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Gespräche am runden Tisch: Die Prinzipien hinter den Handlungen

Vorsitzender: Diesen Abend nehmen wir den letzten Teil des dritten Kapitels durch, der mit einer Frage beginnt, die wirklich sehr vertraut klingt und die wir uns alle schon manchmal gestellt haben müssen:

Wodurch wird der Mensch angetrieben üble Taten, anscheinend gegen seinen Willen und wie durch geheimen Zwang, zu vollbringen?

Krishna sagt zu Arjuna, daß es die "Lust" ist, - das wirkliche Wort dafür ist kâma, und bedeutet Begierde - die ihn zwingt; Leidenschaft, "abgeleitet von der Qualität rajas". Hier haben wir wieder die "Qualitäten" oder gunas, mit denen wir uns das letzte Mal beschäftigten. Da aber die meisten von uns damit nicht vertraut sind, mag es gut sein, sowohl ihre grundlegenden Eigenschaften als auch ihre Funktion in der Natur zu betrachten, ehe wir weiter gehen. Es sind also, kurz gesagt, drei an der Zahl: sattva, die höchste, ist gekennzeichnet durch Weisheit, Reinheit und Ausgeglichenheit; rajas durch Bewegung, Ruhelosigkeit und den Drang zum Handeln; tamas, die niederste, durch Finsternis, Trägheit und Unwissenheit. Sie existieren auf jeder Ebene des Kosmos, alles durchdringend und beeinflussen dementsprechend sowohl das Bewußtsein der "Götter", der Menschen als auch das der niederen Geschöpfe.

Dieses Thema ist viel zu umfangreich, um es in einigen wenigen Worten richtig zusammenzufassen, aber der Kernpunkt, der im Gedächtnis behalten werden muß ist, daß die Natur bipolar ist: Bewußtsein oder Geist evolvieren durch ihre materiellen Vermittler und in dieser oder durch diese Materie-Substanz funktionieren, wie gesagt, diese "drei Qualitäten". Ganz gleich also, auf welcher Ebene der Antrieb zum Handeln wahrgenommen werden mag, ob in sattva oder dem höchsten Bereich des menschlichen Charakters, in rajas oder der psycho-emotionalen Natur, oder aber in dem physischen Teil oder tamas, da sie aus der Materie geboren sind, können sie das, was aus dem Geist geboren ist, - das göttliche Zentrum in jedem von uns - nicht berühren. Das ist es, was die Gîtâ Kapitel um Kapitel, wenn dieses Thema auftaucht, immer wieder zum Ausdruck bringt. Der Einfluß und die Reichweite der Kraft der gunas oder "Qualitäten" offenbart sich, bis zuletzt Krishna seine "göttliche Form" Arjuna enthüllt und dieser schließlich das heilige Mysterium seines eigenen innersten Selbstes erkennt.

Doch wir wollen mit der Antwort auf Arjunas Frage weitergehen. Trudy, würden Sie bitte am Ende des Kapitels fortfahren?

 

Trudy: Wir beginnen auf Seite 28 oben. Krishna erklärt, daß diese Leidenschaft oder kâma "unersättlich" und der "Feind des Menschen auf Erden" ist:

So wie die Flamme von Rauch umgeben und der Spiegel von Staub überzogen wird, und so wie die Gebärmutter den Fötus umhüllt, so ist das Universum von dieser Leidenschaft umgeben. Von ihr - dem beständigen Feind des weisen Menschen, aus Begierde geformt, die wie Feuer wütet und nie gestillt werden kann - ist das Unterscheidungsvermögen umgeben. Ihre Herrschaft erstreckt sich über die Sinne und Organe, das Denkvermögen und die Unterscheidungsfähigkeit; wodurch die Unterscheidung getrübt und der Herr des Körpers getäuscht wird. Deshalb solltest du, o Bester aller Bharatas, zu allererst deine Sinne zügeln, damit du diese Sünde besiegst, die der Zerstörer des Wissens und der spirituellen Unterscheidung ist.

Den Sinnen und Organen wird viel Beachtung geschenkt; aber das denkende Selbst ist größer als sie. Das Unterscheidungsprinzip ist größer als das denkende Selbst, und das, was noch höher steht als die Unterscheidungskraft ist ER. Da du nun weißt, was größer ist als die Unterscheidungskraft, erschlage du Starkarmiger diesen Feind, der aus Begierde geformt und schwer zu fassen ist.

Dan: Es ist ein ziemlicher Schock für unser Ego, wenn man sieht, daß gerade die Probleme, von denen wir glauben, daß sie nur für uns gelten, wahrscheinlich für Menschen, die vielleicht vor Tausenden von Jahren lebten, genau so aufregend waren. Ich glaube die menschliche Natur hat sich nicht viel verändert!

Paul: Wie Sie sich erinnern werden, schreibt Paulus, ich glaube in seinem Brief an die Römer, auch darüber, wo er sagt, das Gute, das er tun möchte, tut er nicht, aber was er nicht tun sollte tut er, oder so ähnlich.

Vorsitzender: Jawohl, ich erinnere mich der Stelle. Wir wollen sie einen Augenblick betrachten, denn es könnte nützlich sein, seine Beobachtungen mit denen Krishnas zu vergleichen.... Hier haben wir sie, Kapitel VII und VIII. Er erwähnt das "spirituelle" Gesetz, aber daß es im Menschen auch noch ein antreibendes Element gibt, das zum Unrechttun anspornt:

Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich.

So ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich dasselbe nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt...

Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen:

Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz. ...

Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede...

Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, so anders Gottes Geist in euch wohnet...

Denn wo ihr nach dem Fleisch lebet, so werdet ihr sterben müssen; wo ihr aber durch den Geist des Fleisches Geschäfte tötet, so werdet ihr leben.

Es liegt mehr in dieser Darlegung, die die grundlegende Dualität der menschlichen Natur betont und sich natürlich auf Christus als den Wegweiser zur Erlösung bezieht.

 

Martha: Das Neue Testament enthält vieles, was mir jahrelang eine Inspiration gegeben hat, und ich glaube, was Paulus hier sagt, ist richtig. Aber je mehr ich mich mit der Gîtâ beschäftige und ihre klare, universale Philosophie verstehe, die sie ganz und gar durchzieht, desto mehr sehe ich, daß ich mit Krishna, wie er an den Gegenstand herangeht, übereinstimme.

Ellen: Das kann ich verstehen. Einen Grund dafür sehe ich darin, daß Krishna eine philosophische Grundlage anbietet, nach der wir uns verhalten und auf der wir aufbauen können, während Paulus einfach einen Tatbestand darlegt: wenn wir aber das Geistige beachten, werden wir das ewige Leben haben.

Marie: Aber sagen nicht beide im Wesentlichen dasselbe? Die Worte und Gleichnisse sind natürlich verschieden, da jeder zu seiner Zeit und zu seinem Volke mit jeweils anderem religiösem und sozialem Hintergrund sprach, und diese Völker nicht nur geographisch, sondern auch zeitlich um viele Jahrhunderte von einander getrennt waren.

Trudy: Ich glaube Marie hat recht, denn beide, Paulus und Krishna, warnen vor einer Befriedigung unserer "Begierden" und erinnern uns gleichzeitig daran, daß der "Geist Gottes" oder das "Selbst" im Menschen wohnt. Krishna bezeichnet diesen innewohnenden Geist mit "ER" und weist darauf hin, daß er selbst größer ist als unser Gemüt und unsere höhere Intelligenz.

Wilbur: Aber Paulus tut das in Form einer Verhaltungsmaßregel - tue Gutes oder erdulde die Konsequenzen, und das erzeugt eine Psychologie der Furcht. Krishna dagegen scheint mir seinen Appell dem Gesetz des "Geistes" folgend an unser innerstes Zentrum zu richten, weil wir spontan auf die Schönheit und Richtigkeit der Aufforderung eingehen.

Tom: Nachdem wie ich die Sache sehe ist es so: Es kommt nicht darauf an, was von Krishna oder Paulus oder irgendeinem Weltlehrer in dieser Sache gesagt wird. Wichtig ist, was wir in dieser Hinsicht in unserem Leben tun; ob wir den Mut haben, was wir wissen in die Praxis umzusetzen oder nicht.

Vorsitzender: Das ist gut, Tom. Irgendwelche weitere Gedanken? Ja, Dan.

 

Dan: Nun, ich habe gegen keinen der zum Ausdruck gebrachten Gedanken etwas einzuwenden, obgleich ich glaube, daß weder Paulus noch Krishna mehr tun, als das grundlegende Problem darzulegen - was, wie ich annehme, richtig geschah. Wie Tom sagt, werden wir nicht auf Grund dessen was wir wissen erlöst oder verdammt, sondern was zählt ist, was wir mit diesem Wissen anfangen. Was ich jedoch gerne möchte ist tiefer als bis zu dieser ziemlich altmodischen Terminologie zu graben und mit schlichten und einfachen Worten herauszufinden, was Krishna sagt.

Jack: Ich finde, daß mehr die Ausdrucksweise verwirrt, als die Ideen. Wenn wir Sanskrit kennen würden, wäre die ganze Sache wahrscheinlich leichter zu begreifen. Ich möchte zum Beispiel gerne wissen, was hier mit dem "denkenden Selbst" und dem "Unterscheidungsprinzip" und so weiter gemeint ist. Soweit ich sehe, scheint was Trudy gelesen hat in der Hauptsache darauf hinauszugehen, daß man, wenn man aufwärts geht, eventuell "IHN" erreicht, was, wie ich vermute, mit anderen Worten ausdrückt Gott oder unser göttliches Selbst erreichen.

Vorsitzender: Vielen Dank, Jack, und auch Ihnen, Dan. Es freut mich sehr, daß Sie das zur Sprache brachten. Tatsächlich hoffte ich, daß einige von Ihnen wünschen möchten, tiefer in die hinter dieser besondern Stelle liegende Philosophie einzudringen, denn für mich ist sie eine der wichtigsten in der ganzen Gîtâ, da sie einen Einblick in die aus vielen Prinzipien bestehende menschliche Natur gibt, die, wenn wir sie auch nur bis zu einem gewissen Grad verstehen, beim Angriff dieses Problems, das Arjuna so klar darlegt, von wirklicher Hilfe sein kann. Wenn wir lernen, wer wir wirklich sind, womit wir in unserer Stärke und Schwäche zu rechnen haben, dann ist die halbe Schlacht gewonnen. Wenn wir über uns selbst im Dunkeln bleiben und wissen, daß wir bestraft werden, wenn wir nicht richtig handeln, errichten wir alle möglichen Arten unnötiger Hindernisse. Nebenbei gesagt hätten die letzten paar Verse beinahe Wort für Wort aus einer der Upanishaden entnommen werden können. Wenn wir später Zeit haben, könnten wir einmal nachschlagen.

 

Jack: Beziehen Sie sich auf die Katha-Upanishad, über die wir uns vor einiger Zeit zusammen unterhielten?

Vorsitzender: Ganz recht. Und besonders auf die Parabel von dem Wagen, die die verschiedenen Elemente unserer menschlichen Konstitution mit den Pferden, den Zügeln und so weiter vergleicht. Aber wir wollen die hier benützten Sanskrit Ausdrücke näher betrachten und sehen, wie wir dabei zurecht kommen.

 

Jack: Ich weiß nicht, wie die anderen denken, aber mir wäre es lieber, wenn Sie bei dieser Idee von dem Wagen blieben, weil ich mich jetzt, nachdem Sie sie erwähnten, genügend daran erinnere, um anzunehmen, daß sie einiges Licht auf Krishnas Bemerkungen werfen könnte.

Vorsitzender: Nun gut, ich kann natürlich nicht anfangen, auf alle hier berührten Einzelheiten einzugehen, aber kurz gesagt erzählt diese Upanishad die Geschichte eines jungen Mannes namens Nachiketas, der über seines Vaters unverkennbare Unaufrichtigkeit den Göttern wertlose Opfer darzubieten sehr aufgebracht war und heftig, aber ohne Erfolg, dagegen protestierte. Der Vater wurde so zornig, daß er seinen Sohn aufforderte "Geh zu Yama" - dem Gott des Todes. Nachiketas folgte der Aufforderung und ging in die Regionen der Unterwelt und verbrachte drei Nächte an Yamas Wohnsitz. Beeindruckt durch des Jünglings tiefe und strenge Ergebenheit gegenüber der Wahrheit, verspricht Yama ihm "drei Wünsche" zu erfüllen. Die beiden ersten werden bereitwillig erfüllt, beim dritten jedoch weigert sich Yama. Dreimal fragt der Junge nach der Wahrheit über den Tod. Yama kann sich nicht länger weigern. So entfaltet er mit Hilfe der Parabel von dem Wagen Schritt um Schritt den zum "Selbst" führenden Pfad und enthüllt dabei Nachiketas nicht nur das Mysterium des Todes, sondern auch das innerste Geheimnis des Lebens.

Nun, der Wagen stellt unseren Körper dar, die Sinne sind die Wege, über die der Wagen gezogen wird; unsere Begierden sind die Pferde, die Zügel sind das Gemüt oder das "denkende Selbst", während der Fahrer oder der Wagenlenker, der die Zügel (oder das Gemüt) festhält, unser "Unterscheidungsprinzip" oder unsere Intuition ist.

 

Marie: Aber wo fügt sich hier "ER", von dem Krishna sagt, daß er größer ist als alle, ein, wenn unser intuitives Prinzip der Wagenlenker ist?

Vorsitzender: Darauf komme ich eben zu sprechen. "ER" ist das "Selbst" oder Âtman - "der Besitzer des Wagens" - der stille Reisende, der den Wagenlenker, unser intuitives oder höheres Selbst, ohne ein Wort oder eine Gebärde unterstützt die Zügel unseres Gemütes zu führen, damit die Pferde unserer Begierden dem göttlichen Willen folgen und so den Wagen unseres Körpers über die von dem Wagenlenker ausgesuchten Wege der Erfahrungen fährt.

 

Elmer: Das ist ein richtiges Bild und macht die Gîtâ sicherlich leichter verständlich.

Vorsitzender: Nun, dann wollen wir uns Krishnas Erklärung zuwenden. Frank, haben Sie die Gîtâ von Radhakrishnan mitgebracht? Gut. Diese hat den Vorteil, daß sie neben der englischen Übersetzung den Sanskrittext in lateinischer Schrift enthält und es daher ziemlich einfach sein wird, sagen wir, den letzten Abschnitt herzunehmen, den Trudy vorgelesen hat und für die besonderen Aspekte der menschlichen Konstitution auf die Bezug genommen wurde, die Sanskritworte einzusetzen. Wir können sie dann mit dem Begriff in der Upanishad verbinden und werden, wie ich glaube, überrascht sein, wie leicht begreiflich die ganze Idee wird.

Frank, die für Sie leichteste Methode wird wahrscheinlich sein, die Sanskritausdrücke mit einer kurzen Erklärung zusammen zu geben und sie dann im Zusammenhang zu bringen.

 

Frank: Das wird wahrscheinlich die beste Methode sein. Ich denke ich werde auch immer nur einen Vers hernehmen und ihn zuerst vorlesen, wie Judge ihn wiedergibt:

Die Sinne und Organe werden für groß gehalten; aber das denkende Prinzip ist größer als sie. Das unterscheidende Prinzip ist größer als das denkende Selbst, und das noch über dem unterscheidenden Prinzip Stehende ist ER.

Und nun zu den speziellen Ausdrücken:

Die "Sinne" - indriyâni. Dieses Wort bedeutete ursprünglich "Kräfte Indras", der der Hauptgott der Veden war. Später jedoch wurde es für die "fünf Sinnesorgane" benützt; und in Verbindung mit buddhi (Intelligenz) und karma (Handlung) wird von dem Ausdruck gesagt, er bedeute gleichzeitig die verschiedenen "Organe der Wahrnehmung und des Handelns."

Das "denkende Selbst" - manas. Das Prinzip des "Gemütes", von dem Verb man, denken, nachdenken.

Das "unterscheidende Prinzip" - buddhi. Es ist eine Bezeichnung für die höhere Intelligenz im Menschen, für seine Intuition, für die Macht der Unterscheidung, besonders in spirituellen Dingen. Sie kommt von dem Verb budh, wissen, wahrnehmen. Wenn buddhi durch âtman oder das göttliche Zentrum im Innern vollkommen erleuchtet wird, wird der Mensch "buddha" oder "erweckt". Deshalb wurde Gautama der Buddha oder der "Erleuchtete" genannt.

"ER" - sah. Das ist ein von Krishna benütztes Fürwort, das die unpersönliche Eigenschaft des "Selbstes" oder von âtman, des höchsten Brennpunktes des Bewußtseins, des Verbindungsgliedes des Menschen mit dem Universalen Selbst oder Brahman andeutet. Es entspricht Emersons "Überseele" und ist in der Gîtâ oft mit der Höchste Geist übersetzt.

Vorsitzender: Danke, Frank. Das könnte uns helfen leichter zu verstehen, warum Krishna sagt, daß das Selbst oder Âtman höher ist als alle. Möchten Sie jetzt den Vers wörtlich übersetzen und dabei die Sanskritausdrücke benützen?

 

Frank: Der Vers lautet dann:

"Es wird gesagt, die indriyâni (Sinne) sind groß; größer als diese ist manas (unser Gemüt); größer als manas ist buddhi (unser intuitives Prinzip); größer noch als buddhi ist sah" oder âtman - unsere göttliche Quelle.

Vorsitzender: Gut. Ehe Sie nun den zweiten Vers hernehmen möchte ich die schon erwähnte Stelle aus der Katha-Upanishad zitieren. Ich werde die Sanskritausdrücke in derselben Weise einsetzen, wie es Frank hier in der Gîtâ getan hat und Sie werden sehen, wie enge sie nicht nur wörtlich, sondern auch im Zusammenhang übereinstimmen und den gradweisen Fortschritt der spirituellen Kraft der Sinne aufwärts erläutern.

Größer (para) als die Sinne (indriyâni) sind deren Objekte (oder Ziele); größer als die Objekte ist manas (das Gemüt); größer als manas ist buddhi (der Verstand); und größer als buddhi ist das "große Selbst" (âtmâ mahân parah).

- I, 3, 10

 

Jack: Das ist ausgezeichnet. Selbst wir, die wir gar nichts von Sanskrit verstehen, können dem folgen.

Vorsitzender: Das war meine Hoffnung. In Ordnung, Frank, wenn Sie wollen, können Sie mit dem nächsten Vers fortfahren und vergessen Sie nicht ihn zuerst in der Fassung Judges vorzulesen, wie beim vorhergehenden Vers.

 

Frank: Der zweite und letzte Vers lautet wie folgt:

Da du nun weißt, was größer ist als das unterscheidende Prinzip und indem du das niedere durch das Höhere Selbst stärkest, so erschlage, du mit mächtigen Armen, diesen Feind, welcher aus Begierde geformt und schwierig zu fassen ist.

Das "unterscheidende Prinzip" ist, wie wir aus dem vorhergehenden Vers wissen buddhi. Der nächste Ausdruck, "das niedere durch das Höhere Selbst" zu stärken, wird wahrscheinlich eine weitere Erklärung erforderlich machen. Buchstäblich bedeutet es das "Selbst durch das Selbst" stützen - âtmânam âtmanâ. Dieser doppelte Gebrauch des Wortes "Selbst" oder âtman, wie in dem obigen Ausdruck, ist sowohl ein Lieblingsthema der Upanishaden als auch der Gîtâ, um zu betonen, daß alle Wesen und Dinge in der Essenz âtman sind und in der besonderen Fassung hier die Notwendigkeit für das menschliche "Selbst" andeuten, sich selbst im Lichte des göttlichen "Selbstes" oder von Âtman zu sehen.

Den letzten Ausdruck "aus Begierde geformt" haben wir auch schon früher beim Lesen gefunden, wo sich Krishna auf die "Leidenschaft" bezieht, die "wie Feuer wütet" etc. An beiden Stellen lautet das Sanskrit kâma-rûpa - wörtlich "Begierden-Körper" - der "beständige Feind des weisen Menschen", den Arjuna "erschlagen" muß, wenn er "spirituelle Unterscheidung" erlangen möchte.

Der Vers würde also als Ganzes lauten:

"Da du weißt (buddhava, d.h. mit buddhi - Bewußtsein wahrnimmst), was über buddhi steht und das menschliche Selbst durch das Göttliche Selbst (âtmânam âtmanâ) stärkest (oder stützt), erschlage du mit mächtigen Armen (Arjuna), diesen Feind, welcher kâma-rûpa (aus Begierde geformt) und so schwer zu fassen ist."

Vorsitzender: Vielen Dank, Frank. Ich hoffe, es war für niemand von Ihnen zu schwierig, um zu folgen. Das sollte von wirklicher Hilfe sein, vorausgesetzt daß wir uns nicht entmutigen lassen, weil wir nicht alle Einzelheiten behalten. Halten Sie nur das allgemeine Bild von Âtman oder der göttlichen Quelle unseres Wesens fest, das Judge und auch die Upanishaden geben, um welches sowohl buddhi und manas, unsere höhere Intelligenz und unser denkendes Prinzip als auch kâma oder unsere Wunschnatur aufgebaut sind. Ohne Âtman könnte keines von ihnen sein. Andererseits, was könnte Âtman nützen ohne die Gelegenheit durch diese verschiedenen Zentren oder Brennpunkte des Bewußtseins zu wirken? Wir würden einen "Reisenden" ohne einen Wagenlenker oder sogar ohne einen Wagen haben! Nein, jede Bewußtseinsphase ist für die praktische Erfahrung der Verantwortlichkeit auf dieser irdischen Ebene unbedingt notwendig.

Wir wollen nun versuchen, das alles zu dem Problem in Beziehung zu bringen, dem Arjuna, und wahrhaftig jeder von uns, gerade hier und jetzt unmittelbar gegenübersteht: Warum tun wir wie von einer uns selbst unbekannten Kraft angetrieben selbst gegen unseren Willen Unrecht? Ist es nur kâma, oder wird unsere "Wunsch"-Natur durch den Anstoß von rajas zum unweisen Handeln angespornt? Oder könnte es sich vielleicht um eine Verbindung beider handeln?

 

Trudy: Wenn unsere Wunschnatur beständig durch rajas angetrieben wird, von dem Sie schon sagten, daß es universal in Erscheinung tritt, und nicht nur auf uns Menschen begrenzt ist, kann ich nicht einsehen, wie wir dann für unsere unrechten Handlungen voll verantwortlich sein können.

Ben: Wir können aber auch nicht annehmen, daß uns alles auf einer silbernen Platte dargereicht wird. Vielleicht ist beabsichtigt, daß unser Bewußtsein nicht nur aus dem Innern unseres Gemütes, sondern auch durch von aussen kommende Eindrücke beständig bombardiert werden soll.

Elmer: Da komme ich nicht mit.

Ben: Nun, wie ich mir vorstelle, wäre es gar zu einfach, wenn wir die Schuld für alle unsere aufregenden Gefühle und Gedanken einer universalen Leidenschaft zuschreiben könnten, anstatt unsere Stärke und unseren Charakter selbst entwickeln zu müssen, indem wir die nicht erwünschten Elemente mit Bedacht ausschalten und uns in die höheren Wellenlängen einschalten. Ich sage nicht, daß das leicht ist. Mir erscheint das tatsächlich als die schwierigste Aufgabe, die es gibt.

Ray: Das könnte vielleicht der einzige der Natur zur Verfügung stehende Weg sein, uns zu zwingen, unsere bequemen mentalen Gleise zu verlassen und bewußt vorwärts zu schreiten.

Martha: Ich habe das Gefühl, daß auch Krishna versucht, Arjuna von einer zu beharrlichen Beschäftigung mit sich selbst abzubringen, indem er ihm sagt, daß kâma alles umschließt, so wie die Flamme vom Rauch umgeben ist und die Gebärmutter den Embryo umhüllt. Er sagt, genau wie die Welt von kâma umspült wird, so findet der weise Mensch seine feinere Unterscheidung von kâma umwölkt und muß immer darauf bedacht sein, den "Feind" zu erschlagen.

Vorsitzender: Eine Mahnung zur Vorsicht. Hier wird das Wort "erschlagen" gebraucht, wir wollen jedoch nicht dem falschen Begriff huldigen, daß unser kâma oder unsere Wunschnatur durchaus böse ist und deshalb buchstäblich ausgetilgt werden muß. Das ist nicht der Fall - es gibt nichts Böses, wenn es nicht durch Denken dazu gemacht wird. Das ist uns bekannt. Kâma ist in Wirklichkeit eine kosmische Energie und ist unpersönlich und ohne Attribute. Im Denken der alten Hindus hatte der Ausdruck eine umfassende Bedeutung und betrifft nicht nur das Element der "Begierde" im Menschen, sondern ist als Kâma-deva oder der Gott des Verlangens oder der Liebe eng mit der göttlichen Kraft verbunden, die ein Universum ins Dasein ruft. Was halten Sie davon anstatt des Wortes "Feind" "Widersacher" zu benutzen, das auf etwas weist, das Widerstand leistet oder seine Kraft der unsrigen entgegensetzt, als etwas, das wirklich schlecht ist? Wir kennen alle das Sprichwort: "Ohne Fleiß kein Preis". Wenn wir unsere spirituellen Muskeln ausbilden möchten, müssen wir sie trainieren.

 

Dan: Das gefällt mir; es hilft, unseren Einwänden die Schärfe zu nehmen. Auch was Martha sagte gefiel mir; es schließt ein, daß das Ganze weit mehr umfaßt, als nur Sie und mich. Es ist ein wunderbares Gefühl, daß unsere Schwierigkeiten nicht immer nur die Folgen unserer eigenen Schwäche zu sein brauchen. Ich weiß natürlich, daß jeder von uns seine eigenen Probleme zu lösen hat; aber sie könnten ebenso hier auf Erden Reflexionen von Kämpfen sein, die in Reichen über uns stattfinden. Das ist nur ein Gedanke, der mir kam.

Tom: Ein ganz guter Gedanke, aber wir können natürlich nicht umhersitzen und die Götter unserer Schwierigkeiten wegen tadeln. Das wäre genau so falsch, wie anzunehmen, daß wir von unseren "Sünden" befreit werden könnten, indem wir sie einfach Jesus aufbürden! Ich muß sagen, mir gefällt keine Philosophie, die an einem solchen Begriff festhält. Ich will für alles, was ich tue oder bin, ob gut oder schlecht, hier und jetzt verantwortlich sein, und ich schaue in dieser Hinsicht weder nach den Göttern noch nach Jesus oder Krishna aus, daß sie meine Bürden tragen.

Dan: So habe ich es ganz und gar nicht gemeint, aber ich ersehe daraus, daß es so geklungen haben muß. Ich hatte folgendes im Sinn: wenn dieses kâma universal gegenwärtig und nicht bloß eine nur auf den Menschen beschränkte Erscheinung ist, so gibt mir das ein beträchtliches Gefühl der "Zugehörigkeit". Gewiß, wir sind als Menschen ganz in Ordnung, aber wir sind nicht allein; wir sind alle in diesem Ganzen, in etwas ungeheuer Großem zusammen, weil wir ein Teil eines sich bewegenden Rades des Wachstums sind, das wahrscheinlich sowohl die "Götter" über uns als auch alle Geschöpfe unter uns umschließt.

Hazel: Mich hat den ganzen Abend etwas beschäftigt, aber ich weiß nicht, ob ich es klar zum Ausdruck bringen kann. Wie kann kâma, wie Krishna sagt, "aus rajas entsprungen sein" und trotzdem die Kraft sein, die ein Universum antreibt, sich zu verkörpern? Das mag nicht sehr wichtig erscheinen, aber es macht mir Kopfzerbrechen. Wie können diese zwei kâmas in Einklang gebracht werden - das kosmische, das anscheinend schon vorhanden ist ehe die "Qualitäten" in Tätigkeit treten und das menschliche kâma, von dem angenommen wird, daß es "aus rajas entsprungen" ist oder daraus geboren wurde?

Vorsitzender: Sie haben Ihre Frage so klar dargelegt, Hazel, daß ich glaube, Sie haben Ihre Antwort bereits erhalten. Vergessen Sie nicht, daß die monadischen Zentren im Menschen, - das sind das göttliche Selbst oder Âtman, buddhi oder die höhere Intelligenz, manas oder das Selbst und kâma oder die Wunschnatur - die alle durch den vital-physischen Körper wirken, in ihrem wesentlichen Kern dem Bewußtsein oder der Geistseite des Menschen angehören, während die "Qualitäten" (ganz gleich welche Ebene wir in Betracht ziehen mögen) als Former des Bewußtseins wirken und deshalb von ihnen gesagt wird, daß sie sowohl zur körperlichen oder materiellen Seite des Menschen als auch der Natur angehören.

Ehe wir das jedoch weiter verfolgen, möchte ich hier einen Gedanken einfügen, um das Bild abzurunden. Ich glaube im Rig-Veda gibt es einen Vers, der folgendermaßen lautet: "Der Wunsch - Kâma - erwachte zuerst in ES", was bedeutet, daß die Samen der zukünftigen Universen, ohne den göttlichen "Wunsch" zu wachsen, weiter schlafend in den grenzenlosen Gefilden des Raumes umherschweben würden. Aber sobald jene schlafenden Monaden den belebenden Hauch von Kâma (dem "göttlichen Wunsch") fühlen und Heere von "Gottesfunken" erwachen, durchbrechen sie die Dunkelheit, um in das Licht des Tages zu kommen. Wieder einmal wird dann eine Welt in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit geboren.

 

Hazel: Das ist wunderbar hilfreich und erinnert auch an die Rolle, die wie man annimmt Eros, der Gott der Liebe, in der alten griechischen Mythologie spielte, ehe er als Kupido so materialisiert wurde.

Vorsitzender: Das ist wahr und ganz natürlicherweise wendet man sich in Gedanken der Genesis zu, dem "Atem der Elohim" oder dem "Geist Gottes", der über dem "Antlitz der Tiefe" brütet und Himmel und Erde gestaltet. Alle diese Ausdrücke sind nur verschiedene Sprachbilder, die auf die immer geheimnisvolle Erscheinung des Geistes hinweisen, der um Erfahrung zu sammeln Verkörperung in der Materie sucht, wobei Licht und Dunkelheit, Tag und Nacht, Gut und Böse zu den "ewigen Wegen" der Natur werden.

Es wird spät und wir müssen schließen. Wir haben das Kapitel keineswegs erschöpft und verschiedene Gesichtspunkte gibt es noch, die eine viel größere Beachtung verdienen. Wir verfolgen hier jedoch nicht den Zweck, die technischen Einzelheiten herauszuarbeiten, wenn aber jemand unter uns daran interessiert ist, kann er diese gelegentlich selbst studieren. Das Wichtigste unserer ganzen Unterhaltung dieses Abends und überhaupt jeder Zusammenkunft, die wir im Verlauf der Jahre hatten, ist, zu wissen, daß wir als selbstbewußte Männer und Frauen die Kraft haben, unseren Wagen in den täglichen Erfahrungen auf die richtigen Wege zu lenken und die Rosse unserer Begierden mit den Zügeln unseres Gemütes mehr unter die Kontrolle von buddhi als von kâma zu bringen, dadurch werden sie augenblicklich den Befehlen unseres Wagenlenkers gehorchen, der nur von Âtman - unserem Führer und stillen Wächter - geführt wird.

Beim nächsten Mal, wenn wir uns wieder über die Gîtâ unterhalten, können wir mit dem IV. Kapitel beginnen.