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Sokrates und Jesus

Wenn das Leben und der Tod von Sokrates das Leben und der Tod eines Weisen sind, dann sind das Leben und der Tod von Jesus das Leben und der Tod eines Gottes. - Jean Jaques Rousseau

 

 

 

Sokrates sagte: "Ein unerforschtes Leben ist nicht wert gelebt zu werden." Die griechische Ethik paßt für jene, die unser Leben als eine offene Frage betrachten und denken, daß wir nicht mehr tun können, als nach Lösungen zu streben und nach unserem besten Vermögen zu handeln, unsere Ideen zu erproben. Sokrates ist ein Beispiel des für das griechische Bewußtsein so charakteristischen Strebens und Handelns: es kam in einer ihm eigentümlichen Weise zum Ausdruck, die, in der Art wie sie im Westen erschien, neu war.

Mit Sokrates kam die Idee, daß der denkende Mensch von größerer Bedeutung sei als die Natur und die Götter, womit er ein selbstbewußtes Werden meinte. Aber die allgemeine Auffassung machte eine Anmaßung daraus und seitdem mußte mit dieser falschen Auffassung immer gerechnet werden, als ein Faktor bei unserem Forschen nach einer wahren Ethik, die die menschliche Moral in ein richtiges Verhältnis zu unserer göttlichen Möglichkeit bringt. Die christliche Ethik der Kirche auf der anderen Seite ist für jene, die für wahr annehmen, daß in unserer Lebensführung das letzte Wort gesprochen und bestimmte Grundlagen gelegt wurden - nicht nur für mich und für Sie, sondern für die ganze kommende Zeit. Die Erzählungen der Evangelien bilden bis zu einem gewissen Grade die Grundlage für diesen Standpunkt.

Die von Sokrates und Jesus eingeführten Lebensprinzipien enthalten etwas Revolutionäres. Mit ihnen beginnen neue intellektuelle und spirituelle Ären. Von der alten Einfachheit der entsprechenden Wirkungskreise wegstrebend, in denen die Menschen lebten und wirkten, drängten sie nach einer vollständigeren und freieren Entwicklung auf das innere Leben hin. Sokrates benutzte die Vernunft als Mittel und Weg. Jesus wollte den Menschen erneuern und ihn auf eine seine gewöhnlichen Fähigkeiten überragende Grundlage stellen. Während so beide das höchste Gute für das Menschengeschlecht erstrebten, wollte Sokrates den Menschen als ein natürliches Wesen vervollkommnen. Jesus wollte ihn, wenn er unter den Einfluß von Jesus kam, auf einer das normale Leben übersteigenden Ebene zu einer Idealgestalt machen.

Diese Erklärungen könnten auf eine breite Kluft zwischen diesen beiden Menschen hinweisen, aber das ist in Wirklichkeit nicht der Fall. Ich kann mir eine Unterredung zwischen Jesus und Sokrates vorstellen und kann begreifen, wie leicht sie eine gemeinsame Grundlage fänden für den Meinungsaustausch über das, was die Mystiker das kontemplative Leben oder jenen Zustand des Herzens und Gemütes nennen, in dem die Seele das Letzte schaut. Sie würden weiterhin über die Art des Weges übereinstimmen, um all unser Wissen und unseren Glauben in die Tat umzusetzen. Bei einer kurzen Betrachtung der bekannten Biographie von Sokrates und dem "Leben Jesu" im Neuen Testament werden diese selbst in ihren fragmentarischen Formen zeigen, daß Kontemplation und Tätigkeit ihre zu einem verschmelzende Elemente sind. (Unser Thema stellt einen Vergleich zwischen Sokrates und dem Menschen Jesus, nicht dem Christus oder der avatârischen Inkarnation, dar.) Sokrates ist ein ausgezeichneter Führer für das "tugendhafte Leben", Jesus im Leben der Weisheit. Beide dringen auf das harmonische Einssein des menschlichen Selbstes mit dem göttlichen Vater. Sie verlangen niemals von uns die Persönlichkeit zu vernichten oder sie in sich widerstreitende Teile zu spalten, wie es unter jenen Mode geworden ist, die vorgeben Führer im spirituellen Leben zu sein.

Jesus und Sokrates wurden oft miteinander verglichen. Menschen wie Clemens, Origenes, Schleiermacher, Maurice und Stanley, um nur einige zu nennen, haben in beiden die spirituelle Wahrheit verspürt. Von den ersten Kirchenvätern war Justin Martyr von Sokrates begeistert, aber Tertullian sprach von ihm als von einem falschen und unmoralischen Philosophen. Dieses Urteil ward vom Fanatismus diktiert, denn Tertullian konnte nicht wie Clemens in der Philosophie etwas Edles und Inspirierendes sehen; für ihn war die griechische Wissenschaft eine Erfindung des Teufels. Jedoch von den Alten bestätigten auch Origenes, Eusebius und Athanasius und aus der neueren Zeit Lamartine, Priestley und Farrar alle den Gedanken Victor Hugos: Dieu que cherchait Socrate, et que Jésus trouva! - "Der Gott, den Sokrates suchte, und den Jesus fand." Und was war es? Es war "das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt": die Göttliche Gegenwart.

Der berühmte Kirchenhistoriker Neander nannte Sokrates "den größten Menschen der alten Welt." Er war wie Jesus von niedriger Geburt. Sein Vater war Steinmetz, vielleicht Bildhauer, und seine Mutter war Hebamme. Sein Charakter wurde, wie der von Jesus, zu Hause und in seines Vaters Werkstatt geformt; beide Stätten lenkten ihn in jene ethische Richtung, in der er berühmt wurde. Von Jesus können wir uns vorstellen, wie er sich zu einem bloßen Fanatiker hätte entwickeln können, wenn der starke mütterliche Einfluß und die Mathematik des Zimmerhandwerks seine Gaben und seine Veranlagung nicht im Zaume gehalten und seine sensitive Natur nicht geschult hätten. Ebenso hätte auch Sokrates gut seine vitalen physischen und mentalen Energien in Ungebundenheit und Sophisterei verschwenden können, wenn Steinhauen ihnen nicht Form und Stärke verliehen hätte. Bildhauerarbeit und Zimmererarbeit sind gestaltende Künste, und ihre Grundelemente sind im kosmischen System wie in der Ethik fundamental. Unsere Weltordnung ist eine aufbauende, und nur als bewußte Bauleute sind wir in dieser Welt erfolgreich. Jesus und Sokrates wußten das, und beide wurden Baumeister: des Charakters, der Mysterien.

Sokrates war bekannt wegen seines angeborenen Scharfsinns, der sich in Form einer erstaunlichen Deutlichkeit äußerte. Er war so direkt in seiner Ansprache und war in seinen Fragen und Erklärungen so freimütig, daß er die Opposition entwaffnete und seine Opponenten dazu brachte, ihre Maske fallen zu lassen. Ein reiner Charakter besitzt immer diese Macht. Diese Eigenschaft der Geradheit zusammen mit seiner Befähigung als Bildhauer läßt sich gut vergleichen mit dem, was über Jesus gesagt wird, der nichts Konfessionelles an sich hatte. Im Gegenteil, in allen seinen Worten lag eine ungezwungene und unbewußte Offenheit, und immer wandte sich sein Herz jenen zu, zu denen er sprach, selbst seinen Feinden. Außerdem hatten Jesus und Sokrates etwas Poetisches an sich. Sie erhoben die vorliegende Frage immer in ihre höchste Sphäre, verwirrten dabei die Philister und erleuchteten gleichzeitig recht gesinnte Menschen. Bei beiden kann man eine angenehme Sanftheit des Charakters wahrnehmen, die nur aus ausgedehnter Erfahrung erwächst. Mancher Mann oder manche Frau wird sich bereitwillig in einer Mondnacht einem mystischen Romantizismus hingeben, aber außerordentlich wenige erkennen, daß ihre mystische Grundlage im Tageslicht spiritueller Überwindung ruht. Aber Jesus' Vorstellungen gleichen der Mittagsonne; und Sokrates' Humanität war so groß, daß man sich selbst vergißt und sich ganz natürlich in erhabenen Sphären bewegt.

Cicero erzählt1, daß ein Physiognom, namens Zopyrus, zu Sokrates einst sagte, sein Gesicht strafe seine Philosophie Lügen, es weise auf schlimme Leidenschaften und auf einen schlechten Charakter hin. Zur Überraschung von Zopyrus und zum Verdruß seiner Schüler gab Sokrates seine Häßlichkeit bereitwillig zu, und daß er voll ungestümer Leidenschaften und von verdorbener Veranlagung sei, aber, fügte er hinzu: Ich bin Herr in meinem Hause; ich beherrsche mich; mein Ziel im Leben ist, meine schlimmen Leidenschaften auszurotten.

Über das Aussehen von Jesus wissen wir nichts. Von ihm vorhandene Bilder sind schön, aber keines ist historisch; sie wurden von Künstlern einer späteren Zeit geschaffen, um einen idealen Charakter darzustellen und zeigen ihn von verschiedenen verherrlichten Gesichtspunkten. Gewiß ist, daß sie keineswegs häßlich sind oder zu solchen wie über Sokrates gemachten Bemerkungen anregen würden. Aber von den alten jüdischen Propheten wurde ein Bild entworfen, das in diesem Zusammenhang von einiger Bedeutung ist. Im dreiundfünfzigsten Kapitel von Jesaja wird vom kommenden Erlöser gesagt, er hätte "keine Gestalt noch Pracht" und "kein Ansehen, daß wir seiner begehrt hätten." Die dort gegebene Beschreibung wurde oft buchstäblich so verstanden, daß sie für Jesus galt. Was immer mit den eben zitierten Ausdrücken gemeint sein mag, nie würden sie Verworrenheit andeuten, wenn sie auch auf einen Menschen ohne bemerkenswerten Eigenschaften hinweisen mögen. Selbst von Maria Magdalena wird berichtet, daß sie Jesus mit dem Gärtner verwechselte (Johannes XX, 15), und das geschah, nachdem er, wie gesagt wird, wieder auferstanden war, wonach wir etwas Erhabenes an ihm erwarten könnten. Die Jünger auf dem Wege nach Emmaus (Lukas XXIV, 16) erkannten ihren Meister nicht. Ebensowenig erkannten sie ihn, als er ihnen am See Genezareth (Johannes XXI, 4) begegnete. Diese Geschehnisse sind zumindest eigentümlich.

Jene Kirchenväter, die sich darüber äußerten, deuten an, daß die Erscheinung von Jesus nicht einnehmend und ohne Autorität war. Origenes anerkennt die Stelle in Jesaja als eine wahrscheinlich genaue Vorhersage über Jesus, er deutet zum Beispiel in seiner Widerlegung der Angriffe gegen die Christen durch den heidnischen Philosophen Celsus vorsichtig an, daß die Erklärung in "der der Fähigkeit des Betrachters entsprechend sich ändernden Beziehung Seines Körpers ... insofern, als er jedem einzelnen so erschien, wie sie für den Beschauer notwendig war." (Gegen Celsus, VI, IXXVII)

Ich bestehe nicht auf der Ähnlichkeit zwischen Jesus und Sokrates in dieser Hinsicht. Es ist auffallend, daß zwei derart Große, wie die Berichte sie schildern, in ihrer Erscheinung ungewöhnlich und nicht anziehend sein sollten. Es scheint jedoch eine gewisse Übereinstimmung von Tatsachen zu bestehen, die darin auf ein Gesetz hinzuweisen scheint. Fast alle Helden der Kultur, große Reformer und Gestalter der Zivilisationen, hatten irgend etwas Unebenes an sich, so daß sie keinesfalls anziehend genannt werden konnten, so wie dieses Wort gewöhnlich verstanden wird. Sie waren Zusammensetzungen großer Naturkräfte und so selbständig, daß sie sich nicht mit gewöhnlichem Sandpapier abschleifen ließen. Sie waren Ursachen, keine Resultate. Das erklärt ihre sogenannte Häßlichkeit.

Sokrates war ein Mann von vortrefflichem Verstand, schneller Auffassung und lebhafter Vorstellungen. Seine Konversation war voller origineller Ansichten und lebendiger bildhafter Erklärungen. Zuweilen erhob er sich zu erhabenen Höhen. Seine Hörer hatten nie unter seiner versäumten Erziehung zu leiden, weil sein mächtiges Gemüt den Gegenstand vollkommen beherrschte und in eine weit höhere Richtung lenkte, als die, die ihm ein pedantischer Intellekt in seinen logischen Begrenzungen geben konnte oder wollte. Bei Jesus entdecken wir dieselbe Eigenheit. Er ist nie akademisch oder abschweifend noch zeigt er Schulgelehrsamkeit. Worum es sich auch immer handelt, Jesus behandelt den Gegenstand schöpferisch, und seine Worte brauchen keine weitere Beweisführung; in leidenschaftsloser Prüfung ist er bis zum Kern vorgedrungen und sagt was zu sagen notwendig war. Alles geschieht ohne aufsehenerregende Hitze und mit großartiger Disziplin, wie sie nur reiche und ausgeglichene Gemüter besitzen. Wir haben hier wiederum zwei Geisteswesen, die ähnlich aufgebaut sind und unter den höchsten Motiven wirken.

Was stand hinter diesen Menschen? Woher hatten sie ihre Stärke? Im Falle von Sokrates lautet die Antwort von seinem Daimon, den Cicero divinum quoddam ("irgend etwas Göttliches") nennt. Sokrates sagt uns ausdrücklich, daß ihm seine Berufung im Leben von der Gottheit zugeteilt wurde. Er sagte niemals, daß er seinen Auftrag von einem Daimon erhielt. Alles, was der Daimon tat, war, ihn in seiner Berufung zu unterstützen, indem er ihn vor falschen Entscheidungen warnte. Wenn wir diese Erklärung gelten lassen, müssen wir ihn zu den Mystikern zählen und sein Wirken in diesem Lichte betrachten. Der Daimon wurde auch als Gewissen erklärt, und die ganze Richtung des Lebens von Sokrates könnte diese Deutung unterstützen. Er folgte seinem moralischen Bewußtsein wohin immer es ihn führte. Das Geheimnis, was sein Daimon war, kann vielleicht am besten gelöst werden, wenn man der allgemeinen Richtung im ganzen Leben von Sokrates die gebührende Beachtung schenkt. Sokrates war ein Mensch des Inneren Lebens - das ist für mich der Schlüssel.

Was war die Quelle der Stärke von Jesus? Dem Evangelium Johannes (XVI, 32) entsprechend erklärte Jesus "Der Vater ist bei mir" und daß der Vater in ihm und er im Vater ist (XIV, 10); daß er nichts aus sich selber tat, sondern nur die Dinge, die ihn der Vater gelehrt hatte (VIII, 28). Es ist wohl kaum notwendig, weitere Stellen aus der Schrift anzuführen. Wenn diese keine Parallelen zu Sokrates' Behauptungen sind, dann können keine besseren beigebracht werden. Es gibt kein Beweismaterial, daß Jesus der Sohn Gottes war: Seine Sohnschaft muß ein Mysterium bleiben.

Sokrates wurde mit Recht "der Vater der Philosophie" genannt. Er befaßte sich mit Tatsachen und mit Erfahrungen. Um eine genaue Beschreibung seines Lebens geben zu können, muß man Xenophons Memorabilia wie auch Platos Apologie klar verstehen, die einzigen für diesen Zweck erreichbaren Quellen, von in Platos Gespräche verstreuten Hinweisen natürlich abgesehen. Der Zweck der Memorabilia war eine Verteidigung von Sokrates, das Werk ist deshalb vielleicht mehr eine Verteidigungsschrift als ein vollkommener Bericht. Als unbestrittene Tatsache steht jedoch fest, daß Sokrates im wesentlichen ein Lehrer von Lebensprinzipien, ein Unterweiser in Seelenphilosophie war. Er machte es zum Zweck seines Bemühens, andere, besonders junge Leute, für das Innere Leben zu gewinnen, wo, wie er erklärte, alle Wahrheit ruht und durch rechtes Denken gefunden werden kann. Sein Ziel machte er in der zu jener Zeit gebräuchlichen Weise bekannt, nämlich indem er sich einen Lehrer in der Pflicht und in der Tugend, einen Arzt oder eine Hebamme für die Seele nannte. Sokrates' Hinweise auf das Innere Leben wollten immer die Verwirklichung des Gottgleichen im Menschen und nicht die Selbstsucht oder die psychischen Abirrungen andeuten, die oft mit diesem Endziel verwechselt werden.

Was Jesus anbetrifft, so brauche ich nicht noch einmal aus den Heiligen Schriften darzulegen, was sein Ziel war und was das Reich Gottes ist. Wir alle kennen diese Ideale, die darauf hinzielen die göttliche Eigenschaft im Innern zu verkünden und den Willen Gottes auf Erden einzusetzen.

Für den blinden Glauben hatte Sokrates wenig übrig, so tugendhaft er auch sein mochte. Nur das ist wahres moralisches Denken, sagte er, was richtiger Aspiration und wahrem Wissen entspringt, was mit den Tatsachen auf allen Ebenen, den inneren und äußeren, den spirituellen und physischen übereinstimmt. In seinen Methoden verwirft er auch das unabhängige Zeugnis der Sinne, die er für unzuverlässig und einseitig erklärt. Sie geben nur ein relatives Zeugnis. Menschen, die den Sinnen vertrauen und ihre Voraussetzungen darauf aufbauen, täuschen sich selbst und erlangen kein richtiges Wissen. Deshalb können sie die Mysterien nicht verstehen. Damit meint er nicht die wissenschaftliche Kenntnis über die Natur, sondern eine richtige Erkenntnis des Bewußtseins, die uns befähigt zwischen dem Wahren und dem Falschen zu unterscheiden. Er spricht von grundlegenden und nicht nur von gewöhnlichen Dingen.

Xenophon legt viel Gewicht auf die Tatsache, daß Sokrates weder Naturphilosoph, Theologe noch Politiker war. Er dachte, Naturwissenschaft, Theologie und Geometrie seien ganz nützlich, aber die Gesetze des Lebens müßten zuerst kommen, denn die Kunst des Lebens ist für uns alle das Wichtigste. Wenn diese Kunst bemeistert wurde, dann ist es an der Zeit die Wissenschaften zu studieren; außerdem sind wir für ein solches Studium viel besser befähigt, wenn wir vorher gelernt haben, wie wir leben müssen. Sokrates bekämpfte natürlich die wissenschaftliche Schulung nicht und schätzte sie nicht gering, aber er war, wie er sagte, im wesentlichen ein Lehrer des Inneren Lebens, der Ethik und der Pflicht, was für ihn viel mehr bedeutete als für die Menschen seiner und unserer Zeit. Pflege des Ethischen bedeutete für ihn richtige spirituelle Lebensführung. Der Zweck von fast jeder seiner Disputationen war festzustellen, "wie wir richtig leben sollten." Wenn er erklärte, daß Wissen eine Tugend sei, so meinte er mit dem Wort Tugend, das er in diesem Falle gebrauchte, gerade was es etymologisch bedeutet. Wo dies in der Natur festgestellt wird ist der Mensch Mensch, sein "eigener Maßstab" und in der Tat "das Maß aller Dinge."

Sowohl Sokrates wie Jesus, beide verlegten den Schwerpunkt von der äußeren Welt auf die innere Ebene des Herzens und des Gemütes. Durch ein solches Wissen erkennt die menschliche Seele ihr wirkliches Ziel; der weise und mitleidsvolle Mensch wird das Ziel allen ethischen Bemühens.

 

Fußnoten

1. Tusculan disputations IV, 80. [back]