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Der Mensch in neuer Sicht

 

"Der Mensch ist kein neu erzeugtes Kind des Affen, das infolge einer zufälligen Abirrung geboren wurde oder im blutigen Existenzkampf rein tierischer Art entstanden ist. Eine derartige Idee muß von der Menschheit zurückgewiesen werden und muß aufhören, auf die Lebensführung des Menschen irgendeinen Einfluß auszuüben. Wir erlangten unsere gegenwärtige Ebene nicht auf diese Weise; und werden auch eine höhere sicher nicht durch Steigerung solcher Mittel erreichen."

- Frederic Wood Jones

 

 

 

Am 4. August wurde aus Grosseto in Italien telegraphisch das Auffinden eines Menschenschädels, der 690 Fuß tief in einem Kohlenbergwerk eingebettet war, gemeldet. Nach Auffassung der Wissenschaft wird angenommen, daß dies der älteste Überrest eines Menschen ist. Eine Woche zuvor hatte man nicht weit entfernt vom Fundort des Schädels ein kopfloses Skelett gefunden, von dem man glaubt, daß es zu demselben Menschen gehört, der mit Oreopihecus Bambolii bezeichnet wird. Ein sorgfältiges Studium der geologischen Schicht hat ergeben, daß sowohl das Skelett als auch der Schädel aus der vor etwa 11 oder 12 Millionen Jahren angesetzten frühen Miozän-Periode stammen. Diese Zeit liegt mindestens 10 Millionen Jahre vor dem frühest angenommenen Erscheinen menschenähnlicher Geschöpfe auf der Erde. Ob diese neueste Entdeckung von den Wissenschaftlern anerkannt werden wird und ob sie wichtige Abänderungen der gegenwärtigen Evolutionstheorie bringen wird, bleibt abzuwarten.

Bis jetzt, d. h. bis durch den Schweizer Archäologen, Professor Johannes Hürzeler, Kurator am Museum für Naturgeschichte in Basel, dieser neue Fund gemacht wurde, hatte man allgemein angenommen, daß die "Spaltung" zwischen Mensch und Affe nicht früher als vor einer Million Jahre stattgefunden hat. Professor Hürzeler sieht nun in diesem Skelett den Beweis dafür, daß schon vor mehr als zehn Millionen Jahren neben den Affen bereits menschenähnliche Geschöpfe auf der Erde gelebt haben. Er schließt sogar die Möglichkeit nicht aus, daß der Mensch bereits vor dem Affen existierte. Bis jetzt war es allerdings noch nicht möglich mehr als ein oberflächliches Studium darüber vorzunehmen, weil das Skelett noch teilweise in einem Kohlenklumpen verborgen ist; es wurde aber für weitere Überprüfungen nach Basel gesandt.

"Im Jahre 1869 wurden in der Grube von Montebambolie in der Nähe von Massa Marittima in der Toskana das erste Mal (fossile) Bruchstücke gefunden. Der florentinische Geologe Igino Cocchi sandte diese Bruchstücke dem Paleontologen Gervais in Paris, der sie, weil er Ähnlichkeiten zwischen ihnen und den Makaken entdeckte, irrtümlicherweise als einem Affen zugehörig bezeichnen wollte... Nach jahrelangem Studium der fossilen Reste in Florenz und Pisa, erklärte Professor Hürzeler anläßlich einer Konferenz in New York im Jahre 1956, daß es "menschliche Überreste" wären. Als er diese Theorie vortrug, gab er seinen Hörern zu verstehen, daß die menschliche Spezies einer anderen Entwicklungslinie gefolgt sein muß als die anthropoiden Affen."

Als jetzt seine Theorie durch die in diesem Jahre gemachten Entdeckungen bestätigt wurde, erfolgte eine lebhafte Kontroverse darüber.

"Der heute weltberühmte Schweizer Wissenschaftler behauptet, daß die beiden Zweige - der Zweig des cynocephalus und ceropithecus und der Zweig der anthropoiden Affen und der "pre-humanoiden" - vor ungefähr 70 Millionen Jahren einen gemeinsamen Ursprung hatten, und daß sich die Entwicklung dieses gemeinsamen Stammes in der gleichen Weise in einem Zeitraum von etwa 40 Millionen Jahren vollzog. Auf diese Periode der Anthropoiden und der Vorfahren der Menschheit folgten noch verschiedene Entwicklungslinien. Mit anderen Worten, es begann, über den Abgrund geologischer Zeitrechnungen hinweg der Prozeß der "Vermenschlichung": ein Wort, unter dem Professor Hürzeler den aufrechten Gang, die Bildung der Sprache und das Leben in Gemeinschaften versteht - wobei man sich dies alles in seiner primitivsten Form vorzustellen hat. Obgleich der Oreopithecus 11 Millionen Jahre alt ist, ist er bereits ein "humanoid" entwickeltes Exemplar."

- Le Patriote Illustré, Brüssel, Belgien, 17. August 1958

Wenn eine Theorie einmal über die ursprüngliche Opposition hinaus bestanden hat und bekannt geworden ist, so scheint sie sich im Verhältnis zu den Hindernissen, die sie zu überwinden hatte, mit Zähigkeit zu behaupten. So kommt es auch, daß die Ideen, die Charles Darwin über die Evolution darzulegen versucht hatte, und die später von seinen mehr materialistisch eingestellten Anhängern verschönt und verteidigt und schließlich von den westlichen Literaten als bereits unzweifelhaft erwiesen, angenommen wurden, Jahre hindurch Maßstab und Schiedsrichter für die Tatsachen bildeten. Die wissenschaftliche Theorie über die menschliche Entwicklung hat seither nur unbedeutende Veränderungen erfahren. Grundlegend nimmt sie an, daß der Mensch in seiner ersten Erscheinungsform ein Halbtier war, das sich während einer Reihe von Zeitaltern, den eolithischen, paleolithischen, neolithischen, bronzenen und eisernen Zeitaltern langsam entwickelte. Jedes Zeitalter wurde den darin benutzten Materialien und Fertigkeiten, welche die gestalteten Kunstgegenstände und Geräte erkennen lassen, entsprechend benannt.

Die Wissenschaftler des vergangenen Jahrhunderts glaubten, daß die Entwicklung anderer Techniken und Gebräuche in einer ähnlichen Reihe von aufeinanderfolgenden Stadien angeordnet werden könnte, die den Aufstieg aus der Barbarei zur Zivilisation innerhalb von wenigen tausend Jahren aufzeigt. Unter diesem Gesichtspunkt wurde der primitivste Typus immer als die früheste Form und die am meisten entwickelte Gattung - wir selbst - als der Höhepunkt menschlichen Fortschritts angesehen. Eine wichtige, jedoch unbeachtete Tatsache ist die, daß die historische Forschung diese naive Art evolutionären Denkens nicht bestätigt. Die Geschichtsforschung weist nach, daß die Entwicklung und der Fortschritt der Menschen nur emporsteigt, um wieder zu fallen und zwar deshalb zu fallen, um sich zu einem späteren Zeitpunkt unter anderen Völkern wieder zu erheben. Dem Barbarismus folgt oft eine Periode geläuterten zivilisierten Lebens, und die Völker auf dem einen Teil der Erde können dunkle Zyklen primitiver Unwissenheit durchleben, während in anderen Ländern der Welt die Sonne des Fortschritts in hellem Lichte scheint.

Es ist interessant, sich die Theorien vorzustellen, welche die Wissenschaftler in fernerer Zukunft vorbringen könnten, wenn sie den heutigen Menschen einzig und allein aus den Überbleibseln der australischen Buschmänner oder gewisser afrikanischer Stämme beurteilen würden. Sicherlich würden die Resultate solcher Theorien irreführend sein. Ohne Zweifel befinden sich einige primitive Völker auf dem Wege des Wachstums nach oben, während andere Völker schnell verschwindende Überreste früherer kultivierter Rassen darstellen, die heute weder in der Lage sind, ihre eigene Muttersprache zu lesen oder zu schreiben, noch die religiösen und künstlerischen Errungenschaften ihrer Vorfahren zu verstehen. Wenn ein Skelett gefunden wird, wie sollen wir dann entscheiden, welcher Kategorie es angehört?

Wenn wir die topographischen und geologischen Wandlungen betrachten, die beständig das Antlitz der Erde verändern, so wird diese Verwirrung noch größer: Kontinente steigen auf und versinken, Gebirge entstehen und zerfallen, das Klima geht vom tropischen zum arktischen über. Sogar unsere höchst wertvollen Kohlenstofftests, die das Alter prähistorischer Fossilien bestimmen, setzen voraus, daß die Radioaktivität ganze Zeitalter hindurch gleich groß war. Schließlich könnten wir uns auch noch die Frage vorlegen, warum die jetzt noch vorhandenen Menschenaffen und die gewöhnlichen Affen Darwins Evolutionslehre nicht gefolgt sind und keine Zeichen kommender Menschwerdung aufweisen.

Aus alledem geht hervor, daß die Entwicklung des Menschen viel komplexer ist, als sie die Wissenschaft beschrieben hat. Es ist offensichtlich, daß der Mensch und seine schöpferischen Kräfte niemals durch die Vortäuschung einiger weniger physikalischer und physiologischer Faktoren hinreichend erklärt werden können. Wenn unser Blick erst einmal auf den Menschen als ein göttliches Wesen, das in einem materiellen Tempel wohnt, gerichtet ist, dann werden sich alle unsere politischen, religiösen, wissenschaftlichen - und Entwicklungstheorien - in das grundlegende spirituelle Gesetz des Fortschritts einreihen, das das Elektron, die Blume und die Sterne leitet. Das steht mit den wissenschaftlichen Tatsachen nicht im Widerspruch, sondern ist eine Erweiterung der wissenschaftlichen Theorie, um die spirituellen und ursächlichen Kräfte zu umfassen, die dahinter pulsieren und das Sichtbare erzeugen.

Es scheint, daß einer Welt, die so viel Energie fruchtlosen Projekten zuwendet, wie die Reise zum Mond, die Eroberung des Raumes und die Zerstörung der Erdkugel, erstaunlich wenig über den Ursprung, die Natur und über die Bestimmung des Menschen selbst wirklich bekannt ist. So kann die gegenwärtige Periode in die Geschichte eher als ein Zeitalter der Verwirrung als ein Zeitalter der Erleuchtung eingehen, es gibt aber doch da und dort Zeichen dafür, daß ein neuer Ausblick auf den Menschen als dynamische Einheit des Kosmos immer mehr in den Vordergrund tritt. Man sollte die mutigen und beharrlichen Anstrengungen Dr. Hürzelers und seines Kollegen Dr. de Terra würdigen, und es ist nur zu hoffen, daß ihre Entdeckungen, weil sie den vorherrschenden wissenschaftlichen Meinungen entgegenstehen, nicht etwa sorgfältig in eine verborgene Ecke gestellt und verworfen werden.