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Der Zauberlehrling

Wir alle wissen, daß wir nichts umsonst bekommen können, und dennoch verdienen sich Schwindler, die vertrauenerweckend aussehen, einen einträglichen Lebensunterhalt, indem sie Jahr für Jahr Menschen täuschen, die so begierig sind, etwas umsonst zu erhalten, daß sie die Wahrheit dieses alten Sprichwortes ignorieren. Die Betrogenen verlieren große Geldsummen an diese skrupellosen Menschen, deren Erfolg nur auf der Fähigkeit beruht, die Schwäche der menschlichen Natur herauszufinden und auszunutzen. Die Notlagen, die sich aus solchen Schwindeleien ergeben, sind oft tragisch und treffen vor allem die Älteren. Ein solcher Betrüger kann jedoch nie gefährlich werden, wenn in den Menschen nicht schon Selbstsucht vorherrscht, die er ausnutzen kann.

Auf einem anderen Gebiet, das mit dem weltlichen Leben nichts zu tun hat, bieten sich unbedachtsame Menschen wiederum als eine andere Art Beute an. Ich meine damit die allgemein zunehmende Vorliebe für okkulte Künste und psychische Übungen, womit fast ausnahmslos die menschliche Natur ausgenützt wird, indem man sich an ihre selbstsüchtige Seite wendet. Wie populär solche Methoden sind, war aus einem Katalog zu ersehen, der neulich mit der Post kam. Folgende Anzeigen sind Beispiele dafür:

Metaphysische Befähigungen können Ihnen dazu verhelfen, erstaunliche Macht über Menschen und Geschehnisse zu erlangen: Geld, materielle Dinge und Vorteile, die man im Leben gern haben möchte, von Menschen zu gewinnen und aus den jeweiligen Umständen abzuleiten! Machen auch Sie phantastische astrale Reisen in die Dimensionen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft, indem Sie Ihren Körper verlassen!

Dies ist das Geheimnis des vollkommenen Lebens - magische Worte, wie Drucktasten, bereit, jeden Wunsch zu erfüllen oder jegliche Not zu beseitigen. Sie können alles damit erreichen.

... auch Sie können alle Situationen meistern und sich alle Menschen untertan machen, auch Sie bekommen eine Antwort auf Ihr innigstes Gebet, sogar Ihre gewagtesten persönlichen Träume werden wahr!

Den meisten von uns ist die Idee zuwider, Gewalt über einen anderen gewinnen zu wollen oder die Fähigkeit zu besitzen, in das Gemüt eines anderen einzudringen, oder daß wir jemandem (mit oder ohne sein Wissen) unseren Willen aufzwingen möchten. Wir finden es auch nicht in Ordnung, wenn man meint, Gebete seien schlechtweg die Mittel, um selbstsüchtige, persönliche Ziele zu erreichen. Doch genauso, wie Männer und Frauen immer wieder auf gerissene Schwindler hereinfallen, bereit, um ihre Ersparnisse geprellt zu werden, genauso gelingt es auch dem 'Blendwerk' der okkulten Künste immer wieder, mit den Neugierigen und jenen, die vielleicht unbewußt nach Macht und neuen Sensationen hungern, manchen aufrichtig nach Wahrheit Suchenden anzuziehen. Der Preis für solche Abenteuer ins Unbekannte ist jedoch hoch, und die Folgen sind weitaus schrecklicher als jeglicher finanzielle Verlust.

Aus diesem Grunde ist es vielleicht angebracht, ein problematisches Buch1, das sich direkt und indirekt mit Zauberei befaßt, kritisch zu betrachten. Obwohl diese Publikation keine weite Verbreitung finden wird, werden jene, die es lesen, vermutlich in Versuchung kommen, es entweder zu überschätzen, indem sie die Lehren und Methoden als echt spirituell annehmen, oder die Stichhaltigkeit der erlebten Halluzinationen, die dabei betrachtet werden, zu bagatellisieren und damit zu bestreiten, daß für jemanden, der sich damit befaßt, eine wirkliche Gefahr besteht. Meiner Meinung nach wird eine Bewertung weder den anzuerkennenden noch den zu verwerfenden Dingen dieses Buches gerecht werden.

Der Verfasser, Carlos Castaneda aus Südamerika, berichtet von seinen Erlebnissen, die er als Student der Anthropologie an der Universität von Los Angeles in Kalifornien gehabt hat. Sein besonderes Interesse bestand darin, Einzelheiten über verschiedene medizinische Pflanzen, die von den Indianern verwendet wurden, zu erhalten. Auf einer Informationsreise nach Arizona im Sommer 1960 begegnete er ganz zufällig Don Juan, einem alten Yaqui Indianer, der aus Sonora in Mexiko stammte. Mit der Zeit erfuhr er, daß die Menschen, die Don Juan kannten, glaubten, er sei ein brujo, das spanische Wort für Medizinmann oder Zauberer, jemand, "der außergewöhnliche und für gewöhnlich böse Kräfte besitzt." Don Juan sprach von seinem eigenen Lehrer als einem diablero, was "sich auf einen bösen Menschen bezieht, der schwarze Magie ausübt und imstande ist, sich in ein Tier zu verwandeln - einen Vogel, einen Hund, einen Coyoten oder in irgendeine andere Kreatur." Nach vielen Begegnungen, die sich über ein Jahr verteilten, bot Don Juan Castaneda an, ihn als seinen "Lehrling" anzunehmen, warnte ihn aber gleichzeitig vor dem Ernst, der in diesem Schritt lag.

Die Hilfsmittel, die Don Juan kannte und die er verwendete, um Einsicht und Wissen zu erlangen, waren natürlich jene seines diablero. Es sind tatsächlich die Werkzeuge der schwarzen Magie, schreckenerregend und aus einer Atmosphäre, die stark von Wodu beeinflußt wird: Blut und Gifttränke, gemarterte Geschöpfe, magische Beschwörungen, Transformationen und mehr. Wäre das alles, so wäre das Buch nur eine nervenkitzelnde Schilderung über schwarze Kunst und sonst belanglos. Der wichtigste, dabei alles andere überwiegende Faktor dabei ist, daß es Don Juans Charakter ist, der es ermöglicht, die weisen und oft schönen Ideen zu übermitteln, die er trotz der dekadenten Hilfsmittel, an die er gebunden ist, gefunden hat.

Es ist nicht notwendig, einen ins Einzelne gehenden Bericht zu geben oder die verschiedenen Trancen ausführlich zu schildern, in die der Verfasser fiel, als er, immer unter der Obhut und Aufsicht von Don Juan, die drei üblichen, Halluzination erregenden Drogen ausprobierte: Meskalin (peyote), Stechapfelkraut (Jimson weed) und gewisse Pilze. Alle Zubereitungen, die aus diesen Pflanzen hergestellt wurden, erzeugten verblüffende Wirkungen, die normalerweise mit intensiven physischen und emotionellen Beschwerden der einen oder anderen Art verbunden waren, und es war offensichtlich, daß der Einnehmende vermutlich sterben oder wahnsinnig werden würde, wenn eine dieser Drogen falsch oder ohne entsprechende Anleitung genommen würde.

Es ist von Bedeutung, daß die vollkommene Unwissenheit Castanedas in diesen Dingen der größte Schutz für ihn war, obwohl die Geduld des Unterweisenden und seine sorgfältige Beachtung und Kontrolle des Vorgehens, eine Kenntnis voraussetzten, was seinem Lehrling zugemutet werden konnte. Es gibt nur einen unangenehmen Vorfall in diesem Buch, aber viele Beschreibungen sind nichts weiter als schockierend. Ist dann plötzlich ein besonderes Stück Weisheit oder Schönheit zu finden, so ist man beeindruckt und dankbar. Das ist das Rätselhafte an Don Juan. Man könnte meinen, zwei gegensätzliche Kräfte arbeiteten in ihm: Durch die Bindung an alte schwarzmagische Praktiken erhielt er eine Vision, und dennoch, hatte er sein Ziel erreicht, so war er manchmal von seinen niederen Werkzeugen teilweise gelöst, auch wenn er sie benutzt hatte, um die Vision zu erhalten.

Den spirituellen Lehrer kennzeichnen besondere Eigenschaften. Eine davon ist Selbstlosigkeit, eine andere der Wunsch, der Menschheit zu helfen und zu dienen. In dieser Hinsicht ist Don Juan weder groß noch spirituell, aber er ist ungewöhnlich. Sein Leben hat für seine Mitmenschen wenig Wert gehabt; er ist nicht gegen Tötung; voller Stolz spricht er davon, Macht über andere zu haben und von der Fähigkeit, durch Zauberei einem Feind schaden zu können. Und doch, paradoxerweise, kann er wunderbare Gedanken hervorbringen. Eine der schönsten Stellen in dem Buch ist ein Gespräch mit seinem Schüler über die wenigen "wissenden Menschen" und über die Feinde, die die meisten Menschen daran hindern, Wissende zu werden. Er erklärt, daß bei einem Menschen, sobald er anfängt zu lernen, nichts mehr genauso verläuft, wie er es voraussetzte. Alles kommt anders, und nach geraumer Zeit begegnet er seinem ersten Feind: Furcht. Nur wenn er seiner Furcht widersteht, beständig voranschreitet und nicht beachtet, daß er immer von Furcht erfüllt ist, wird dieser Feind überwunden und es wird ihm möglich, "eine geistige Klarheit zu erhalten, die die Furcht auslöscht." Merkt ein Mensch, daß er durch diese Klarheit alles versteht, dann wird diese Klarheit sein zweiter Feind. Er glaubt sich allwissend.

Er wird drängen, wenn er geduldig sein sollte, oder er wird zögern, wenn er vorwärts eilen sollte. Er wird sich mit Lernen abmühen, bis er schließlich nicht mehr imstande ist, noch mehr zu lernen.

Deshalb muß jeder zuerst begrenzt Klarheit gewinnen, bevor er alles erkennen kann. Ist erst einmal Klarheit erreicht, dann steht er seinem dritten und stärksten Feind gegenüber: der Macht.

An diesem Punkt wird er wissen, daß die Macht, der er so lange nachgejagt ist, nun endlich sein ist. Er kann mit ihr anfangen, was immer er will. ... Er befiehlt, er fängt an, berechnete Risiken einzugehen und endet damit, daß er Gewalt ausübt, weil er ein Meister ist. In diesem Stadium sieht ein Mensch kaum den dritten Feind, der in ihm eingeschlossen ist. Und plötzlich, ohne es zu wissen, wird er bestimmt die Schlacht verloren haben. Sein Feind wird ihn in einen grausamen, launischen Menschen verwandelt haben.

Deshalb muß er der Macht bewußt widerstehen, indem er begreift, daß "die Macht, die er anscheinend errungen hat, in Wirklichkeit niemals ihm gehört. ... Dann wird er wissen, wann und wie seine Macht anzuwenden ist."

Schließlich "wird der Mensch fast ohne Warnung zum letzten seiner Feinde kommen: dem Altern! Dieser Feind ist der grausamste von allen, den er niemals vollkommen besiegen kann, den er nur bekämpfen kann."

Wenn er hier dem Verlangen, sich hinzulegen und zu vergessen, vollständig nachgibt, wenn er im Vergessen Ruhe sucht, so wird er seine letzte Runde verloren haben, und sein Feind wird ihn in ein altes, schwaches Geschöpf verwandeln. Sein Verlangen, sich zurückzuziehen wird seine ganze Klarheit, seine Kraft und sein Wissen überdecken. Schüttelt jedoch der Mensch seine Müdigkeit ab und nimmt sein Schicksal auf sich, dann kann er ein 'Wissender' genannt werden, wenn auch nur für den kurzen Augenblick, in dem er erfolgreich seinen letzten, unbesiegbaren Feind vertreibt. Dieser Augenblick voll Klarheit, Kraft und Wissen ist ausreichend.

Nach einem besonders furchterregenden psychischen Kampf beendet Carlos Castaneda seine Schilderung. Er schrieb noch eine strukturelle Analyse (der zweite Abschnitt des Buches). Sie scheint ein Versuch zu sein, der beweisen soll (vielleicht mehr sich selbst als den anderen), daß die Lehren des Don Juan "inneren Zusammenhang und logische Konsequenz" hätten und somit ein "komplexes System von Überzeugungen" darstellten, "ein Erlebnis, das zum Triumpf führte." Jedoch die Art und Weise, wie sein Unterweiser den zweifelhaften Pfad beschreitet, macht es äußerst schwierig, diese Schlußfolgerung zu akzeptieren.

Vielen jungen Menschen, die trotzdem unbekümmert mit künstlichen Mitteln nach Euphorie suchen, oft nur des Nervenkitzels wegen, mag die Warnung, die Don Juan seinem unwissenden aber willigen Schüler so deutlich gegeben hat, helfen, die wilden Experimente der Jugend zu zügeln. Die Astralebene, auf deren niedrigsten Stufen sich die Opfer der Halluzination befinden, hat keinen Kindergarten, keinen geduldigen Lehrer, keinen Führer. Auf ihr lauert unbekannte Gefahr, und nicht immer können wir sicher sein, ob wir die Manifestationen erkennen oder beherrschen. Doch Reinheit des Herzens und selbstlose Motivierung, so wie es bei Carlos Castaneda der Fall war, sind ein Schwert und Schild. Es ist töricht abzuleugnen, daß außer unserer Ebene noch andere existieren, aber noch dümmer ist es, wissentlich oder durch Drogen in dieses verbotene Gebiet Einlaß zu suchen, ehe wir nicht die Lampe der vollen Erkenntnis in uns angesteckt haben, die spirituelle Flamme, die allein uns sicher durch jegliche verderbenbringenden Situationen führen kann.

Für jene, die nach okkulten Kräften verlangen, könnte dieses Buch, wenn es sie ermutigte, an ähnlichen schädlichen Praktiken teilzunehmen, gefährlich sein. Andererseits ist die Gefahr gering, da die beschriebenen Methoden im großen und ganzen zu abstoßend sind, um eine Versuchung aufkommen zu lassen. Ich habe aus diesem Buch ersehen, daß ein willensstarker Mensch wie Don Juan, der grundsätzlich gut und anständig war, die Gefahr überstehen, oder sich über seine Umgebung hinaus erheben kann, selbst wenn jene Umgebung die Übungen unter Anleitung eines Schwarzmagiers mit einschloß. Hierin liegt der wahre Wert seiner Lehren.

Im täglichen Leben geben wir zu, daß wir nichts umsonst bekommen können. Dieses Prinzip gilt auch für geistige Dinge. In seiner reinsten Bedeutung ist Okkultismus Altruismus, etwas, das wenig zu tun hat mit okkulten Künsten, die von Menschen, die nicht im geringsten spirituell sind, gemeistert werden können. Die Welt ist voll von Menschen, die versuchen einem leichtgläubigen Publikum Messing anstatt Gold zu geben, die Abkürzungen anbieten, die in Wahrheit nur Sackgassen sind. Um sicher zu gehen, daß wir kein Opfer für Dinge werden, die nur so scheinen als seien sie gut und rein, brauchen wir nur zu fragen: "Befriedigt dieser Pfad meine selbstsüchtigen Wünsche oder zeigt er den Weg zu einem Leben in Selbstlosigkeit und Hilfsbereitschaft?"

Fußnoten

1. The Teachings of Don Juan, A Yaqui Way of Knowledge, by Carlos Castaneda, University of California Press, 1968. (Die Lehren des Don Juan, der Weg zum Wissen eines Yaqui, von Carlos Castaneda, University of California Press, 1968) [back]