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Götter, Menschen und Denkvermögen

Die evolutionäre Erfahrung der Menschheit ist unendlich lang. Unsere Reise durch die Reiche der Natur vom Elementalen und Mineralischen zum Menschlichen und zum Göttlichen umfaßt Zeitläufe, die wir uns nicht vorstellen können. Auf dieser Reise muß es zahllose kritische Punkte gegeben haben, wenn innerhalb unseres Bereiches der bewußten Wahrnehmung - wie dieser auch immer gewesen sein mag - der Drang bestand, vollkommener zu sein, sich der spirituellen Quelle zuzuwenden - wobei dieser Drang vielleicht nur das kosmische Bestreben reflektierte, den Geist in der unerwachten Materie zur Entfaltung zu bringen und in diesem Prozeß die Evolution für Scharen geringerer Lebewesen zu beschleunigen.

Als menschliche Wesen haben wir den magischen Augenblick, als das Denkvermögen erwachte, überschritten - ein Ereignis, das Tausende von Jahren zurückliegt. Erzählungen aus allen Kulturkreisen berichten über die Erweckung der Vernunft im Menschen durch Wesenheiten, die spiritueller waren als er. Die Griechen sagen zum Beispiel, daß Prometheus - ein Symbol derjenigen, die der unerwachten Menschheit Vernunft gaben - als Strafe dafür, daß er den Menschen die Anwendung des "Feuers" (Denken) lehrte, durch Zeus in Ketten gebunden wurde. Er wurde schließlich von Herkules, dem Symbol der erwachten Menschheit, befreit, die, wie er, sowohl Gott als auch Mensch ist. Es ist das Los eines jeden von uns, seinen eigenen Prometheus zu suchen und zu finden, den Gott, der die Flamme seiner Intelligenz vor langer Zeit anzündete und der bis zum heutigen Tag noch sein wachsendes Bewußtsein überwacht.

Damit sich diese Verheißung für unsere Menschheit erfüllen kann, müssen wir lernen, unseren Verstand und Intellekt zu meistern. Wir dürfen durch die Leistungen des Intellekts nicht überheblich werden, denn im Lichte des wahren inneren Wachstums sind die Erzeugnisse des Intellekts an sich nur Illusionen. Obgleich der Verstand der "Vernichter des Wirklichen" sein kann, ist er auch wenn er selbstbewußt gesteuert wird, der Schlüssel, um uns das Tor zur spirituellen Wirklichkeit zu öffnen. Wenn wir lernen, die Anwendung des Intellekts zu kontrollieren, indem wir uns an die Regeln halten, die das Gemeingut aller großen Religions-Philosophien sind, entwickeln wir unseren "sich im schlafenden Zustand befindlichen" Geist Schritt für Schritt weiter, denn die Eigenschaften der Liebe, der Barmherzigkeit, der Harmonie und der Geduld sind Attribute, die der göttlichen Seite in uns angehören.

Das Hervorbringen unserer göttlichen Eigenschaften ist nicht an einem Tag zu bewältigen. Von Zeitalter zu Zeitalter folgt der große Fluß des menschlichen Lebens diesem Lauf der inneren Entfaltung. Die Seele macht in ihren zahllosen Verkörperungen viele Grade des Bewußtwerdens durch, bevor sie jenen erhabenen Moment erreicht, in dem sie völlig vom Geist geboren wird, erfüllt von ihrem eigenen Höheren Selbst. Einige Glaubensbekenntnisse behaupten, daß die Hingabe an die Göttlichkeit in uns durch die Offenbarung dieser Göttlichkeit im Menschen begleitet wird, was zweifellos durch die Stärke der Ergebenheit zustande kommt. Wahrscheinlich ruft jede Handlung, die das Innere erreicht, eine entsprechende Reaktion der höheren Natur des Betreffenden hervor.

Gewiß sind die Wege, die die Menschheit auf ihrer Suche nach spiritueller Erfüllung beschreitet, sehr vielseitig. Jeder Weg reflektiert die Art der Seele, die ihn beschreitet und ist ein genaues Bild einer besonderen karmischen Entfaltung, deren Ursachen über viele Leben verfolgt werden können. Doch jeder Pfad muß - ganz gleich ob einem orthodoxen religiösen Glauben gefolgt wird oder nicht - schließlich zu demselben Ziel führen. Letztendlich wird es jedem von uns gelingen, mit seinem Höheren Selbst eins zu werden, seinen Prometheus zu befreien. Durch unsere Bemühungen und Handlungen bringen wir unseren inneren Gott hervor, der jetzt latent vorhanden ist; und, so paradox es erscheinen mag, wir werden auch der Gott, der uns vor so vielen Jahren mit Intelligenz ausstattete. Es gibt zahllose Anlässe auf diesem Pfad der Entwicklung, in denen wir in zunehmendem Maße sowohl unser eigenes noch nicht selbstbewußtes spirituelles Zentrum als auch den Gott, der dieses Zentrum erleuchtet, erkennen und zum Ausdruck bringen, bis schließlich das vollständige Erfülltsein eingetreten ist. Vielleicht kann man den wirklichen Zustand der Gottheit, die die mentale Natur entfacht hat, nur erfahren, wenn man durch eigene Anstrengung ein Gott wird. Dann können wir wahrlich sagen, daß wir wiedergeboren wurden, aber im Geiste und nicht im Fleisch. Das Denkvermögen, das von den Göttern in alten Zeiten erweckt wurde, ist nur das Mittel, um dieses Wunder zu vollziehen, damit wir so werden können, wie sie sind.