn sich diese Verdammung aber gegen Jesu Worte richtet, dann ist sie ungültig. Dieser Bann richtet sich gegen ihn und dadurch stellt sich die Kirche praktisch auf den Standpunkt, Jesus habe nicht genug gewusst, um eine Lehre zu verdammen – eine Lehre, die zur Zeit Jesu allgemein gelehrt wurde, ihm wohlbekannt war und die er nie verdammt hat, sondern tatsächlich anerkannte. Das Christentum ist eine jüdische Religion, und folglich gehört diese Lehre von der Reinkarnation schon durch ihre historische jüdische Abstammung zum Christentum und auch deshalb, weil sie von Jesus und den frühen Kirchenvätern gelehrt worden war. Wenn es für die christliche Kirche irgendeinen wahren und logischen Ausweg aus dieser Situation gibt – natürlich Kirchendogma ausgeschlossen –, so möchte der Theosoph ihn gerne kennenlernen. Der Theosoph steht vielmehr auf dem Standpunkt, dass ein bekennender Christ, der diese Lehre verneint, sein Urteil gegen das von Jesus stellt, der doch bestimmt mehr als seine Nachfolger über diese Sache gewusst haben muss. Gerade das vom Kirchenkonzil herausgeschleuderte Anathema und das jetzige Fehlen dieser Lehre haben dem Christentum sehr geschadet und die christlichen Nationen zu Völkern gemacht, die nur vorgeben, Jesus und seinem Gebot der Liebe zu folgen. In Wirklichkeit sind sie als Nationen jedoch Anhänger des mosaischen Gesetzes der Wiedervergeltung. Nur in der Lehre von der Reinkarnation liegen die Lösungen für alle Lebensprobleme. In den Lehren von der Wiederverkörperung und von Karma liegt die Kraft, die die Menschen dazu bewegt, die vorhandene theoretische Ethik in die Tat umzusetzen. Es ist das Ziel der alten Philosophie, diese Lehre in allen Religionen, die sie verloren haben, wiederherzustellen. Deshalb bezeichnen wir diese wichtige Lehre auch als ‘die verloren gegangene Saite des Christentums’.

Aber wer oder was reinkarniert denn eigentlich? Es ist nicht der Körper, denn dieser stirbt und löst sich auf. Und nur wenige Menschen würden immer an solche Körper gefesselt sein wollen, wie wir sie jetzt haben, Körper, die – mit Ausnahme bei den Naturvölkern – für alle Krankheiten anfällig sind. Es handelt sich auch nicht um den Astralkörper, der ja, wie schon gezeigt, ebenfalls nur eine kurze Lebensdauer hat und nach der Auflösung des physischen Körpers zerfällt. Auch die Leidenschaften und Begierden sind es nicht. Diese haben allerdings eine lange Lebensdauer, weil sie die Kraft besitzen, sich in jedem Leben zu regenerieren, solange wir sie nicht ausrotten. Und gerade die Reinkarnation schafft diese Möglichkeit, da sie uns viele Gelegenheiten bietet, die Begierden und Leidenschaften, die das himmlische Bild des spirituellen Menschen entstellen, eine nach der anderen allmählich auszutilgen.

Es ist dargelegt worden, wie unser leidenschaftlicher Teil sich nach dem Tod mit dem Astralkörper verbindet und ein Scheinwesen bildet, das während seiner Auflösung ein kurzes Eigenleben besitzt. Wenn die Trennung zwischen dem abgestorbenen Körper, dem Astralkörper und den Leidenschaften und Begierden vollendet ist – die Lebenskraft beschäftigt sich dann bereits mit anderen Formen – geht die höhere Dreiheit Manas, Buddhi und Ātman, die den wirklichen Menschen bildet, unmittelbar in einen anderen Zustand über; und wenn dieser Zustand – Devachan oder Himmel genannt – vorüber ist, wird die Triade wieder zur Reinkarnation auf die Erde zurückgezogen. Diese Dreiheit ist unser unsterbliches Selbst; sie und nichts anderes sind wir wirklich. Das sollte vom Verstand fest erfasst werden, denn auf der klaren Erkenntnis dieser Tatsache beruht das Verständnis der gesamten Lehre. Was den heutigen westlichen Menschen daran hindert, diese Erkenntnis zu erlangen, ist die lange Schulung, die wir in der materialistischen Wissenschaft und der materialisierten Religion hatten, von denen beide den bloßen physischen Körper zu wichtig gemacht haben. Erstere spricht aussschließlich über Materie und letztere predigt die Auferstehung des Körpers, eine Lehre, die dem gesunden Menschenverstand, den Tatsachen und der Logik widerspricht und unbeweisbar ist. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die Theorie von der körperlichen Auferstehung aus einer Entartung der älteren und richtigen Lehre entstanden ist. Die Auferstehung stützt sich auf die Worte Hiobs, dass er seinen Erlöser in seinem Fleisch sehen würde, und auf die Bemerkung des Paulus, dass der Körper unverweslich auferstehen würde. Aber Hiob war ein Ägypter, der von der Begegnung mit seinem Lehrer oder Initiator sprach, der der Erlöser ist; Jesus und Paulus bezogen sich lediglich auf den spirituellen Körper.

Wenn auch Reinkarnation das Gesetz der Natur ist, so verkörpert sich doch noch nicht die vollständige Dreiheit aus Ātman-Buddhi-Manas in dieser Rasse. Sie benützt und bewohnt den Körper, in den Manas, der niedrigste Teil der drei, eintaucht; und die beiden höheren Prinzipien strahlen darauf nieder und bilden den Gott im Himmel. Das wurde symbolisiert in der alten jüdischen Lehre vom Himmlischen Menschen, der sich mit seinem Haupt im Himmel und mit seinen Füßen in der Hölle befindet. Das heißt, das Haupt, Ātman und Buddhi, sind noch im Himmel, und die Füße, Manas, wandeln in der Hölle, dargestellt durch den Körper und das physische Leben. Aus diesem Grund ist der Mensch noch nicht völlig bewusst. Weitere Inkarnationen sind nötig, um schließlich die Inkarnation der ganzen Dreiheit im Körper zu bewirken. Wenn das erreicht ist, wird die Menschheit zu Göttern geworden sein, und da die gottgleiche Dreiheit dann voll Besitz ergriffen hat, wird die gesamte Materie vervollkommnet und für den nächsten Schritt vorbereitet sein. Das ist die wirkliche Bedeutung von ‘und das Wort ward Fleisch’. Im Falle einzelner Menschen, wie zum Beispiel bei Jesus und Buddha, war das ein so großartiges Ereignis, dass man von einer göttlichen Inkarnation sprach. Daraus bildete sich auch die Idee der Kreuzigung, denn Manas ist auf diese Weise gekreuzigt, um den Dieb ins Paradies zu erheben.

Gerade weil die Dreiheit in der Menschheit noch nicht vollständig inkarniert ist, weist das Leben so viele Mysterien auf. Sie zeigen sich Tag für Tag bei den verschiedenen Experimenten, die am und im Menschen angestellt werden.

Der Arzt weiß nicht, was Leben ist und warum sich der Körper so bewegt, weil der spirituelle Teil noch in den Wolken des Himmels verborgen ist. Der Wissenschaftler tappt im Dunkeln, verwirrt und irritiert von allem, was Hypnotismus und andere sonderbare Dinge hervorbringen, weil der bewusste Mensch auf dem Gipfel des göttlichen Berges nicht sichtbar ist und die Gelehrten daher gezwungen sind, vom ‘Unterbewusstsein’, von ‘latenter Persönlichkeit’ und dergleichen zu sprechen. Der Geistliche jedoch kann uns überhaupt kein Licht bringen, weil er das gottgleiche Wesen des Menschen verneint und alles auf die Stufe der Erbsünde zurückführt und unsere Vorstellung über Gott mit dem schwarzen Stempel der Unfähigkeit belastet, die Schöpfung zu kontrollieren oder zu leiten, ohne Notbehelfe zu erfinden, um vermeintliche Fehler zu korrigieren. Die alte Wahrheit löst jedoch das Rätsel und malt Gott und Natur in harmonischen Farben.

Reinkarnation bedeutet nicht, dass wir nach dem Tod in Tierformen eintreten, wie von manchen östlichen Völkern angenommen wird. „Einmal ein Mensch, immer ein Mensch“, lautet die Aussage der Großen Loge. Für manche Menschen wäre es jedoch keine allzu große Strafe, wenn man sie zur Wiedergeburt in Tierkörpern verurteilen könnte. Die Natur folgt aber nicht Gefühlen sondern Gesetzen, und wir, die wir nicht alles sehen, können auch nicht sagen, ein Unmensch sei seinem ganzen Wesen nach tierisch. Da die Evolution Manas, den Denker und unsterblichen Menschen auf diese Daseinsebene gebracht hat, kann sie ihn nicht wieder zu den Tieren zurückdrängen, die kein Manas besitzen.

Dass einige Völker des Orients ein paar Stellen in den Gesetzen des Manu wörtlich auffassen, in denen die Transmigration in Tiere, Insekten und so weiter anscheinend gelehrt wird, kann auf zweifache Weise erklärt werden. Betrachten wir das näher, werden wir erkennen, dass echte Schüler dieser Lehre nicht dem gleichen Irrtum verfallen.

Die erste Erklärung ist, dass die verschiedenen Verse und Bücher, die von solcher Transmigration handeln, die tatsächliche Methode der Reinkarnation beschreiben, das heißt, sie erklären die wirklichen physischen Prozesse, denen sich das Ego beim Übergang vom unverkörperten in den verkörperten Zustand unterziehen muss, und auch die Bahnen, Wege und Mittel des Abstiegs aus der unsichtbaren in die sichtbare Region. Dieses Thema ist in den theosophischen Schriften noch nicht ausführlich behandelt worden, weil es einerseits eine recht schwierige Angelegenheit ist und zum anderen die Einzelheiten selbst für Theosophen kaum glaubhaft wären, obgleich man sie eines Tages akzeptieren wird. Da diese Einzelheiten auch nicht von größter Wichtigkeit sind, wollen wir sie jetzt nicht ausführen. Da wir aber wissen, dass kein menschlicher Körper ohne die Vereinigung der Geschlechter gebildet werden kann und dass die Keimzellen für eine Zeugung in den Geschlechtern angelegt sind und aus der Nahrung stammen müssen, die in den Körper aufgenommen wird, ist es naheliegend, dass Nahrungsmittel etwas mit der Reinkarnation des Egos zu tun haben. Wenn nun der Weg zur Reinkarnation nur durch ganz bestimmte und keine anderen Nahrungsmittel führt, dann kann es möglich sein, dass das Ego mit bestimmten Nahrungsmitteln in Berührung kommen kann, die zu keiner zeugungsfähigen Keimzelle führen. Damit wird eine Strafe angedeutet, zu der Manu sagt, dass verschiedene Praktiken zur Transmigration führen werden, die dann ein ‘Hindernis’ bilden. Ich führe das zum Wohle jener Theosophen soweit aus, die diese Schriften lesen und deren Theorien zu diesem Thema ziemlich unklar sind und in einigen Fällen auf ganz anderen Hypothesen beruhen.

Die zweite Erklärung ist: Die Natur erwartet von uns, dass wir – neben anderen Zwecken – die in unseren physischen und astralen Körper eintretenden Stoffe durch den Einfluss fördern, der durch ihre Verbindung mit dem menschlichen Ego auf sie ausgeübt wird. Wenn wir ihnen nur einen tierischen Eindruck vermitteln, müssen sie ins Tierreich zurück und werden dort absorbiert, statt dass sie verfeinert und auf der menschlichen Ebene festgehalten werden. Da nun alle Materie, die das menschliche Ego an sich gezogen hat, den Stempel oder den fotografischen Eindruck des Menschen bewahrt, transmigriert diese Materie in die niedrigere Ebene, wenn ihr vom Ego ein tierischer Impuls erteilt wird. Dieser echte Vorgang im großen Chemielabor der Natur kann von Unwissenden leicht missverstanden werden. Die heutigen Schüler wissen jedoch, dass Manas, der Denker, seit er auf der Lebensbühne erschien, nicht in minderwertige Formen eintritt; erstens weil er das nicht will, und zweitens weil er es nicht kann. Denn genauso wie die Herzklappen in unserem Körper verhindern, dass das Blut zurückströmt und das Herz überflutet, so ist auch im größeren universalen Zirkulationssystem das Tor hinter dem Denker verschlossen und sein Rückgang blockiert. Reinkarnation, die sich als Lehre auf den wirklichen Menschen bezieht, lehrt keine Transmigration in Naturreiche, die unter der menschlichen Ebene liegen.


IX – Reinkarnation II

Im Westen, wo das Lebensziel im kommerziellen, sozialen, finanziellen oder wissenschaftlichen Erfolg, das heißt im persönlichen Profit und in der eigenen Größe und Macht gesehen wird, schenkt man dem wahren Leben des Menschen nur wenig Aufmerksamkeit. Im Gegensatz zu den Orientalen legen wir auf die Lehre der Präexistenz und Reinkarnation nur wenig Gewicht. Dass die Kirche diese Lehre ablehnt, ist für viele Menschen genug, jede Diskussion darüber auszuschließen. Da sie sich auf die Kirche verlassen, ziehen sie die Ruhe aus ihrem Glauben an Dogmen vor, auch wenn diese unlogisch sind. Da man sie lehrte, die Kirche könne sie der Hölle überliefern, genügt bereits die blinde Furcht vor dem Anathema, das ca. 500 n. Chr. auf dem Konzil von Konstantinopel gegen die Reinkarnation ausgesprochen wurde, diese Menschen von der Annahme der ‘verdammten’ Theorie abzuhalten. Bei der Diskussion über diese Lehre vertritt die Kirche heute auch den Einwand, die Menschen würden durch eine Überzeugung, dass sie viele Leben zu leben hätten, der starken Versuchung ausgesetzt, die Gegenwart einfach hinzunehmen und dem Bösen hemmungslos zu folgen. So absurd dieser Einwand auch erscheint, wird er doch von gelehrten Jesuiten verbreitet mit der Begründung, die Menschen würden lieber die gegenwärtige Chance wahrnehmen als auf eine andere zu warten. Wenn es tatsächlich keine Vergeltung gäbe, wäre das ein guter Einwand. Da aber die Natur für jeden Übeltäter eine Nemesis hat und da jeder durch das Gesetz des Karma – durch das Gesetz von Ursache und Wirkung und absoluter Gerechtigkeit – in jedem Leben die exakten Folgen für seine guten und bösen Gedanken und Taten aus früheren Leben selbst auf sich nehmen muss, ist damit das Fundament für seine ethische Lebensführung gelegt. Sie ist durch dieses System sichergestellt, weil kein Mensch aufgrund irgendeiner Möglichkeit, Gunst, Verfügung oder aufgrund eines Glaubens den Konsequenzen entfliehen kann. Wer diese Lehre begreift, wird durch das Gewissen und durch die ganze Kraft der Natur zum Guten bewegt, damit er Gutes empfange und glücklich werde.

Es wird behauptet, die Lehre von der Wiedergeburt sei unsympathisch und unerfreulich, weil sie einerseits kalt sei, keine Gefühle zulasse und es uns verbiete, willentlich ein Leben aufzugeben, das wir als zu leidvoll empfinden. Andererseits böte die Reinkarnation anscheinend keine Gelegenheit, unseren Lieben zu begegnen, die vor uns dahingegangen sind. Aber ob es uns passt oder nicht – die Naturgesetze wirken unbeirrbar; Meinungen oder Gefühle vermögen auf keine Weise eine Wirkung abzuwenden, die einer Ursache folgen muss. Wenn wir verdorbene Nahrung essen, muss das üble Folgen haben. Der Vielfraß begehrt von der Natur, sich ohne Verdauungsstörungen vollschlagen zu können, aber die Naturgesetze lassen sich nicht beiseite schieben. Der Einwand gegen die Reinkarnation, wir würden unsere Lieben im Himmel nicht wiedersehen, wie es die dogmatische Religion verspricht, setzt einen kompletten Stillstand der Evolution und des Fortschritts unserer Lieben voraus, die vor uns die Erde verlassen haben, und geht davon aus, das Wiedererkennen sei von der physischen Erscheinung abhängig. Aber so wie wir in diesem Leben fortschreiten, müssen wir das auch nach dem Weggang tun, und es wäre ungerecht, andere auf uns warten zu lassen, damit wir sie wiedererkennen können. Wenn man über die natürlichen Konsequenzen aus dem Aufstieg zum Himmel nachdenkt, bei dem alle irdischen Fesseln abgeworfen werden, so ist es klar, dass diejenigen, die beispielsweise zwanzig Erdenjahre vor uns dort sind, in mentalen und spirituellen Dingen Fortschritte gemacht haben müssen, für die hier unter anderen und sehr günstigen Bedingungen viele Jahrhunderte nötig wären. Wie könnten wir dann als spätere und noch unvollkommene Neulinge diejenigen noch wiedererkennen, die sich im Himmel unter solch günstigen Bedingungen vervollkommnet haben? Und da der Körper bekanntlich zur Auflösung zurückgelassen wird, liegt es auf der Hand, dass das Wiedererkennen im spirituellen und mentalen Leben nicht von der physischen Erscheinung abhängig sein kann. Doch nicht nur dieses ist klar, da wir vielmehr wissen, dass ein unschöner und entstellter Körper häufig ein glänzendes Denkvermögen und eine reine Seele birgt, und ein schönes Äußeres – wie bei den Borgias – einen teuflischen Charakter verbergen kann, ist die physische Erscheinung keine Garantie für das Wiedererkennen in jener Welt, in der es keinen physischen Körper gibt. Und die Mutter, die ihr Kind verloren hat, das zum Erwachsenen herangereift war, muss wissen, dass sie das Kind als Baby ebenso liebte wie danach, wenn die große Verwandlung im späteren Leben die Gestalt und Gesichtszüge der frühen Jugend völlig beseitigt hat. Die Theosophen wissen, dass dieser Einwand angesichts des ewigen und reinen Seelenlebens keine Gültigkeit besitzt. Die Theosophie lehrt auch, dass diejenigen, die einander ähnlich sind und sich lieben, wieder zusammen reinkarnieren werden, wann immer die Verhältnisse es gestatten. Wenn einer von uns auf dem Weg des Fortschritts weiter vorangeschritten ist, dann wird er sich immer bewogen fühlen, diejenigen zu unterstützen und zu fördern, die zur gleichen Familie gehören. Wenn aber jemand roh, selbstsüchtig und bösartig geworden ist, würde sich niemand in irgendeinem Leben seine Gesellschaft ersehnen. Das Wiedererkennen hängt vom inneren spirituellen Auge ab, und nicht von der äußeren Erscheinung; daher ist dieser Einwand nicht stichhaltig. Und die andere Phase des Wiedererkennens bezogen auf den Verlust von Eltern, Kindern oder Verwandten beruht auf der irrigen Meinung, dass – so wie die Eltern dem Kind den Körper geben – sie ihm auch seine Seele schenken. Die Seele ist jedoch unsterblich und elternlos; daher ist dieser Einwand grundlos.

Manche behaupten, die Vererbung widerlege die Reinkarnation. Wir sehen in ihr einen Beweis. Die Vererbung, durch die wir in einer Familie einen Körper erhalten, sichert dem Ego die passenden Verhältnisse. Das Ego tritt nur in eine Familie ein, die entweder seiner ganzen Natur völlig entspricht oder ihm eine Gelegenheit zur Ausarbeitung seiner Evolution bietet und die außerdem aufgrund früherer Inkarnationen oder gemeinsam geschaffener Ursachen mit ihm verbunden ist. Deshalb kann eine gegenwärtig gute Familie ein Problemkind bekommen, weil Eltern und Kind durch frühere Handlungen unauflöslich miteinander verbunden sind. Es bietet sich damit eine Chance zur Besserung für das Kind und eine Gelegenheit zur Bestrafung der Eltern. Das zeigt die leibliche Vererbung als ein natürliches Gesetz, dem die Körper unterliegen, die wir bewohnen müssen, geradeso wie die Häuser einer Stadt das Denken ihrer Erbauer widerspiegeln. Und da wir selbst und auch unsere Eltern die Körper hervorgebracht und beeinflusst haben und für die sozialen Verhältnisse mitverantwortlich sind, die die Entwicklung des physischen Körpers und des Gehirns aufgehalten oder gefördert, erniedrigt oder veredelt haben, sind wir auch in diesem Leben für die Kultur verantwortlich, in der wir jetzt zur Welt kommen. Wenn wir aber auf die Charaktere in den menschlichen Körpern achten, sehen wir große inhärente Unterschiede. Diese sind der inneren Seele zuzuschreiben, die in der Familie, Nation oder Rasse leidet oder sich freut, in der sie durch ihre eigenen Gedanken und Handlungen in vergangenen Leben unausweichlich zur Inkarnation gebracht wird.

Die Vererbung sorgt für die Behausung und bestimmt auch die Leistungsgrenzen von Gehirn und Körper, die oft eine Strafe und manchmal eine Hilfe sind. Sie beeinflusst jedoch nicht das wirkliche Ego. Die Übertragung von Merkmalen ist eine physische Angelegenheit, die nur bedeutet, dass in einem Volk die Wirkungen aus den früheren Leben aller Egos, die sich in diesem Volk befinden, wieder hervortreten. Die einem Ego durch die familiäre Vererbung auferlegten Beschränkungen entsprechen genau den Folgen aus den früheren Leben dieses Egos. Dass ganz bestimmte physische Züge und mentale Eigentümlichkeiten übertragen werden, widerlegt nicht die Reinkarnation, da wir wissen, dass das lenkende Denkvermögen und der wirkliche Charakter eines jeden kein Ergebnis des Körpers und Gehirns ist, sondern dem Ego in seinem essenziellen Leben eigen sind. Die Übertragung von Gewohnheiten und Neigungen durch Eltern und Körper ist genau die von der Natur gewählte Methode, das inkarnierende Ego mit der zur Fortführung seiner Arbeit nötigen Behausung zu versehen; ein anderer Modus wäre unmöglich und der Naturordnung zuwider.

Wer auf den Einwänden aus der Vererbung beharrt, vergisst, dass die Übereinstimmungen betont, die Abweichungen jedoch übersehen werden. Zwar wurden bei Untersuchungen viele in der Vererbungslinie liegende Merkmale registriert, nicht aber die Abweichungen in der Vererbung, die weitaus zahlreicher sind. Jede Mutter weiß, dass die Kinder in ihrer Familie charakterlich so verschieden sind, wie die Finger einer Hand – sie stammen alle von denselben Eltern, sind aber an Charakter und Fähigkeiten völlig verschieden.

Die Weltgeschichte, aus der sich keinerlei konstante Übertragung von Gelehrsamkeit, spirituellen Kräften und Begabungen erkennen lässt, wirft den Anspruch der Vererbungslehre, das umfassende Gesetz und die vollständige Erklärung zu sein, völlig über den Haufen. Zum Beispiel zeigt der Untergang der alten Ägypter, die schon lange verschwunden sind und deren Vererbungsstrom versiegt ist, dass keine Vererbung in die Nachkommen stattfand. Wenn die physische Vererbung die Charakterfrage lösen würde, wo ging dann der großartige Charakter der Ägypter verloren? Die gleiche Frage gilt auch für die anderen untergegangenen alten Völker. Wenn wir einen Einzelfall heranziehen, zum Beispiel den großen Musiker Bach, dann zeigt sich bei seinen direkten Nachkommen eine fortwährende Abnahme an musikalischer Begabung, bis sie in der Familie ganz versiegt. Theosophie lehrt nun, dass in beiden Fällen – und analog in allen anderen – die wirklichen Fähigkeiten und Begabungen zwar aus der Familie und aus dem Volk verschwunden sind, dass sie aber in den Egos, von denen sie einst zum Ausdruck gebracht wurden und die sich jetzt vielleicht in einer anderen Familie und Nation der Gegenwart verkörpert haben, erhalten geblieben sind.

Leiden sind wohl fast allen Menschen beschieden. Viele haben von der Wiege bis zum Grab ein sorgenvolles Leben. Daraus ergibt sich der Einwand, dass Reinkarnation ungerecht sei, weil wir für das Böse leiden müssten, das von einer anderen Person in einem anderen Leben verübt worden sei. Dieser Einwand fußt auf der falschen Annahme, jene Person in dem anderen Leben sei jemand anderer gewesen. Aber in jedem Leben ist es dieselbe Person. Wenn wir wiederkommen, dann nehmen wir weder den Körper noch die Taten und Gedanken eines anderen an, sondern wir gleichen einem Schauspieler, der viele Rollen spielt, aber immer derselbe Künstler bleibt, wenn sich auch die Gewänder und Texte in jedem neuen Spiel ändern. Shakespeare hatte völlig recht, als er sagte: Das Leben ist ein Schauspiel, denn das große Leben der Seele ist ein Drama und jedes neue Leben und jede Wiederverkörperung ist ein weiterer Akt, in dem wir eine andere Rolle spielen und ein neues Gewand tragen, obwohl wir die ganze Zeit hindurch immer dieselbe Individualität sind. Reinkarnation ist also nicht ungerecht, sondern im Gegenteil vollkommene Gerechtigkeit und auf keine andere Weise könnte Gerechtigkeit gewahrt werden.

Aber es wird gesagt: Warum können wir uns, wenn wir uns wiederverkörpern, nicht an die früheren Leben erinnern? Und weiter: Wenn wir uns nicht an die Handlungen erinnern können, für die wir jetzt leiden müssen, dann ist das doch ungerecht? Wer solche Frage stellt, übersieht immer, dass er im Leben auch Freude erlebt und Belohnungen erhält und beides stillschweigend und zufrieden akzeptiert. Denn wenn es ungerecht ist, dass wir bestraft werden für Taten, an die wir uns nicht erinnern, dann ist es ebenfalls ungerecht, wenn wir für andere Taten belohnt werden, an die uns jede Erinnerung fehlt. Geburt allein ist keine geeignete Grundlage für irgendeine Belohnung oder Bestrafung. Lohn und Strafe müssen der gerechte Ausgleich früheren Verhaltens sein. Das Naturgesetz der Gerechtigkeit ist nicht unvollkommen. Nur die Unvollkommenheit des menschlichen Rechtswesens ist darauf angewiesen, dass der Täter die Tat in diesem Leben kennt und sich ihrer erinnert, über die eine Strafe verhängt wird. In den früheren Erdenleben war sich der Täter seiner Taten genau bewusst. Die Natur, die seinen Handlungen entsprechende Folgen zeitigt, ist daher völlig gerecht. Wir wissen gut, dass die Natur der Ursache die Wirkung folgen lässt, ohne Rücksicht auf unsere Wünsche und ganz gleich, ob wir uns an unsere Taten erinnern oder nicht. Wenn ein Baby in seinen ersten Lebensjahren durch ein Kindermädchen so verletzt wird, dass die Grundlage für eine Schwächung in einem späteren Leben geschaffen ist – was oft der Fall ist –, wird die Schwächung auftreten, obwohl das Kind die gegenwärtige Ursache weder veranlasste noch überhaupt etwas davon weiß. Die Reinkarnation mit der ergänzenden Lehre über Karma zeigt jedoch, wenn sie richtig verstanden wird, wie vollkommen gerecht der ganze Lebensplan der Natur ist.

Die Erinnerung an ein vergangenes Leben ist nicht erforderlich als Beweis, dass wir durch diese frühere Existenz gegangen sind, noch ist die Tatsache, dass die Erinnerung fehlt, ein guter Einwand. Wir vergessen ja auch den größeren Teil der Erlebnisse aus den Jahren und Tagen dieses Lebens; aber niemand würde deswegen behaupten, wir hätten diese Jahre nicht gelebt. Wir erlebten und behielten nur wenige Einzelheiten im Kopf, aber alle daraus hervorgegangenen Wirkungen auf unseren Charakter wurden bewahrt und in uns integriert. Die gesamte Menge der Einzelheiten eines Lebens wird von dem inneren Menschen aufbewahrt und eines Tages, in einem anderen Leben, wenn wir vollkommen geworden sind, wird alles wieder der Erinnerung voll bewusst sein. Selbst jetzt, wo wir noch unvollkommen sind und wenig wissen, zeigen hypnotische Experimente, dass selbst die geringfügigsten Einzelheiten in dem Teil unseres Bewusstseins registriert sind, der gegenwärtig als Unterbewusstsein bezeichnet wird. Die theosophische Lehre lautet, dass tatsächlich kein einziges Ereignis verlorengeht. Und am Ende des Lebens, wenn die Augen geschlossen sind und die Umstehenden uns als tot bezeichnen, zieht jeder Gedanke und Umstand des Lebens blitzartig und lebendig durch unser Bewusstsein.

Es gibt aber viele Menschen, die sich daran erinnern, dass sie schon früher gelebt haben. Dichter haben das besungen und Kinder wissen es gut, bis der dauernde Aufenthalt in einer Atmosphäre des Unglaubens ihnen vorerst die Wiedererinnerung aus ihrem Bewusstsein verdrängt. Alle Menschen sind jedoch den Beschränkungen unterworfen, die das neue Gehirn dem Ego in jedem Leben auferlegt. Daher können wir auch die Bilder der Vergangenheit – ob nun aus diesem oder einem früheren Leben – nicht festhalten. Das Gehirn ist das Instrument für das Gedächtnis der Seele. Da es in jedem Leben neu ist und nur eine begrenzte Leistungsfähigkeit besitzt, kann es vom Ego für das neue Leben nur im Rahmen seiner Kapazität eingesetzt werden. Diese Kapazität wird vollständig genutzt oder auch nicht – entsprechend dem eigenen Verlangen des Egos und seiner früheren Verhaltensweise, weil die vergangene Lebensweise seine Kraft zur Überwindung der materiellen Daseinseinflüsse verstärkt oder geschwächt hat.

Ein Leben nach den Geboten der Seele macht das Gehirn für die Wiedererinnerung der Seele zumindest durchlässig. Bei einer entgegengesetzten Lebensweise werden jedoch immer mehr Wolken der Rückerinnerung verdunkelt. Da das Gehirn am letzten Leben jedoch nicht beteiligt war, kann es sich im Allgemeinen nicht erinnern. Das ist ein weises Gesetz, denn wir würden uns sehr elend fühlen, wenn die Taten und Szenen unserer früheren Leben nicht so lange unserem Blick entzogen wären, bis wir durch Schulung befähigt sein werden, ihre Kenntnis zu ertragen.

Ein weiterer Einwand gegen die Reinkarnationslehre besagt, dass es bei ihrer Annahme nicht möglich sei, die Zunahme der Weltbevölkerung zu erklären. Das setzt voraus, dass wir die Bevölkerungszunahme mit Sicherheit kennen [Ende 19. Jahrhundert] und über die ständigen Fluktuationen informiert sind. Es ist jedoch nicht sicher, ob die Erdbevölkerung zugenommen hat. Es kommen ja auch alljährlich große Menschenmassen um, worüber wir nichts wissen. In China sind bei Überschwemmungen Jahr für Jahr viele Tausende umgekommen. Sichere Statistiken über die Auswirkungen von Hungersnöten gibt es nicht. Wir wissen nicht, um wie viele Tausende in Afrika die Todesfälle die Geburten jährlich übersteigen. Der Einwand stützt sich auf unvollständige Tabellen, die nur für die westlichen Länder gelten. Ferner wird angenommen, dass es weniger nicht inkarnierte und auf Inkarnation wartende Egos gibt als verkörperte Egos, und das ist falsch. Annie Besant hat das in ihrer Studie ‘Reinkarnation’ gut dargestellt. Sie vergleicht darin den bevölkerten Erdball mit einer Stadthalle, die von der viel zahlreicheren Stadtbevölkerung gefüllt wird. Die Besucherzahl mag variieren, die Stadt bietet jedoch eine ständige Nachschubmöglichkeit. Es ist richtig, dass zu diesem Erdglobus eine ganz bestimmte Anzahl Egos gehört; aber niemand kennt ihre Menge noch weiß jemand, wie viele Menschen die Erde zu ernähren vermag. Die heutigen Statistiker leben hauptsächlich im Westen. Ihre Tabellen umfassen nur einen kleinen Abschnitt der Menschheitsgeschichte. Sie können nicht sagen, wie viele Menschen zu irgendeinem früheren Zeitpunkt auf der Erde inkarniert waren, als der Erdball überall bevölkert war. Deshalb ist auch die Zahl der Egos, die zur Wiedergeburt drängen oder auf sie warten, den heutigen Menschen unbekannt. Die Meister der theosophischen Wissenschaft erklären, dass die Gesamtmenge solcher Egos ungeheuer groß ist und deshalb genügend Nachschub für die Versorgung der neugeborenen Körper vorhanden ist, auch wenn die Zahl der Neugeborenen die der Sterbenden übertreffen sollte. Dann muss man auch daran denken, dass jedes Ego die Aufenthaltsdauer in den nachtodlichen Zuständen selbst variiert. Sie inkarnieren nicht in gleichen Intervallen, sondern kommen aus dem nachtodlichen Zustand in ganz verschiedenen Zeitabständen zurück. Wenn durch Krieg, Seuche oder Hungersnot viele Todesfälle eintreten, dann entsteht sofort ein großer Zustrom von Seelen, die dann am gleichen Ort oder anderswo oder in einer anderen Rasse inkarnieren. Die Erde ist in der großen Zahl bewohnbarer Planeten ein so kleiner Weltkörper, dass genügend Nachschub für Egos für die Inkarnation hier besteht. Bei allem Respekt für Befürworter dieses Einwands erkenne ich in ihm nicht die geringste Beweiskraft oder Beziehung zu der Wahrheit der Reinkarnationslehre.


X – Argumente für die Reinkarnation

Wenn wir die Unsterblichkeit des Menschen und die Existenz der Seele nicht verneinen, gibt es keine stichhaltigen Gründe gegen die Lehre der Präexistenz und Wiederverkörperung, außer solchen, die auf dem Lehrsatz der Kirche beruhen, dass jede Seele eine Neuschöpfung sei. Dieser Lehrsatz kann jedoch nur durch blinden Dogmatismus gestützt werden, denn sobald wir eine Seele als gegeben ansehen, müssen wir früher oder später auf die Theorie der Wiedergeburt stoßen. Selbst wenn jede zur Erde kommende Seele neu wäre, müsste sie nach ihrem Abscheiden doch irgendwo weiterleben und in Hinblick auf die bekannte Ordnung der Natur auf anderen Planeten oder Sphären andere Körper haben. Die Theosophie wendet auf das Selbst – den Denker – die gleichen Gesetze an, die wir überall in der Natur in Funktion sehen. All diese Gesetze sind nur Abwandlungen des großen Gesetzes: dass Wirkungen den Ursachen folgen und keine Wirkung ohne Ursache ist. Die Unsterblichkeit der Seele – an die die Mehrzahl der Menschheit glaubt – bedarf der Verkörperung hier oder anderswo und dieses Sich-Verkörpern bedeutet Reinkarnation. Wenn wir für einige Jahre auf diese Erde kommen und dann auf eine andere gehen, dann muss die Seele sowohl hier wie dort verkörpert sein; und wenn wir von einer anderen Welt hierher gereist sind, dann müssen wir auch dort unsere entsprechende Gewandung gehabt haben. Die Kräfte des Denkvermögens und die Gesetze, welche die Bewegungen der Seele, ihre Zu- und Abneigungen beherrschen, wie es in der theosophischen Philosophie gelehrt wird, zeigen, dass ihre Wiederverkörperung hier stattfinden muss, wo sie wirkte und sich bewegte, und zwar so lange, bis sie fähig ist, die Kräfte zu überwinden, die sie an diesen Globus binden. Würde ein hier engagiertes Wesen auf ein anderes Betätigungsfeld übergehen können, ehe es alle Ursachen überwunden hat, die es hierhergezogen haben, und bevor es seine Verpflichtungen gegenüber anderen Wesen des gleichen Evolutionsstroms erfüllt hat, dann wäre das ungerecht und den mächtigen okkulten Gesetzen und Kräften entgegengesetzt, die ununterbrochen auf es einwirken. Die frühen Kirchenväter haben das erkannt und lehrten, dass die Seele in die Materie gefallen und durch die Gesetze ihrer eigenen Natur gezwungen ist, sich wieder zu dem Ort emporzuringen, von dem sie herkam. Sie hatten einen alten griechischen Lobgesang mit folgendem Wortlaut:

„Ewiges Sein! Nur einen schwachen Strahl
schickt schüchtern aus dem irdischen Gewand
hin über wilden Chaos finstere Wogen –
der Funke, der von Dir in mich verpflanzt.
Gepflanzt war meine Seele, der Menschenseele Hülle,
als Keim in Fleisch für ihren Erdenlauf:
Drum neige, Herr, in Gnaden Dich zu ihr,
die von Dir kam, die Dich zum Ursprung hat.
Weit weg von Dir, du aller Feuer Feuer,
geschleudert in der Erde dunkle Haft,
o lass das schwache Fünklein nicht erlöschen;
zieh es dereinst, als Dein, zurück zu Dir!“

Jeder Mensch hat einen bestimmten, von jedem anderen Menschen verschiedenen Charakter. Menschenmassen, die in Völkern vereinigt sind, zeigen als Ganzes, dass durch die nationale Kraft und die unterschiedlichen Besonderheiten ein bestimmter und unterschiedlicher Nationalcharakter gebildet wird. Diese individuellen und nationalen Unterschiede entspringen dem essenziellen Charakter und nicht der Erziehung. Selbst die Lehre vom Überleben des Tauglichsten sollte das zeigen, denn die Tauglichkeit kann nicht von nichts kommen, sie muss vielmehr der äußere Ausdruck des wirklichen inneren Charakters sein. Da sowohl einzelne Menschen wie auch ganze Völker, die im Kampf mit der Natur voraus sind, eine große Charakterstärke zeigen, muss es notwendigerweise eine Zeit und einen Ort für die Evolution dieser Kraft gegeben haben. Es sind, sagt die Theosophie, diese Erde und die ganze Periode, während der die Menschheit auf diesem Planeten gelebt hat.

Wenn auch die Vererbung etwas mit der unterschiedlichen Stärke und Sittlichkeit des Charakters zu tun hat und Seele und Denkvermögen geringfügig beeinflusst und auch für den geeigneten Ort zum Empfang von Lohn und Strafe sorgt, so ist sie dennoch nicht die Ursache des essenziellen Charakters, den alle aufweisen.

Alle diese Unterschiede, wie sie bei kleinen Kindern von Geburt an, bei Erwachsenen, wenn sich der Charakter mehr und mehr entwickelt, und bei den Völkern in ihrer Geschichte sichtbar werden, sind der langjährigen Erfahrung zuzuschreiben, die in vielen Erdenleben gewonnen wurde, sie sind das Ergebnis der eigenen Evolution der Seele. Eine Überprüfung eines einzigen kurzen Menschenlebens ergibt keine Grundlage für die Erzeugung seiner inneren Natur. Es ist notwendig, dass jeder Seele alle möglichen Erfahrungen zuteil werden. Und ein Leben kann das selbst unter den besten Voraussetzungen nicht ermöglichen. Es wäre töricht von dem Allmächtigen, uns für eine so kurze Zeit hier hinzustellen, um uns gerade dann wieder hinwegzunehmen, wenn wir das Ziel des Lebens und seine Möglichkeiten allmählich erkennen. Der rein egoistische Wunsch eines Menschen, den Prüfungen und der Disziplin des Lebens zu entkommen, reicht nicht aus, die allmächtigen Naturgesetze beiseite zu schieben. Deshalb muss sich die Seele wiederverkörpern, bis sie – nachdem sie den Charakter, wie er durch alle Verschiedenheiten der menschlichen Natur dargestellt wird, bis zu seiner höchsten Vollkommenheit entwickelt hat und nachdem sie jede Erfahrung durchlaufen und alle erreichbare Wahrheit erfasst hat – keine Ursachen für weitere Wiederverkörperungen mehr erzeugt. Die große Ungleichheit menschlicher Fähigkeiten zwingt uns, wenn wir Gott oder der Natur Gerechtigkeit zuschreiben, die Reinkarnation zuzulassen und die Ursache dieser Ungleichheit auf die früheren Leben des Egos zurückzuführen, denn die Menschen werden durch begrenzte Fähigkeiten genauso stark behindert, aufgehalten, missbraucht und zu Opfern anscheinender Ungerechtigkeit gemacht, wie aufgrund ihrer Geburts- oder Erziehungsverhältnisse. Wir sehen, wie Ungebildete über ihre Familienverhältnisse und ihre Erziehung hinauswachsen und wie häufig Kinder aus guten Familien nur wenig begabt sind. Diese Probleme der Völker und Familien entstehen mehr aus mangelnden Fähigkeiten als aus jeder anderen Ursache. Wenn wir gar die Naturvölker betrachten, dann ist die anscheinende Ungerechtigkeit immens. Denn viele Naturmenschen haben hervorragende geistige Fähigkeiten, aber bleiben primitiv. Das ist deshalb, weil das Ego in diesen Körpern noch primitiv und unentwickelt ist. Im Gegensatz zu den Naturmenschen gibt es viele zivilisierte Menschen mit ganz geringem Intellekt, die ihrer Natur nach dennoch nicht primitiv sind, weil das innewohnende Ego in anderen Leben lange zivilisatorische Erfahrungen erlangt und als höher entwickelte Seele die Macht hat, das instrumentale Gehirn bis zu seiner Höchstgrenze einzusetzen.

Jeder Mensch fühlt und weiß, dass er eine eigene Individualität besitzt, eine persönliche Identität, die nicht nur die Lücken des Schlafs überbrückt, sondern auch jene, die manchmal durch zeitweilige Gehirnverletzungen auftreten. Diese Identität setzt bei normalen Menschen vom Anfang bis zum Ende des Leben niemals aus. Der Grund dafür kann nur im dauerhaften und ewigen Charakter der Seele liegen.

Soweit wir uns zurückerinnern, wissen wir, dass unsere persönliche Identität uns nie verlassen hat – ungeachtet wie schlecht unser Gedächtnis vielleicht war. Damit erledigt sich auch der Einwand, die Identität sei abhängig von der Rückerinnerung, denn wenn sie wirklich nur von der Rückerinnerung abhinge, müssten wir jeden Tag wieder von vorne anfangen, weil wir uns nicht im Einzelnen an die Ereignisse der Vergangenheit erinnern können. Manche Menschen erinneren sich an wenig, fühlen aber dennoch ihre persönliche Identität. Da man häufig beobachtet, dass einige Menschen, die sich am wenigsten erinnern, genauso energisch auf ihrer persönlichen Identität bestehen wie andere, muss die Beständigkeit dieses Gefühls von der alten und unsterblichen Seele herrühren.

Bei der Betrachtung des Lebens und seines mutmaßlichen Ziels mit all den verschiedenartigen Erfahrungsmöglichkeiten des Menschen zwingt sich uns der Schluss auf, dass ein einziges Leben zur Ausführung der Absichten der Natur nicht ausreicht, ganz abgesehen von alle dem, was der Mensch selbst ausführen möchte. Die Erfahrungsskala ist ungeheuer vielfältig. Eine große Zahl latenter Kräfte befindet sich im Menschen, die offensichtlich entwickelt werden können, wenn die Möglichkeit dazu geboten wird. Ein an Umfang und Vielfalt unendliches Wissen liegt vor uns, ganz besonders heute, wo spezielle Forschungen die Regel sind. Wir erkennen, dass wir edle Bestrebungen hegen und nicht die Zeit haben, sie ausreichend zu erfüllen, weil der große Tross aus Leidenschaften, Wünschen, selbstsüchtigen Motiven und Begierden sich gegenseitig und uns bekriegt und uns bis zum Portal des Todes verfolgt. Sie müssen alle geprüft, besiegt, angewendet und unterworfen werden. Ein Leben reicht dafür nicht aus. Zu sagen wir hätten hier nur ein einziges Leben mit solchen Möglichkeiten und keine Möglichkeit zur Entwicklung, würde das Universum und das Leben zu einer ungeheuren und grausamen Farce machen, von einem mächtigen Gott veranstaltet, der von jenen, die an die spezielle Erschaffung der Seele glauben, beschuldigt werden müsste, er spiele mit dem armseligen Menschen und triumphiere über ihn, nur weil dieser Mensch klein und das Geschöpf des Allmächtigen ist. Ein Menschenleben dauert bestenfalls siebzig Jahre, und die Statistiker reduzieren es auf etwa vierzig, und von diesem kleinen Rest wird ein großer Teil im Schlaf und ein anderer im Kindheitsstadium verbracht. Deshalb ist es absolut unmöglich, in einem Leben auch nur einen kleinen Bruchteil dessen zu erreichen, was die Natur offensichtlich mit uns vorhat. Viele Wahrheiten erfassen wir nur vage, die zu erfassen uns ein Leben keine Zeit lässt, besonders dann nicht, wenn Menschen hart um eine dürftige Existenz kämpfen müssen. Unsere Fähigkeiten sind gering oder verkümmert oder schwach; in einem Leben können wir diesen Zustand nicht ändern. Wir nehmen andere latente Kräfte in uns wahr, die unmöglich in so kurzer Zeit entwickelt werden können. Es ist also kein bloßer Verdacht, dass das Feld der Wahrheit viel größer ist als der kleine Kreis, auf den wir uns beschränken. Die Annahme, dass Gott oder die Natur uns in einen Körper zwängt, nur um uns mit Bitterkeit zu erfüllen, weil uns hier keine weiteren Möglichkeiten zur Verfügung stehen, ist doch unvernünftig. Wir müssen vielmehr annehmen, dass eine Reihe von Inkarnationen zu den gegenwärtigen Verhältnissen geführt hat und dass der Prozess des immer wieder Kommens weitergehen muss, damit uns die erforderliche Gelegenheit geboten wird.

Die bloße Tatsache des Sterbens reicht für sich weder für die Entwicklung von Fähigkeiten noch für die Ausmerzung falscher Tendenzen und Neigungen aus. Wenn man annimmt, wir würden beim Eintritt in den Himmel sofort alles Wissen und alle Reinheit erlangen, dann würde der nachtodliche Zustand zu einer toten Ebene führen und das Leben mit seiner Schulung würde jeden Sinnes beraubt. Einige Kirchen lehren eine Disziplinschulung nach dem Tod, wobei unverschämterweise behauptet wird, dass die Apostel selbst, deren Unwissenheit ja bekannt ist, dann die Lehrer sein sollten. Das ist absurd und entbehrt in der Naturordnung jeder Grundlage und Logik. Selbst wenn es eine solche Schulung nach dem Tod gäbe, warum wären wir dann überhaupt in dieses Leben gedrängt worden? Und warum sollten wir nach allem Leiden und Irren von dem Ort unserer Taten entfernt werden? Die einzig verbleibende Lösung bietet die Reinkarnation. Wir kommen zur Erde zurück, weil wir auf ihr und mit ihren Bewohnern unsere Handlungen ausführten, weil sie der einzige angemessene Ort ist, wo Belohnung und Bestrafung ihren gerechten Ausgleich finden können; weil hier der einzige natürliche Ort zur Fortsetzung des Kampfes zur Vollendung ist, zur Entwicklung unserer Fähigkeiten und zur Vernichtung unserer Schwächen. Die Gerechtigkeit für uns und alle anderen Wesen verlangt es, denn wir können nicht für uns allein leben, und es wäre ungerecht, einigen von uns die Flucht zu gestatten, während unsere Mitschuldigen dableiben müssen oder in eine Hölle von ewiger Dauer geworfen werden.

Die Fortdauer der Naturvölker, der Aufstieg und der Verfall von Nationen und Zivilisationen, das völlige Aussterben von Völkern – alles verlangt eine Erklärung, die nur in der Reinkarnation gefunden werden kann. Naturvölker existieren noch immer, weil noch Egos vorhanden sind, deren Erfahrung so beschränkt ist, dass sie eben noch primitiv sind. Sie werden in entwickeltere Rassen eintreten, sobald sie soweit sind. Rassen sterben aus, weil die Egos genug von den Erfahrungen gesammelt haben, die die betreffenden Rassen bieten können. So sehen wir die Indianer, die Hottentotten, die Bewohner der Osterinseln und andere als Beispiele für Rassen, die von hohen Egos verlassen wurden. Nach ihrem Aussterben traten andere Seelen, die in der Vergangenheit noch kein höheres Leben entwickelt hatten, in die Körper dieser Rassen ein und benutzten sie, um jene Erfahrungen zu sammeln, die diese Rassen bieten können. Eine Rasse kann nicht aufsteigen und dann plötzlich erlöschen. Wir sehen, dass das nicht der Fall ist. Die Wissenschaft hat aber keine Erklärung dafür. Sie stellt einfach fest, dass die Nationen aussterben. Mit dieser Feststellung wird jedoch weder der innere Mensch noch werden die verborgen wirkenden okkulten Gesetze berücksichtigt, die sich vereinigen um eine Rasse zu bilden. Die Theosophie zeigt, dass die zusammengezogene Energie sich nur langsam erschöpft und dass deshalb die Erzeugung der Körper dieses Rassentyps weitergeht, obwohl die Egos nicht gezwungen sind, diese Art von Körpern länger zu bewohnen, wenn sie auch entwicklungsmäßig zu dieser Rasse gehören. Daher kommt eine Zeit, wo die ganze Menge der Egos, die die Rasse aufbaute, diese für eine ihnen physisch ähnlichere Umgebung verlässt. Die Ökonomie der Natur lässt aber ein plötzliches Verschwinden der physischen Rasse nicht zu. Daher kommen entsprechend der Naturordnung andere und weniger entwickelte Egos, bewohnen die vorhandenen Körperformen und setzen die Erzeugung neuer Körper fort, in jedem Jahrhundert jedoch immer weniger. Diese niedrigeren Egos können mit den von den anderen Egos gesammelten Energien nicht in gleichem Maße umgehen, und deshalb gewinnt die neue Gruppe so viel Erfahrung wie möglich, stirbt dann aber mit der Zeit aus, nachdem sie ihre Abstiegsphase durchlaufen hat. Das ist die richtige Erklärung für das, was wir als den Abstieg in die Primitivität bezeichnen können, und keine andere Theorie wird diesen Tatsachen gerecht. Die Ethnologen denken manchmal, dass die zivilisierteren Rassen die anderen auslöschen, aber in Wirklichkeit ist es so, dass infolge des großen Unterschieds zwischen den Egos in den Körpern der alten Rassen und der Energie dieser Körper die Frauen von alleine allmählich unfruchtbar werden, wodurch die Geburtenrate langsam aber sicher unter die Sterbeziffer sinkt. China steht im Prozess des Abstiegs, steht auf einer Stufe, in der es sich nicht mehr verändert, bevor der Abstieg beginnt. Große Zivilisationen, wie die Ägyptens und Babyloniens, sind verschwunden, weil die Seelen, die sie vor langer Zeit aufbauten, sich in den großen Eroberernationen Europas und der gegenwärtigen amerikanischen Kontinente inkarniert haben. Als Nationen und Rassen sind sie schon vollständig reinkarniert und zwar für größere und höhere Ziele denn je. Von allen alten Rassen ist nur die indoarische als Bewahrerin der alten Lehren übrig geblieben. Eines Tages wird sie sich wieder zu den Höhen ihres alten Glanzes aufschwingen.

Das Erscheinen genialer Menschen und großer Denker in Familien, die solche Eigenschaften nicht aufgewiesen haben, wie auch das Verschwinden von genialen Veranlagungen aus einer Familie, die ein Vorfahre gezeigt hat, kann nur durch das Gesetz der Reinkarnation erklärt werden. Napoleon I. kam aus einer Familie, die ihm an Charakter und Willenskraft gar nicht glich. Aufgrund seines Erbguts kann sein Charakter nicht erklärt werden. Wie in den Memoiren des Prinzen Talleyrand steht, sagte Napoleon von sich, er sei Karl der Große gewesen. Nur die Voraussetzung einer langen Reihe von Leben, die ihm die richtige Evolutionslinie oder Ursache zur Entfaltung seines Denkvermögens, seines Wesens und seiner Energie bot, kann uns in etwa erklären, warum er oder andere Genies auftauchten. Mozart konnte schon als Kind Orchesterpartituren schreiben. Das ergab sich aber nicht aus seiner Erbmasse, denn eine solche Tätigkeit ist nicht angeboren. Sie muss vielmehr erlernt werden, mechanisch und nach konventionellen Regeln; dennoch verstand er sie ohne Schulung: Warum? Weil er ein reinkarnierter Musiker war, dem seine Familie ein musikalisches Gehirn gab, so dass er in seinen Bemühungen nicht behindert war, sein musikalisches Wissen zu zeigen. Aber noch eindringlicher ist der Fall des blinden Toms, eines Schwarzen, dessen Familie unmöglich ein Klavier kennen konnte, ein modernes Instrument, so dass ihre Kenntnisse seinen physischen Atomen hätten übermittelt werden können; dennoch besaß er eine große musikalische Begabung und beherrschte die moderne Klavierspieltechnik. Es gibt Hunderte ähnliche Beispiele unter den vielen Wunderkindern, die die Welt in Erstaunen versetzten. In Indien gibt es viele Beispiele, nach denen Weise bereits mit voller Kenntnis der Philosophie und dergleichen geboren wurden, und zweifellos findet man ähnliche Fälle bei allen Völkern. Das wieder Mitbringen von Wissen erklärt auch den Instinkt, denn dieser ist nichts anderes als Rückerinnerung, die in physische und mentale Erinnerung eingeteilt werden kann. Diesen Instinkt sehen wir bei Kindern und Tieren. Er ist nichts Weiteres als das Ergebnis früherer Erfahrung. Ob wir nun sehen, wie ein neugeborenes Baby seine Arme zum Selbstschutz ausstreckt, oder ein Tier mit stark ausgeprägtem Instinkt beobachten oder wie die Biene eine Honigwabe nach geometrischen Regeln baut: Alles ist die Wirkung der Reinkarnation, die im Denken oder in der physischen Zelle wirkt, denn es gibt, wie schon vorher gesagt wurde, kein Atom ohne eigenes Leben, Bewusstsein und Intelligenz.

Im Falle des Komponisten Bach haben wir den Beweis, dass Vererbung bedeutungslos ist, wenn das Ego selbst nicht weit fortgeschritten ist, denn Bachs Genie vererbte sich in seiner Familie nicht weiter. Es verlor sich nach und nach und verließ die Familie letztendlich gänzlich. Die gleiche Erklärung gilt auch für Fälle, in denen Idioten oder bösartige Kinder in guten, anständigen oder hochintelligenten Familien geboren werden. Das sind Fälle, in denen die Vererbung durch ein ganz schlechtes oder mangelhaftes Ego aufgehoben wird.

Die Tatsache schließlich, dass gewisse Ideen der ganzen Menschheit eigen sind, schreiben die Weisen der Rückerinnerung an solche Ideen zu, die dem Denken der Menschen am Beginn der Evolution auf diesem Planeten von jenen Brüdern und Weisen eingeprägt worden sind, die ihre Lektionen gelernt haben und in früheren Zeitaltern, lange bevor die Entwicklung auf diesem Globus begann, Vollkommenheit erlangt hatten. Von der Wissenschaft wird für diese innewohnenden Ideen nur die Erklärung gegeben, dass sie ‘eben existieren’. Diese Ideen wurden tatsächlich der Masse der Egos gelehrt, die mit der Evolution dieser Erde verbunden sind. Sie wurden ihrem Wesen eingeprägt oder eingebrannt und sind immer abrufbereit. Sie begleiten das Ego auf seiner langen Pilgerfahrt.

Oft wurde gemeint, dass der gegen die Reinkarnation gerichtete Widerstand einzig auf Vorurteil beruht, wenn er nicht einem Dogma entspringt. Dieses kann aber auch nur solange aufrechterhalten werden, solange der Verstand unterdrückt und am Gebrauch seiner eigenen Kräfte gehindert wird. Sie ist die edelste aller Lehren. Zusammen mit der ergänzenden Lehre von Karma, die anschließend betrachtet werden soll, bietet nur sie eine Grundlage für die Ethik. Meiner Ansicht nach besteht kein Zweifel, dass der Gründer des Christentums sie als selbstverständlich ansah und dass ihr gegenwärtiges Fehlen in dieser Religion der wirkliche Grund ist für die Diskrepanz zwischen der von den christlichen Nationen anerkannten Ethik und ihrer tatsächlichen Praxis, die der von Jesus verkündeten Moral so sehr widerspricht.


XI – Karma

Karma ist ein ungewohntes Wort für westliche Ohren. Es ist die von Theosophen des neunzehnten Jahrhunderts übernommene Bezeichnung für eines der wichtigsten Naturgesetze. Seine unaufhörliche Funktion erstreckt sich sowohl auf die Planeten und Planetensysteme wie auch auf Rassen, Nationen, Familien und Einzelwesen. Es ist die Zwillingslehre zur Reinkarnation. Beide Gesetze sind so unauflöslich miteinander verwoben, dass sie getrennt voneinander kaum richtig betrachtet werden können. Kein Punkt oder Wesen des Universums ist von der Wirkung Karmas ausgenommen. Alles steht unter seinem Einfluss. Es bestraft Fehler und führt dennoch wohlwollend mittels Schulung, Ruhe und Belohnung zu den fernen Höhen der Vollkommenheit. Es umschließt unser physisches und unser moralisches Wesen und ist ein in seiner Wirkungsbreite so umfassendes Gesetz, dass man seine Bedeutung in den westlichen Sprachen nur durch weitläufige Umschreibungen und ausführliche Erklärungen auszudrücken vermag. Aus diesem Grund wurde für seine Bezeichnung das Sanskritwort Karma übernommen.

Auf das moralische Leben des Menschen angewandt ist Karma das Gesetz der ethischen Verursachung, Gerechtigkeit, Belohnung und Bestrafung; es ist die Ursache von Geburt und Wiedergeburt, andererseits aber auch das Mittel, der Reinkarnation zu entfliehen. Von einem anderen Standpunkt aus betrachtet ist es einfach die aus der Ursache hervorgehende Wirkung, Aktion und Reaktion, die genaue Wirkung jedes Gedankens und jeder Handlung. Es ist die Handlung und das Ergebnis der Handlung, denn die wörtliche Bedeutung ist Tätigkeit. Die Theosophie betrachtet das Universum als ein intelligentes Ganzes. Deshalb ist jede Bewegung im Universum eine Tätigkeit des Ganzen, die zu Wirkungen führt, die selbst wieder zu Ursachen weiterer Wirkungen werden. Aufgrund dieser weitgefassten Betrachtungsweise sagten die alten Hindus, jedes Wesen, bis hinauf zu Brahmā, stände unter der Herrschaft Karmas.

Karma ist kein Wesen, sondern ein Gesetz, das universale Gesetz der Harmonie, das unfehlbar alle Störungen wieder ins Gleichgewicht bringt. Damit steht diese Theorie im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Gottesbegriff, der aus dem jüdischen System entstanden ist und annimmt, der Allmächtige stehe als denkendes Wesen außerhalb des Kosmos, baue ihn auf, fände seine Schöpfung disharmonisch, unproportioniert, fehlerhaft und verworren, so dass er dasjenige niederreißen, zerstören oder bestrafen müsse, was er schuf. Diese Auffassung hat tausende Menschen dazu gebracht, in Furcht vor Gott zu leben, in Übereinstimmung mit seinen angeblichen Geboten, mit dem selbstsüchtigen Ziel, Lohn zu empfangen und dem Zorn Gottes zu entrinnen; oder sie hat sie in die Finsternis gestürzt, die sich aus der Verneinung allen spirituellen Lebens ergibt. Da es aber jedem Menschen schmerzlich bewusst und klar ist, dass in und um uns eine ständige Zerstörung vor sich geht, ein steter Kampf, nicht nur zwischen den Menschen, sondern überall im ganzen Sonnensystem, wodurch Leid in allen Richtungen verursacht wird, fordert die Vernunft eine Lösung dieses Rätsels. Die Armen, die keinen Ausweg und keine Hoffnung sehen, rufen laut nach einem Gott, der keine Antwort gibt. Dann entsteht in ihnen der Neid, wenn sie den Komfort und die Möglichkeiten der Reichen betrachten. Sie sehen die reichen Verschwender, die wohlhabenden Toren, die sich ungestraft amüsieren. Wenn sie sich nun an einen Religionslehrer wenden und fragen, was das für eine Gerechtigkeit sei, die ein solches Elend zulasse, an Menschen, die nichts taten, um dessentwillen sie verdient hätten, mittellos geboren zu werden, ohne Bildungsmöglichkeiten, ohne Begabung zur Überwindung sozialer, rassischer oder sonstiger umstandsbedingter Hindernisse, dann erhalten sie zur Antwort: „Das ist der Wille Gottes.“ Eltern bringen geliebte Kinder zur Welt, die frühzeitig vom Tode geholt werden, gerade als alles verheißungsvoll schien. Sie haben auch keine Antwort auf die Frage: „Warum muss mich das treffen?“, sondern sie erhalten nur den gleichen unvernünftigen Hinweis auf einen unerreichbaren Gott, dessen Willkür ihr Leid bewirkte. So werden gute und schlechte Menschen gleichermaßen auf allen Lebenswegen unentwegt heimgesucht von Verlust, Verletzung, Verfolgung, Mangel an Gelegenheit, natureigenen Kräften, welche das Glück des Menschen zerstören, Tod, Rückschlägen, Enttäuschungen. Aber nirgends gibt es eine befriedigende Antwort oder Hilfe, außer in den uralten Lehren, dass jeder Mensch der Verursacher und Gestalter seines eigenen Schicksals ist, dass nur er allein die Ursachen für sein eigenes Glück oder Unglück hervorbringt. In einem Leben sät er und im nächsten erntet er. So führt ihn für immer und ewig das karmische Gesetz.

Karma ist ein wohltätiges, gänzlich barmherziges Gesetz, unbeugsam gerecht; denn wahre Barmherzigkeit ist nicht Gunst, sondern absolute Gerechtigkeit:

„Die Schrift hat, Brüder, recht:
Des Menschen Sein als Folge
geht auf früheres Sein zurück;
vergang’ner Sünd’ entsprießen Sorg’ und Leid,
Vergang’ner Guttat Glück …
Dies ist des Karmas Lehre.“

Wie wird das jetzige Leben durch vergangene richtige und falsche Handlungen beeinflusst und geschieht das immer durch Bestrafung? Ist Karma nur ein anderer Name für Fatum, ein bereits festgelegtes und geschriebenes Schicksal, dem wir nicht entrinnen können und das uns deshalb leichtsinnig macht im Handeln oder Denken, weil das Schicksal doch nicht geändert werden kann? Es ist kein Fatalismus! Alles, was in einem früheren Körper geschehen ist, hat Folgen, die das Ego in der neuen Geburt als Freude oder Leid erleben muss, denn es ist, wie Paulus sagt: „Täuscht euch nicht: Gott lässt keinen Spott mit sich treiben; was der Mensch sät, wird er ernten“ [Gal 6,7]. Die Wirkung liegt schon in der Ursache, und Karma bringt sie lediglich in jenem Körper, Gehirn und Denkvermögen zur Manifestation, welche durch die Wiederverkörperung zur Verfügung gestellt wurden. Und so wie die von einem Menschen erzeugte Ursache in einer definierten Beziehung zu ihm steht, als das Zentrum, aus dem sie hervorging, so erfährt jeder die Ergebnisse seiner eigenen Handlungen. Wir scheinen manchmal die Wirkungen ausschließlich durch Handlungen anderer Menschen zu erfahren. Es handelt sich aber um das Resultat unserer eigenen Handlungen und Gedanken in diesem oder einem früheren Leben. Wir führen unsere Handlungen immer im Umgang mit anderen Menschen aus. Und die Handlungen haben mit den Gedanken, die ihnen zugrunde liegen, stets eine Verbindung zu anderen Personen und uns selbst.

Keine Handlung wird ausgeführt, der nicht ein Gedanke zugrunde liegt, sei es während der Ausführungs- oder der Vorbereitungszeit. Diese Gedanken wohnen in dem Teil des Menschen, der von uns Manas – Denkprinzip – genannt worden ist. Sie verbleiben dort als subtile, aber machtvolle Verbindungen, die mit magnetischen Fäden das ganze Sonnensystem umspannen. Durch sie werden die verschiedenen Wirkungen hervorgebracht. Die auf den vorhergehenden Seiten dargestellte Theorie – dass das ganze System, zu dem dieser Erdglobus gehört, lebendig und auf jeder Ebene bewusst ist, obgleich sich nur beim Menschen Selbstbewusstsein zeigt – kommt hier zur Anwendung und erklärt, wie ein Gedanke, der in diesem Leben einer Handlung zugrunde liegt, in diesem oder in einem kommenden Erdenleben Resultate hervorbringen kann. Die erstaunlichen neuen hypnotischen Experimente zeigen, dass der geringste, selbst noch so weit zurückliegende Eindruck im Leben eines Menschen wieder zum Leben erweckt werden kann, was beweist, dass dieser Eindruck nicht verloren, sondern nur latent war. Nehmen wir zum Beispiel den Fall eines Kindes, das bucklig zur Welt kam, von gedrungener Gestalt, der Kopf zwischen die Schultern gesunken, die Arme lang und die Beine kurz. Woher kommt das? Es ist sein Karma aus Gedanken und Handlungen in einem früheren Leben. Es hat einen missgestalteten Menschen so ausdauernd und heftig verspottet, verfolgt oder verletzt, dass sich das deformierte Bild seines Opfers dem unsterblichen Denkvermögen einprägte, denn die Intensität seiner Gedanken entspricht proportional der Intensität und Tiefe des Bildes. Der Vorgang entspricht genau der Belichtung einer lichtempfindlichen fotografischen Platte, wo je nach Dauer der Belichtung die Wirkung auf der Platte schwach oder stark ist. So trägt also dieser Denker und Täter – das Ego – bei der nächsten Inkarnation dieses Bild mit sich, und wenn die Familie, zu der er hingezogen wird, ähnliche physische Tendenzen in ihrem Evolutionsstrom aufweist, bewirkt dieses Gedankenbild, dass der sich neu bildende Astralkörper vermittels elektrischer und magnetischer Osmose über die Mutter des Kindes eine verunstaltete Form annimmt. Da alle Wesen auf der ganzen Erde unlöslich miteinander verbunden sind, entspricht das missgestaltete Kind ebenso dem Karma der Eltern als Folge von ähnlichen Gedanken und Handlungen in früheren Leben. Hier zeigt sich Gerechtigkeit in einer Exaktheit, wie sie keine andere Theorie bieten kann.

Da aber verkrüppelte Menschen – und wir verwenden das Beispiel nur zum Zweck der Betrachtung – oft eine fröhliche Veranlagung, einen ausgezeichneten Intellekt, ein gutes Urteilsvermögen und jede gute moralische Eigenschaft besitzen, so führt gerade ein solches Beispiel zu der Schlussfolgerung, dass Karma für jeden individuellen Fall verschiedenartig sein muss und offenbar in mehr als nur einem Teil unserer Natur tätig ist, mit der Möglichkeit, dass es in einem Teil unserer Natur angenehme und in einem anderen Teil unangenehme Wirkungen zeitigen kann.

Karma ist von dreierlei Art:

Erstens – Karma, das bis jetzt in unserem Leben noch nicht zur Auswirkung kam, weil andere karmische Ursachen noch auf uns wirken. Das ist einem den Physikern wohlbekannten Gesetz zuzuschreiben, nach dem sich zwei entgegengesetzte Kräfte neutralisieren; eine Kraft kann so stark sein, dass sie vorübergehend die Wirkung der anderen Kraft aufhebt. Dieses Gesetz wirkt in den unsichtbaren mentalen und karmischen Daseinsebenen oder Sphären ebenso wie auf der physischen. Die Kraft einer bestimmten Gruppe von physischen, mentalen und psychischen Eigenschaften mit ihren Tendenzen kann die Wirkung von Ursachen, mit denen wir verknüpft sind, gänzlich hemmen, weil das ganze Wesen jedes Menschen zur Ausführung dieses Gesetzes benötigt wird. Deshalb sind die Schwachen und Mittelmäßigen nur ein schwacher Brennpunkt für Karma, und bei ihnen ist das allgemeine Ergebnis eines Lebens begrenzt, obgleich sie alles als sehr schwer empfinden mögen. Ein Mensch aber mit einem umfassenden und tiefgründigen Charakter und viel Kraft wird die Wirkung einer größeren Menge von Karma verspüren als ein schwächerer Mensch.

Zweitens – Karma, das wir mit unseren Gedanken und Handlungen jetzt erzeugen oder speichern. Dieses wird sich dann in der Zukunft auswirken, sobald das inkarnierende Ego in einem künftigen Leben den entsprechenden Körper und das geeignete Denken und die passende Umgebung angenommen haben wird oder wenn hinderliches Karma beseitigt ist.

Das bezieht sich auf das gegenwärtige und auf das nächste Leben. Denn es kann jemand in diesem Leben einen Punkt erreichen, wo sich alle wirksam gewesenen Ursachen erschöpft haben, so dass jetzt neues Karma oder noch nicht verbrauchtes Karma zu wirken beginnen muss.

Hierzu zählen jene Fälle, in denen Menschen plötzlich eine Schicksalswende oder eine Veränderung zum Besseren erfahren, entweder in den Umständen oder im Charakter. Das ist auch für unsere gegenwärtige Lebensführung von sehr großer Bedeutung. Während sich altes Karma auswirken muss und nicht aufgehalten werden kann, ist es unter den gegenwärtigen Umständen, ganz gleich wie sie sind, unbedingt weise für den Menschen, so zu denken und zu handeln, dass er keine üblen oder hinderlichen Ursachen für die nächste Wiedergeburt oder für die späteren Jahre dieses Lebens erzeugt. Auflehnung ist nutzlos, denn das große Gesetz wirkt sich aus, ob wir jubeln oder weinen. Der große französische Ingenieur De Lesseps ist ein gutes Beispiel für diese Klasse von Karma. Nachdem er für viele Jahre zu Ruhm und Erfolg hoch aufgestiegen war, geriet er plötzlich wegen des Panamaskandals in Schande. Mag er nun schuldig oder unschuldig gewesen sein, er musste die Schande tragen, dass sein Name mit einem nationalen Unternehmen verbunden wurde, das von Bestechung und Korruption besudelt war, in die hohe Beamte verwickelt waren. Das war die Auswirkung alter karmischer Ursachen gerade in dem Augenblick, in dem jene, die seine vorherigen Jahren beherrscht hatten, erschöpft waren. Napoleon I. ist ein weiterer Fall, er stieg zu hohen Ehren empor, stürzte dann plötzlich und starb im Exil und in Ungnade. Viele andere Fälle werden dem nachdenklichen Leser einfallen.

Drittens – jenes Karma, das angefangen hat, Ergebnisse hervorzubringen. Es ist jetzt in diesem Leben das Wirken von Ursachen auf uns, die wir in früheren Leben gemeinsam mit anderen Egos erzeugt haben. Dieses Karma ist wirksam, weil es am besten zu dem gegenwärtigen Familientypus, zu dem individuellen Körper, zu dem Astralkörper und den Rassentendenzen der gegenwärtigen Inkarnation passt. Es bringt sich deutlich zum Ausdruck, während anderes, noch nicht erschöpftes Karma wartet, bis seine Zeit gereift ist.

Diese drei Klassen von Karma beherrschen Menschen, Tiere, Welten und Evolutionsperioden. Jede Wirkung fließt aus einer vorausgegangenen Ursache hervor, und da alle Wesen immer wiedergeboren werden, erfahren sie auch ständig die Wirkungen ihrer Gedanken und Handlungen (die selbst Ursachen sind) einer früheren Inkarnation. Daher ist jeder für jedes Wort und für jeden Gedanken verantwortlich, wie es im Matthäus-Evangelium heißt; keiner kann entrinnen, weder durch Gebet, noch durch Gunst oder Gewalt, noch durch irgendeinen anderen Vermittler.

Da die karmischen Ursachen in drei Klassen einteilbar sind, müssen sie verschiedene Wirkungsfelder haben. Beim Menschen wirken sie in seiner mentalen und intellektuellen Natur; in seiner psychischen oder seelischen Natur; und in seinem Körper und seinen Lebensumständen. Die spirituelle Natur des Menschen wird von Karma niemals berührt oder beeinflusst.

Eine Sorte von Karma kann gleichzeitig in gleichem Maß in allen drei genannten Bereichen unserer Natur tätig sein, es kann aber auch eine Mischung der Ursachen sein, einige auf einer Ebene und einige auf einer anderen. Nehmen wir den Fall einer missgestalteten Person, die ein ausgezeichnetes Denkvermögen besitzt und eine Unzulänglichkeit in ihrer seelischen Natur. Hier wirkt strafendes oder unangenehmes Karma in ihrem Körper, während in ihrer mentalen und intellektuellen Natur gutes Karma erfahren wird, da aber das Karma oder die Ursachen psychisch von indifferenter Art ist, ergeben sich hier nur indifferente Wirkungen. Bei einem anderen Menschen zeigen sich wieder andere Kombinationen. Er hat einen guten Körper und günstige Bedingungen, aber sein Charakter ist vielleicht mürrisch, übellaunig, reizbar, rachsüchtig, krankhaft und sich selbst und anderen widerlich. Hier ist ein gutes physisches Karma und sehr übles mentales, intellektuelles und psychisches Karma am Werk. Allen Lesern werden Fälle bekannt sein, wo Menschen von hoher Abstammung, die jede Möglichkeit und Macht besitzen, dennoch schwachsinnig sind oder plötzlich geisteskrank werden.

So wie alle diese Phasen des karmischen Gesetzes den individuellen Menschen beeinflussen, so beherrschen sie auch in ähnlicher Weise die Rassen, Nationen und Familien. Jede Rasse hat als Ganzheit ihr Karma. Ist es gut, dann schreitet die Rasse vorwärts. Wenn es schlecht ist, geht alles dem Ende zu – die Rasse stirbt aus –, obwohl die betroffenen Seelen ihr Karma in anderen Rassen und Körpern wieder aufnehmen. Die Völker können ihrem nationalen Karma nicht entfliehen. Jede Nation, die Übles getan hat, muss früher oder später dafür leiden. Das Karma des neunzehnten Jahrhunderts im Westen ist das Karma Israels, denn selbst ein Laie kann erkennen, dass der mosaische Einfluss in den europäischen und amerikanischen Nationen am stärksten ist. Die alten Azteken und andere alte Völker Amerikas starben aus, weil ihr eigenes Karma – das Resultat ihres eigenen nationalen Verhaltens in der fernen Vergangenheit – auf sie zurückfiel und sie vernichtete. Bei den Nationen zeigt sich diese bedrückende Wirkung Karmas in Hungersnöten, Kriegen, Naturkatastrophen und in der Sterilität der Frauen des Volkes. Letztere Wirkung tritt gegen Ende ein und fegt alle Überreste der Nation hinweg. Und das Individuum in der Rasse oder Nation wird durch diese große Lehre gewarnt, dass – wenn es im Denken oder Handeln in Gleichgültigkeit verfällt und sich so dem allgemeinen Durchschnittskarma seiner Rasse oder Nation angleicht – jenes nationale oder Rassenkarma ihn schließlich im allgemeinen Schicksal davontragen wird. Deshalb riefen die alten Lehrer: „Kommt hervor und trennt euch.“

Zusammen mit der Reinkarnation erklärt diese Karmalehre das Elend und das Leid der Welt, und es bleibt kein Raum, die Natur der Ungerechtigkeit anzuklagen.

Das Elend einer jeden Nation oder einer jeden Rasse ist das direkte Resultat der Gedanken und Handlungen der Egos, die diese Nation oder Rasse bilden. In der fernen Vergangenheit taten sie Böses und leiden jetzt. Sie verletzten die Gesetze der Harmonie. Die unveränderliche Regel verlangt die Wiederherstellung der Harmonie, wenn diese gestört wurde. Daher leiden diese Egos, indem sie das Gleichgewicht des okkulten Kosmos kompensieren und wiederherstellen. Die ganze Menge der Egos muss in der Rasse oder Nation so lange inkarnieren und reinkarnieren, bis sie die erzeugten Ursachen gänzlich aufgearbeitet haben. Obwohl die Nation als physisches Gebilde zeitweilig verschwinden mag, verlassen die zu ihr gehörenden Egos jedoch die Erde nicht, sondern kommen als die Erbauer einer neuen Nation zurück, in der sie mit der Aufgabe fortfahren müssen und je nach ihrem Karma Bestrafung oder Belohnung erhalten. Für dieses Gesetz sind die alten Ägypter ein Beispiel. Sie erreichten gewiss eine hohe Entwicklungsstufe, aber ebenso gewiss wurden sie als Nation ausgelöscht. Aber die Seelen – die alten Egos – leben weiter und erfüllen jetzt ihr selbst geschaffenes Schicksal als eine andere Nation in unserer Zeit. Vielleicht sind sie die neue amerikanische Nation oder die Juden, deren Schicksal es ist, in der Welt umherzuziehen und von seiten anderer vieles erleiden zu müssen. Dieser Vorgang ist vollkommen gerecht. Nehmen wir zum Beispiel die Vereinigten Staaten und die Indianer. Letztere wurden von dieser Nation schändlichst behandelt. Die Indianer-Egos werden in dem neuen Eroberervolk geboren und als Mitglieder dieser großen Familie werden sie selbst die Werkzeuge sein, die die entsprechenden Resultate für die Handlungen zeitigen, die ihnen angetan wurden, als sie noch als Indianer inkarnierten. So geschah es zuvor und ebenso wird es wieder geschehen.

Individuelles Unglück in einem beliebigen Leben wird wie folgt erklärt:

(a) Es ist die Strafe für das in früheren Leben verübte Böse; oder (b) es ist eine Schulung, die das Ego auf sich nimmt, um Mängel zu beseitigen oder Festigung und Mitgefühl zu gewinnen. Wenn Mängel beseitigt werden, gleicht das der Beseitigung eines Hindernisses aus einem Bewässerungskanal, wodurch dann das Wasser weiterfließt. Glück wird auf gleiche Weise erklärt: Es ist das Resultat von früheren guten Leben.

Die wissenschaftliche und sich selbst aufdrängende Grundlage für rechte Ethik wird nur in dieser und in keiner anderen Lehre gefunden. Wenn nämlich die rechte Ethik nur um ihrer selbst willen ausgeübt werden soll, werden die Menschen die Gründe dafür nicht einsehen, und dann werden sie niemals in der Lage sein einzusehen, warum sie recht handeln sollen. Wenn Ethik aber nur aus Furcht befolgt werden soll, wird der Mensch entwürdigt und wird sie gewiss umgehen. Wenn die Gunst des Allmächtigen, die nicht auf Gesetz oder Gerechtigkeit gegründet ist, als Anlass dient, dann haben wir genau das, was heute vorherrscht – einen Kodex, den Jesus dem Westen gab, zu dem sich die Nationen bekennen, den sie aber nicht praktizieren, mit Ausnahme weniger, die unter allen Umständen tugendhaft sein würden.

Zu diesem Thema haben die Adepten Folgendes geschrieben, das in der Geheimlehre gefunden werden kann:

„Auch wären die Wege Karmas nicht unerforschlich, wenn die Menschen in Einigkeit und Harmonie handeln würden, statt in Uneinigkeit und Streit. Denn unsere Unkenntnis dieser Wege – die ein Teil der Menschheit als dunkle und verworrene Wege der Vorsehung bezeichnet, während ein anderer darin das Wirken des blinden Fatalismus und ein dritter bloßen Zufall sieht, weder von Göttern noch von Dämonen gelenkt – würden sicher verschwinden, wenn wir sie ihrer richtigen Ursache zuordnen könnten. Mit rechtem Wissen oder zumindest mit dem festen Vertrauen, dass unsere Nachbarn uns ebensowenig schädigen wollen, wie wir sie, würden sich zwei Drittel der Übel der Welt in Luft auflösen. Wenn kein Mensch seinem Bruder schaden würde, hätte Karma-Nemesis weder einen Anlass zum Eingreifen noch die Waffen dazu … Wir schnitzen diese zahlreichen Windungen täglich mit eigenen Händen in unser Schicksal, während wir uns einbilden, wir folgten der Hauptstraße der Ehrbarkeit und Pflicht und klagen dann über die verworrenen und unverständlichen selbstgeschaffenen Wege. Wir stehen verwirrt vor dem selbstgeschaffenen Mysterium und den Rätseln des Lebens, die wir nicht lösen wollen und klagen die große Sphinx an, sie verschlinge uns. Es gibt aber in Wirklichkeit weder ein Unglück noch einen missratenen Tag noch ein Missgeschick, das nicht auf unsere eigenen Taten in diesem oder in einem früheren Leben zurückgeführt werden könnte. … Die Kenntnis von Karma gibt die Überzeugung, dass, wenn –

‘die Tugend in Not ist und das Laster triumphiert,
die Menschen zu Atheisten werden’,

das nur deshalb der Fall ist, weil die Menschheit stets die Augen vor der großen Wahrheit verschloss, dass der Mensch sein eigener Erlöser und sein eigener Verderber ist, dass er weder die Himmel noch die Götter noch das Schicksal oder die Vorsehung wegen der anscheinend unter der Menschheit herrschenden Ungerechtigkeit anzuklagen braucht. Er möge sich vielmehr jenes Fragments griechischer Weisheit erinnern, das den Menschen warnt, Jenes anzuklagen, das

‘Gerecht, geheimnisvoll zwar, aber ohne Irrtum uns auf
unmarkierten Wegen von Schuld und Sühne führt …’

– und das sind nun die Wege und Hauptstraßen, auf denen sich die großen europäischen Völker vorwärts bewegen. Die westlichen Arier, jedes Volk und jeder Stamm, hatten gleich ihren östlichen Brüdern der fünften Rasse ihr Goldenes und ihr Eisernes Zeitalter, ihre Periode verhältnismäßiger Unverantwortlichkeit oder das Satya-Zeitalter der Reinheit, während jetzt verschiedene von ihnen ihr Eisernes Zeitalter, das Kali-Yuga erreicht haben, ein Zeitalter schwarz mit Horror. Dieser Zustand wird solange andauern … bis wir anfangen von innen her zu handeln, statt immer nur den von außen kommenden Impulsen zu folgen … Bis dahin sind die einzigen Linderungsmittel Vereinigung und Harmonie – eine Bruderschaft in actu und Altruismus nicht nur als ein Lippenbekenntnis“.


XII – Kāma-Loka

Wir wollen nun die Zustände des Menschen nach dem Tod des Körpers und vor der Geburt behandeln, nachdem wir das ganze Gebiet der Evolution der Dinge und Wesen im Allgemeinen betrachtet haben. Hier taucht nun sofort die Frage auf: Gibt es einen Himmel oder eine Hölle und was sind sie? Sind es Zustände oder Orte? Gibt es eine Stelle im Raum, wo sie gefunden werden können, wo wir dann hingehen und von wo wir herkommen? Wir müssen auch wieder auf das vierte Prinzip der menschlichen Konstitution zurückkommen, das im Sanskrit Kāma und im Deutschen Verlangen oder Begierde genannt wurde. Wenn wir uns daran erinnern, was über dieses Prinzip gesagt wurde, und auch an die Lehren über den Astralkörper und das Astrallicht denken, dann wird man leichter verstehen, was über die zwei Zustände ante und post mortem gesagt wird. In chronologischer Folge gehen wir nach dem Ableben des Körpers zuerst nach Kāma-Loka – in die Region der Begierden – und dann fallen die höheren Prinzipien, der wirkliche Mensch, in den Devachan-Zustand. Nachdem wir uns mit Kāma-Loka befasst haben, wird es leichter sein, das Thema Devachan zu studieren.

Der Atem verlässt den Körper und wir sagen, der Mensch sei tot. Aber das ist nur der Beginn des Todes; er geht auf anderen Ebenen weiter. Wenn der Körper erkaltet ist und die Augen geschlossen sind, dann fluten alle Kräfte des Körpers und der Seele durch das Gehirn, und nun überträgt sich in einer Reihe von Bildern das ganze eben beendete Leben unauslöschlich auf den inneren Menschen, und zwar nicht nur in großen Zügen, sondern bis in die kleinsten Einzelheiten der flüchtigsten Eindrücke. In diesem Augenblick – obgleich alle Anzeichen den Arzt dazu führen, diesen Menschen für tot zu erklären und der Mensch in Bezug auf seine Absichten und Ziele für dieses Leben auch tatsächlich tot ist – ist der wirkliche Mensch im Gehirn tätig und er geht erst fort, wenn seine Arbeit dort abgeschlossen ist. Nach dem Abschluss dieser feierlichen Arbeit löst sich der Astralkörper vom physischen Körper, und da die Lebenskräfte bereits weggegangen sind, befinden sich die übrig gebliebenen fünf Prinzipien in der Ebene Kāma-Lokas.

Die durch den Tod herbeigeführte natürliche Trennung der Prinzipien teilt den kompletten Menschen in drei Teile:

Erstens: Der sichtbare Körper mit all seinen Elementen verbleibt zur weiteren Zersetzung in der Erdregion, wo sich seine Bestandteile mit der Zeit wieder in die verschiedenen materiellen Abteilungen der Natur auflösen.

Zweitens: Der aus dem Astralkörper und aus den Leidenschaften und Wünschen gebildete Kāma-Rupa beginnt auf der Astralebene ebenfalls sofort in seine Bestandteile zu zerfallen.

Drittens: Der wirkliche Mensch, die obere Triade aus Ātman-Buddhi-Manas, unsterblich, aber jetzt außerhalb der irdischen Zustände, frei vom Körper, beginnt im Devachan einzig als Denken zu funktionieren. Sie ist mit einer sehr etherischen Hülle bekleidet, die sie wieder ablegt, wenn ihre Zeit zur Rückkehr zur Erde gekommen ist.

Kāma-Loka – die Region der Begierde – ist die Astralregion, die die Erde umgibt und durchdringt. Örtlich befindet sie sich auf, unter und über der Erde. Sie dehnt sich auf eine messbare Entfernung um die Erde herum aus. Aber die normalen, hier gültigen Gesetze gelten dort nicht, und die dort existierenden Wesen stehen nicht unter denselben Bedingungen von Raum und Zeit wie wir hier. Der Kāma-Loka-Zustand ist metaphysisch, obgleich diese Metaphysik sich auf die Astralregion bezieht. Kāma-Loka wird die Ebene der Begierden genannt, weil sie zum vierten Prinzip Bezug hat. Die dort herrschende Kraft ist die Begierde, ohne und getrennt von Intelligenz. Es ist die direkt zwischen irdischem und himmlischem Leben liegende Astralregion. Ohne Zweifel ist diese Region die Basis für die christliche Theorie vom Fegefeuer, in dem die Seelen für üble Taten bestaft werden und aus dem sie durch Gebete und andere Zeremonien und Opfer erlöst werden können. Grundlage dieses Aberglaubens ist die Tatsache, dass eine Seele von der ungeheuren Kraft einer unbefriedigten Begierde in Kāma-Loka zurückgehalten werden kann und sich von den astralen und kāmischen Hüllen nicht zu befreien vermag, bis diese Begierde durch jemand auf der Erde oder durch die Seele selbst gestillt worden ist. Wenn der Mensch aber reinen Herzens und voll edlen Strebens war, dann ist die Trennung der Prinzipien auf dieser Ebene rasch vollzogen, wodurch der höheren Triade erlaubt wird, in Devachan einzutreten. Da Kāma-Loka der rein astralen Ebene angehört, hat es an der Natur der astralen Materie teil, die hauptsächlich irdisch und teuflisch ist; es wirken in Kāma-Loka all die Kräfte, die weder vom Gewissen noch von der Seele geleitet werden. Kāma-Loka ist sozusagen die Müllhalde des großen Schmelzofens des Lebens, wo die Natur alle Elemente ablädt, für die in Devachan kein Platz ist. Aus diesem Grund muss diese Region viele Abstufungen haben. Diese wurden von den alten Weisen alle einzeln beschrieben. Diese Stufen sind im Sanskrit als Lokas bekannt oder als metaphysische Örtlichkeiten. Das menschliche Leben ist hinsichtlich seiner Beschaffenheit und anderer Möglichkeiten sehr verschieden, und für jede Variante ist nach dem Tod ein entsprechender Platz vorhanden, weshalb Kāma-Loka eine unendlich abgestufte Sphäre ist. Im Leben werden einige dieser Unterschiede der Menschen verändert und andere werden durch die Gleichartigkeit von Körper und Vererbung gehemmt. In Kāma-Loka werden alle diese verborgenen Begierden und Leidenschaften jedoch durch die Abwesenheit des Körpers freigesetzt, und deshalb ist jene Ebene unendlich mannigfaltiger als diese Lebensebene. Es muss nicht nur für diese natürlichen Varietäten und Verschiedenheiten vorgesorgt werden, sondern auch für die, die durch die verschiedenen Todesarten hervorgerufen werden, über die auch noch etwas gesagt werden soll. Alle diese verschiedenen Abstufungen sind nur die natürliche Folge unserer Gedanken während des Lebens und der letzten Gedanken des Menschen, der auf der Erde stirbt. Eine Beschreibung all dieser verschiedenen Grade würde den Rahmen dieses Buches weit überschreiten. Es wären ganze Bände dazu nötig, und auch dann würden es nur wenige verstehen.

Die Beschäftigung mit Kāma-Loka zwingt uns auch, uns mit dem vierten Prinzip der Einteilung der menschlichen Konstitution zu befassen. Mit dem Thema Leidenschaften und Begierden geraten wir in Widerspruch zu modernen Ideen und Erziehungsmethoden. Es wird allgemein angenommen, die Begierden und Leidenschaften seien angeborene Neigungen des Individuums, und dem gewöhnlichen Schüler erscheinen sie insgesamt unwirklich und nebulös. In diesem philosophischen System jedoch wohnen sie nicht nur dem Individuum inne, noch sind sie dem Körper per se zuzuschreiben. Während der Mensch auf der Erde lebt, führen die Begierden und Leidenschaften – das Kāma-Prinzip – kein vom inneren und astralen Menschen getrenntes Leben, sie sind sozusagen über sein ganzes Wesen verbreitet. Da sie aber nach dem Tod mit dem Astralkörper verschmelzen und dadurch eine Wesenheit mit eigener Lebensdauer bilden, obgleich ohne Seele, ergeben sich sehr wichtige Fragen. Während des Erdenlebens werden die Begierden und Leidenschaften durch das Denkvermögen und die Seele gelenkt; nach dem Tod arbeiten sie jedoch ohne die Führung ihres früheren Herren. Während unseres Lebens sind wir für sie und ihre Wirkungen verantwortlich, und wenn wir dieses Leben verlassen haben, sind wir immer noch verantwortlich. Solange ihr Leben in der von mir beschriebenen Wesensform andauert, arbeiten sie ohne unsere direkte Führung weiter und üben ihre Wirkungen auf andere Menschen aus. Hierin liegt die Kontinuität der Verantwortung. Sie sind ein Teil der Skandhas – in der östlichen Philosophie wohlbekannt –, welche die Aggregate sind, die den Menschen ausmachen. Der Körper umschließt einen Teil der Skandhas, der Astralmensch einen weiteren, das Kāma-Prinzip ist eine weitere Serie und noch andere gehören zu weiteren Teilen. In Kāma sind die wirklich aktiven und wichtigen Skandhas, die die Reinkarnation kontrollieren und in jeder Wiedergeburt zu allen Wechselfällen des Lebens und der Umstände führen. Sie werden von Tag zu Tag gebildet, infolge des Gesetzes, dass sich jeder Gedanke augenblicklich mit einer der elementalen Kräfte der Natur verbindet und zu einer Wesenheit wird, die entsprechend der Stärke des Gedankens, wenn er das Gehirn verlässt, andauert. Alle diese Skandhas sind untrennbar mit dem Wesen verbunden, das sie evolviert hat. Es gibt kein Entrinnen; alles, was wir können, ist gute Gedanken zu erzeugen, denn selbst die höchsten Meister sind von diesem Gesetz nicht frei, aber sie „bevölkern ihre Strömung im Raum“ mit Wesenheiten, die nur zum Guten wirken.

In Kāma-Loka existiert nun diese gesamte Menge der Begierden und Gedanken ganz definitiv bis zum Ende ihrer Auflösung. Der Überrest besteht dann aus der Essenz dieser Skandhas, die natürlich mit dem Wesen verbunden sind, das sie evolviert hat und besaß. Sie können genauso wenig beseitigt werden, wie wir das Universum auslöschen können. Deshalb wird von den Skandhas gesagt, sie warten, bis das Wesen wieder aus Devachan hervorgeht, worauf sie nach dem Gesetz der Anziehung sofort zu ihrem Schöpfer hingezogen werden, der dann aus ihnen als Keim oder Basis einen neuen Satz von Skandhas für das neue Leben aufbaut. Der Unterschied von Kāma-Loka zur Erdregion ist also, dass in Kāma-Loka alle vorhandenen Begierden und Leidenschaften ohne Kontrolle und Leitung tätig sind; aber gleichzeitig ist das Erdenleben ebenfalls ein Kāma-Loka, da es zum größten Teil vom Kāma-Prinzip beherrscht wird, und zwar noch so lange, bis in ferner Zukunft die Menschenrassen im Verlauf der Evolution das fünfte und sechste Prinzip entfaltet haben werden, wodurch Kāma in seine eigene Region geworfen und das irdische Leben von seinem Einfluss befreit wird.

Der Astralmensch ist in Kāma-Loka nur noch eine Hülle ohne Seele und Denkvermögen, ohne Gewissen und auch unfähig zu handeln, wenn er nicht durch äußere Kräfte belebt wird. Er besitzt ein Bewusstsein, das einem tierischen oder automatischen Bewusstsein ähnelt, zur Gänze beruhend auf der jüngsten Verbindung mit dem menschlichen Ego. Denn nach dem in einem früheren Kapitel dargelegten Gesetz hat jedes am Aufbau des Menschen beteiligte Atom ein eigenes Gedächtnis, das entsprechend der ihm gegebenen Kraft fähig ist, eine gewisse Zeit zu überdauern. Bei einem sehr materialistischen, groben oder selbstsüchtigen Menschen hält die Kraft länger an als in anderen Fällen. Deshalb wird in einem solchen Fall das automatische Bewusstsein bei einem Menschen, der sich ohne Besitz der nötigen Kenntnisse mit Nekromantie befasst, viel bestimmter und verblüffender auftreten. Der rein astrale Teil enthält und behält in sich die Aufzeichnung von allem, was die betreffende Person im Leben je erlebte, denn eine der Eigentümlichkeiten der Astralsubstanz besteht darin, dass sie alle Szenen und Bilder und alle Gedankeneindrücke absorbiert und behält und sie mittels Reflexion zurückwirft, wenn es die Verhältnisse gestatten. Diese von jedem Menschen beim Tod abgeworfene Astralhülle könnte für alle Menschen eine ernsthafte Bedrohung sein, wenn ihr nicht mit einer noch zu behandelnden Ausnahme die höheren, richtungweisenden Prinzipien fehlen würden. Da aber diese leitenden Komponenten von der Hülle abgekoppelt sind, pendelt und flattert sie ohne eigenen Willen von Ort zu Ort und wird von den in den magnetischen und astralen Bereichen herrschenden Anziehungen gelenkt.

Dem wirklichen Menschen – von manchen Geist genannt – ist es während einiger weniger Augenblicke unmittelbar nach dem Tod möglich, mit uns in Verbindung zu treten; sind diese aber vorbei, hat die Seele bis zur Reinkarnation nichts mehr mit der Erde zu schaffen. Was Sensitive und Medien aus dieser Astralregion beeinflussen kann und es auch tut, sind diese geschilderten Hüllen. Seelenlos und ohne Gewissen sind sie in keiner Hinsicht die Geister unserer Verstorbenen. Sie sind das vom inneren Menschen abgeworfene Gewand, der animalische irdische Teil, der auf dem Flug zum Devachan abgelegt wird, und von den alten Weisen stets als ‘Teufel’ betrachtet wurde – unser persönlicher Teufel –, weil er essenziell astraler, irdischer und leidenschaftlicher Natur ist. Es wäre in der Tat befremdend, wenn diese Hülle, die für so lange Zeit das Gewand des wirklichen Menschen auf Erden war, nicht ein automatisches Gedächtnis und Bewusstsein erlangt hätte. Wir beobachten, wie sich der enthauptete Körper eines Frosches oder eines Hahnes noch bewegt und noch eine Zeitlang mit anscheinender Intelligenz agiert. Warum sollte es dann für die feinere und subtilere Astralform des Menschen nicht möglich sein, mit einem weit umfassenderen Maß von anscheinend mentaler Führung zu handeln und sich zu bewegen?

In der Kāma-Loka-Sphäre und tatsächlich in allen Teilen der Erde und des Sonnensystems existieren Elementale oder Naturkräfte. Sie sind unzählbar, und ihre Unterteilungen sind fast unendlich, da sie in gewissem Sinn die Nerven der Natur sind. Jede Klasse hat ihre eigene Aufgabe, wie jedes natürliche Element oder Ding. So wie nach allgemeinem Gesetz Feuer brennt und Wasser abwärts läuft und nicht aufwärts, so handeln auch die Elementale nach Gesetzen. Da sie aber in der Evolutionsskala höher stehen als unser grobes Feuer oder Wasser, scheinen ihre Tätigkeiten vom Denkvermögen geleitet zu sein. Manche haben eine besondere Beziehung zu mentalen Tätigkeiten und zur Tätigkeit der Astralorgane, seien diese mit einem Körper verbunden oder nicht. Wenn ein Medium als Kanal dient und auch andere Dinge natürlich zusammenwirken, dann schaffen diese Elementale mit Hilfe des Nervenfluidums des Mediums und anderer Anwesender eine künstliche Verbindung mit der Hülle eines verstorbenen Menschen. Dadurch wird die Hülle zu einem künstlichen Leben stimuliert. Durch das Medium wird die Verbindung mit den physischen und psychischen Kräften aller Anwesenden hergestellt. Die alten Eindrücke im Astralkörper geben nun ihre Bilder dem Denkvermögen des Mediums ab, die alten Leidenschaften werden aufs Neue angefeuert. Daraus werden nun verschiedene Botschaften und Äußerungen gewonnen, aber keine von ihnen ist echt, keine einzige stammt vom Geist. Wegen der Fremdartigkeit und als Folge der Unwissenheit jener, die hier herumstümpern, wird das Ganze mit den Aktivitäten des Geistes verwechselt, aber es stammt alles von den Lebenden, wenn es sich nicht nur um das Herauspicken von Bildern aus dem Astrallicht dessen handelt, was früher gewesen ist. In gewissen zu beachtenden Fällen steht eine Intelligenz dahinter, die gänzlich und ernsthaft bösartig ist, der jedes Medium unterliegt. Daraus lässt sich auch erklären, warum so viele von ihnen üblen Handlungen erliegen, wie sie selbst bekannt haben.

Hier folgt eine grobe Einteilung dieser Hüllen, von denen die Medien aufgesucht werden:

1) Hüllen kürzlich Verstorbener, deren Begräbnisort sich in der Nähe befindet. Diese Klasse wird eine ziemlich deutliche Übereinstimmung mit dem Denken und Leben des früheren Besitzers zeigen. Ein nicht materieller, guter und spiritueller Mensch hinterlässt eine sich rasch auflösende Hülle. Eine grobe, gemeine, selbstsüchtige und materielle Hülle eines Menschen wird schwer, beständig und langlebig sein: und so weiter in allen Variationen.

2) Hüllen von Menschen, die weit entfernt von dem Ort gestorben sind, an dem sich das Medium aufhält. Der Ablauf der Zeit erlaubt es diesen Hüllen, der Nähe ihrer alten Körper zu entfliehen und damit verbunden ist aber gleichzeitig ein größerer Grad an Zersetzung, die auf der Astralebene der Verwesung auf der physischen Ebene entspricht. Diese Hüllen sind unzusammenhängend, schattenhaft; reagieren nur kurz auf den psychischen Reiz und werden von jeder magnetischen Strömung hinweggewirbelt. Sie werden nur für einen Moment von den astralen Strömungen des Mediums und der Anwesenden stimuliert, die mit dem Verstorbenen in Verbindung standen.

3) Nur noch schattenhafte Überreste, die kaum zugeordnet werden können. Es gibt für sie keine Beschreibung in westlichen Sprachen, aber sie sind in dieser Sphäre eine Tatsache. Man könnte sie als leere Form oder als den in der Astralsubstanz zurückgebliebenen Eindruck einer einst festgefügten Hülle bezeichnen, die sich seit langem aufgelöst hat. Sie gleichen deshalb so sehr einer Einbildung, dass sie diesen Namen beinahe verdienen. Als solche schattenhafte Fotografien werden sie durch die Gedanken, Wünsche, Hoffnungen und Einbildungen des Mediums und der Séance-Teilnehmer vergrößert, ausgeschmückt und mit einem Scheinleben ausgestattet.

4) Bestimmte festgefügte Wesen, Menschenseelen, die ihrer spirituellen Verbindung beraubt sind, die sich nun zum schlimmsten aller Zustände, auf Avīchi zubewegen, wo die Persönlichkeit in völliger Vernichtung endet. Diese Wesen sind als Schwarzmagier bekannt. Da sie ihr Bewusstsein während des Lebens in das Kāma-Prinzip versenkt haben, den Intellekt behielten und sich vom Geist abtrennten, sind sie die einzigen verdammten Wesen, die wir kennen. Im Leben hatten sie Menschenkörper und erreichten ihren schrecklichen Zustand durch eine fortgesetzte Folge böser Leben um des Bösen willen. Einige, die bereits verdammt sind, das zu werden, was ich beschrieben habe, leben heute unter uns auf der Erde. Diese sind keine gewöhnlichen Hüllen, denn sie haben ihre ganze Kraft in Kāma konzentriert, haben jeden Funken eines guten Gedankens und jedes höhergeistige Streben verworfen und besitzen eine vollständige Meisterschaft der Astralebene. Ich stelle sie in die Klassifikation der Hüllen, weil sie solche in dem Sinn sind, dass sie zur bewussten Auflösung verurteilt sind, während die anderen dem gleichen Endziel nur mechanisch entgegengehen. Sie können viele Jahrhunderte überdauern, was auch der Fall ist, indem sie ihre Gelüste durch jede sensitive Natur, die sie fassen können, befriedigen, wo üble Gedanken ihnen einen Eintritt gewähren. Sie präsidieren bei fast allen Séancen, nehmen hochklingende Namen an und schlagen eine Richtung ein, dass sie die Kontrolle behalten, und fahren fort, das Medium zu täuschen, womit sie sich einen bequemen Kanal für ihre eigenen üblen Zwecke und Absichten aneignen. Zusammen mit den Hüllen der Selbstmörder und jener armen Unglücklichen, die durch die Hand des Gesetzes starben, und den Hüllen von Säufern und Prassern beherrschen diese Schwarzmagier in der Astralwelt das Feld der physischen Mediumschaft. Sie sind fähig, in die Sphäre selbst des besten Mediums einzudringen. Wenn das Tor einmal geöffnet wird, so ist es für alle offen. Diese Klasse von Hüllen hat das höhere Manas verloren, aber in dem Kampf – nicht nur nach dem Tod, sondern auch während des Lebens – wurde der niedere Teil von Manas, der zu gottähnlicher Herrlichkeit hätte emporgehoben werden sollen, von seinem Herrn abgetrennt und verleiht nun dieser Wesenheit Intelligenz, die des Spirituellen entbehrt, jedoch das Vermögen hat zu leiden – was geschieht, wenn ihr letzter Tag kommt.

Selbstmörder und Menschen, die durch Unfall oder durch legalen oder illegalen Mord plötzlich aus dem Körper getrieben werden, verbringen eine beinahe gleichlange Zeit im Zustand des Kāma-Loka, wie sie ohne diese plötzliche Beendigung auf der Erde gelebt hätten. Sie sind nicht wirklich tot. Um den normalen Tod zu bewirken, muss ein Faktor vorhanden sein, der von der medizinischen Wissenschaft noch nicht erkannt wurde. Die in anderen Kapiteln beschriebenen Prinzipien des Menschen haben ihre eigene Kohäsionsdauer, und erst am natürlichen Ende dieser Zeit trennen sie sich nach ihren eigenen Gesetzen. Das gehört zu dem umfangreichen Thema der Kohäsivkräfte des Menschen, deren Beschreibung selbst wieder ein Buch erfordern würde. Ich muss mich daher mit der Feststellung begnügen, dass dieses Kohäsionsgesetz auch für die menschlichen Prinzipien gilt. Vor Eintritt des natürlichen Lebensendes können sich die Prinzipien nicht voneinander trennen. Offensichtlich kann die normale Zerstörung der Kohäsionskraft nicht durch mechanische Vorgänge bewerkstelligt werden, außer in Bezug auf den physischen Körper. Selbstmörder, Unfalltote und von Mördern oder kraft des Gesetzes Getötete, bei denen die natürliche Kohäsionszeit zwischen den diversen Komponenten nicht abgelaufen ist, werden nun, teilweise tot, in den Kāma-Loka-Zustand getrieben. Dort müssen die verbleibenden Prinzipien verharren, bis das Ende der eigentlichen, natürlichen Lebensdauer erreicht ist, sei es einen Monat oder sechzig Jahre.

Die vielen Abstufungen Kāma-Lokas sorgen für die vielen Verschiedenheiten der letztgenannten Hüllen. Einige verbringen ihre Zeit unter großen Leiden, andere in einer Art traumhaften Schlafs, jede entsprechend ihrer moralischen Verantwortlichkeit. Die Hingerichteten Verbrecher scheiden oft voller Hass- und Rachegefühle aus dem Leben und leiden sehr unter der Strafe, deren Gerechtigkeit sie nicht bejahen. In Kāma-Loka wiederholen sie ständig ihr Verbrechen, ihre Verurteilung, ihre Hinrichtung und ihre Rachegelüste. Und wenn sie mit einem lebenden, sensitiven Menschen – ob Medium oder nicht – in Verbindung kommen können, versuchen sie, dem Gehirn solcher Unglücklichen Mordgefühle und andere verbrecherische Gedanken einzuflößen. Dass sie mit solchen Versuchen Erfolg haben, weiß der fortgeschrittenere Schüler der Theosophie nur zu gut.

Wir haben uns nun Devachan genähert. Nach einer gewissen Zeit in Kāma-Loka fällt das Wesen in einen unbewussten Zustand, der dem Wechsel in den nächsten Zustand vorausgeht. Es ist wie bei der physischen Geburt, der eine Zeit von Dunkelheit und tiefem Schlaf vorausgeht. Aber dann erwacht die Wesenheit zu den Freuden Devachans.


XIII – Devachan

Nachdem ich gezeigt habe, dass sich gleich hinter der Schwelle des irdischen Lebens eine Region befindet, in der sich der bessere Teil des Menschen von seinen niederen und tierischen Elementen trennt, betrachten wir nun den nachtodlichen Zustand des unsterblichen, wirklichen Wesens, das von Leben zu Leben wandert. Nach dem Losringen vom Körper geht der ganze Mensch ins Kāma-Loka, ins ‘Fegefeuer’, wo er weiterkämpft und sich von den niederen Skandhas befreit. Wenn diese Geburtsphase vorüber ist, beginnen die höheren Prinzipien Ātman-Buddhi-Manas in einer Weise zu denken, die völlig verschieden ist von der Art, wie es Körper und Gehirn im Leben zuließen. Das ist der Zustand des Devachan, ein Sanskritwort, das wörtlich ‘Land der Götter’ bedeutet, in dem die Seele glückselig wird. Da die Götter jedoch nicht solche Körper haben wie wir, besitzt das Selbst im Devachan keinen sterblichen Körper. In den alten Büchern wird gesagt, dass dieser Zustand „eine unendliche Zahl von Jahren“ oder „eine Zeit dauere, die dem Verdienst der Wesenheit proportional ist“. Wenn die mentalen Kräfte, die für diesen Zustand bestimmend sind, ihre Energie erschöpft haben, „wird das Wesen wieder zur Wiedergeburt in die Welt der Sterblichen herabgezogen“. Devachan ist deshalb ein Interludium zwischen den irdischen Geburten. Das karmische Gesetz, das uns alle zum Eintritt in diese Welt zwingt, das unaufhörlich tätig und in seiner Reichweite universal ist, wirkt auch im Devachan auf die Wesenheit ein; denn nur durch die Kraft oder Tätigkeit Karmas werden wir aus Devachan herausgenommen. Es ist etwa wie mit dem Luftdruck, der kontinuierlich und gleichmäßig alles wegfegt und zermalmt, was ihm ausgesetzt ist, wenn nicht ein kompensierender Gegendruck einer entsprechenden Luftmenge vorhanden ist. Das Karma der Wesenheit ist bei unserem Beispiel die Luft, deren Druck die Wesenheit von Zustand zu Zustand treibt; die entgegenwirkende Luftmenge ist die Kraft der eigenen Gedanken und Bestrebungen des Wesens, die den Austritt aus Devachan so lange verhindert, bis die Kraft erschöpft und dann keine Energie mehr vorhanden ist, uns noch länger der Verfügungsgewalt unseres selbstgeschaffenen irdischen Schicksals zu entziehen.

Dieser Zustand nach dem Tod zählt zu den notwendigen Erfordernissen der Evolution, die sich aus der Natur des Geistes und der Seele ergeben. Die Wesensstruktur von Manas erfordert einen devachanischen Zustand nach dem Ablegen des Körpers; er ist einfach die Folge der Lockerung der Fesseln, die dem Denkvermögen von seiner physischen und astralen Behausung angelegt wurden. Im Leben können wir nur einen Bruchteil der Gedanken ausführen, die wir in jedem Augenblick haben. Noch viel weniger können wir die psychischen Energien erschöpfen, die wir in den täglichen Hoffnungen und Träumen erzeugen. Diese so erzeugte Energie ist aber nicht verloren oder vernichtet, sondern wird in Manas gespeichert, weil der Körper, das Gehirn und der Astralkörper die volle Entwicklung dieser Kräfte nicht zulassen. Deshalb sprengt dann die bis zum Tod latent gehaltene Energie die geschwächten Fesseln und treibt Manas, den Denker, zur Erweiterung, Anwendung und Entwicklung der im Leben aufgespeicherten Gedankenkräfte. Die Unmöglichkeit, diesem notwendigen Zustand zu entkommen, beruht auf der menschlichen Unkenntnis seiner eigenen Kräfte und Fähigkeiten. Aus dieser Unkenntnis entsteht die Täuschung, und Manas, nicht ganz frei davon, wird durch seine eigene Kraft in das devachanische Denken geführt. Während aber Unwissenheit der Grund für das Eintreten in diesen Zustand ist, ist der ganze Prozess heilend, ruhevoll und wohltuend. Denn wenn der Durchschnittsmensch sofort in einen anderen Körper in dieselbe, soeben verlassene Zivilisation zurückkehren würde, wäre seine Seele völlig erschöpft und der dringend benötigten Gelegenheit zur Entwicklung der höheren Teile seiner Natur beraubt.

Da nun das Ego ohne den sterblichen Leib und ohne Kāma ist, bekleidet es sich im Devachan mit einem Gewand, das man nicht als Körper bezeichnen kann, sondern als ein Mittel oder eher Träger, und in diesem funktioniert es während des devachanischen Zustands gänzlich auf der Ebene des Denkvermögens und der Seele. Alles ist dann für das Wesen ebenso real, wie uns diese Welt erscheint. Das Ego hat nun einfach die Möglichkeit, sich seine eigene Welt unbehindert durch die Fesseln des physischen Lebens aufzubauen. Dieser Zustand mag mit dem eines Dichters oder Künstlers verglichen werden, der sich – versunken in die Ekstase des Komponierens oder die Anordnung der Farbe – weder um Zeit oder weltliche Gegenstände kümmert, noch diese erkennt.

Wir schaffen in jedem Augenblick Ursachen, für deren Auswirkung es aber nur zwei Felder gibt. Zum einen den objektiven, wie diese Welt genannt wird, und zum anderen den subjektiven, der sowohl hier wie auch nach dem Verlassen dieses Lebens existiert. Der objektive Bereich bezieht sich auf das Erdenleben und auf den gröberen Teil des Menschen, auf seine körperlichen Handlungen und auf sein Gehirndenken und manchmal auch auf seinen Astralkörper. Der subjektive Bereich hat mit seinen höheren und spirituellen Teilen zu tun. Im objektiven Bereich können sich weder die psychischen Impulse noch die höheren Neigungen und Bestrebungen der Seele auswirken; deshalb müssen diese die Basis, die Ursache, der Untergrund und der Träger des Devachan-Zustandes sein. Wie lange dauert nun die Zeit, die man nach irdischen Jahren gemessen im Devachan verbringt?

Diese Frage befasst sich zwar mit dem, was der irdische Mensch Zeit nennt, trotzdem berührt sie nicht die wirkliche Bedeutung der Zeit selbst, das heißt dessen, was für dieses Sonnensystem tatsächlich die höchste Zeitordnung nach Verlauf, Aufeinanderfolge und Länge der Augenblicke sein mag. Diese Frage lässt sich zwar in Bezug auf unsere Zeit beantworten, aber bestimmt nicht in Bezug auf die Zeit des Planeten Merkur, auf dem die Zeit nicht dieselbe ist wie bei uns, und sicherlich auch nicht in Bezug auf ein Zeitmaß, wie es von der Seele wahrgenommen wird. Hierzu kann jedermann wahrnehmen, dass er nach Verlauf vieler Jahre keine direkte Vorstellung von der gerade vergangenen Zeitlänge hat. Man kann nur einige Vorfälle herausgreifen, die ihren Ablauf markierten, und von einigen vielleicht besonders bitteren oder glücklichen Momenten oder Stunden mag es uns erscheinen, als seien sie erst gestern geschehen. So ist es auch für das Wesen in Devachan. Dort gibt es keine Zeit. Die Seele zieht den vollen Nutzen aus den Vorgängen, die in diesem Zustand in ihr selbst vor sich gehen, sie stellt aber keine Überlegungen über den zeitlichen Ablauf der Augenblicke an. Alles besteht nur aus Ereignissen, während für uns auf der Erde in der ganzen Zeit die Sonnenbahn die Jahre markiert. Das erscheint durchaus als möglich, wenn wir bedenken – wie das Leben lehrt –, dass Ereignisse, Bilder, Gedanken, Argumente, introspektive Impressionen in genauestem Detail in einem kurzen Augenblick an uns vorüberziehen können oder – wie Ertrinkende berichten –, dass die Ereignisse eines ganzen Lebens blitzartig vor dem geistigen Auge vorüberziehen. Das Ego verbleibt also zeitlich genauso lange im Devachan, wie es den psychischen Impulsen entspricht, die im Laufe des Lebens erzeugt wurden. Da es sich bei dieser Sache um Seelen-Mathematik handelt, kann niemand außer einem Meister sagen, wie lange diese Zeit für den Durchschnittsmenschen unseres Jahrhunderts in jedem Land dauert. Deshalb müssen wir uns mit dem Durchschnittswert, der ja auf einer Berechnung beruhen muss, auf die Angaben der Meister der Weisheit verlassen. Wie von Mr. A. P. Sinnett in seinem Buch Esoteric Buddhism gut dargestellt wurde, haben sie gesagt, diese Periode betrage im Allgemeinen fünfzehnhundert Jahre. Aus der Lektüre seines Buches, das aus Briefen der Meister entstanden ist, muss man schließen, dass Sinnett das so verstanden wissen will, als ob diese Devachan-Periode in allen Fällen fünfzehnhundert Jahre dauere. Um dieses Missverständnis zu beseitigen, schrieben seine Informanten später, dass das nur ein durchschnittlicher Wert und nicht eine festgesetzte Zeit sei. Das muss auch wahr sein. Wir sehen ja, dass die Menschen in der Dauer, die sie während ihrer Lebenszeit in einem beliebigen Zustand des Denkvermögens verbringen, sehr differieren, entsprechend der Intensität ihrer Gedanken. So muss es auch im Devachan sein, wo der Gedanke eine viel größere Kraft hat, die sich natürlich immer nach der Wesenheit bemisst, welche diese Gedanken hatte.

Der Meister sagte hierüber Folgendes: „Der ‘Traum des Devachan’ dauert, bis Karma in dieser Richtung befriedigt ist. Im Devachan findet eine allmähliche Erschöpfung der Kraft statt. Der Aufenthalt in Devachan ist proportional den nicht erschöpften psychischen Impulsen, die im Erdenleben erzeugt wurden. Wer überwiegend materiell handelt, wird durch die Kraft von Tanhā früher zur Wiedergeburt gebracht.“ Tanhā ist der Durst nach Leben. Folglich wird, wer in diesem Leben nur wenige psychische Impulse entwickelt hat, nur eine geringe Grundlage oder Kraft in seiner essenziellen Natur haben, um seine höheren Prinzipien im Devachan zu halten. Alles was er haben wird, werden Gedanken aus seiner Kindheit sein, ehe er sein Denken auf materialistische Gedanken fixierte. Der mit dem Wort Tanhā bezeichnete Durst nach Leben ist die ziehende oder magnetische Kraft in den Skandhas, die allen Wesen innewohnen. Für einen solchen Fall gilt die angegebene Durchschnittsregel nicht, weil die ganze Wirkung nach jeder Seite hin dem Ausgleich der Kräfte entspringt und das Ergebnis von Aktion und Reaktion ist. Ein derartig materialistischer Denker mag schon nach einem Monat aus Devachan heraus in einen neuen Körper eintreten, unter Berücksichtigung der psychischen Kräfte, die aus der frühen Jugend stammen. Da natürlich jeder Mensch bezüglich Art, Stärke und Menge der Gedanken und psychischen Impulse sich von jedem anderen unterscheidet, muss auch für jeden die Aufenthaltsdauer in Devachan verschieden sein. Hoffnungslos materialistische Denker verweilen sozusagen betäubt oder schlummernd im devachanischen Zustand, da sie keine diesem Zustand entsprechenden Kräfte in sich haben, außer in einer vagen Form, und für sie gilt tatsächlich, dass es für sie, soweit das Denkvermögen betroffen ist, keinen Zustand nach dem Tod gibt. Diese Menschen sind für eine Weile träge und leben dann wieder auf der Erde. Die für den Devachan-Aufenthalt angegebene durchschnittliche Dauer ergibt die Länge eines sehr wichtigen menschlichen Zyklus, des Reinkarnationszyklus. Denn nach jenem Gesetz wird sich die nationale Entwicklung wiederholen, und die vergangenen Zeiten werden wiederkehren.

Die letzte Reihe von starken und tief eingeprägten Gedanken ist es, die dem gesamten Leben im Devachan Farbe und Richtung gibt. Der letzte Augenblick färbt jeden folgenden. Auf diese fixieren sich Seele und Denkvermögen und weben aus ihnen eine ganze Reihe von Ereignissen und Erfahrungen und dehnen sie bis zu ihrer höchsten Grenze aus, wobei alles ausgeführt wird, was im Erdenleben unmöglich war. Während die Wesenheit diese Gedanken ausdehnt und webt, erlebt sie ihre Jugend, ihr Wachstum und ihr Altern, das heißt, den Aufschwung der Kraft, ihre Erweiterung und ihr Nachlassen, bis sie völlig erschöpft ist. Wenn der Mensch ein farbloses Leben geführt hat, dann wird auch das Leben in Devachan farblos sein; bei einem erfüllten Leben wird es reich an Abwechslung und Wirkung sein. Die dortige Existenz ist kein Traum, höchstens im konventionellen Sinn, denn sie ist eine Etappe im Leben des Menschen, und wenn wir dort sind, ist dieses gegenwärtige Leben ein Traum. Es ist keinesfalls eintönig. Wir neigen zu sehr dazu, alle möglichen Lebenszustände und Erfahrungsplätze an unseren gegenwärtigen irdischen Verhältnissen zu messen und halten diese für die Wirklichkeit. Das Leben der Seele ist jedoch endlos und kann keinen Augenblick lang aufgehalten werden. Das Verlassen des physischen Körpers ist nur ein Übergang in eine andere Region oder Ebene des Lebens. Da aber die etherischen Gewänder Devachans dauerhafter sind als unsere irdischen, so brauchen die spirituellen, moralischen und psychischen Ursachen in jenem Zustand mehr Zeit zu ihrer Entfaltung und Erschöpfung als hier auf der Erde. Wenn die Moleküle, die den physischen Körper aufbauen, nicht den allgemeinen chemischen Gesetzen unterworfen wären, die die physische Erde beherrschen, dann können wir auch in diesen Körpern so lange leben wie in dem devachanischen Zustand. So ein Leben endloser Kämpfe und Leiden würde jedoch die Seele ruinieren, wenn sie gezwungen wäre, sich ihm auszusetzen. Freude würde dann zu Schmerz werden und Übersättigung würde nur in einen nie endenden Wahnsinn übergehen. Die immer gütige Natur führt uns jedoch bald wieder zur himmlischen Ruhe, damit das Beste und Höchste in unserer Natur erblühen kann.

Devachan ist somit weder bedeutungslos noch nutzlos. „Wir ruhen darin aus. Der Teil von uns, der unter dem frostigen Himmel des Erdenlebens nicht blühen konnte, bricht nun in Blüten aus, kehrt gestärkt mit uns zum Erdenleben zurück und ist dann mehr ein Teil unserer Natur als vorher. Warum sollten wir murren, dass die Natur uns in dem unaufhörlichen Kampf gütig beisteht, warum soll sich das Denkvermögen nur dauernd um die gegenwärtige unbedeutende Persönlichkeit mit ihrem guten oder schlechten Schicksal drehen?“4

Manchmal wird gefragt, wie es mit den Hinterbliebenen steht: Sehen wir sie dort? Wir sehen sie dort nicht wirklich, aber wir stellen uns ihre Gestalten so lebhaft, so vollständig und objektiv vor wie im Leben, ohne all das, was wir als Mangel ansahen. Wir leben mit ihnen und sehen sie groß und gut werden, anstatt gemein oder böse. Die Mutter, die einen Sohn als Säufer zurückgelassen hat, sieht ihn in Devachan als einen nüchternen, guten Menschen, und genauso ist es in allen anderen möglichen Fällen. Eltern, Kinder, Ehemann und Ehefrau haben ihre Lieben dort, makellos und voller Wissen. Das geschieht zum Nutzen der Seele. Man mag es eine Täuschung nennen, wenn man will, aber die Illusion ist für die Glückseligkeit nötig, wie sie auch im Leben oft nötig ist. Da das menschliche Denkvermögen die Illusion selbst hervorruft, ist es kein Betrug. Dagegen verträgt die Idee eines Himmels, der über dem Abgrund der Hölle errichtet sein soll, in dem uns bewusst sein soll – wenn uns nach dem heutigen orthodoxen Dogma noch etwas Verstand oder Erinnerung bleibt –, dass unsere irrenden Freunde und Verwandten ewige Höllenqualen leiden müssen, bestimmt keinen Vergleich mit der Lehre von Devachan. Die Wesenheiten im Devachan sind jedoch nicht ohne Macht, den Hinterbliebenen auf der Erde zu helfen. Liebe, die Herrscherin des Lebens, wenn sie echt, rein und tief ist, kann manchmal das glückliche Ego im Devachan veranlassen, um die auf der Erde Hinterlassenen zu ihrem Wohl zu beeinflussen, nicht nur auf moralischem Gebiet, sondern auch in den materiellen Verhältnissen. Das ist möglich aufgrund eines Gesetzes des okkulten Universums, dessen Erläuterung jetzt nicht nutzbringend wäre, doch mag die Tatsache wenigstens erwähnt werden. Sie wurde bereits früher von H. P. Blavatsky mitgeteilt, ohne jedoch viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Die letzte zu untersuchende Frage ist, ob wir von der Erde aus die Egos im Devachan erreichen können oder ob sie zu uns kommen. Wir können sie weder erreichen noch beeinflussen, außer wir wären Adepten. Der Anspruch der Medien, sie stünden mit den Geistern der Verstorbenen in Verbindung, entbehrt jeder Grundlage. Noch weniger stichhaltig ist die Behauptung, sie könnten jenen helfen, die nach Devachan gegangen sind. Der Mahatma dagegen, ein Wesen, das seine sämtlichen Kräfte voll entwickelt hat und frei von Illusion ist, kann in den Devachan-Zustand eintreten und mit den dort befindlichen Egos Verbindung aufnehmen. Das ist eine ihrer Aufgaben, und das ist die einzige Schule der Apostel nach dem Tod. Sie verhandeln mit gewissen Egos im Devachan, um sie zu bewegen, den dortigen Zustand zu verlassen und zum Wohl der Menschheit auf die Erde zurückzukehren. Die Egos, mit denen sie verhandeln, haben große und tiefe Naturen, sind aber noch nicht weise genug, die natürlichen Illusionen des Devachan zu überwinden. Manchmal gelangt auch ein hypersensitives und reines Medium in diesen Zustand und erhält Verbindung mit den dortigen Egos. Aber das geschieht selten und kommt bei den gewöhnlichen, oft gegen Bezahlung tätigen Medien bestimmt nicht vor. Die Seele kommt aber niemals zu einem Medium herab. Die Kluft zwischen dem Bewusstseinszustand im Devachan und auf der Erde ist so weit und tief, dass sich ein Medium nur selten erinnern kann, wen oder was es im Devachan traf, sah oder hörte. Diese Kluft gleicht jener, die Devachan von der Wiedergeburt trennt. Durch sie wird alle Erinnerung an das Vorhergehende ausgetilgt.

Nachdem die ganze, von Kräften der Seele bestimmte Periode im Devachan beendigt ist, beginnen die magnetischen Fäden, die das Ego an die Erde fesseln, ihre Macht zu behaupten. Das Selbst erwacht aus dem Traum, wird rasch zu einem neuen Körper gebracht und sieht dann kurz vor der Geburt für einen Moment alle Ursachen, die es nach Devachan führten und dann zurück zu dem Leben, das es bald beginnen wird. Da es nun erkennt, dass alles gerecht und das Resultat seines eigenen vergangenen Lebens ist, weigert sich das Ego nicht, sondern nimmt das Kreuz wieder auf sich – und wieder ist eine Seele zur Erde zurückgekehrt.


XIV – Zyklen

Die Lehre von den Zyklen, am wenigsten bekannt und am seltensten erwähnt, ist eine der wichtigsten im ganzen theosophischen System. Westliche Forscher vermuteten seit einigen Jahrhunderten, dass sich die Ereignisse in Zyklen bewegen. Einige Autoren im Bereich der europäischen Literatur haben sich mit diesem Thema befasst, alle jedoch nur sehr unvollständig. Diese Unvollständigkeit und der Mangel an genauen Kenntnissen ist auf den fehlenden Glauben an spirituelle Dinge und auf den Wunsch zurückzuführen, alles mit der materialistischen Wissenschaft in Übereinstimmung zu bringen. Ich gebe auch nicht vor, das Gesetz der Zyklen erschöpfend darstellen zu können; denn es gehört zu jenen, die von den Meistern der Weisheit nicht in allen Einzelheiten veröffentlicht wurden. Es ist jedoch genügend mitgeteilt worden, ferner war auch im Altertum längst vieles bekannt, was zu unserem Wissen beträchtlich beiträgt.

Ein Zyklus ist ein Ring oder ein Umlauf, wie aus der Ableitung des Wortes hervorgeht. Entsprechende Sanskrit-Begriffe sind Yuga, Kalpa, Manvantara. Von diesen kommt Yuga dem Zyklus am nächsten, da es in seiner Dauer kürzer ist als die beiden anderen. Der Anfang eines Zyklus muss ein Moment sein, der in der Addition mit weiteren Momenten einen Tag ergibt. Diese Tage ergeben addiert Monate, Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte. Darüber geht der Westen kaum hinaus. Er kennt den Mondzyklus und den großen siderischen Zyklus, sieht aber in beiden und auch in weiteren lediglich Zeitperioden. Wenn wir sie aber nur als Zeiteinteilungen ansehen, dann ergibt sich daraus kein Gewinn, außer für trockene Gelehrte oder Astronomen. In dieser Weise werden sie heute von den amerikanischen und europäischen Denkern gesehen. Sie sagen, es gibt Zyklen, sie hätten aber auf das menschliche Leben keinen sehr großen Einfluss und ganz bestimmt keinen auf das tatsächliche Wiederauftreten von Ereignissen oder auf die Wiederkehr von Menschen auf der Lebensbühne, die einst auf der Welt gelebt haben. Die theosophische Lehre sagt genau das Gegenteil, wie es auch sein muss, wenn sie die Reinkarnationslehre vertritt, die auf den vorhergehenden Seiten ziemlich ausführlich behandelt wurde. Die genannten Zyklen sind nicht nur reale physikalische Fakten bezüglich der Zeit, sondern sie haben auch mit anderen Perioden einen sehr großen Einfluss auf das menschliche Leben und auf die Evolution des Globus mit all seinen auf ihm befindlichen Lebensformen. Mit dem Moment beginnend und durch den Tag fortschreitend, lässt diese Lehre den Zyklus zu einem allumfassenden Ring werden, der in seinen Grenzen alles umschließt. Da der Moment die Basis ist, so ergibt sich bezüglich der großen Zyklen die Frage: Wann kam der erste Moment? Darauf kann keine Antwort gegeben werden, aber es kann gesagt werden, die alten Theosophen vertraten die Auffassung, dass im ersten Moment der Erstarrung dieser Erde die dabei involvierte Materiemasse eine gewisse und bestimmte Schwingungszahl erlangte, die während aller Veränderungen in irgendeinem Teil dieser Masse aufrecht erhalten wird, bis ihre Stunde der Auflösung kommt. Diese Schwingungszahlen bestimmen die verschiedenen Zyklen und entgegen den Anschauungen der westlichen Wissenschaft besagt die Lehre, dass das Sonnensystem und der von uns bewohnte Globus enden werden, wenn die Kraft hinter der ganzen Masse der sichtbaren und unsichtbaren Materie nach zyklischem Gesetz die Grenze ihrer Dauer erreicht hat. Hier unterscheidet sich unsere Lehre ebenfalls von der religiösen und der wissenschaftlichen Anschauung. Wir stimmen nicht zu, dass das Verschwinden der Kraft bedeutet, dass ein Gott seinen Schutz zurückzieht, noch dass er plötzlich einen Schlag gegen den Globus ausführt, sondern wir sagen, dass die wirksame Kraft, die den großen Zyklus bestimmt, die des Menschen selbst ist, als spirituelles Wesen verstanden. Wenn der Mensch sein Leben auf dem Globus beendet hat, verlässt er ihn, und mit ihm geht auch die Kraft fort, die alles zusammenhält. Die Folge ist Auflösung durch Feuer oder Wasser oder sonst etwas; diese Erscheinungen sind nur Wirkungen und keine Ursachen. Die gewöhnlichen wissenschaftlichen Spekulationen diesbezüglich besagen, dass die Erde in die Sonne stürzen oder dass ein dichter Komet den Globus zerstören könne oder dass wir möglicherweise mit einem größeren bekannten oder unbekannten Planeten zusammenstoßen werden. Derartige Phantasien sind gegenwärtig nutzlos.

Da die Reinkarnation das große Gesetz des Lebens und des Fortschritts ist, ist sie auch mit dem Gesetz der Zyklen und mit Karma verknüpft. Diese drei wirken zusammen. Praktisch ist es fast unmöglich, die Reinkarnation aus dem zyklischen Gesetz herauszulösen. Individuen und Nationen kehren in geschlossenen Strömen in regelmäßig wiederkehrenden Perioden zur Erde zurück und bringen dann auch die Künste, die Zivilisationen, ja sogar die gleichen Menschen, die früher hier tätig waren, auf den Globus zurück. Da die Individuen in einer Nation und Rasse durch starke unsichtbare Fäden miteinander verknüpft sind, bewegen sich große Massen solcher Individuen langsam aber sicher weiter und vereinigen sich zu verschiedenen Zeiten und gehen zusammen immer wieder in neue Rassen und Zivilisationen über, während die Zyklen ihre festgesetzten Runden drehen. Deshalb werden die Seelen, die die ältesten Kulturen bildeten, mit den Ideen und der Essenz jener alten Zivilisationen wiederkehren, vermehrt um das, was andere für die Entwicklung der Menschenrasse zu ihrem Charakter und Wissen beigetragen haben, und einen neuen, höheren Zustand der Kultur hervorbringen. Diese neuere und bessere Entwicklung ist nicht auf Bücher, Künste, Aufzeichnungen oder Techniken zurückzuführen, weil diese alle, soweit es sich um materielle Zeugnisse handelt, periodisch zerstört werden, sondern auf die Seele, die das einmal erlangte Wissen immer in Manas speichert und die höheren Prinzipien und Kräfte zu immer vollkommenerer Entwicklung antreibt. Die Essenz des Fortschritts bleibt erhalten und wird so gewiss hervortreten wie das Sonnenlicht. Entlang dieser Route befinden sich die Punkte, an welchen die kleinen und großen Zyklen der Avatāras zum Wohl der Menschheit die großen Charaktere hervorbringen, die die Menschheit von Zeit zu Zeit formen.

Der Zyklus der Avatāras schließt verschiedene kleinere Zyklen ein. Die größeren sind gekennzeichnet durch das Erscheinen des Rama und Krishna unter den Hindus, des Menes unter den Ägyptern, des Zoroaster unter den Persern und des Buddha unter den Hindus und anderen Völkern im Osten. Buddha ist der letzte der großen Avatāras und steht in einem größeren Zyklus als der Jesus der Juden. Die Lehren des letzteren sind die gleichen wie die des Buddha, und gefärbt mit dem, was Buddha jenen gelehrt hat, die Jesus lehrten. Ein anderer großer Avatāras, der der Kombination von Kṛishṇa und Buddha entspricht, wird noch kommen. Kṛishṇa und Rama zählten zum militärischen, bürgerlichen, religiösen und okkulten Stand; Buddha war vom ethischen, religiösen und mystischen, in welchem ihm Jesus folgte. Mohammed war ein kleinerer Zwischenavatāra für einen bestimmten Teil der Rasse und gehörte dem bürgerlichen, militärischen und religiösen Stand an. In diese Zyklen können wir auch noch verschiedene gemischte Charaktere einreihen, die auf die Nationen einen großen Einfluss ausübten; König Arthur, Pharao, Moses, Karl der Große, der als Napoleon Bonaparte reinkarnierte, Chlodowig von Frankreich, der als der deutsche Kaiser Friedrich III. reinkarnierte, und Washington, der erste Präsident der Vereinigten Staaten, wo die Wurzel für die neue Rasse gebildet wird.

Am Schnittpunkt der großen Zyklen folgen dynamische Wirkungen und verändern die Oberfläche des Planeten aufgrund einer Verlagerung der Pole des Globus oder anderer Umwälzungen. Diese Theorie mag keine allgemeine Aufnahme finden, aber wir halten sie für wahr. Der Mensch ist ein großer Dynamo, der Energie erzeugt, aufspeichert und abwirft. Und wenn große Menschenmassen eine Rasse bilden und auf diese Weise Energie erzeugen und verbreiten, dann resultiert daraus eine dynamische Wirkung auf die Substanz des Globus, die mächtig genug ist, um klar erkennbar und umwälzend zu sein. Dass sich in den Erdschichten bereits ungeheure und furchtbare Störungen abgespielt haben, wird allgemein zugegeben und erfordert jetzt keine Beweisführung. Diese Katastrophen entstanden, geologisch gesehen, durch Erdbeben und Eisbildung. Für die Tierformen bedeutet das zyklische Gesetz, dass bestimmte, jetzt ausgestorbene Tierformen und auch bestimmte menschliche, die man heute nicht kennt, deren frühere Existenz man jedoch vermutet, mit ihrem eigenen Zyklus wiederkehren werden. Und gewisse Sprachen, die man jetzt als tote Sprachen bezeichnet, werden zu ihrer angewiesenen Stunde wieder gebräuchlich.

„Der Metonsche Zyklus ist der des Mondes. Er umfasst eine Periode von etwa neunzehn Jahren, nach deren Ablauf Neumond und Vollmond wieder auf die gleichen Monatstage fallen.“

„Der Zyklus der Sonne ist eine Periode von achtundzwanzig Jahren, nach deren Ablauf die Sonntagsbuchstaben an ihren früheren Platz zurückkehren und gemäß dem Julianischen Kalender in der früheren Folge weiterlaufen.“

Das große siderische Jahr ist die Periode, die die Äquinoktialpunkte bei ihrer Präzession für einen vollen Himmelsumlauf benötigen. Es beträgt fast 25 868 Sonnenjahre. Das letzte siderische Jahr soll vor etwa 9 868 Jahren geendet haben. Um diese Zeit müssen auf der Erde eine oder mehrere heftige Umwälzungen und auch Völkerwanderungen stattgefunden haben. Die Vollendung dieser großen Periode bringt die Erde in andere Regionen des Kosmos, nicht in Bezug auf ihre eigene Umlaufbahn, sondern durch das tatsächliche Vorrücken der Sonne auf deren Umlaufbahn, die zur Zeit noch von keinem Beobachter gemessen werden kann, die jedoch, wie einige geschätzt haben, in einer der Konstellationen liegt.

Ganz besonders werden die Menschen von den spirituellen, psychischen und moralischen Zyklen beeinflusst, aus denen die nationalen, rassischen und individuellen Zyklen entstehen. Rassische und nationale Zyklen sind beide historisch. Die individuellen Zyklen betreffen die Reinkarnation, die Gefühle und die Eindrücke. Die Länge des individuellen Reinkarnationszyklus beläuft sich für die allgemeine Masse der Menschen auf 1 500 Jahre, und daraus ergibt sich ein großer historischer Zyklus, der eng mit dem Fortschritt der Zivilisation verbunden ist. Denn aus der Rückkehr der Menschenmengen aus Devachan muss sich ergeben, dass die Römer, die Griechen, die alten Arier und andere Epochen sich wieder zeigen und zum großen Teil genau zurückverfolgt werden können. Der Mensch wird ferner durch astronomische Zyklen beeinflusst, weil er ein integraler Teil des Ganzen ist, und diese Zyklen markieren die Perioden, in welchen die Menschheit als Ganzes einer Veränderung unterworfen wird. In den heiligen Büchern aller Nationen werden diese Zyklen oft erwähnt, auch in der Bibel, zum Beispiel in dem Bericht von Jonas im Bauch des Walfisches. Historisch verstanden wäre diese Geschichte absurd, nicht aber als astronomischer Zyklus. „Jonas“ ist in den Sternbildern, und wenn jener astronomische Punkt, der den Menschen repräsentiert, einen Punkt im Tierkreis erreicht, der sich genau gegenüber dem Bauch des Cetus oder des Walfisches auf der anderen Seite des Kreises – also in Opposition – befindet, dann heißt es von Jonas, er befände sich im Zentrum des Fisches und werde am Ende der Periode, wenn dieser Menschenpunkt im Tierkreis so weit fortgewandert ist, dass er sich außerhalb der Opposition zum Walfisch befindet, ‘ausgespien’. Gleichermaßen treten mit der Wanderung dieses Punktes durch den Tierkreis und mit den dadurch entstehenden Oppositionen zu den verschiedenen Sternbildern auch Jahrhundert um Jahrhundert bei den Menschen und auf der Erde Veränderungen auf, die durch die betreffenden Sternbilder genau markiert werden, wenn sie nach den richtigen symbolischen Regeln verstanden werden. Es wird nicht behauptet, dass diese Wirkungen durch die Konjunktionen verursacht werden, sondern dass die Meister der Weisheit alle Probleme, die auf den Menschen Bezug haben, vor vielen Zeitaltern erforschten und dann im Firmament das Instrument fanden, mit dem die exakten Zeitperioden bestimmt werden konnten, in denen bestimmte Ereignisse sich wiederholen würden. Sie prägten dann dem Bewusstsein der älteren Völker die Symbologie des Tierkreises ein. Auf diese Weise werden die Überlieferungen und Prophezeiungen aufbewahrt. Wie der Uhrmacher an der Stellung der Uhrzeiger oder des Uhrwerks die Zeit ablesen kann, können die Weisen an der Uhr des Zodiak die Stunde für Ereignisse ablesen. Daran glaubt man heute natürlich nicht; man wird es aber in kommenden Jahrhunderten gut verstehen. Da alle Völker der Erde im Allgemeinen fast die gleichen Zeichen für die Sternbilder des Tierkreises haben und da auch die geschichtlichen Aufzeichnungen längst ausgestorbener Völker dieselben Symbole aufweisen, so ist nicht anzunehmen, dass der westliche Zerstörungsgeist des 19. Jahrhunderts dieses wertvolle Erbe unserer Evolution vernichten kann. Der Tierkreis von Denderah in Ägypten erzählt die gleiche Geschichte, die uns auch von der alten Zivilisation des amerikanischen Kontinents hinterlassen wurde. Sie stammen alle aus der gleichen Quelle, sie sind das Werk der Weisen, die zu Beginn des großen menschlichen Zyklus auftreten und dem Menschen, wenn er seinen mühevollen Aufstieg auf dem Weg der Entwicklung antritt, jene großen astronomischen Symbole und Ideen übergeben, die alle Zyklen überdauern werden.

Die Hauptgesetze, die die Wirkungen der großen Naturkatastrophen, die am Anfang und am Ende der großen Zyklen eintreten, bestimmen, heißen Karma und Wiederverkörperung oder Reinkarnation. Sie verlaufen nach zyklischer Ordnung. Diese Gesetze beherrschen nicht nur den Menschen, sondern auch jedes materielle Atom. Die gesamte Materie ist gleichzeitig mit dem Menschen einer beständigen Veränderung unterworfen. Sie muss deshalb Veränderungen aufweisen, die denen entsprechen, denen der ‘Denker’ unterliegt. Auf der physischen Ebene werden die Wirkungen durch elektrische und andere Fluida erzeugt, die zusammen mit den Gasen auf die Feststoffe der Erde einwirken. Beim Wechsel eines großen Zyklus erreichen sie sozusagen den Explosionspunkt und erzeugen heftige Erschütterungen folgender Gruppen: a) Erdbeben, b) Überschwemmungen, c) Feuer, d) Eis.

Erdbeben können nach dieser Philosophie aus zwei allgemeinen Ursachen entstehen: Erstens durch Hebung oder Senkung unter der Erdkruste infolge Hitze und Dampf; zweitens durch elektrische und magnetische Veränderungen, die Wasser und Erde gleichzeitig beeinflussen. Letztere können die Erde, ohne sie zu schmelzen, augenblicklich in einen Fließzustand versetzen, wodurch ungeheure und heftige Verschiebungen in großen oder kleinen Wellen auftreten. Dieser Effekt wird jetzt manchmal in Erdbebengebieten beobachtet, wo ähnliche elektrische Ursachen in kleinerem Maß wirksam werden.

Fluten in gewöhnlichem Ausmaß werden verursacht durch die Verdrängung von Wasser, durch Senken oder Heben von Land, sowie durch Fluten, die mit elektrischen Veränderungen verbunden sind, die eine reichhaltige Freisetzung von Feuchtigkeit auslösen. Letztere stellt nicht nur einen Wolkenbruch dar, sondern es handelt sich um eine plötzliche Verwandlung von ungeheuren Mengen flüssiger und fester Stoffe in Wasser.

Weltenfeuer entstehen aus elektrischen und magnetischen Veränderungen in der Atmosphäre, durch die der Luft die Feuchtigkeit entzogen und sie in ein Feuermeer verwandelt wird. Zweitens durch die plötzliche Ausdehnung des solaren magnetischen Zentrums in sieben derartige Zentren, was den Globus verbrennt.

Eiskatastrophen entstehen nicht nur aus plötzlichen Polveränderungen, sondern auch durch sinkende Temperaturen aufgrund einer Veränderung der warmen Meeresströmungen und der heißen magnetischen Strömungen in der Erde. Erstere sind der Wissenschaft bekannt, letztere nicht. Die tiefere Feuchtigkeitsschicht gefriert plötzlich und große Flächen von Land werden in einer Nacht mit dicken Eisschichten bedeckt. Das könnte auf den Britischen Inseln leicht geschehen, wenn die warmen Ströme des Ozeans von ihren Küsten abgelenkt würden.

Die Ägypter und die Griechen kannten eigene Zyklen, die sie aber unserer Ansicht nach von den indischen Weisen übernommen haben. Die Chinesen waren immer ein Volk der Astronomen; sie haben Beobachtungen aufgezeichnet, die weit vor den Beginn der christlichen Ära zurückreichen. Da sie aber einer alten Rasse angehören, die dem Untergang geweiht ist, treffen ihre Schlussfolgerungen – wie seltsam diese Behauptung auch klingen mag – für die arischen Rassen nicht zu. Mit dem Eintritt der christlichen Ära befiel eine dichte Finsternis das Denkvermögen des westlichen Menschen, und Indien blieb viele Jahrhunderte isoliert, damit die großen Ideen während der mentalen Nacht Europas dort erhalten blieben. Diese Isolation wurde von der im ersten Kapitel erwähnten Großen Loge als notwendige Vorkehrung bewusst herbeigeführt, da ihre Adepten in voller Kenntnis der zyklischen Gesezte die Philosphie für die kommenden Generationen bewahren wollten. Da es sich mehr um Pedanterie und Spekulation handeln würde, wenn ich die unbekannten Saros und Naros und andere Zyklen der Ägypter besprechen würde, lasse ich hier nur die brāhmanischen Zyklen folgen, da sie fast exakt mit den richtigen Perioden übereinstimmen.

Eine Periode oder Entfaltung der universalen Manifestation wird ein Brahmānda genannt. Das Brahmānda ist ein vollständiges Leben Brahmās, und dieses Leben setzt sich aus seinen Tagen und Jahren zusammen, die, da sie kosmisch sind, eine ungeheure Dauer haben. Brahmās Tag ist so wie der des Menschen ungefähr 24 Stunden, sein Jahr hat etwas mehr als 360 Tage und die Zahl seiner Jahre ist 100.

Nehmen wir uns jetzt unseren Globus vor – da wir nur mit ihm zu tun haben. Seine Leitung und Evolution vollzieht sich unter dem Manu oder dem Menschen. Davon leitet sich die Bezeichnung „Manvantara“ oder „zwischen zwei Manus“ ab. Der Ablauf der Evolution unterteilt sich für jede Rasse, für ihre eigene Zeit und Art, in vier Yugas. Diese Yugas beeinflussen nicht die ganze Menschheit in ein und derselben Weise, da einige Rassen in einem der Yugas sind, während andere sich in einem anderen Zyklus befinden. So befinden sich die Indianer am Ende ihres Steinzeitalters, während die Arier sich in einem ganz anderen Stadium befinden. Diese vier Yugas heißen: Kṛita oder Satya, das Goldene Zeitalter, Trētā, Dvāpara; und Kali oder das Schwarze Zeitalter. Indien und der Westen leben gegenwärtig im Kali-Yuga, besonders hinsichtlich der moralischen und spirituellen Entwicklung. Das erste dieser Yugas ist langsam im Vergleich zu den anderen. Das gegenwärtige – Kali – ist sehr schnell; seine Bewegung ist genauso beschleunigt wie gewisse astronomische Perioden, die heute über den Mond bekannt, aber nicht völlig ausgearbeitet sind.

  JAHRE EINES STERBLICHEN
360 (und einige) irdische Tage ergeben 1
Kṛita-Yuga dauert 1 728 000
Tretā-Yuga dauert 1 296 000
Dvāpara-Yuga dauert 864 000
Kali-Yuga dauert 432 000
Mahā-Yuga (die 4 vorhergehenden zusammen) dauert 4 320 000
71 Mahā-Yugas bilden die Regierung eines Manu oder 306 720 000
14 Manu-Perioden sind 4 294 080 000
Dazu je eine Morgen- und Abenddämmerung für jedes Manu 25 920 000
Diese Regierungen und Dämmerungen ergeben 1000 Mahā-Yugas, ein Kalpa oder einen Tag Brahmās 4 320 000 000
Brahmās Nacht ist gleichlang wie sein Tag und Tag und Tag und Nacht bilden zusammen 8 640 000 000
360 dieser Tage ergeben ein Jahr Brahmās 3 110 400 000 000
100 dieser Jahre ergeben Brahmās Leben 311 040 000 000 000

Die ersten 5 000 Jahre des Kali-Yuga endeten zwischen 1897 und 1898. Dieses Yuga begann ungefähr 3102 Jahre vor der christlichen Ära mit Kṛishṇas Tod. Da 1897/1898 [vom Jahr 1893, dem Zeitpunkt, als das Buch geschrieben wurde; d.Ü.] nicht weit weg ist, werden die heutigen Wissenschaftler beobachten können, ob dem Ende des 5000-Jahre-Zyklus irgendwelche Umwälzungen oder große politische, wissenschaftliche oder physikalische Veränderungen oder eine Kombination dieser Erscheinungen vorausgehen oder nachfolgen werden. Es vollziehen sich jetzt zyklische Veränderungen, weil sich Jahr für Jahr Seelen aus früheren Zivilisationen in dieser Periode inkarnieren, in der der Westen nicht mehr so von Dogmen, religiösem Vorurteil und Bigotterie eingeschränkt ist wie in der Vergangenheit. Gegenwärtig leben wir in einer Übergangsperiode, in der sich, wie eine Übergangsperiode zeigen sollte, alles in der Philosophie, Religion und Gesellschaft ändert. In einer Übergangsperiode werden die tatsächlichen Zahlen und Regeln bezüglich der Zyklen nicht bekanntgegeben, schon gar nicht einer Generation, die Geld und Gut über alle Ideen stellt und über die spirituelle Betrachtung von Mensch und Natur nur spottet.


XV – Die Differenzierung der Arten – die ‘fehlenden Glieder’

Zwischen Wissenschaft und Theosophie gibt es eine große, gegenwärtig noch nicht überbrückte Kluft in der Frage des Ursprungs des Menschen und die Differenzierung der Arten. Die westlichen Theologen bieten zu diesem Problem eine Theorie an, die mit einer angeblichen Offenbarung dogmatisch gestützt wird und genauso unmöglich ist wie die der Wissenschaftler. Dennoch stehen die religiösen Interpreten der Wahrheit näher als die Wissenschaft. Hinter dem religiösen Aberglauben über Adam und Eva verbirgt sich die Wahrheit, und in den Erzählungen über Kain, Seth und Noah spiegelt sich die wirkliche Geschichte der anderen Menschenrassen schattenhaft wider. Adam ist lediglich der Repräsentant einer einzelnen Rasse. Die Menschen, die Kain aufnahmen und ihm ein Weib gaben, gehörten zu einer der Menschenrassen, die gleichzeitig mit jener Rasse erschienen waren, an deren Spitze Adam stand.

Der allererste Ursprung oder Anfang des Menschen lässt sich nicht entdecken, dennoch vermögen wir zu wissen, wann und von wo die Menschen dieses Globus kamen. Der Mensch existierte niemals nicht! Wenn er nicht auf diesem Globus lebte, dann auf anderen; er war immer und wird immer irgendwo im Kosmos existieren. Da er sich stets vervollkommnet und zum Ebenbild des Himmlischen Menschen emporstrebt, ist er immer im Werden. Da das menschliche Denkvermögen nicht an einen Anfang zurückgehen kann, beginnen wir mit diesem Globus. Auf dieser Erde und auf ihrer ganzen Globenkette, von der sie ein Teil ist, erschienen gleichzeitig sieben Menschenrassen. Sie kamen von anderen Globen einer älteren Planetenkette herüber. Und soweit unsere Erde betroffen ist – der vierte Globus dieser Kette – kamen diese sieben Rassen gleichzeitig von einem anderen Globus unserer Erdkette. Dieses gemeinsame Auftreten der sieben Rassen spielt sich in der ersten und zum Teil in der zweiten Globenrunde ab. In der zweiten Runde werden dann diese sieben Gruppen von Wesen verschmolzen; danach ist es ihr Schicksal, sich während der folgenden Runden langsam wieder zu differenzieren, bis die sieben ersten großen Rassen wieder voneinander verschieden sind und so vollkommene Arten der menschlichen Rasse, wie es diese Evolutionsperiode zulässt. Gegenwärtig sind diese sieben Rassen vermischt. Vertreter aller Rassen befinden sich in all den vielen sogenannten Menschenrassen, entsprechend der heutigen wissenschaftlichen Klassifikation. Der Zweck dieser Verschmelzung und späteren Differenzierung ist es, jede Rasse den Nutzen aus dem Fortschritt und der Kraft ziehen zu lassen, die das Ganze aus früheren Erfahrungen auf anderen Planeten und Systemen gewonnen hat. Denn die Natur verrichtet ihr Werk niemals auf eine hastige oder unzweckmäßige Art und Weise; sie erreicht vielmehr mit der sicheren Methode der Mischung, Ausfällung und Scheidung die größte Vollendung. Diese Methode war den Alchemisten bekannt, obwohl nicht einmal sie alle ihre Bedeutungen verstanden.

Der Mensch stammt also nicht von einem einzigen Paar ab. Auch nicht von irgendeinem Affenstamm oder einer Affenfamilie. Es ist hoffnungslos, sich wegen einer Lösung dieser Frage an die Wissenschaft oder an die Religionslehre zu wenden: Denn die Wissenschaft ist sich nach eigenem Eingeständnis noch nicht sicher, und die Religionslehre ist in eine Offenbarung verstrickt, deren Bücher den von den Priestern vertretenen Theorien direkt widersprechen. Adam wird als der erste Mensch bezeichnet; aber der Bericht, in dem das erzählt wird, zeigt weiter, dass noch andere Menschenrassen auf der Erde existiert haben müssen, ehe Kain eine Stadt gegründet haben konnte. Die Bibel unterstützt somit nicht die Theorie eines einzigen Menschenpaares. Wenn wir eine der wissenschaftlichen Theorien herausgreifen und einmal annehmen, dass Mensch und Affe sich von einem gemeinsamen Vorfahren herleiteten, dann bleibt immer noch festzustellen, woher dieser Vorfahr kam. Das erste Postulat der Loge über dieses Thema besagt, dass sieben Menschenrassen gleichzeitig auf diesem Planeten erschienen sind; die erste ablehnende Annahme lautet, dass die Menschheit weder von einem einzigen Paar, noch vom Tierreich abstammt.

Die Unterschiede im Charakter und in der Befähigung, die später in der Menschheitsgeschichte sichtbar wurden, entstanden aus Variationen, die von den Egos in anderen und viel früheren Evolutionsperioden auf anderen Planetenketten entwickelt wurden. Diese Unterschiede waren so tief eingeprägt, dass sie den inhärenten Eigenschaften entsprechen. Die Rassen dieses Globus haben ihre vorhergehende Evolutionsperiode auf der Planetenkette durchgemacht, deren sichtbarer Repräsentant unser Mond ist.

Die brennende Frage der Verwandtschaft des Menschenaffen mit dem Menschen wird von den Meistern der Weisheit gelöst. Sie sagen, dass diese anthropoiden Affen, anstatt unsere Ahnen zu sein, in Wirklichkeit vom Menschen selbst gezeugt wurden. In einer der früheren Erdperioden zeugten die Menschen mit großen weiblichen Tieren diese Anthropoiden. Und in diesen anthropoiden Körpern wurden dann auch eine gewisse Anzahl von Egos festgehalten, die dazu bestimmt sind, eines Tages Menschen zu werden. Die Überreste der Nachkömmlinge der echten Anthropoiden sind die Nachkommen jener illegitimen Menschenkinder; sie werden nach und nach aussterben, während ihre Egos in Menschenkörper eintreten. Jene Körper, die halb Affe und halb Mensch waren, konnten nicht von rein tierischen Egos beseelt werden, und aus diesem Grund werden sie in der Geheimlehre als die ‘verspätete Rasse’ bezeichnet, die einzige, die nicht unter das Naturgebot fällt, dass bis zum nächsten Manvantara keine weiteren Egos aus den niederen Naturreichen in das Menschenreich übertreten können. Für alle Naturreiche unter dem Menschen außer für die Anthropoiden ist nun das Tor zum Eintritt ins Menschenreich geschlossen, und die Egos in den untergeordneten Formen müssen bis zum nächsten großen Zyklus warten, bis sie an die Reihe kommen. Da die verspäteten Egos der anthropoiden Familie später in das menschliche Stadium eintreten werden, werden sie damit für die lange Wartezeit in dieser degradierten Rasse entschädigt werden. Alle übrigen Affen sind Produkte der normalen Evolution.

Zu diesem Thema zitiere ich am besten die Worte von einem der Meister der Weisheit, der die esoterische Anthropologie aus den geheimen Aufzeichnungen wie folgt wiedergab:

Die anatomische Ähnlichkeit zwischen dem Menschen und den höheren Affen, die von den Darwinisten so häufig als Beweis für einen gemeinsamen Vorfahren der beiden Arten angeführt wird, bietet ein interessantes Problem, dessen richtige Lösung in der esoterischen Erklärung der Entstehung der pithekoiden Stämme gesucht werden muss. Wir haben sie bereits soweit wie erforderlich dargestellt, indem wir feststellten, dass die Bestialität der ersten vernunftlosen Rassen zur Zeugung von riesigen menschenähnlichen Ungeheuern führte – den Abkömmlingen von menschlichen und tierischen Eltern. Als sich im Laufe der Zeit die noch halbastralen Formen in physische Formen verdichteten, wurden die Abkömmlinge dieser Kreaturen durch äußere Verhältnisse modifiziert, bis die Art, deren Größe abnahm, in den niederen Affen der Miozän-Periode ihren Höhepunkt erreichte. Mit diesen erneuerten die späteren Atlantier die Sünde der ‘Vernunftlosen’ – dieses Mal aber in voller Verantwortung. Das Ergebnis dieser Untaten waren die jetzt als Anthropoiden bekannten Arten. … Lassen Sie uns an die esoterische Lehre denken, dass der Mensch in der dritten Runde eine gigantische, affenartige Form auf der Astralebene hatte. Und ähnlich war es am Ende der Dritten Rasse in dieser Runde. Das erklärt die menschlichen Züge der Affen, besonders der späteren Anthropoiden – abgesehen von der Tatsache, dass diese letzteren durch Vererbung eine Ähnlichkeit mit ihren atlantisch-lemurischen Vorvätern bewahrt haben.

Die gleichen Lehrer erklären ferner, dass die Säugetierarten in der vierten Runde nach dem Auftreten der menschlichen Arten entstanden sind. Aus diesem Grund existiert auch keine Barriere gegen eine Befruchtung, weil sich die Urtypen dieser Säugetiere nicht weit genug wegentwickelt hatten, um die natürliche Barriere aufzubauen. Die unnatürliche Vereinigung in der dritten Rasse, als dem Menschen das Licht des Manas noch nicht gegeben war, war kein direktes Vergehen gegen das Naturgesetz, da das noch nicht beziehungsweise erst als bloße Anlage vorhandene Denkvermögen noch keine Verantwortlichkeit bedingte. In der vierten Rasse war das Licht des Manas jedoch schon vorhanden. Deshalb war die Wiederholung der Tat durch die neue Rasse ein Verbrechen, denn sie geschah in voller Kenntnis der Folgen und gegen die Warnung des Gewissens. Die karmische Folge, die alle Rassen einschließt, muss erst noch ganz empfunden und verstanden werden – sehr viel später als heute.

Wie der Mensch von einem anderen Planeten auf diesen Globus kam, obwohl er damals natürlich ein sehr mächtiges Wesen war, ehe er sich völlig in die Materie verstrickte, so kamen auch die niederen Naturreiche in Keimform und Typus von anderen Planeten und führen ihre Evolution mit Hilfe des Menschen, der in allen Perioden der Manifestation an der Spitze der Lebenswoge steht, Schritt um Schritt höher. Die Egos in diesen niederen Naturreichen konnten ihre Evolution in der zurückliegenden Planetenkette vor deren Auflösung nicht vollenden; nach dem Eintreffen auf der jetzigen Kette setzten sie nun Zeitalter um Zeitalter ihre Entwicklung fort und nähern sich allmählich der Menschenstufe. Eines Tages werden auch sie Menschen werden und sich als Vorhut und Führer für andere, niederere Naturreiche dieses oder anderer Globen betätigen. Beim Herüberkommen von dem früheren Planeten werden von der ersten und höchsten Klasse von Wesen stets einige Formen des tierischen Lebens, einige Früchte und andere Produkte mitgebracht, um hier als Modelle oder Typen zu dienen. Es ist nutzlos, dieses Thema hier weiter auszuführen, denn da es der Zeit zu weit vorgreift, würde es bei einigen nur Lachen und bei anderen Unverständnis erwecken. Nachdem aber die allgemeinen Formen der verschiedenen Naturreiche auf diese Weise herübergebracht wurden, müssen wir zunächst betrachten, wie die Differenzierung der Tiere und anderer niederer Arten begann und ausgeführt wurde.

Das ist nun der Punkt, wo kluge Hilfe und ein Eingreifen durch eine Intelligenz oder eine Reihe von Intelligenzen absolut notwendig ist. Diese Hilfe und Intervention war und ist eine Tatsache, denn ohne Hilfe kann die Natur ihr Werk nicht richtig ausführen. Damit will ich aber nicht sagen, dass Gott oder ein Engel eingreift und hilft. Es ist der Mensch selbst. Nicht der Mensch von heute, schwach und unwissend wie er ist, sondern große Seelen, hohe und heilige Menschen von ungeheurer Macht, Kenntnis und Weisheit. Es sind solche Menschen, in denen heute jedermann erreichbare Vorbilder erkennen würde, wenn nicht die Kirchen auf der einen und die Wissenschaft auf der anderen Seite ein so jammervolles Bild von unserer Schwäche, von dem angeborenen Bösen und von unserem rein materiellen Usprung gezeichnet hätten, dass nahezu alle Menschen glauben, sie seien Marionetten Gottes oder eines grausamen hoffnungslosen Schicksals, und im Blick auf das Hier und das Danach entwürdigende und selbstsüchtige Interessen verfolgen. Verschiedene Namen sind diesen jetzt nicht mehr auf unserer Ebene lebenden Wesen gegeben worden. Sie sind die Dhyānis, die Schöpfer, die Führer, die großen Geister und so weiter. In der theosophischen Literatur werden sie Dhyānis genannt.

Nach Methoden, die nur ihnen und der Großen Loge bekannt sind, arbeiten sie an den herübergebrachten Formen, fügen hier etwas zu, nehmen dort etwas weg, verändern häufig und transformieren so durch Änderungen und Hinzufügungen allmählich die Naturreiche und den sich langsam bildenden Körper des Menschen. Dieser Prozess erfolgt hauptsächlich in der rein astralen Periode, die dem groben physischen Stadium verausgeht, weil die dort gegebenen Impulse mit Sicherheit in den folgenden Zeiten weiterwirken. Wenn der Mittelpunkt des Evolutionszyklus erreicht ist, steigen die Arten zur gegenwärtigen Stufe auf und offenbaren dabei weder dem menschlichen Auge noch unseren Instrumenten den Zusammenhang. Die heutigen Untersuchungen haben gewisse Arten bis zu einem Punkt zurückgeführt, wo zugegebenermaßen nicht mehr gesagt werden kann, auf welchen Ursprung sie zurückgehen. Wenn wir zum Beispiel die Rinder und Pferde nehmen, so sehen wir, dass beide Arten Hufe haben; aber die eine hat einen gespaltenen Huf und die andere nur eine Zehe. Die Rückführung auf ihren jeweils ältesten Vorfahr bringt uns bis zum mittleren Punkt der Evolution, dort aber muss die Wissenschaft innehalten. An dieser Stelle greift das Wissen der Meister ein und erklärt, dass dahinter die Astralregion der alten Evolution liegt, wo die Stammtypen waren und wo die Dhyānis die Evolution durch Änderungen und Erweiterungen begannen, die dann auf der grobstofflichen Ebene zu der späteren Differenzierung in die vielen Familien, Arten und Gattungen führte.

Über eine ungeheure Zeitperiode von etwa 300 000 000 Jahren befand sich die Erde mit den Menschen und allen anderen Naturreichen in einem astralen Stadium. Damals gab es keine grobstoffliche Materie, wie wir sie heute kennen. Das war in den ersten Runden, als die Natur an der langsamen Vollendung der Typen auf der Astralebene arbeitete, die aus Materie besteht, welche in ihrer Struktur jedoch sehr fein ist. Am Ende dieser Zeitspanne fing der Verfestigungsprozess an, die Form des Menschen wurde als erste kompakt, dann folgten einige andere Prototypen aus den früheren Runden, obwohl sie tatsächlich zu einer früheren Periode gehörten, in der alles astral war. Wenn die Fossilien dieser Kreaturen gefunden werden, geht man von der Annahme aus, dass sie gleichzeitig mit dem groben physischen Körper des Menschen existierten.

Dieses Argument nimmt sich zwar unter den anderen Theorien der Wissenschaft ganz gut aus, es bleibt aber eine bloße Annahme, wenn die Existenz der Astralperiode zugestanden wird. Natürlich kann in diesem kleinen Buch auf weitere Einzelheiten nicht eingegangen werden, aber beiläufig sei noch gesagt, dass weder die Biene noch der Weizen ihre ursprüngliche Differenzierung auf dieser Planetenkette erlebt haben können, sondern dass beide auf einer anderen Kette hervorgebracht und vollendet und hierher mitgebracht worden sein müssen. Warum das der Fall ist, will ich für jetzt der Spekulation überlassen.

Gegen diese ganze Theorie mag der Einwand erhoben werden, dass es der Wissenschaft noch nicht gelungen sei, die fehlenden Glieder zwischen den Urtypen der Astralperiode und den gegenwärtigen Fossilien oder lebenden Arten zu finden. Im Jahr 1893 sagte Professor Virchow in einem Vortrag in Moskau, dass das fehlende Glied so weit wie je entfernt und jetzt so gut wie früher ein Traum sei und dass kein wirklicher Beweis für die tierische Abstammung des Menschen vorläge. Das ist ganz richtig, und keines der fehlenden Glieder wird von der Wissenschaft mit den gegenwärtigen Methoden entdeckt werden können. Denn sie existierten alle auf der Astralebene und sind daher für das physische Auge unsichtbar. Sie können nur mit den inneren Astralsinnen wahrgenommen werden, die zum richtigen Einsatz erst geschult werden müssen. Aber solange die Wissenschaft die Existenz der astralen und inneren Sinne nicht zugibt, wird sie sich nie um deren Entwicklung bemühen. Der Wissenschaft werden immer die notwendigen Instrumente zur Entdeckung der astralen Glieder fehlen, die im Lauf des langen Differenzierungsprozesses auf der Astralebene zurückgelassen wurden. Die oben erwähnten Fossilien, die sich sozusagen außerhalb ihrer Zeit verdichteten, bilden eine Ausnahme von der Unmöglichkeit, irgendwelche fehlenden Glieder zu finden, aber sie sind für die Wissenschaft nur Sackgassen, da sie keine der erforderlichen Tatsachen anerkennt.

Das Ziel dieser ganzen Differenzierungen, Verschmelzungen und Trennungen wird von einem anderen der Meister klar dargelegt und zwar folgendermaßen:

„Die Natur zieht es bewusst vor, die Materie eher in organischen als in anorganischen Formen unzerstörbar zu machen, und sie arbeitet langsam, aber unaufhaltsam an der Verwirklichung dieses Zieles – an der Evolution des bewussten Lebens aus trägem Stoff.“


XVI – Psychische Gesetze, Kräfte und Phänomene

Das Feld der psychischen Kräfte, der Phänomene und der Dynamik ist sehr umfangreich. Solche Phänomene und die Kräfte kann man täglich in allen Ländern beobachten und vorgeführt bekommen. Bis vor einigen Jahren wurde ihnen jedoch von wissenschaftlichen Kreisen kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Dagegen wurden Leute, die von solchen Begebenheiten berichteten oder eine psychische Natur bejahten, meistens verspottet. Vor etwa 40 Jahren entstand in den Vereinigten Staaten ein Kult, der sich fälschlich „Spiritualismus“ nannte. Er hatte zwar großes Potenzial, konnte es aber nicht nutzen und verfiel daraufhin in eine bloße Suche nach Wundern, ohne den geringsten Anschein einer Philosophie. Für den Fortschritt hat diese Bewegung wenig vollbracht, wenn man von einer Sammlung vieler unverdauter Tatsachen absieht, die aber seit vier Jahrzehnten keine ernsthafte Beachtung bei der Allgemeinheit fand. Sie brachte zwar einen gewissen Nutzen und zählt in ihren Reihen viele gute Köpfe, doch sind die großen Gefahren und Schäden für die involvierten menschlichen Handlanger und für jene, die sie aufsuchen, nach Ansicht der Schüler der Loge größer als das erreichte Gute. Die Loge möchte lieber, dass der Mensch seinen Entwicklungsweg möglichst geradlinig und ohne Ruin beschreitet. Andere westliche Forscher der anerkannten Schulen haben jedoch auch nichts Besseres zustande gebracht, so dass es keine westliche Psychologie gibt, die diesen Namen verdient.

Dieses Fehlen eines angemessenen psychologischen Systems ist die natürliche Folge der materialistischen Tendenz der Wissenschaft und des lähmenden Einflusses der dogmatischen Religion. Die eine verlacht die Bemühungen und blockiert den Weg, die andere verbietet Forschungen. Der römisch-katholische Zweig der christlichen Kirche bildet in mancher Hinsicht eine Ausnahme. Er hat die Existenz einer psychischen Welt stets zugegeben – sie ist für ihn die Region der Teufel und der Engel – da aber die Engel sich nach ihrem eigenen Belieben offenbaren und die Teufel gemieden werden müssen, so wird in dieser Kirche mit Ausnahme der geweihten Priester keinem erlaubt, sich mit diesen Dingen zu befassen. Soweit diese Kirche die gefährlichen Praktiken der Totenbeschwörung – mit denen sich die ‘Spiritualisten’ abgeben – verboten hat, handelt sie durchaus richtig, nicht aber mit ihren anderen Verboten und Einschränkungen. Echte Psychologie ist heute ein Produkt des Ostens, richtig, das System war auch im Westen bekannt, als eine sehr alte Zivilisation in Amerika blühte, und ebenfalls in gewissen Teilen Europas vor der christlichen Ära; aber in der heutigen Zeit gehört die echte Psychologie ausschließlich dem Orient an.

Gibt es psychische Kräfte, Gesetze und Mächte? Wenn es solche gibt, dann muss es auch Phänomene geben. Und wenn alles in den vorhergehenden Kapiteln stimmt, dann stecken in Menschen dieselben Kräfte und Mächte, die überall in der Natur zu finden sind. Der Mensch wird von den Meistern der Weisheit als das höchste Produkt des gesamten Evolutionssystems angesehen und spiegelt in sich selbst jede Kraft wider, ganz gleich wie großartig oder schrecklich sie sein mag, die in der Natur zu finden ist. Gerade weil er ein solcher Spiegel ist, ist er Mensch.

Das ist im Osten schon seit langen Zeiten erkannt worden, wo der Verfasser dieses Buches Beweise solcher Kräfte gesehen hat, die die Theorien manch eines westlichen Wissenschaftlers über den Haufen werfen würden. Im Westen sind dem Verfasser dieselben Phänomene wiederholt worden, so dass er aus eigener Erfahrung weiß, dass jeder Mensch einer jeden Rasse potenziell dieselben Kräfte besitzt. Die echten psychischen – oder, wie sie auch oft genannt werden, magischen – Phänomene der östlichen Fakire oder Yogis werden alle durch die Anwendung von natürlichen Kräften und Prozessen ausgeführt, von denen der Westen noch nicht einmal träumt. Die Levitation des Körpers, anscheinend der Gravitation spottend, ist ein mit Leichtigkeit auszuführendes Kunststück, wenn der Prozess völlig beherrscht wird. Er widerspricht keinem Naturgesetz. Gravitation ist nur die Hälfte eines Gesetzes. Der östliche Weise anerkennt die Gravitation, wenn man sich an diese Bezeichnung halten will. Die wirkliche Bezeichnung lautet jedoch Attraktion, während die andere Hälfte des Gesetzes mit Repulsion bezeichnet wird, und beide werden beherrscht von den großen Gesetzen elektrischer Kräfte. Gewicht und Stabilität hängen von der Polarität ab. Wenn die Polarität eines Objekts in Bezug auf die unter ihm befindliche Erde verändert wird, kann das Objekt aufsteigen. Da aber bloße Dinge nicht das im Menschen existierende Bewusstsein besitzen, können sie ohne gewisse andere Hilfen nicht aufsteigen. Der menschliche Körper dagegen erhebt sich gleich einem Vogel ohne Hilfsmittel in die Luft, wenn seine Polarität entsprechend verändert wird. Diese Veränderung wird durch ein dem Orientalen bekanntes System von Atemübungen bewusst hervorgerufen. Sie kann auch mit Hilfe bestimmter Naturkräfte, von denen noch zu sprechen sein wird, von solchen Menschen bewirkt werden, die dieses Phänomen ohne Kenntnis der Naturgesetze ausführen, wie es zum Beispiel bei den Heiligen der römisch-katholischen Kirche der Fall war.

Ein drittes großes Gesetz, das bei vielen Phänomenen im Osten und Westen eine Rolle spielt, ist das Kohäsionsgesetz. Die Kohäsionskraft ist eine selbstständige Energieform und keine Wirkung, wie angenommen wird. Dieses Gesetz und seine Wirkungen muss man kennen, wenn gewisse Phänomene erzeugt werden sollen, zum Beispiel, wie der Verfasser gesehen hat, das Durchstechen eines massiven Eisenrings durch einen anderen oder das eines Steins durch eine feste Wand. Hierbei wird eine andere Kraft benützt, die man nur mit Dispersion bezeichnen kann. Kohäsion ist aber die dominierende Kraft, denn in dem Augenblick, in dem die Dispersionskraft aufgehoben wird, bringt die Kohäsionskraft die Teilchen wieder in ihre ursprüngliche Lage.

Weiter kann ein Adept in solchen großen dynamischen Kräften die Atome eines Objektes – den menschlichen Körper stets ausgenommen – auf solche Entfernungen auseinander ziehen, dass das Objekt unsichtbar wird, und danach kann er sie in einem Strom, der im Ether gebildet wird, an einen beliebigen Ort der Erde verschicken. Am gewünschten Ort wird dann die dispersive Kraft zurückgezogen, worauf sich sofort die kohäsive Kraft durchsetzt und das Objekt wieder intakt erscheint. Das mag märchenhaft klingen; da es aber der Loge und ihren Schülern als Tatsache bekannt ist, so ist gleichermaßen gewiss, dass die Wissenschaft diese Behauptungen früher oder später zugeben wird.

Das vom Materialismus unserer Zeit befallene Denkvermögen des Laien wundert sich, wie solche Manipulationen möglich sein sollen, da von Instrumenten keine Rede ist. Diese Instrumente liegen jedoch im Körper und Gehirn des Menschen. Nach Ansicht der Loge ist „das menschliche Gehirn ein unerschöpflicher Energieerzeuger“, und eine vollkommene Kenntnis der inneren chemischen und dynamischen Naturgesetze, verbunden mit einem geübten Denkvermögen, geben dem Besitzer die Macht, die erwähnten Gesetze anzuwenden. Diese Kräfte wird der Mensch in der Zukunft besitzen, und er wäre schon jetzt so weit, gäbe es nicht blinden Dogmatismus, Selbstsucht und materialistischen Unglauben. Selbst die Christen halten nur wenig von dem sehr wahren Wort ihres Meisters, dass der Glaube Berge versetzen könne. Eine Kenntnis des Gesetzes mit Hilfe des Glaubens verleiht Macht über Materie, Denkvermögen, Raum und Zeit.

Durch Anwendung der gleichen Kräfte kann der geschulte Adept Materialien, die vorher nicht sichtbar waren, den Augen sichtbar machen und in jeder gewünschten Form materialisieren. Die breite Masse würde das als Schöpfung bezeichnen, es ist aber nur in unserer Gegenwart vollzogene Evolution. Die Materie wird in der Luft um uns herum schwebend gehalten. Jedes Materieteilchen, ob sichtbar oder noch nicht ausgefällt, ist durch alle möglichen Formen gegangen. Der Adept wählt nur eine gewünschte Form aus, die wie alle anderen Formen auch im Astrallicht vorhanden ist, und umkleidet sie durch Anspannung seines Willens und seiner Vorstellungskraft mit der Materie, indem er sie ausfällt. Dieses so geschaffene Objekt wird aber wieder verblassen, wenn nicht noch gewisse andere Prozesse angewendet werden, die hier nicht beschrieben werden sollen, wenn diese Prozesse aber angewendet werden, ist das geschaffene Objekt von Dauer. Wenn eine Mitteilung sichtbar auf Papier oder auf einer anderen Oberfläche erscheinen soll, dann werden dieselben Kräfte und Gesetze angewendet. Das fotografisch genaue und scharf umrissene Abbild jeder Linie eines jeden Buchstabens oder Bildes wird im Denkvermögen gebildet. Dann wird aus der Luft das Pigment herausgezogen und innerhalb der vom Gehirn, „dem unerschöpflichen Erzeuger von Kraft und Form“, gezogenen Grenzen niedergelegt. Die Vorführung aller dieser Dinge hat der Verfasser selbst gesehen, aber nicht durch ein bezahltes oder unverantwortliches Medium. Er weiß daher, wovon er spricht.

Das führt natürlich zu dem Schluss, dass der menschliche Wille allmächtig und die Imagination eine höchst nützliche Eigenschaft mit dynamischer Kraft ist. Die Imagination ist die bilder-machende Kraft des menschlichen Denkvermögens. Im Durchschnittsmenschen besitzt sie keine ausreichende Übung oder Kraft, um mehr als eine Art von Traum zu sein, doch kann sie trainiert werden. Wenn sie ausgebildet würde, dann wird sie zum Konstrukteur in der Werkstatt der Menschen. Wenn sie diesen Stand erreicht hat, bildet sie in der Astralsubstanz eine Matrix, durch welche die Wirkungen gegenständlich fließen werden. Nach dem Willen ist die Imagination die größte Kraft in der menschlichen Zusammensetzung von komplizierten Instrumenten. Die moderne westliche Definition der Imagination ist unvollständig und wenig zutreffend. Der Begriff wird hauptsächlich zur Bezeichnung von Phantasien oder Wahnvorstellungen verwendet und stand immer für das Unwirkliche. Es ist aber kaum möglich, eine bessere Bezeichnung zu finden, weil eine der Fähigkeiten der geschulten Imagination die Erschaffung von Bildern ist. Das Wort bedeutet etymologisch das Erzeugen oder Widerspiegeln von Bildern. Die Anwendung dieser Fähigkeit oder vielmehr das passive Erleben ihrer Tätigkeit in einer unkontrollierten Weise vermittelte dem Westen keine andere Vorstellung davon, als dass es sich bei der Imagination um Fantasie handelt. Das ist soweit richtig. Die Imagination kann aber weiter entwickelt werden, sodass sie in der Astralsubstanz ein wirkliches Bild oder Modell evolviert, das ebenso benützt werden kann, wie ein Eisengießer eine Sandform für das flüssige Eisen verwendet. Sie ist deshalb die königliche Fähigkeit, weil der Wille seine Arbeit nicht ausführen kann, wenn die Imagination schwach ausgebildet oder ungeschult ist. Wenn zum Beispiel jemand, der etwas aus der Luft materialisieren will, das in der Astralebene erzeugte Bild auch nur im Geringsten erzittern lässt, so wird das Pigment in einer dementsprechend flimmernden, ungeordneten Weise auf das Papier fallen.

Um mit einem anderen Denkvermögen auf beliebige Distanz in Verbindung zu treten, muss der Adept alle Moleküle des Gehirns und alle Gedanken des Denkvermögens, das angesprochen werden soll, so abstimmen, dass sie mit dem anderen Denkvermögen harmonisch schwingen, und jenes andere Denkvermögen und Gehirn muss entweder freiwillig in den gleichen Einklang versetzt werden oder sich freiwillig darauf einstimmen. Obwohl der Adept in Bombay sein mag und sein Freund in New York, bildet die Entfernung kein Hindernis, da die inneren Sinne vom Gehirn unabhängig sind und die Gedanken und Bilder im Denkvermögen des anderen Menschen sehen und fühlen können.

Wenn der Wunsch besteht, die Gedanken eines anderen und die Bilder von allem um ihn, was er je gedacht und gesehen hat, in dessen Denkvermögen zu lesen und zu erfassen, dann richtet der Adept seine innere Schau und sein inneres Gehör auf das zu erforschende Denkvermögen, worauf er auf einmal alles erkennt. Aber, wie schon gesagt, nur ein Bösewicht würde das tun. Die Adepten tun es nicht, außer in Fällen, in denen sie eben dazu ermächtigt werden. Der moderne Mensch würde kein Vergehen im Ausspionieren der Geheimnisse eines anderen mit Hilfe solcher Kräfte sehen, aber der Adept sieht darin eine Verletzung der Rechte anderer. Kein Mensch ist berechtigt, selbst wenn er die Macht dazu hätte, in das Denkvermögen eines anderen einzudringen und sich dessen Geheimnisse anzueignen. Das ist das Gesetz der Loge für alle Wahrheitssucher, und wenn jemand merkt, dass er vor der Entdeckung fremder Geheimnisse steht, muss er sich sofort zurückziehen und darf nicht weiterforschen. Wenn er es dennoch tut, wird ihm, falls er ein Schüler ist, die Kraft genommen; in jedem anderen Fall muss der Betreffende die Folgen für diese Art von Einbruchdiebstahl auf sich nehmen. Die Natur hat ihre Gesetze und ihre Polizei, und wenn wir in der Astralwelt Verbrechen begehen, dann werden das große Gesetz und seine Wächter, die unbestechlich sind, die Strafe vollstrecken und wenn noch soviel Zeit darüber vergeht, und seien es 10 oder 1000 Jahre. Hierin liegt ein weiterer Schutz für Ethik und Moral. Bis jedoch die Menschen die in diesem Buch dargelegte Lebensphilosophie anerkennen, wird es ihnen nicht unrecht erscheinen, auf solchen Gebieten der Natur, in die die schwachen Menschengesetze nicht wirken, Verbrechen zu begehen. Aber gerade durch die Ablehung der Philosophie schieben sie nur den Tag hinaus, an dem alle diese großen Kräfte zum Nutzen aller erlangen können.

Zu den erwähnenswerten Phänomenen gehört auch die Bewegung von Gegenständen ohne physische Berührung. Das kann auf mehrere Arten geschehen. Die erste besteht darin, dass die Astralhand oder der Astralarm aus dem physischen Körper ausgetrieben und damit die zu bewegenden Objekte ergriffen werden. Das kann bis zu einem Abstand von über drei Metern vom Körper geschehen. Ich möchte das nicht weiter vertiefen, sondern nur auf die Eigenschaften der Astralsubstanz und der Gliedmaßen hinweisen. Das dient auch dazu, in gewissem Umfang die mediumistischen Phänomene zu erklären. In nahezu allen Fällen solcher Apportationen wird das Kunststück unter Verwendung der unsichtbaren aber doch materiellen Astralhand ausgeführt. Bei der zweiten Methode werden Elementale, von denen ich bereits sprach, eingesetzt. Sie haben, wenn sie von dem inneren Menschen geleitet werden, die Kraft, durch Änderung der Polarität Gegenstände zu tragen. Man kann dann beobachten, wie indische Fakire und einige Medien in Amerika kleine Gegenstände anscheinend ohne Stütze fortbewegen. Diese Elementalwesen werden eingesetzt, um Dinge aus Entfernungen herbeizuholen, die mit den Astralgliedern nicht erreichbar sind. Dass die Medien nichts von diesem Vorgang wissen, ist kein Gegenbeweis. Sie wissen nur selten, wenn überhaupt, wie sie ihre Schaustücke ausführen, und ihre Unkenntnis der Gesetze ist kein Beweis gegen deren Existenz. Jene Schüler, die die inneren Kräfte in Tätigkeit sahen, benötigen keine weiteren Erklärungen.

Hellsehen, Hellhören und Zweites Gesicht sind alle eng miteinander verwandt. Jede Anwendung einer dieser Fähigkeiten bewirkt auch die Mitwirkung der beiden anderen. Es sind nur Variationen einer Kraft. Der Ton ist eines der unterscheidenden Merkmale der Astralsphäre, und da Licht von Ton begleitet wird, erfolgt das Sehen simultan mit dem Hören. Wenn ein Astralbild mit den Astralsinnen gesehen wird, so ist gleichzeitig auch ein Ton damit verbunden, und das Hören dieses Tones lässt auf die Gegenwart eines dazugehörenden Bildes in der Astralsubstanz schließen. Dem echten Schüler des Okkultismus ist es sehr wohl bekannt, dass jeder Ton sofort ein Bild erzeugt, und diese im Osten seit langem bekannte Tatsache ist kürzlich auch im Westen demonstriert worden, indem Klangfiguren auf einem gespannten Trommelfell sichtbar gemacht wurden. Mit Hilfe des Okkultismus kann dieser Teil des Themas noch viel weiter ausgedehnt werden; da das aber im gegenwärtigen Zustand der menschlichen Gesellschaft Gefahren mit sich bringt, möchte ich davon absehen. Im Astrallicht sind Bilder von allen Dingen vorhanden, die einem Menschen je zustießen, und ebenso auch Bilder von solchen künftigen Ereignissen, deren Ursachen genügend ausgeprägt und vorbereitet sind. Wenn die Ursachen noch unbestimmt sind, dann sind auch die Zukunftsbilder unbestimmt. Aber für die große Menge der in den nächsten Jahren fälligen Ereignisse sind die erzeugenden und wirkenden Ursachen im Astrallicht stets mit genügender Deutlichkeit vorhanden, um dem Seher die Vorausschau so zu ermöglichen, als seien sie gegenwärtig. Mittels dieser mit den inneren Sinnen geschauten Astralbilder vermögen alle Hellseher ihre seltsame Fähigkeit anzuwenden. Diese Fähigkeit ist jedoch allen Menschen eigen, aber bei der Mehrheit nur wenig entwickelt. Der Okkultismus behauptet auch, dass kein Mensch einem anderen eine Idee übermitteln könnte, wenn der Keim dieser Kraft nicht in jedem leicht aktiv wäre.

Die höchste Stufe des Hellsehens – die spirituelle Sicht – ist sehr selten. Das gewöhnliche Hellsehen hat nur mit den gewöhnlichen Aspekten und Schichten der Astralmaterie zu tun. Spirituelle Sicht wird nur jenen zuteil, die rein, ergeben und charakterfest sind. Sie kann durch eine spezielle Entwicklung jenes besonderen Organs im Körper erreicht werden, das allein solche Visionen ermöglicht, und zwar nur nach Schulung, langem Üben und höchstem Altruismus. Alle anderen Arten des Hellsehens sind vergänglich, ungeeignet und fragmentarisch, da sie es nur mit Materie und Illusion zu tun haben. Dieser fragmentarische und unzulängliche Charakter ergibt sich aus der Tatsache, dass kaum ein Hellseher die Kraft hat, in mehr als nur eine der niederen Schichten der Astralsubstanz gleichzeitig zu schauen. Hochgesinnte und Mutige können mit der Zukunft und mit der Gegenwart viel besser fertig werden als jeder Hellseher. Da aber die Existenz dieser beiden Kräfte beweist, dass die inneren Sinne in uns sind und dass das dafür erforderliche Medium – das Astrallicht – vorhanden ist, haben sie, als derartige menschliche Fähigkeiten, eine wichtige Beziehung zu den Behauptungen, die von den sogenannten ‘Geistern’ in den spiritistischen Séance-Zimmern aufgestellt werden.

Träume sind manchmal das Resultat einer sich automatisch abspielenden Gehirntätigkeit. Sie werden aber auch von dem inneren Menschen erzeugt, indem er wesentliche oder unwesentliche Szenen oder Ideen auf das Gehirn überträgt, die er selbst sah, während der Körper schlief. Sie werden dann in das Gehirn gefiltert, so als ob sie auf der Seele schwimmen würden, während die Seele wieder in den Körper hineinsinkt. Solche Träume mögen nützlich sein. Im Allgemeinen zerstört jedoch die Wiederaufnahme der körperlichen Tätigkeit ihre wahre Bedeutung, entstellt das Bild und bringt alles in Verwirrung. Die große Bedeutung des Träumens liegt aber in der Tatsache, dass irgendjemand während des Traumes etwas wahrnimmt und empfindet, und das ist eines der Argumente für die Existenz des inneren Menschen. Im Schlaf verkehrt der innere Mensch mit höheren Intelligenzen, und manchmal gelingt es ihm, dem Gehirn das Empfangene – sei es eine hohe Idee oder eine prophetische Vision – zu übermitteln, oder es misslingt wegen des Widerstands der Denkmuster. Das Karma des Menschen bestimmt die Bedeutung eines Traumes, denn ein König kann etwas träumen, das sich auf sein Reich bezieht, während dieselbe Sache, von einem Bürger geträumt, keine Konsequenz zeitigt. Aber wie Hiob sagte: „Im Traum, im Nachtgesicht, da öffnet er der Menschen Ohr“ [Hiob 33, 15-16].

Gespensterscheinungen und Doppelgänger gehören zwei Hauptklassen an. Die ersteren – Astralhüllen oder Bilder aus der Astralwelt – sind entweder den Augen wirklich sichtbar oder nur das Resultat innerer Schwingungen, die auf das äußere Auge projeziert werden, und somit den Betreffenden glauben machen, er sähe eine äußerliche, objektive Form. Im zweiten Fall handelt es sich um Astralkörper lebender Menschen, die entweder ganz oder nur teilweise mit Bewusstsein ausgestattet sind. Mühevolle Experimente der Gesellschaften für psychische Forschung, die Geisterscheinungen zu beweisen, können ohne die Kenntnis dieser Gesetze nichts beweisen: Denn von zwanzig anerkannten Fällen kann es sich bei neunzehn um die Objektivierung eines Bildes handeln, das dem Gehirn eingeprägt wurde. Dass Erscheinungen gesehen wurden, steht zweifelsfrei fest. Bei Erscheinungen von gerade Verstorbenen kann es sich entweder um die – wie oben beschrieben – objektivierten Bilder handeln oder um den Astralkörper des Verstorbenen, der in diesem Stadium als Kāma-Rupa bezeichnet wird. Da die sterbenden, vom Körper frei werdenden Gedanken und Kräfte sehr stark sind, gibt es viel mehr Berichte über derartige Erscheinungen als über jede andere Klasse.

Der Adept kann seine Erscheinung aussenden. Sie wird aber mit einem anderen Namen bezeichnet, da sie sich aus seinem bewussten und geschulten Astralkörper zuzüglich seiner Intelligenz zusammensetzt und von seinem physischen Organismus nicht ganz getrennt ist.

Die Theosophie verneint und ignoriert die von der Wissenschaft entdeckten physikalischen Gesetze und Tatsachen nicht. Sie anerkennt alle Gesetze, die wirklich bewiesen sind, sie betont aber die Existenz von anderen, die die Wirkung jener allgemein bekannten modifizieren. Hinter allen sichtbaren Phänomenen steht der okkulte Kosmos mit seinen vollkommenen Mechanismen. Dieser okkulte Kosmos kann nur mit Hilfe der inneren Sinne richtig verstanden werden, die zu ihm gehören. Diese Sinne werden sich nicht leicht entwickeln lassen, wenn ihre Existenz verneint wird. Gehirn und Bewusstsein haben zusammenwirkend die Kraft, Formen zu evolvieren: zuerst astrale in der Astralsubstanz und später sichtbare durch Ansammlung von Materie auf dieser Ebene. Objektivität beruht hauptsächlich auf Wahrnehmung, und Wahrnehmung kann durch innere Stimulation beeinflusst werden. Deshalb kann ein Zeuge ein Objekt sehen, das tatsächlich als solches äußerlich existiert, er mag es aber auch aufgrund eines inneren Stimulus sehen.

Hieraus ergeben sich drei verschiedene Arten des Sehens: a) mit dem Auge durch das vom Auge ausgehende Licht; b) mit den inneren Sinnen mittels des Astrallichts; c) durch inneren Stimulus, der das Auge zu einer Meldung an das Gehirn veranlasst, wodurch das innere Bild nach außen projeziert wird. Die Phänomene der anderen Sinne können in gleicher Weise aufgelistet werden.

Da die Astralsubstanz das Register aller Gedanken, Töne, Bilder und anderer Vibrationen und der innere Mensch eine vollständige Person ist, die fähig ist, mit oder ohne die Koordination des Physischen zu handeln, können alle Phänomene der Hypnose, des Hellsehens, des Hellhörens, der Mediumschaft und die übrigen, die nicht bewusst ausgeführt werden, erklärt werden. In der Astralsubstanz sind alle Töne und Bilder, und im Astralmenschen verbleiben die Eindrücke eines jeden Geschehens, ganz gleich wie weit entfernt oder unbedeutend es sein mag. Ihr Zusammenwirken erzeugt die Phänomene, die jenen Menschen so fremdartig erscheinen, die die Lehrsätze des Okkultismus in Abrede stellen oder überhaupt nicht kennen.

Um jedoch die Phänomene erklären zu können, die von Adepten, Fakiren und Yogis ausgeführt werden, muss man die okkulten Gesetze der Chemie, des Denkvermögens, der Kraft und der Materie verstehen. Es kann sicher nicht die Aufgabe eines solchen Buches sein, diese im Einzelnen zu behandeln.


XVII – Psychische Phänomene und Spiritismus

In der Geschichte der psychischen Phänomene nehmen die Berichte des sogenannten ‘Spiritualismus’ in Europa, Amerika und anderswo einen wichtigen Platz ein. Ich sage bewusst, dass keine Bezeichnung in Europa und Amerika für den eben erwähnten Kult je verkehrter angewendet wurde, als das Wort ‘Spiritualismus’, weil überhaupt nichts Spirituelles daran ist. Die in den vorhergehenden Kapiteln beschriebenen Lehren sind echter Spiritualismus; bei den fehlbezeichneten Praktiken der modernen Medien und sogenannten Spiritisten handelt es sich um Totenverehrung und altmodische Nekromantie, die von den spirituellen Lehrern immer verboten wurden. Sie stellen eine grobe Materialisierung der spirituellen Ideen dar und haben mehr mit Materie als mit ihrem Gegenpol zu tun. Einige Leute nehmen an, dieser Kult habe vor etwa vierzig Jahren, 1840, in Rochester, N.Y., USA, mit der Mediumschaft der Schwestern Fox angefangen. Diese Praktiken waren jedoch schon während der Aufregung um die Hexen in Salem bekannt, und in Europa wurden vor hundert Jahren die gleichen Praktiken mit den gleichen Phänomenen ausgeübt; Medien entwickelten sich und Séancen wurden abgehalten. Seit Jahrhunderten ist die gleiche Praxis in Indien bekannt, wo sie richtigerweise den Namen ‘Bhūta-Verehrung’ erhielt, womit der Versuch bezeichnet wird, sich mit dem ‘Teufel’ oder den astralen Überbleibseln Verstorbener in Verbindung zu setzen. Das sollte auch im Westen der richtige Name sein, denn durch diese Praktiken werden die groben und teuflischen oder irdischen Wesensteile des Menschen angeregt und angerufen und eine Verbindung mit ihnen hergestellt. Die Fakten der vierzig Jahre umfassenden spiritistischen Aufzeichnungen in Amerika bedürfen jedoch einer kurzen Untersuchung. Diese Fakten müssen alle eifrigen Theosophen zugeben. Die theosophischen Erklärungen und Folgerungen unterscheiden sich jedoch völlig von jenen der Durchschnitts-Spiritisten. Eine Philosophie wurde in den Reihen oder in der Literatur der Spiritisten nicht entwickelt, und nur die Theosophie kann die wahre Erklärung geben, die Mängel aufzeigen, die Gefahren sichtbar machen und Wege zur Abhilfe vorschlagen.

Es ist klar, dass Hellsehen, Hellhören, Gedankenübertragung, Prophezeiungen, Träume und Visionen, Levitation und Erscheinungen alle Kräfte sind, die seit Jahrhunderten bekannt sind. Die zwingendsten Fragen des Spiritismus gelten dem Umgang mit den Seelen Verstorbener, die diese Erde verlassen haben und jetzt entkörpert sind und mit den nicht klassifizierten Geistern, die hier nicht verkörpert waren, sondern anderen Sphären angehören. Vielleicht verdient auch die Frage der Materialisation von Formen in spiritistischen Sitzungen einige Beachtung. Zur Kommunikation gehören Sprechen in Trance, Tafel- und anderes Schreiben, unabhängige Stimmen in der Luft, Sprechen mit Hilfe der Stimmorgane des Mediums und die Präzipitation schriftlicher Botschaften aus der Luft. Haben die Medien Verbindung mit den Geistern der Toten? Nehmen unsere abgeschiedenen Freunde die verlassenen Zustände wahr und kehren sie manchmal zurück, um mit uns zu sprechen?

Die Antworten darauf wurden schon in früheren Kapiteln angedeutet. Unsere Toten sehen uns hier nicht. Sie sind befreit von den schrecklichen Qualen, die ein solcher Anblick verursachen würde. Ab und zu mag ein unbezahltes Medium mit reinem Gemüt in Trance in den Zustand gelangen, in dem sich eine abgeschiedene Seele befindet, und vermag vielleicht auch etwas von dem Gehörten und Gesehenen im Gedächtnis zu behalten; es ist aber sehr selten. Hin und wieder, im Laufe von Jahrzehnten, mag ein hoher Menschengeist für einen Augenblick zurückkehren und sich mit unmissverständlichen Mitteln mit Sterblichen in Verbindung setzen. Im Augenblick des Todes mag die Seele mit einem Freund auf Erden sprechen, ehe das Tor endgültig geschlossen ist. Aber die Großzahl der angeblichen Mitteilungen, die Tag für Tag durch die Medien erfolgen, stammen von den unintelligenten astralen Überresten von Menschen oder sind in vielen Fällen Erfindungen, Produkte, Zusammenstellungen, Entdeckungen und Zusammenfassungen, die von dem lose mit dem lebenden Medium verbundenen Astralkörper stammen.

Gegen die Theorie, die Geister der Verstorbenen würden mit uns verkehren, gibt es bestimmte Einwände. Einige lauten:

I. Zu keiner Zeit haben diese Geister die Gesetze beschrieben, welche den Phänomenen zugrunde liegen, abgesehen von einigen wenigen Fälle, die aber von der spiritistischen Gemeinschaft nicht anerkannt wurden, weil darin der theosophische Standpunkt vorgebracht wurde. Weil sie mit Gedankensystemen – wie sie zum Beispiel A. J. Davis aufstellte – nicht übereinstimmten, fielen diese besonderen Geister in Ungnade.

II. Die Angaben der Geister über das Leben nach dem Tod widersprechen einander stark. Diese Unstimmigkeiten variieren mit den Medien und mit den angenommenen Theorien der Verstorbenen zu Lebzeiten. Manche Geister stimmen der Reinkarnation zu, während andere sie verwerfen.

III. Zur Geschichte, Anthropologie und anderen wichtigen Gebieten haben diese Geister nichts entdeckt. Sie scheinen also in dieser Beziehung weniger befähigt zu sein als lebende Menschen. Obgleich sie oft behaupten, Angehörige alter Kulturen zu sein, sind sie doch völlig unwissend diesbezüglich oder wiederholen nur kürzlich veröffentlichte Forschungsergebnisse.

IV. In diesen vierzig Jahren konnte von den Geistern keine vernünftige Erklärung für die Phänomene oder über die Entwicklung der Mediumschaft erlangt werden. Nach den Berichten sollen sich große Philosophen durch die Medien geäußert haben, aber ihre Mitteilungen waren ohne jeden Wert und bestanden nur aus Gemeinplätzen.

V. Die Medien erleiden physischen und moralischen Schaden; sie werden des Betrugs beschuldigt, und Schwindel wird nachgewiesen. Die Geistführer und -kontrollen greifen jedoch nicht verhütend oder rettend ein.

VI. Es wird zugegeben, dass die Führer und Kontrollen selbst betrügen und zu Täuschungsmanövern auffordern.

VII. Aus allem, was über die Geister berichtet wird, ist klar ersichtlich, dass ihre Behauptungen und Philosophie, wenn überhaupt, sich mit dem Medium und den höchsten Gedanken lebender Spiritisten ändern.

Aus alledem – und noch mehr könnte hinzugefügt werden – wird der materialistische Wissenschaftler in seinem Spott nur bestärkt. Der Theosoph muss jedoch daraus schließen, dass die Wesen, wenn überhaupt eine Kommunikation mit ihnen zustande kommt, keine menschlichen Geister sind und dass die Erklärungen dafür in anderen Theorien gefunden werden müssen.

Die Materialisation einer Gestalt aus der Luft, unabhängig von dem physischen Körper des Mediums, ist eine Tatsache. Aber es handelt sich dabei nicht um einen Geist. Das wurde von einem ‘Geist’ sehr gut erklärt, der sich nicht der Gunst der Spiritisten erfreute: Eine Art, um dieses Phänomen hervorzubringen, bestehe in der Anhäufung von elektrischen und magnetischen Teilchen zu einer Masse, worauf Materie angesammelt und ein Bild aus dem Astrallicht reflektiert wird. Das ist alles. Es ist ebenso eine Täuschung wie die Draperie mit Musselin und Masken. Wie es zustande kommt, ist eine andere Sache. Die Geister können es nicht sagen, in den vorhergehenden Kapiteln wurde jedoch versucht, die Methoden und Mittel anzudeuten. Bei der zweiten Methode wird der Astralkörper des lebenden Mediums verwendet. In diesem Fall tritt die Astralform aus der Seite des Mediums hervor und zieht für sich aus der Luft und aus den Körpern der anwesenden Teilnehmer allmählich Teilchen an, bis sie letztendlich sichtbar wird. Manchmal hat sie Ähnlichkeit mit dem Medium; sie kann aber auch ein ganz anderes Aussehen haben. Fast immer ist eine sehr schwache Beleuchtung erforderlich, weil helles Licht die Astralsubstanz auf eine heftige Art stören und die Projektion sehr erschweren würde. Einige sogenannte Materialisationen sind nur leere Täuschungen. Sie bestehen nur aus flachen Scheiben elektrischer und magnetischer Substanz, auf welche die Bilder aus dem Astrallicht reflektiert werden. Sie scheinen Gesichter von Verstorbenen darzustellen, es handelt sich aber einfach um bildhafte Illusionen.

Wenn jemand die psychischen Phänomene aus der Geschichte des ‘Spiritismus’ verstehen will, muss man Folgendes verstehen und anerkennen:

I. Das vollständige astrale, spirituelle und psychische Erbe des Menschen, eines Wesens, das durch Körper, Astralkörper und Seele weiß, denkt, fühlt und handelt.

II. Die Natur des Denkvermögens, seine Arbeitsweisen, seine Kräfte; die Natur und Kraft der Imagination; die Dauer und Wirkung von Eindrücken. Höchst wichtig ist hierbei die Fortdauer des leichtesten wie auch des tiefsten Eindrucks; dass jeder Eindruck in der individuellen Aura ein Bild erzeugt und dass dadurch eine Verbindung zwischen den Auren von alten, neuen, nahen, fernen, weitläufigen Freunden und Verwandten hergestellt wird: Das würde einem Hellseher ein weites Feld möglicher Sicht geben.

III. Die Natur, Ausdehnung, Funktion und Kraft der inneren Astralorgane und Fähigkeiten des Menschen, die in den Begriffen Astralkörper und Kāma eingeschlossen sind. Dass diese durch Trance oder Schlaf nicht an ihrer Tätigkeit gehindert, sondern verstärkt werden, wenn das Medium in Trance ist. Gleichzeitig ist aber ihre Tätigkeit nicht frei, sondern von der Grundströmung der Gedanken der Séance√-Teilnehmer oder von einem dominierenden Willen oder von einem hinter den Kulissen wohnenden ‘Teufel’ beherrscht. Wenn ein skeptischer wissenschaftlicher Forscher anwesend ist, kann seine mentale Einstellung die Kräfte des Mediums völlig lähmen, durch einen Vorgang, den wir in Ermangelung eines treffenden Ausdrucks in unserer Sprache einen Gefrierprozess nennen könnten.

IV. Das Schicksal des wirklichen Menschen nach dem Tod, seinen Zustand, seine Kraft und seine dortige Tätigkeit und seine Beziehung, wenn überhaupt, zu den Hinterbliebenen.

V. Dass das Zwischenglied zwischen Seele und Körper, der Astralkörper, beim Tod abgeworfen wird und zur Auflösung im Astrallicht bleibt und dass der wirkliche Mensch in Devachan eingeht.

VI. Die Existenz, Natur, Macht und Funktion des Astrallichts und seine Funktion als ein Archiv der Natur; dass es Bilder von allem und jedem, was sich mit irgendjemand abspielte, enthält, behält und widerspiegelt und ebenso jeden Gedanken; dass es den ganzen Globus und die umgebende Atmosphäre durchdringt; dass die Übertragung von Vibration durch das Astrallicht beinahe augenblicklich vor sich geht, da die Schwingungsfrequenz wesentlich höher ist als die jetzt in der Elektrizität bekannte.

VII. Die Existenz von Wesen im Astrallicht, die keine Körper wie wir verwenden und auch nicht menschlicher Natur sind, die aber Kräfte, Fähigkeiten und eine Art von eigenem Bewusstsein besitzen. Hierzu gehören die Elementale oder Naturgeister, die sich in viele Grade oder Klassen gliedern und mit jedem Naturvorgang und jeder Gemütsbewegung des Menschen verbunden sind. Dass diese Elementale in den Séancen entsprechend ihren verschiedenen Klassen automatisch operieren: Die eine Klasse macht Bilder, die andere erzeugt Töne, andere depolarisieren Objekte zur Apportation. Mit ihnen arbeiten die ebenfalls in der Astralregion existierenden seelenlosen Menschen: Letzteren sind neben anderem die ‘unabhängigen Stimmen’ zuzuschreiben, die stets wie Stimmen in einem Fass erklingen und zwar deshalb, weil sie in einem Vakuum gebildet werden, das für ein so unspirituelles Wesen absolut nötig ist. Die sonderbare Klangfarbe dieser Stimmenart ist von den Spiritisten als unwichtig betrachtet worden, sie ist aber nach Ansicht des Okkultismus außerordentlich bezeichnend.

VIII. Die Existenz und das Wirken okkulter Gesetze und Kräfte in der Natur, die zur Erzeugung von Phänomenen auf unserer Ebene benützt werden können. Dass diese Gesetze und Kräfte vom Unterbewusstsein des Menschen und von den Elementalen bewusst oder unbewusst in Tätigkeit gesetzt werden können und dass viele dieser okkulten Operationen auf dieselbe Weise automatisch ablaufen, wie das Gefrieren des Wassers bei Kälte oder wie das Tauen des Eises bei Wärme.

IX. Dass der Astralkörper des Mediums, der von gleicher Natur wie die Astralsubstanz ist, aus dem physischen Körper heraustreten und getrennt von ihm handeln kann; dass dieser Astralkörper manchmal auch Teile von sich austreiben kann, z. B. eine Hand, einen Arm oder ein Bein, und damit Objekte bewegen, Briefe schreiben und Berührungen des Körpers bewirken kann und so weiter ad infinitum. Dass der Astralkörper irgendeiner Person dazu benützt werden kann, Empfindungen zu fühlen, die auf das Gehirn übertragen, die Person annehmen lässt, sie sei von außen her berüht worden oder hätte einen Ton gehört.

Die Mediumschaft ist voller Gefahren, weil der Astralteil des Menschen gegenwärtig nur dann normal tätig ist, wenn er mit dem Körper verbunden ist. In fernen Jahren wird er ohne Körper normal tätig sein, wie es in ferner Vergangenheit der Fall war. Medium zu sein, bedeutet physiologische und nervliche Desorganisation, denn die Verbindung zwischen den zwei Welten wird vom Nervensystem hergestellt. In dem Augenblick, in dem das Tor geöffnet wird, stürmen sofort alle unbekannten Kräfte herein, und da uns der gröbere Teil der Natur am nächsten liegt, ist es dieser Teil, der uns am meisten beeinflusst. Die niedere Natur wird ebenfalls zuerst beeinflusst und entflammt, weil die verwendeten Kräfte aus diesem Teil unserer Konstitution sind. Wir sind dann den üblen Gedanken aller Menschen ausgesetzt und dem Einfluss der Hülle von Kāma-Loka unterworfen. Wenn die Ausübung der Mediumschaft zudem noch gegen Bezahlung erfolgt, dann entsteht eine weitere Gefahr; denn Dinge, die zur spirituellen und astralen Welt zählen, dürfen nicht verkauft werden. Das ist die große Krankheit des amerikanischen Spiritismus, die seine ganze Geschichte erniedrigt und entwürdigt hat. Solange sie nicht ausgerottet ist, wird aus der ganzen Praxis nichts Gutes kommen. Wer die Wahrheit aus der anderen Welt erfahren will, muss sich selbst der Wahrheit widmen und alle finanziellen Betrachtungen außer Acht lassen.

Der Versuch, die psychischen Kräfte aus Neugier oder zu egoistischen Zwecken zu entwickeln, ist aus denselben Gründen ebenso gefährlich wie im Fall der Mediumschaft. Da die heutige Gesellschaft in höchstem Grad selbstsüchtig und auf das persönliche Element aufgebaut ist, werden die Regeln für die richtige Entwicklung dieser Kräfte nicht veröffentlicht. Die Meister der Weisheit haben vielmehr erklärt, dass zuerst die Philosophie und die Ethik erlernt und praktisch angewendet werden müssen, ehe irgendeiner Entwicklung des anderen Ressorts nachgegeben werden darf. Ihre Verurteilung der massenweisen Entwicklung von Medien wird von der Geschichte des Spiritismus bestätigt, die in jeder Hinsicht eine einzige lange Geschichte vom Ruin der Medien darstellt.

Ebenso untauglich ist die Methode der wissenschaftlichen Schulen, die – ohne an die wahre Natur des Menschen zu denken – in hypnotische Experimente stürzen, durch welche die Betroffenen für ihr ganzes Leben verletzt und in unwürdige Situationen versetzt werden. Sie werden dazu gebracht, zur Befriedigung der Forscher Dinge auszuführen, wozu sich Männer und Frauen in normalem Zustand niemals hergeben würden. Die Loge der Meister kümmert sich nicht um die Wissenschaft, solange sie nicht auf die moralische und physische Verbesserung des menschlichen Zustands hinzielt. Sie wird der Wissenschaft erst Hilfe gewähren, wenn sie den Menschen und das Leben vom moralischen und spirituellen Standpunkt aus erfasst. Aus diesem Grund machen jene, die alles über die psychische Welt und deren Bewohner und Gesetze wissen, mit einer Reform der Moral und der Philosophie weiter, ehe sie den seltsamen und verführerischen Phänomenen, die für die inneren Kräfte des Menschen möglich sind, Aufmerksamkeit schenken.

Gegenwärtig ist der Zyklus für dieses Jahrhundert beinahe zu Ende. Wie vor einem Jahrhundert beginnen auch jetzt die Kräfte abzuebben. Aus diesem Grund gehen auch die Phänomene des Spiritismus an Zahl und Ausmaß zurück. Die Loge hofft, dass der Westen sich bis zum Eintreten der nächsten Flut ein richtiges Wissen über die wahre Philosophie des Menschen und der Natur angeeignet hat und dann bereit sein wird, eine weitere kleine Lüftung des Schleiers zu ertragen. Dieses Buch wurde geschrieben, um dem Fortschritt der Menschheit in dieser Richtung zu helfen. Mit diesem Wunsch wird es den Lesern in allen Teilen der Welt unterbreitet.

Fußnoten

1. The Secret Doctrine I: 166, erste Ausgabe. [back]

2. [Der korrekte Sanskrit-Begriff ist Nitya.] [back]

3. [In The Theosophical Forum, Juni 1894, Seite 12 korrigierte das Judge so: „In einem Körper auf dieser Erde oder auf einem anderen Globus.“] [back]

4. Brief von Mahatma K. H., siehe The Path, Bd. 5, S. 191. [back]