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Auf der Suche nach dem Glück

Wenn das Erlangen von Glück der Zweck und das Ziel allen menschlichen Bemühens ist, warum ist es dann so schwer zu finden? Wenn die Freude der Grundton der Natur ist, warum entschlüpft sie immer unserem Griff und entflieht, wenn wir glauben, daß wir uns ihr nähern? Vielleicht haben wir die Bedeutung wahren Glückes noch nicht erfaßt und streben deshalb nach falschen Zielen.

Alte Philosophien behaupteten, daß das von uns gewöhnlich angestrebte Glück ein Irrlicht sei, das uns vom rechten Weg ablenkt, aber daß es mehr als nur eine Art von Glück und mehr als einen Weg, nach ihm zu suchen gäbe. Die Bhagavad-Gîtâ macht den Unterschied zwischen dem Vergnügen eines getäuschten Gemütes - dessen Täuschung durch die Befriedigung der Sinne erfolgt - und jener reinen Freude klar, die durch die zur Gewohnheit gewordenen inneren Sehnsucht erlangt wird, "welche in der Wiederholung zum Aufhören des Schmerzes führt."

Der Mensch tritt mit einem ihm innewohnenden Sehnen nach einem Licht, das er nicht sehen kann, und einem Verlangen nach einem Zustand, den er bei der Geburt hinter sich gelassen hat, ins Leben. Jeder Mensch empfindet in seinem innersten Herzen, daß er das alles zurück gewinnen kann, daß er sich sein Geburtsrecht sichern und ungetrübte und vollkommene Glückseligkeit entdecken kann. Doch trotz dieser intuitiven Gewißheit hat er noch nicht den Weg zu ihr gefunden. Scharen von Menschen kommen und gehen, machen Kummer, Schmerz und Verzweiflung durch, während sie sich unablässig um diese besondere Eigenschaft bemühen, die für sie immer unerreichbar zu sein scheint.

Manche Leute werden sagen, sie sind glücklich, obgleich sie sich in Wirklichkeit in Zufriedenheit gelullt haben und Stagnierung annehmen als "die Gezeitenphase, bei der die Bewegung zu schlafen scheint." Außerdem gibt es jene, die denken, bloße Abwesenheit von Schmerz und Sorge sei Freude. Wieder andere haben sich in einer fatalistischen Resignation festgefahren und ergreifen schnell, was das Leben an lichten Augenblicken zu bieten hat, und gehen dabei immer mehr der Befriedigung der Sinne nach, was, wie die Gîtâ sagt, "am Anfang köstlich, zum Schlusse aber Gift ist."

Jeder von uns hat jedoch lichte Augenblicke, in denen das vorher Verborgene klar vor ihm steht, Augenblicke vollkommener Freiheit, in denen das Gewicht der selbstgeschmiedeten Fesseln abfällt und wir für eine kurze Zeit in ein anderes Reich erhoben werden. Freude und Schmerz werden in eines aufgelöst - eine Erfahrung, die nie vergessen werden darf. Die Tore unseres Gemütes, jene "Vorhänge des Gefängnisses", schließen sich schnell vor der "herrlichen Vision", doch obgleich sie nur einige Sekunden währte, dauerte sie lange genug, um die immer gegenwärtige innere Sehnsucht lebendig zu erhalten, die "ein uns von der Zukunft gegebenes Versprechen" darstellt.

Balzac schrieb: "Der größte Glanz liegt nicht in äußeren Dingen, sondern in uns selbst." Wirkliches Glück ist daher nicht Zuständen unterworfen, sondern entspringt einer Natur, die darauf abgestimmt ist. Eine solche Haltung des Gemütes durch geduldige, unaufhörliche Anstrengung zu pflegen, heißt den Boden für jene Eigenschaft innerer Freude zu bereiten, die "zuerst wie Gift, aber auf die Dauer ein köstlicher Nektar ist, welcher der Gelassenheit des reinen Wissens des Geistes entspringt."