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Band 3: Karma

Der praktische Wert von Karma

Die Zukunft ist für viele Menschen unsicher, und man fragt sich, wie man wieder zu normalen Zuständen gelangen kann. Viele sind sich darüber im Klaren, daß sich zuerst die Herzen der Menschen verändern müssen, damit radikale Umgestaltungen von Nutzen sein können.

Die großen Lehrer, von denen zwei die Theosophische Bewegung gründeten, und welche die schwierige Lage voraussahen, sandten ihren Boten, H. P. Blavatsky, damit sie einen Kern universaler Bruderschaft forme. Als notwendige Einleitung hierfür veröffentlichten die Lehrer durch H. P. B. die alten Weisheiten, welche die Grundlage der Ethik sind. Die gängigen Interpretationen der ursprünglichen religiösen Lehren, so wie jede Rasse sie einmal empfing, haben dem Sinn für Gerechtigkeit Gewalt angetan; das tastende Suchen nach der Wahrheit brachte eine große Vielfalt an Sekten hervor, manche gut, andere schlecht, welche die Babylonische Sprachverwirrung übertraf. Nur die alte Weisheitsreligion, die Quelle der großen Religionen und Philosophien aller Zeiten, die Quelle der Künste und Wissenschaften, kann mittels ihrer Universalität und ihres Vermögens, alle Facetten des Denkens zu koordinieren, unserer Welt Harmonie und Gesundheit zurückgeben und die wahre Größe der menschlichen Natur erwecken.

Ein aufrichtiger Glaube an das Gesetz von Karma, bezogen auf das ganze Leben, würde den Charakter unserer Zivilisation schon vollkommen verändern. Diese Aussage mag vielleicht übertrieben klingen, nicht aber für jene, welche die tiefe Bedeutung von Karma verstehen. Es würde eine Erweiterung der gegenwärtigen Lebensanschauung bedeuten, was schon an sich sehr wertvoll wäre. Unsere Vorstellung konzentriert sich auf eine einmalige körperliche Inkarnation, die nicht mehr als ein Augenblick in der Geschichte der Seele ist, und allen Ereignissen in diesem einen Leben wird entweder eine zu große oder eine zu geringe Rolle beigemessen. Der Sinn für Verhältnis und Perspektive ist vollkommen verlorengegangen und kann nur wiedergewonnen werden, wenn der Schleier sich hebt und die unermeßliche Perspektive sichtbar wird. Der gewöhnliche gesunde Menschenverstand würde dann die Fähigkeiten des Urteilens und der Unterscheidung wachrufen, vom Erwachen der spirituellen Natur ganz zu schweigen.

Allmählich würde die Selbstdisziplin wachsen, vielleicht zuerst aus Eigennutz, aber schrittweise würde sie in etwas Größerem aufgehen, bis der Charakter sich radikal verändert hat. Wann immer man zu der Erkenntnis gelangt, daß man Rückschläge sich selbst zuzuschreiben hat, endet das Selbstmitleid und an seine Stelle treten Mut, Willenskraft und Ausdauer. Wenn wir mehr von den Schwierigkeiten und Möglichkeiten der menschlichen Natur verstehen, werden wir uns gegenseitig weniger verurteilen, es wird weniger lieblose Kritik geben und wir werden mehr Freundlichkeit und Geduld für die Versäumnisse anderer aufbringen. Wir alle kennen in unserem Leben das subtile Gift, das uns dazu veranlaßt, andere zu kritisieren, unfreundlich zu beurteilen, ihnen minderwertige Motive zuzuschreiben und so weiter. Und wir wissen auch, wie dadurch viel Freude und Glück im Leben verleidet wird und wie schön hingegen die Atmosphäre ist, wenn statt dessen gesunde Sympathie vorherrscht.

Das Bewußtsein, daß wir die Meister unseres eigenen Schicksals sind, nimmt uns die Furcht davor, daß wir eines Tages durch zufällige Umstände vom Schicksal getroffen werden könnten. Alles, was uns widerfährt gehört zu uns, ist die Folge unseres eigenen Denkens und Handelns in der Vergangenheit. Es ist genau das, was wir brauchen, um über die Mängel und Fehler hinauszuwachsen, welche diese Folgen im Leben hervorriefen. Den Gedanken an eine Strafe, die uns von etwas oder durch jemanden auferlegt wird, müssen wir völlig verbannen. Das bedeutet auch, daß wir uns nicht gegen unser Schicksal wehren sollen, sondern unser Karma akzeptieren oder eine positive Haltung ihm gegenüber einnehmen müssen, damit wir, wie es heißt ‘das Beste daraus machen’, indem wir wissen, daß jede beglichene Rechnung uns zu einem freieren Menschen macht.

Die Menschen, die bequem und gleichgültig sind und wenig Sinn für Verantwortung besitzen, werden, wenn Karma im Denken der Mehrheit der Menschen einen festen Platz eingenommen haben wird, allmählich aufwachen, denn auch sie werden mehr und mehr die kraftspendende mentale Atmosphäre spüren. Wenn die Lehre Karmas allgemeine Anerkennung gefunden haben wird, werden wir nicht länger glauben, irgend etwas umsonst bekommen zu können, oder diejenigen beneiden, die mehr als wir selbst besitzen. Wir werden wissen, daß die Zeit und die aufeinanderfolgenden Zyklen alle Fehler zurechtrücken werden; daß die einzige Möglichkeit, die Schätze des Lebens zu erwerben, darin besteht, sich auf seine Pflicht zu konzentrieren und die Folgen dem Gesetz zu überlassen.

Ein Mensch kann aufgrund der Naturgesetze einfach nicht lange alleine leben; und gerade weil so viele Millionen unverständige und unwissende Menschen das versuchen, gibt es so viel Elend und Unglück in der Welt. Die Geschichte zeigt uns, daß die Größe des Menschen von dem Maße abhängt, in dem er sich selbst vergaß und für die Welt lebte. Dies ist offensichtlich, weil ein großer Mensch ein weites Blickfeld besitzt und sich nicht zufrieden gibt, bevor er nicht das größere Blickfeld betritt. Ein Mensch, der nur für sich selbst lebt, hat eine außerordentlich begrenzte und eingeschränkte Sicht, und nur allzubald sieht er, daß die meisten anderen Menschen dieselbe begrenzte und beschränkte Sicht besitzen. Dadurch entstehen die andauernden Erschütterungen und Konflikte sowie die bedrückenden Schicksalsverwicklungen, die das Herz quälen. Es sind die großen Menschen, die große Dinge anpacken, weil ihre Schau groß ist, und es sind die kleinen Menschen, die aufgrund ihrer Unwissenheit und Torheit und ihrer eingeschränkten Sicht versuchen, sich in einen kleinen Winkel der Selbstheit abzusondern, um dort in unwürdiger Isolierung für sich selbst zu leben. Die Natur wird das nicht lange dulden.

Die Einbildungskraft des Menschen kann durch eine große und herrliche Schau angefeuert werden. Betrachten Sie das Universum um uns herum. Gibt es eine einzige Sonne, ein einziges Atom, das für sich alleine leben kann? Nirgends. Und wenn irgendein einzelnes Element versucht, seinem eigenen selbstsüchtigen Weg zu folgen, stellen sich alle anderen Elemente im Universum dagegen und nach und nach wird es durch den ungeheuren kosmischen Druck gezwungen, in die Ordnung und Harmonie des Universums zurückzukehren. Ein Mensch, der mit der Natur wirkt, der für die Harmonie wirkt, der für Liebe wirkt, für Mitleid und Mitgefühl, für Bruderschaft und Güte, wird erkennen, daß der gesamte evolutionäre Strom der Natur mit ihm ist und für ihn wirkt; und der Mensch, der für Haß wirkt, der für persönlichen Vorteil wirkt, der gegen den Strom schwimmt, der seinen winzigen Willen dem evolvierenden Lebensstrom entgegensetzt, wird den Druck des gesamten und unberechenbaren Gewichts der Natur erleiden.

Es gibt nichts, das einen Menschen intellektuell so lähmt und spirituell so blind werden läßt, wie ein bloßes Beschäftigtsein mit seinen eigenen begrenzten persönlichen Kräften. Darin liegt weder Glück, noch Frieden, noch Weisheit; wenn außerdem ein Mensch diesem Pfade der Beschränktheit folgt, bedeutet das Kampf, es bedeutet Elend, es bedeutet Schmerz und Leiden. Doch ist es … hauptsächlich durch Schmerz, Leid und Elend, den Überdruß an Zank und Streit, daß der Mensch besser lernt und den von der Sonne erleuchteten Weg der Weisheit und des Friedens sucht. Schmerz, Leid und Elend sind daher eigentlich verkleidete Engel; sie sind die Wachstumsschmerzen für zukünftiges Gelingen; die Geburtswehen für kommenden Erfolg. Ihre Schönheit liegt unter Gewändern verborgen, welche Widerwillen wecken; sie sind unsere besten Freunde, weil sie uns auf die spirituellen Kräfte und Fähigkeiten aufmerksam machen, die in latentem und schlafendem Zustand in unserer Seele anwesend sind. Schmerz und Leid stärken unsere moralische Natur. Sie stimulieren unseren Intellekt, rütteln unsere schlafenden und oft kalten Herzen wach und lehren uns Sympathie für andere. Sie machen uns zu wirklichen Menschen.’

– G. DE PURUCKER, The Esoteric Tradition, S. 518-9

Doch während die Natur vorwärtsschreitet und die Räder der Zyklen sich drehen, gibt es einige, die zurückbleiben und ihre Erbschaft aus den Augen verlieren, geblendet von dem Wunsch nach persönlichem Gewinn, von dem Ehrgeiz und der Liebe zur Macht. Daher gibt es heute einige, welche die Gelegenheit zurückweisen, auf welche ihre Seele seit Ewigkeiten gewartet hat. Die Zyklen haben sie und uns an den Punkt früherer Erfolge und früheren Versagens gebracht. Wir und sie sind uns in der Vergangenheit ebenso wie auch in diesem Leben begegnet, und wir werden uns auch in Zukunft wieder treffen. Durch unser heutiges Handeln schaffen wir die Verbindungen, die ihren Fortschritt, ebenso wie unseren eigenen zukünftigen und den der ganzen Menschheit, begünstigen oder ihn beeinträchtigen.

Der kritische Punkt des Zyklus liegt jedoch hinter uns; die schlimmste Feuerprobe ist vorbei; keine Macht im Himmel oder der Hölle kann die aufwärtsführende Entwicklung der Menschheit länger aufhalten. Die Scharen des Lichts siegen bereits.

– KATHERINE TINGLEY, Theosophy: The Path of the Mystic, S. 58-9 (Ausgabe 1977)