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Herzeleid baut Brücken

Das Mitleid spricht: "Kann es eine Seligkeit geben, wenn alles, das da lebet, leiden muß? Sollst du errettet sein und den Schmerzensschrei der ganzen Welt hören?"

Jene, deren Herzen von Mitleid erfüllt sind, könnten diese beiden Fragen rasch mit "nein" beantworten, weil sie Mitgefühl und Verständnis für die Leiden und Sorgen anderer haben. Nicht viele von uns würden jedoch wahrheitsgemäß "nein" sagen.

Mitleid ist das Ziel einer jeden Seele. Die Wege, die dahin führen, sind bei jedem Menschen verschieden, aber alle Pfade enthalten durchweg neben den Freuden etwas Sorge und Kummer. Es ist menschlich, den unangenehmen Erfahrungen des Lebens ausweichen zu wollen, aber wenn wir sie meiden, so entdecken wir früher oder später, daß wir unser Ziel, das Mitleid umgehen. Wie können wir Mitgefühl für die Sorgen anderer empfinden, ohne einmal irgendwo in unserem eigenen langen, evolutionären Kreislauf des Seelenwachstums vergleichbare Erfahrungen gehabt zu haben?

Unser Arm, den wir um die Schultern eines trauernden Freundes legen, der einen schweren Verlust zu beklagen hat, wird ganz besonders warm und wohltuend sein, wenn auch wir schon einmal einen unserer Lieben verloren haben. Wir wissen, wie er empfindet. Es ist für uns wirklich bedeutsam, andere, die wir ermahnen, wenn sie unrecht gehandelt haben, nicht zu streng zu beurteilen, weil wir uns der dunklen Punkte in unserem eigenen Leben erinnern, des Unrechts, das wir den Herzen anderer zugefügt haben, und für das wir gern einen Teil unseres Lebensblutes opfern würden, wenn wir es ungeschehen machen könnten.

Die Möglichkeit oder die wirkliche Erfahrung von Herzeleid sollte uns nicht niederdrücken, weil für jeden Verlust ein Gewinn steht und weil aus jedem Herzweh und jeder qualvollen seelischen Prüfung ein tieferes Verständnis für andere hervorgeht. Daraus entspringt Wachstum der Seele, der einzige Zweck des manifestierten Lebens.

Man könnte einwenden, daß diese Haltung dem Leid gegenüber in unserer modernen Welt zu erhaben, zu unrealistisch ist. Aber ist dem wirklich so? Wollen wir einmal jene Dinge untersuchen, auf die die menschliche Gesellschaft so großen Wert legt, wie Gesundheit, Schönheit, ein Heim, Eheglück, Kinder, Wohlhabenheit, Ruhm und Dienst für andere. Von allem ist nur das letztere, der Dienst für andere, in seiner Ausübung und Wirkung von Dauer. Eine Atombombe könnte beinahe in einem Augenblick unseren gesamten menschlichen Besitz vernichten, aber nichts, die Atombomben eingeschlossen, könnte die spirituelle Freude auslöschen, die uns durch unseren freiwilligen Dienst zuteil wurde.

Laßt uns daher in unserer Schatzkammer des Lebens unvergängliche Schätze sammeln und freudig sowohl das Bittere als auch das Süße entgegennehmen. Laßt uns vor Kummer und Sorgen nicht zurückschrecken und sie nicht fürchten, denn sie sind wahrlich unsere Lehrmeister.

Das Herzeleid baut Brücken der Sympathie, um den Abstand zwischen unserem verstehenden Herzen und den Herzen unserer Mitpilger entlang des Pfades zu überspannen.