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Einer neuen Wissenschaft über den Menschen entgegen

Geh' nicht nach außen,

Kehr' zurück zu Dir selbst,

Wahrheit wohnt im Innern des Menschen.

(In interiore homine veritas habitat)

- St. Augustin

 

 

 

Eine Geschichte erzählt, daß Galilei sehr betroffen war, als er, nachdem er den Himmel mit seinem Teleskop abgesucht hatte, kein Zeichen der Gottheit finden konnte. Diese 'Geschichte' könnte vielleicht als der Beginn des wissenschaftlichen Zeitalters, der Ära des wissenschaftlichen Materialismus angesehen werden. Die auf diese Weise vor 400 Jahren begonnene Revolution gab der Idee Antrieb, daß nur materielle Dinge Substanz haben; denn zur gleichen Zeit in der die Kirche auf der buchstäblichen Auslegung der großen Allegorien über die Schöpfungsgeschichte bestand, verlor das Zeitalter der Entdeckung bald das Vertrauen an das Wesen und die Macht des Spirituellen. Das 19. Jahrhundert erlebte den Höhepunkt dieser Tendenz in der Überzeugung, daß das Gemüt gänzlich von der "Materie" abhängt und von ihr erzeugt wird.

Die aufgeklärteren Philosophen oder Wissenschaftler von heute geben den Austausch von Materie und Energie zu und sagen einfach: Wir kennen nur die Erscheinungen von Materie und Energie; wir wissen nicht, was hinter ihnen steht. Ohne Zweifel muß es ein Kausalprinzip geben, das der Philosoph mit dem ziemlich unbestimmten Ausdruck noumenon bezeichnet - das, was als hinter den Erscheinungen stehend anerkannt wird; aber keine Methode der Beweisführung kann die Existenz von Gemüt oder von Materie beweisen oder ableugnen. Diese Wörter sind bloße Symbole, die für etwas stehen, das unbekannt und unerforscht ist - vorausgesetzt und angenommen oder verleugnet und zurückgewiesen wird, je nach dem Geist der Zeit. Es gibt nichts, das den betrachtenden Philosophen, der sich mit Metaphysik (der Philosophie des Seins) befaßt, hindern kann, das Gemüt oder die Seele als biochemische Erscheinung, das heißt als Nebenprodukte der Tätigkeit von Elektronen, oder umgekehrt das Benehmen von Elektronen oder die wohlgeordnete, 'wunderbare' Zusammenballung von Molekülen als Manifestationen eines alles durchdringenden Bewußtseins und einer solchen Intelligenz zu betrachten.

Die wissenschaftlichen Entdeckungen unseres Zeitalters müssen augenscheinlich nicht nur einen Einfluß auf die physischen Verhältnisse der Menschheit haben, sondern auch individuell und kollektiv auf unsere mentale Anschauung. Wir verlangen eine Erklärung: Was bedeutet das Atom für uns? Wie beeinflußt das 'sich ausdehnende Universum' unser Leben? Hat das individuelle Dasein einen Zweck? Kurz, wie sind die Welt der Tatsachen und die Welt der sittlichen Werte verwandt? Was wird die Zukunft bringen? Der Wissenschaftler findet sich in die Enge getrieben! Als Mensch kann er ein 'Materialist' oder ein 'Idealist' sein, aber seine Feststellungen sind weder das eine noch das andere; er hält sich an die wissenschaftliche Methode, die die Erscheinungen beobachtet und in Klassen einteilt, sie jedoch nicht erklärt. Die Wissenschaft ist auf diese Weise überpersönlich - deshalb wird der vorsichtige Forscher sagen: "Sobald ich eine Erklärung abgebe, bin ich nicht mehr wissenschaftlich, und ich weiß nicht genügend über philosophische Systeme und Methoden, um philosophieren zu können. Was ich glaube, ist (zum Unterschied von dem, was ich weiß) meine private Angelegenheit." Die gleiche Neigung zur Absonderung finden wir bei den Philosophen, die die Entdeckungen der Physik auf ein nur dem Nützlichen dienendes Feld verweisen; "Die Venus-Sonde? Die Ranger-Geschosse? Gewiß, sie können uns eine Gelegenheit zur Beobachtung der Wetterverhältnisse vermitteln oder um mehr über den Mond zu erfahren. Biochemie? Sie wird uns helfen bessere Ernten zu erzeugen und Krankheiten auszurotten."

Aber es bestehen deutliche Anzeichen für eine intellektuelle Revolte. Die jüngere Generation der Lehrer und Professoren als Humanisten fordern von ihren Kollegen der Naturwissenschaft eine Sprache, die man verstehen kann und die Tatsachen und Entdeckungen in einer für den Nichtphysiker begreiflichen Weise darbietet. Es besteht ein hartnäckiger Wunsch zu wissen: Wie beeinflußt mich das alles als Mensch? Wie hilft es mir zu entdecken, warum ich hier bin und wohin ich gehe? Es herrscht ein Verlangen nach einer Wissenschaft über den Menschen.

Heute werden die galaktischen Systeme und die subatomaren Ebenen durch Symbole beschrieben - durch theoretische und mathematische Begriffe, die vollkommen jeden "Inhalts entbehren", weil sie von der alltäglichen Erfahrung getrennt sind. Lincoln Barnett legt in seinem glänzenden Werk The Universe and Dr. Einstein die Lage anschaulich dar:

Der Philosoph und Mystiker und auch der Wissenschaftler hoben durch ihre verschiedenen Disziplinen immer gesucht ... zu einem Wissen über die letzte unveränderliche Essenz zu gelangen, die der veränderlichen illusorischen Welt zu Grunde liegt. Vor mehr als dreiundzwanzighundert Jahren erklärte Plato, "Der wahre Weisheitsliebende strebt immer nach dem Seienden. ... Er wird sich nicht mit jenen zahlreichen Erscheinungen zufrieden geben, die nur scheinbar existieren."

Aber die Ironie beim Suchen des Menschen nach der Wirklichkeit ist, daß wenn die Natur ihrer Verkleidungen entledigt wird, wenn Ordnung hinter dem Chaos und Einheit aus der Verschiedenheit auftauchen, wenn sich Begriffe verschmelzen und grundlegende Gesetze eine immer einfachere Form annehmen, entfernt sich das sich entfaltende Bild immer mehr von der Erfahrung - es wird tatsächlich weit fremdartiger und weniger erkennbar, als der Knochenbau hinter einem vertrauten Gesicht. Denn wo die Geometrie eines Schädels den Umriß des Gewebes bestimmt, das ihn umschließt, besteht keine Ähnlichkeit zwischen dem Bilde eines von unseren Sinnen beschriebenen Baumes und dem durch Wellenmechanik gelieferten, oder zwischen einem Blick in den Sternenhimmel in einer Sommernacht und dem vierdimensionalen Kontinuum, das den euklidischen Raum verdrängte.

- p. 113 (Mentor paperback)

Das Weltbild hat wirklich "mit Erfahrung nichts gemein" und es erhebt sich die Frage, welchen Wert ein Universum für den Menschen hat, das er nicht empfinden oder begreifen kann. Die Formel, zu der die Giganten des Geistes gelangten, die mathematische Vereinigung von Raum-Zeit-Masse-Energie-Schwerkraft, stellt ein formloses Jetzt dar. Wenn wir in das Herz der Materie vordringen und in den Mikrokosmos der subatomaren Naturwissenschaft hinabsteigen, finden wir auch eine formlose Welt eines mit Energie geladenen, durch abstrakte Symbole beschriebenem grauen Nichts: eine farblose, tonlose, unerprobbare Sphäre von Schatten - eine Leere. Seltsam genug, für den reinen Wissenschaftler ist dieses Reich der Abstraktionen nur ein Abteil des Wissens, aus dem er heiter in die "illusorische Welt" der Erscheinungen hinaustreten und mit seiner Familie eine Autofahrt in die Berge oder an die See machen kann, die erst gestern in dem Zeit-Raum-Energie Feld, das die absolute Wirklichkeit seiner mathematischen Berechnungen darstellt, weniger als eine kleine sich kräuselnde Welle waren!

"Wenn die Natur ihrer Verkleidungen entkleidet wird, wenn Ordnung hinter dem Chaos und Einheit aus der Verschiedenheit auftauchen." ... Der ernste Denker könnte fragen, ob in diesen schwerverständlichen Spekulationen nicht nur eine Verkleidung durch eine andere ersetzt wird und ob diese mißgestaltete Welt wirklich 'Ordnung' darstellt - ob der ursprüngliche Prozeß der Synthese und Vereinigung nicht einen Wendepunkt erreichte und nun zu Auflösung, Verwirrung und Chaos führt. Damit soll nicht geleugnet werden, daß der reine Wissenschaftler durch Berechnung und abstraktes Denken möglicherweise irgendwie den nichtphysischen 'Boden des Seins', einen unendlich kleinen Teil des Gewandes der prima materia, des ursprünglichen "Stoffes", aus dem alles gemacht ist, berührte. Aber Erschaffung besteht, Verschiedenheit existiert und Differenzierung bildet die Grundlage allen Lebens.

Die Materie wurde unter dem Vergrößerungsglas der Atomphysik erforscht (wiewohl bis jetzt niemand ein Atom 'gesehen' hat) und entdeckt wurde ein mit Energie geladener Raum. Bei jeder Vergrößerung gibt es einen Punkt, an dem Identitäten verschwinden und in einem verschwommenen Ganzen aufzugehen scheinen. Wo vorher ein Bild der Ordnung beobachtet wurde, zeigt sich jetzt die Verschwommenheit der übermäßigen Vergrößerung, die bezüglich der Wirklichkeit und hinsichtlich jeder 'Art' Erfahrung nichtssagend ist. Während Barnett in der Entblößung der Natur von all ihren Verkleidungen einen Vereinigungsprozeß und in der Auflösung der Verschiedenheit Ordnung aus dem Chaos auftauchen sieht, wird von anderen Wissenschaftlern die gegenteilige Anschauung vertreten, die glauben, daß die Evolution des Universums (wie sie uns erscheint, das heißt, in Beziehung zu uns als Beobachter) auf eine Ausdehnung und Zerstreuung der ursprünglich konzentrierten Materie-Energie, die sich nach jeder Richtung verändert, begründet ist: "von Ordnung zum Unbeabsichtigten, von der Organisation zur Zerstreuung, von der Konzentration zur Ausweitung." (Professor J. Bronowski in einer kürzlichen Fernsehsendung des B. B. C.) Er sagt, in dieser Art Universum "finden Naturwunder und wunderbare und geheimnisvolle Ereignisse statt!" Es ist schwer, sich vorzustellen, wie ein Ereignis wunderbar und geheimnisvoll sein kann, aber das scheint ein Zugeständnis zu das Professor Bronowski und die Schule, die er vertritt, dem Unbekannten zu machen bereit sind.

In dieser besonderen Auffassung wird die Zeit als eine abgesonderte und getrennte kosmische Erscheinung betrachtet: das Universum bewegt sich in der Zeit auf ein vollkommenes Gleichgewicht zu; die Zeit verbindet die physischen Ereignisse, die unvermeidlich auf ein "Ziel" zutreiben. Es ist der kosmologische Begriff von der Geburt eines Universums in der Zeit (ein Anfang) aus einem übermäßig dichten Zustand der Energie heraus, das sich entwickelt und dabei erzeugt, was die andere Schule "die Verkleidungen der Natur" nennt, die unendlich verschiedenen Manifestationen von Sonnen zu Kometen, von den Bäumen bis zu den Bergen. Ein solches Universum wird "ein Ende in der Zeit" haben, denn die Zeit ist der große Gleichmacher (Bronowski). Die Frage, was sich nach dem Ende ereignet, wird offen gelassen! Es wird oft angedeutet, daß im Gleichgewicht befindliche Universen gradweise immer unsubstantieller werden, bis sie in den Wirbel von bis jetzt unerklärten kosmischen Kräften in eine andere Dimension, eingesogen werden, um zu einem neuen winzigen Teil der Schöpfung 'zusammengefaßt' zu werden; und dann beginnt der große Zyklus von neuem.

Diese Auffassung ist den Schöpfungsgeschichten sonderbar ähnlich, die nicht nur in der Bibel, sondern bei allen Rassen und Völkern zu finden sind, wie weit diese auch voneinander getrennt leben. Eine in den Mysterienschulen des Altertums gelehrte Lehre lautete "Nichts ist erschaffen, sondern alles ist umgewandelt." Und noch eine andere seltsame Geschichte kann man hören: Während sich die 'erprobten' Universen mit der Zeit von Konzentration und Organisation zur Diffusion bewegen, zeigt sich eine "wunderbare" Erscheinung, die der Zeit entgegenwirkt: Das sich fortschreitend zu höheren Formen fortbewegende Leben (Bronowski). Ist das ein "zufälliges Wunder"?

Der berühmte Physiker Professor Erwin Schrödinger war der erste, der zeigte, daß "das Leben nicht den Gesetzen der Physik gehorcht." Wir haben so das fesselnde Bild von zwei in entgegengesetzten Spiralen verlaufenden Strömungen: das sich zu immer vervollkommneteren und höheren organischen Formen entwickelnde Leben, während die kosmische Materie-Energie auf eine Umwandlung von Bewegung in Hitze (Entropie) hinzustreben scheint. Lecomte du Noüy (Human Destiny) und in neuerer Zeit Teilhard de Chardin (The Phenomenon of Man) zeigen, daß wir mit der wachsenden Organisation und Integration des Lebens eine Zunahme des Bewußtseins erfahren - jenes geheimnisvolle 'Etwas', das sich nicht in das Fachwerk von Raum und Zeit zwängen läßt. Bewußtsein und Denken haben kein Gewicht, erfordern keine Dimensionen und lassen sich in keine mathematische Abstraktion einfügen.

Das Leben als solches gehört ohne Zweifel zum physischen Universum, während das Bewußtsein, wenn es überhaupt eine Dimension besitzt, einer Ebene außerhalb des vereinigten Raum-Zeit-Energie Kontinuums, wie es sich die moderne Physik vorstellt, angehören muß. Sich Gedanken zu machen ob das Leben der Träger des Bewußtseins oder das Bewußtsein der Träger des Lebens ist, liegt ebenfalls außerhalb des wissenschaftlichen Forschungsfeldes, in dem, wie gesagt, Erscheinungen nur beobachtet und registriert werden können. Vom Gesichtspunkt der philosophischen Spekulation betrachtet ist das Erscheinen des Lebens genau so rätselhaft, wie die Manifestation des Bewußtsein; vielleicht sind beide identisch.

Selbst von den extremsten Vertretern der mechanistischen Schule kann keines von beiden abgeleugnet werden. Denn Bewußtsein ist die einzige Realität, von der wir unmittelbares Wissen haben. Es ist das einzige Tor der Erkenntnis, durch das wir über die übrige Welt oder über die Entfernungen der Milchstraßen Erfahrung sammeln können. Aber diese einzige Realität, deren sich der Mensch sicher ist, ist nicht materiell. Ihre Existenz kann nicht bewiesen werden, bedarf auch keines Beweises, denn sie ist das Sein selbst. Viele Philosophen sagen, was bewiesen werden muß, ist die Wirklichkeit der äußeren Welt! Was von dem intelligenten Laien nicht genügend begriffen wird ist, daß die modernste Physik unbedingt und deutlich auf Bewußtsein begründet ist und daß alle Beobachtungen und die davon abgeleiteten Gesetze relativ für den Beobachter sind, der die Gesetze des Universums nur durch jenes immaterielle, unbewiesene, unmeßbare 'Etwas', das Bewußtsein wahrnehmen, in Wechselbeziehung bringen und folgern kann.

Die moderne wissenschaftliche Theorie weist so auf Erscheinungen von entgegengesetzten Spiralen hin: ein Universum, "das in Richtung der Auflösung nach einem Anfangszustand hin schwingt", um Professor E. J. Öpik, Astronom am Armagh Observatorium, N. Irland, zu zitieren. Die Materie wird allmählich zerstreut - das könnte man als einen Prozeß der Involution betrachten; gleichzeitig findet eine Evolution statt - das Leben entwickelt sich zu höheren Formen der Rangordnung, gepaart mit einer sich weitenden, sich ergänzenden, immateriellen Wirklichkeit (der Ausdruck spirituelle Wirklichkeit ist vielleicht nicht so ganz unangebracht). Dieses Wirken ist Bewußtsein. Noch einen anderen faszinierenden und noch unerklärlichen Aspekt gibt es, der sich als resiprokale und komplementäre Aktion zeigt: Wie wir den Feststellungen der Astronomen entnehmen, hängt die Struktur der Universen vom Wasserstoff, dem Rohmaterial, aus dem alle Dinge geschaffen sind, ab, während der Kohlenstoff den wesentlichen Baustein des Lebens bildet. Hier finden wir wieder die gegenseitige Tätigkeit von Kräften: der Wasserstoff ist die Quelle aller Energie (Umwandlung von Wasserstoff in Helium) und Kohlenstoff ist einzigartig als Katalisator des Lebens. Das Kohlenstoffatom birgt die erstaunliche, 'wunderbare' Fähigkeit in sich, die kompliziertesten Strukturen wie das Protein, das Vehikel des Lebens, zu erzeugen.

Bronowski nannte Leben und Bewußtsein ein zufälliges Ereignis. Als einer der führenden Mathematiker unserer Zeit weiß er natürlich sehr gut, daß ein zufälliges Erscheinen des Lebens auf Grund der Gesetze der Wahrscheinlichkeit - oder schließlich, die zufällige Zusammensetzung irgendeiner molekularen Struktur - ist gleich Null. Doch er nennt das, was nicht bewiesen werden kann und nicht in die aufgestellten Regeln paßt, "ein wunderbarer Zufall". Aber wir wollen dem Professor gegenüber fair sein, das Wort "accident" kann auch in dem Sinne von "irgend etwas, das sich ereignet", "ein ungewöhnliches Ereignis" gebraucht werden. (The Shorter Oxford Dictionary). Das Wort bedeutet nicht unbedingt "Zufall". Wenn wir sagten, daß das Leben den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit nach nicht das Resultat des Zufalls sein kann, war das nicht ganz genau, weil keine mathematische Wahrscheinlichkeitsrechnung glatt aufgehen kann. Die Reihe der Bruchzahlen ist so gewaltig, nimmt eine Länge überkosmischen Ausmaßes an, daß es leichter ist zu sagen, ihr Wert ist gleich Null.

Lecomte du Noüy führt die Berechnungen des berühmten Schweizer Physikers Professor Charles-Eugène Guye an, die zeigen, daß in einem fast zweihundert Millionen Atome umfassenden Molekül nur unter jeweils zweitausend Atomen die "Chance" für die Bildung eines einzigen Protein Atoms besteht. Um die Berechnung zu vereinfachen nahm Guye an, daß das Molekül nur aus zwei Arten von Atomen besteht (in Wirklichkeit besteht es aus mindestens vier verschiedenen Arten von Atomen, dem Kohlenstoffatom, dem Wasserstoffatom, dem Stickstoffatom und dem Sauerstoffatom). Die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, daß eine solche Bildung von Atomen stattfände, würde eine Stoffmenge in solcher Ausdehnung erfordern, daß das Licht 10^82 Jahre (eine 1 mit 82 Nullen) bräuchte, sie zu umkreisen. Das ist noch unermeßlich größer als das Volumen des ganzen bekannten Universums einschließlich der entferntesten Milchstraße, die zwei Millionen Lichtjahre entfernt ist. So sieht die Wahrscheinlichkeit aus, daß im Universum durch Zufall Leben entsteht.

Wir wollen jetzt zur Erde zurückkehren. Die Zeit, die erforderlich ist, daß ein einzelnes Molekül einfach durch Zufall in einer Materienmenge von der unseres Planeten Terra gebildet wird, beträgt demnach 10^243 Milliarden Jahre. Aber die Erde ist viel, viel jünger! (Siehe Human Destiny, pp. 33-6).

Wir sollten mit den Wissenschaftlern sympathisieren, die auf Grund eben der Begrenzung der Disziplinen, denen sie dienen, nur sagen können: "Wir wissen es ... noch nicht!" Hoyle, Bondi, Gold und andere, deren Forschungen sie dazu führten, die Theorie von der ununterbrochenen Schöpfung anzunehmen, legen ganz offen dar, daß das Material (Wasserstoff), das den Stoff für jede Schöpfung bildet, "aus dem Nichts kommt." Das Wasserstoffatom existiert jetzt nicht und im nächsten Augenblick ist es da. Welches "naturwissenschaftliche Weltbild" dem Philosophen auch dargeboten wird - ob eine in der Unermeßlichkeit der kosmischen Räume ununterbrochen vor sich gehende Schöpfung oder daß unsere Ecke des Universums zu einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit in Erscheinung trat, in der alle Materie plötzlich hervorgebracht wurde, er steht der Erklärung gegenüber, daß die den Makrokosmos zusammensetzenden Atome "aus dem Nichts" kamen oder noch kommen. Die unumgängliche Antwort, die der Wissenschaftler als solcher geben muß, lautet: "Wir wissen es noch nicht; aber es ist möglich, daß wir es entdecken - wenn nicht heute, dann vielleicht morgen." Ist der Philosoph inzwischen nicht berechtigt anzunehmen, daß es eine Energiequelle außerhalb oder innerhalb oder hinter dem physischen Universum gibt? Und muß nicht in bezug auf Leben und Bewußtsein die gleiche Frage gestellt werden?

Das Universum ist, wie es von der heutigen Wissenschaft gezeigt wird, immer noch ein großes Mysterium, und das ist in der Tat die Schwierigkeit für den Wissenschaftler, der sich nur mit Dingen befaßt, die er messen, beobachten und prüfen kann. Viele Denker erklären, die Wissenschaft hat eine Grenze oder einen "Ring überschreite mich nicht" erreicht, jenseits dem Nachforschungen über den Aufbau des Kosmos für immer unmöglich sein werden. Wie Professor P. W. Bridgman schrieb: "Wir stehen etwas wirklich Unaussprechlichem gegenüber." Da das Bewußtsein das Tor zur Erkenntnis ist und wir die Grenzen der Forschung in der physischen Welt erreicht haben, könnten wir erwarten an einem Wendepunkt, bei einem Wechsel der Richtung und des Gegenstandes der Beobachtung anzugelangen.

Der Durchbruch kann jedoch nicht durch die Analyse des physischen Universums erfolgen, sondern durch ein Studieren von uns selbst, durch ein Studieren des inneren Menschen. Das Verlangen nach einer Wissenschaft über den Menschen ist stärker denn je; denn die physikalischen Wissenschaften, die fast die "Einfriedungen" des Universums erreichten, legten ungeheure Kräfte in die Hände des Menschen, der sich selbst ein großes Rätsel bleibt. Indessen, es gibt Anzeichen einer Neuorientierung: gewisse Schulen der Philosophie und der Psychologie wenden sich der alten Weisheit zu. Wir bemerken die Anfänge einer neuen Wissenschaft, die tief aus den Quellen von Mythe und Symbol schöpft. Es ist die Wissenschaft über die "inneren Welten", deren Entdeckungen auf jene Dimensionen hinweisen können, aus denen jede Kraft entspringt: Energie, Materie, Leben und Bewußtsein.

Über die Zweckdienlichkeit des Universums, über die Frage des Bewußtseins und des Zweckes des Lebens können die Antworten nicht innerhalb der Grenzen der physischen Welt liegen. Der Mensch wird an diesen Grenzen nicht haltmachen; er wird in einer anderen Richtung nach dem Schlüssel zu dem Schlüssel zu dem Mysterium forschen - er wird in sich selbst suchen.