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Das Zerteilen des Schleiers

Die alten Griechen, besonders die Athener, dachten, daß eine ausgeglichene Erziehung nach drei allgemeinen Hauptrichtlinien erfolgen sollte. Sie bezeichneten diese mit gymnastike, ethike und musike - Gymnastik, Ethik und das Studium der Musen, was wir gewöhnlich mit 'Musik' übersetzen, wodurch viel von seiner ursprünglichen Bedeutung verloren geht. Gymnastike, die Entwicklung eines gesunden Körpers, hatte die Bedeutung, daß ein gesundes Gemüt nur in einem gesunden Körper richtig tätig sein kann. Dann kam ethike, Ethik, der moralische Zustand, die Entwicklung von Ethik, nicht allein in dem Sinne, dem Herkömmlichen zu folgen, weil es schon immer so war und vorteilhaft ist so zu handeln, sondern, daß man in seinem Tun einer Richtung folgt, bei der man mit seinen Mitmenschen in Frieden und Harmonie leben kann.

Das größte dieser Drei bezeichneten die Griechen jedoch mit musike, die das Studium der neun Musen - nicht nur der Musik, sondern auch das Studium der Dichtkunst, Geschichte und anderer Wissenschaften einschließt. Alles, was die Griechen damals im allgemeinen Gang des Studiums als das Höchste ansahen, nannten sie musike.

Eine ähnliche Vorstellung von ausgeglichener Erziehung konnte man vor Jahrhunderten im Orient finden, wo man von der Vereinigung aller Fakultäten und deren Entfaltung, um in Harmonie zusammen zu arbeiten, sprach. Ihre alten Systeme zeugten weiterhin von einer großen mystischen Anschauung über Erziehung. Sie spürten, daß, so wie die Eltern den Körper ihres Kindes versorgen und ihm dadurch eine Gelegenheit für weltliche Erfahrung geben, auch die Lehrer die Seele zur Geburt bringen, indem sie diese von innen heraus erwecken. Deshalb ist in Wirklichkeit ein wahrer Lehrer mehr als Vater oder Mutter, denn er befähigt das Kind, seine innere Natur und Selbsterkenntnis zu finden.

Zweifellos meinte Sokrates damit dasselbe, als er sich eine 'Hebamme für die Jüngeren' nannte, denn er war bemüht, die inneren Qualitäten der ihn umgebenden Jugend, ihre Fassungskraft und ihr Wahrnehmungsvermögen zu wecken, damit sie imstande sein würden, den Lebensproblemen leichter zu begegnen. Er glaubte und lehrte, daß hinter der Mentalität, hinter dem persönlichen Willen, die innere spirituelle Sonne steht, von der alle großen Denker der Vergangenheit gelehrt haben, daß sie allezeit scheint und es nur notwendig ist, die sie verhüllenden Schleier beiseite zu schieben.

Das Lüften dieser Schleier bedeutet wahre Erziehung, weil es im Gegensatz zu bloßer Belehrung steht. Beides ist wertvoll; doch wenn wir auch bis zum jüngsten Tag Belehrung erteilen mögen, so wird unsere Arbeit dennoch ein Fehlschlag bleiben, wenn es uns nicht gleichzeitig gelingt die innere Natur des Schülers zu entwickeln.