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Die Sonne geht immer auf

Seit drei Jahrzehnten hat Sunrise in vielen Teilen der Welt privat und in Büchereien Eingang gefunden, und uns zu einer bedeutungsvollen Partnerschaft verbunden, um die Ideale und Ideen, die die spirituelle Stabilität der menschlichen Rasse erhalten, weiterzugeben. Viele sind jedoch der Meinung, daß Finsternis über unser Zeitalter hereingebrochen sei, und die Aussichten düster seien. Das Leben sei zu einem Chaos ohne Gerechtigkeit und Vergebung geworden. Zugegeben, der derzeitige Zivilisationsstand ist entmutigend, aber gibt es nicht auch Anzeichen für ein erwachendes Weltbewußtsein? Wir haben ein unerschütterliches Vertrauen in die göttlichen Möglichkeiten eines jeden Menschen und in die stete Entfaltung seines evolutionären Planes. Darüber hinaus vertrauen wir darauf, daß die globalen Unruhen, so alarmierend sie auch erscheinen, nur die Geburtswehen einer erleuchteteren und menschlicheren Ära sind. Dennoch wird die Beschaffenheit der Zukunft weitgehend davon abhängen, welche Wahl wir heute treffen. 

Deshalb will Sunrise weiterhin unter dem Banner, ein besseres Verständnis und harmonischere Beziehungen zwischen allen Nationen und Rassen zu fördern, seine ursprünglichen Ziele verfolgen. Diese sind: den Kern der heiligen Weisheit aller Völker herauszukristallisieren und ihn erneut in modernem Gewande darzustellen, um im Bewußtsein der Welt die überragende Botschaft lebendig zu erhalten, daß wir alle den Mount Everest des Geistes besteigen - ein Aufstieg, der viele Leben, vermischt mit Freuden und Schmerzen, einschließt. Tod und Geburt sind dabei so natürlich und unvermeidlich wie die Wiederkehr von Herbst und Frühling, und jedes Teilchen der kosmischen Hierarchie ist ein evolvierender Lebensfunke mit einem unvergleichlich wunderbaren Schicksal, und die Menschheit steht unter dem Schutz einer Bruderschaft von Weisen, in derem Gewahrsam sich die bewiesenen Wahrheiten über Natur und Mensch befinden. Das grundlegende Bemühen von Sunrise wird immer sein, den Universalismus im Denken, in Wort und Tat zu fördern. 

In diesem Zusammenhang erinnern wir an ein Ereignis von spiritueller und geschichtlicher Größe: die Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen in San Francisco/Kalifornien, am 24. Oktober 1945. Ihre erklärten Ziele sind u. a., zukünftige Generationen durch die Förderung des internationalen Friedens vor der Geißel des Krieges zu bewahren, und den Glauben an die Würde und an den Wert des Menschen erneut zu bekräftigen. Seitdem haben zahlreiche Hilfsorganisationen der UN praktische Hilfe und Beistand denen gebracht, die in größter Not waren: Entwicklungsländern, und vor allem, den von Krieg, Hunger- und Naturkatastrophen Vertriebenen. Obwohl der ersehnte Frieden und Gewaltlosigkeit noch ein ferner Traum sind, schmilzt die hinter den Wolken des Mißtrauens aufsteigende Sonne der humanitären Gesinnung die Gletscher der uralten menschlichen Rivalitäten. 

Als die UN 1981 das Internationale Jahr der Behinderten proklamierte, rief sie in einem dringenden Appell die Nationen der Welt auf, allen Menschen, die unter physischen oder emotionalen und mentalen Beeinträchtigungen leiden, die größtmögliche Gelegenheit zu bieten, an der Gemeinschaft und dem nationalen Leben teilzuhaben. Wenn man über den Sinn der physischen oder psychischen Leiden, die einen Menschen behindern, nachdenkt - und auch über die Inanspruchnahme der unendlichen Geduld und Liebe, die an die Familien und die Freunde gestellt wird - muß man fragen: Warum werden manche Menschen in einem gequälten Körper geboren, und andere in der Kindheit oder Jahre später plötzlich durch einen Unfall gelähmt oder von Krankheit befallen? Welches zwingende Schicksal gibt dem einen ein Leben voller Vorteile, während ein anderer, der vielleicht größere Fähigkeiten besitzt, jeden Zoll auf dem Weg erkämpfen muß, um mit einem, den normalen Anforderungen nicht gewachsenen Körper fertig zu werden, der dann oft gezwungen ist, viel intensiver zu arbeiten, um die Seele und den Geist entfalten zu können. 

Wir können die lange und komplizierte Geschichte irgendeiner menschlichen Seele nicht verfolgen, aber wir haben alle zweifellos in vielen Zyklen irdischer Erfahrungen gesät und geerntet, und heute begegnen wir uns selbst, ob behindert oder nicht, als Ernte vergangener Saaten: den uralten, längst vergessenen Handlungen, aber auch den guten Taten, die ohne einen Gedanken an Gewinn getan wurden. Gibt es aber nicht auch ein anderes mystischeres Element, das die vielen Beispiele, in denen ein Genius aus den Fesseln physischer Invalidität hervorbrach, erklären könnte? Hätte Beethoven seine neunte Symphonie komponiert, wenn sein Gehör wieder hergestellt worden wäre, wie er verzweifelt gehofft hatte? Obwohl vollkommen taub, hatte er dennoch unsterbliche Harmonien aus himmlischen Bezirken vernommen und der Nachwelt übermittelt.1 

Mehrere Menschen sind uns bekannt, deren "gefangenes Licht" große Schwierigkeiten hatte, sich in einem fehlerhaften Gehäuse auszudrücken, und dennoch brach es durch. Es wurden nicht nur die zwar begrenzten körperlichen Fähigkeiten bis zum Äußersten genutzt, sondern auch Reserven an mentaler und spiritueller Kraft zum Wohle anderer freigesetzt. Bestimmt ist ein Leben mit einer Behinderung manchmal ein Segen. Vielleicht wurde es von dem Wissenden im Inneren mit Vorbedacht ausgewählt, damit Schmerz, Einsamkeit und Verbitterung, die sich bei den Bemühungen, die Wirkungen der Beeinträchtigung zu überwinden, einstellen, in völligen Einklang mit allen Leidenden umgewandelt werden können, und in den Entschluß, durch liebevolle Führung in der Erziehung, den Willen der anderen zur Selbsterfüllung anzuregen. 

Wird der Kampf um den eigenen Wert nur von den "Behinderten" geführt? Natürlich nicht! Wenn wir unsere Sympathien vertiefen und über die Grenzen der eigenen Schwierigkeiten hinaus erweitern, und wenn wir den Humor und die Würde beobachten, mit denen andere, anscheinend weniger begünstigte als wir, ihre Lebenssituation bewältigen, können wir entdecken, daß diejenigen von uns noch mehr benachteiligt sind, die die größten Schwierigkeiten mit ihren Charakterschwächen haben. Ein wenig Selbstprüfung wirkt therapeutisch, indem sie uns daran erinnert, daß wir alle gemeinsam Bergsteiger sind, und daß diejenigen, die anscheinend weniger vorankommen, sehr wohl jene sein können, die die Hindernisse für sich und andere hinter ihnen aus dem Weg räumen. 

Das bringt uns wieder zu unseren Zielen. Zweifellos sind die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen mehr geistig als materiell: Liebe, Mut, Verstehen, Einsicht, Hoffnung und ein Gefühl für das angestrebte Ziel, und das Wissen, am richtigen Platz zu sein. Sunrise versucht, diese Bedürfnisse anzusprechen, indem es Perspektiven anbietet, die von der theosophischen Tradition abgeleitet wurden, die sich wie ein goldener Faden von der entferntesten Vergangenheit bis zur Gegenwart hinzieht, und deren kosmische Prinzipien auf die speziellen heutigen Probleme, auf soziale und moralische Fragen genauso angewendet werden können, wie auf die wissenschaftlichen Forschungen und Entdeckungen. Was psychische Rituale und Fähigkeiten, alternative Bewußtseinszustände, sowie östliche und westliche Kulturen, Geisteswissenschaften und Methoden der Selbstschulung anbetrifft, bemüht sich Sunrise, einen mittleren Weg zwischen Extremen zu gehen, indem es stets das Vertrauen in die spirituelle Bestimmung der Menschen anzuregen versucht. 

Die göttliche Sonne scheint im Herzen eines jeden Menschen. Sie wird immer von neuem aufgehen, um ihren Glanz auszustrahlen und jeden Teil des Universums zu erleuchten. Walt Whitman besingt es für uns: 

Göttlich bin ich innen und außen und heilige was ich berühre oder was mich berührt, 

Blendend und furchtbar, wie jählings würde der Sonnenaufgang mich töten. 

Könnt ich nicht jetzt und immerdar aus mir selber Sonnenaufgang entsenden. 

Auch wir gehn blendend und furchtbar auf wie die Sonne, 

Wir fanden uns selber, o meine Seele, in der Stille und Kühle der Morgendämmerung. 

Fußnoten

1. Siehe "The Genius of Beethoven", Sunrise, December 1970; sowie "The Heiligenstadt Testament of Ludwig van Beethoven", Sunrise, April 1979 (englische Ausgabe). [back]